TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W114 2194273-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §17

Spruch

W114 2194273-1/9E

Schriftliche Ausfertigung des am 02.10.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 13.03.2018, Zl. 1098757400-151980995, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I., II., III., IV., V., VI. und VIII. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII. stattgegeben und dieser Spruchpunkt - betreffend den Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG - ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , geb. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem, stellte am 12.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Im Rahmen der ebenfalls am 12.12.2015 erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, am 01.01.2000 in der Provinz Maidan Wardak in Afghanistan geboren zu sein. Er sei ledig. Als Fluchtgrund führte er bei der Ersteinvernahme aus, dass er und seine Brüder von einem Bruder seiner Mutter, bei dem sie gewohnt hätten, gequält worden wären. Seine Brüder würden immer noch gequält werden. Der Onkel habe ihm die Nase gebrochen. Seine Mutter sei verrückt geworden und habe sie verlassen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er dort keine Zukunft. Er sei mit einem Bruder seines Vaters und dessen Familie in den Iran geflüchtet und habe sich dort ca. ein Jahr in Teheran - Resalat - Dilawaran aufgehalten. An einer anderen Stelle gab er an, Afghanistan vor ca. einen Monat vor seiner Ankunft in Österreich verlassen zu haben. Seine Ausreise sei von seinem Onkel organisiert worden.

3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 07.11.2017 führte er aus, dass er aus dem Dorf XXXX im Distrikt Jalrez in der Provinz Maidan Wardak stamme. Er habe 10 Jahre lang eine Schule besucht. Er habe seinen Onkel väterlicherseits und dessen Familie erst an der iranisch/türkischen Grenze getroffen und sei mit Ihnen bis nach Österreich gereist.

Konfrontiert mit dem Ergebnis einer sachverständig durchgeführten Altersfeststellung, wobei sich ergab, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls bereits volljährig war, gab er an, erst 17,5 Jahre alt zu sein. Zudem führte er aus, von seinem Onkel erfahren zu haben, dass einer seiner beiden Brüder zwischenzeitig bei einem Autounfall verstorben sei. Sein anderer Bruder wohne nach wie vor bei seinem Onkel mütterlicherseits in Afghanistan. Im Iran habe er ein Jahr lang als Möbelmonteur gearbeitet. Er könne nicht nach Syrien gehen, da dort Krieg herrsche und in Afghanistan könne er nicht gut leben. Zudem wären dort, wo er in Afghanistan gelebt habe, sehr viele Taliban gewesen. Das könne man auch im Internet sehen. Er selbst sei nicht bedroht worden, aber sein Onkel sei grausam und drogenabhängig gewesen. Er habe in Afghanistan, wo seit 45 Jahren Krieg herrsche, niemanden.

4. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 13.03.2018, Zl. 1098757400-151980995, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde ausgesprochen, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 19.09.2017 verloren hat (Spruchpunkt VII.) und dass ihm gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG befristet auf 3 Jahre die Einreise nach Österreich verboten ist.

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA eine ihm drohende Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei.

Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsland keiner relevanten Gefährdung ausgesetzt sein würde. Zudem stehe dem Beschwerdeführer mit den in Afghanistan existierenden Großstädten, insbesondere mit Kabul oder Mazar-e Scharif eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Das BFA vertrat die Auffassung, dass für den Beschwerdeführer gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Afghanistan vorliege, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung einer Gefahr für Leib und Leben in einem Maße ausgesetzt wäre, das die Abschiebung im Lichte des Art. 2 und 3 EMRK unzulässig erscheinen lasse, nicht gegeben sei.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG; der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer im Inland nicht entgegen. Zwar verfüge der Beschwerdeführer über Verwandte, doch lebe er mit diesen in keiner Lebensgemeinschaft. Er würde in Österreich kein Familienleben mit einer besonderen Intensität im Sinne des Art. 8 EMRK führen. Er habe sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG. Besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, stünden dem nicht entgegen. Bei der anzustellenden Abwägung der betroffenen Interessen sei dem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen, als den Interessen des Beschwerdeführers.

Die Erlassung des Einreiseverbotes begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF in Österreich einmal rechtskräftig verurteilt worden sei und im kriminalpolizeilichen Aktenindex insgesamt 4 gerichtlich strafbare Anzeigen in der Zeit vom 12.03.2016 bis zum 09.06.2017 gegen den BF gespeichert seien, darunter Vergehen wie Raufhandel, Diebstahl bzw. solche im Bereich der Suchtgiftkriminalität.

Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer durch am 27.03.2018 zugestellt.

5. Mit Schriftsatz vom 10.04.2018, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48 / 3. Stock, 1170 Wien, Beschwerde.

Der Beschwerdeführer begründete diese Beschwerde im Wesentlichsten zusammengefasst damit, das ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung aufgrund seiner Rückkehr bzw. seiner Verwestlichung und damit aufgrund einer ihm unterstellten politisch oppositionellen Gesinnung drohe. Auch eine Rückkehr nach Afghanistan sei ihm ausgehend von der in Afghanistan, insbesondere in den Großstädten Kabul und Mazar-e Scharif nicht zumutbar.

Er habe in Österreich zahlreiche Familienangehörige, die er vier bis fünf Mal im Monat besuche. Es bestehe auch eine besondere Beziehung zu seinem in Österreich befindlichen Onkel, da diese gemeinsam nach Österreich geflüchtet wären. Es könne somit nicht von einem mangelnden Familienleben gesprochen werden, zumal er in Afghanistan auch keine Familienangehörige habe. Zudem bemühe er sich, Deutsch zu lernen und besuche einen Kurs der Interface Wien.

Die Verhängung eines Einreiseverbotes auf die Dauer von drei Jahren stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das gemäß Art. 8 EMRK geschützte Privatlebens des BF dar. Die festgestellten vom BF begangenen Delikte würden eine zu geringe Schwere aufweisen, um daraus ein Einreiseverbot gegen den BF zu verhängen.

Es wurde auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG beantragt.

6. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Schreiben des BFA vom 02.05.2018 am 03.05.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

7. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 04.07.2018 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen vom 29.06.2018 übermittelt und ihm die Möglichkeit geboten, bis spätestens am Tag der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme abzugeben. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG führte der BF aus, diese nicht gelesen zu haben, da diese in deutscher Sprache verfasst wären und er diese nicht verstehen könne. Seine Rechtsvertreterin gab dazu keine Stellungnahme ab.

8. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 02.10.2018 wurde der Beschwerdeführer u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Das BFA hat seine Abwesenheit mit Schreiben vom 06.07.2018 entschuldigt.

Ausgehend von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wurde unter Hinweis auf § 29 Abs. 2 VwGVG am Ende der mündlichen Verhandlung das Erkenntnis mündlich verkündet und die Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen. Die wesentlichen Entscheidungsgründe wurden dargelegt. Es wurde die Rechtsmittelbelehrung sowie die Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG erteilt.

9. Mit Schreiben vom 12.10.2018, eingelangt im BVwG am selben Tag beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG die Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan mit Stand vom 29.06.2018 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz am 12.12.2015 volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist - ausgehend vom Sachverständigengutachten von XXXX spätestens am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Moslem.

Der Beschwerdeführer stammt nach seinen eigenen Angaben aus dem Dorf XXXX im Distrikt Jalrez in der Provinz Maidan Wardak, Afghanistan. Zumindest ein jüngerer Bruder lebt noch bei einem Onkel mütterlicherseits in seinem Heimatort. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Nach seiner Ausreise aus Afghanistan hielt er sich ca. ein Jahr im Iran auf, wo er als Möbeltischler arbeitete und damit auch die finanziellen Mittel in Höhe von vier Millionen Toman ansparte, um im Jahr 2015 schlepperunterstützt bis nach Österreich zu reisen.

Der BF hat in der mündlichen Verhandlung einen auffälligen Eindruck hinterlassen, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass er bei der mündlichen Verhandlung unter Medikamenten- und/oder Drogeneinfluss stand. Der Beschwerdeführer ist ein junger Erwachsener und leidet unter Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Ein- und Durchschlafstörungen, Alpträumen, dissoziativen Phasen, Antriebsstörung, Konzentrationsstörung und depressiver Stimmungslage. Er konsumiert täglich 50 mg XXXX . Darüber hinaus fühlt er sich jedoch gesund.

Ausgehend von einer mehrjährigen Schulbildung, wobei er selbst angab, dass er 10 Jahre lang eine Schule besucht habe, wird festgestellt, dass er im Stande ist, auch in Afghanistan auf der Grundlage seiner Schulbildung bzw. seiner Berufserfahrung einer Beschäftigung nachzugehen und auch in Afghanistan eine Ausbildung zu absolvieren. Er spricht mit Dari zumindest eine der Landessprachen Afghanistans. Der Beschwerdeführer hat den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht und ist mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatlandes bestens vertraut.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan verlassen, weil er offensichtlich mit seinem Leben in Afghanistan nicht zufrieden war und nach eigenen Angaben von einem Onkel mütterlicherseits, der ihm eine mehrjährige Schulbildung ermöglichte, gequält wurde.

Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan im Jahr 2014 und reiste in Begleitung eines Onkels väterlicherseits und dessen Familie illegal nach einem längeren Aufenthalt im Iran nach Österreich, wo er am 12.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er geht derzeit keiner geregelten Beschäftigung nach. Er lebt in einer Betreuungseinrichtung und wird im Rahmen der Grundversorgung betreut. Er besucht seinen in Österreich befindlichen Onkel vier bis fünf Mal im Monat und wird von diesem finanziell unterstützt, lebt jedoch nicht mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt.

Der BF hatte in Österreich während seines nicht einmal dreijährigen Aufenthaltes in Österreich mehrfach Kontakt mit der Polizei bzw. mit Staatsanwaltschaften und Gerichten. So wurde er mit Urteil des BG Favoriten am 13.09.2017 zur Zahl 030 U 28/2017g wegen eines versuchten Diebstahls am 10.03.2017 zu einer Geldstrafe von 70 Tagsätzen zu je EUR 4,00 verurteilt. Überdies wurde er bereits wegen Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz, des Raufhandels und weiterer Diebstähle belangt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung bedroht wäre.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat überall in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung seines Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Sein Heimatort ist aus infrastruktureller Sicht vom Flughafen Kabul über das Straßennetz in Afghanistan erreichbar. Obwohl Maidan Wardak zu den "volatilen Provinzen" in Afghanistan zu zählen ist und nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass er sein Heimatdorf nicht unbehelligt erreichen kann, ist dem BF eine Rückkehr in sein Heimatdorf zumutbar. Die Distanz zwischen seinem Heimatdorf und dem internationalen Flughafen in Afghanistan auf der Ring Road beträgt weniger als 80 km. Auf dieser Straße, die eine der meistbefahrensten Straßen in ganz Afghanistan ist, fahren zumindest tagsüber sowohl öffentliche Linienbusse als auch Taxis.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Selbst wenn er nicht in sein Heimatdorf zurückkehren könnte, stünden ihm Herat, Mazar-e Scharif oder auch eingeschränkt Kabul, die über internationale Flughäfen erreicht werden könnten, als innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung. Allenfalls stünden nach Angaben der dem BVwG zugänglichen Länderinformationen zu Afghanistan auch andere friedlichere Regionen in Afghanistan als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Der Beschwerdeführer verfügt über nur geringe Kenntnisse der deutschen Sprache; selbst eine nur einfache Konversation mit dem Beschwerdeführer ist kaum möglich.

Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK oder für eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz liegen beim Beschwerdeführer nicht vor. Ein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich besteht nicht.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018:

Politische Lage:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen.

Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.06.2018; vgl. TH 10.06.2018, Tolonews 09.06.2018).

Sicherheitslage in Afghanistan:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.02.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

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Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.02.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 09.03.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.03.2016).

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.03.2016, UNGASC 09.03.2017, UNGASC 27.02.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.03.2016, UNGASC 09.03.2017, UNGASC 27.02.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.08.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die Zahl gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.02.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.02.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.02.2018).

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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 06.06.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.02.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.02.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.02.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.02.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.02.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.06.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.06.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.06.2018; Gandhara 11.06.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.05.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.05.2018; vgl. Gandhara 30.05.2018).

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.05.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.05.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.05.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.05.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.05.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.05.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 09.05.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 09.05.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 09.05.2018; vgl. Tolonews 09.05.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.04.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Focus 30.04.2018, IM 30.04.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.04.2018; vgl. Tolonews 30.04.2018).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.04.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.04.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Pajhwok 30.04.2018, Tolonews 30.04.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 01.05.2018; vgl. AJ 30.04.2018, APN 30.04.2018). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, DZ 30.04.2018, Tolonews 30.04.2018). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.01.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.01.2018; vgl. NYT 28.01.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.01.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.01.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.01.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.01.2018; vgl. Reuters 24.01.2018, TG 24.01.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.01.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.01.2018; vgl. DW 21.01.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.01.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.01.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.01.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.05.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 06.06.2017; vgl. AJ 31.05.2017, BBC 31.05.2017; UN News Centre 31.05.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 07.06.2017).

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Zivilist/innen:

(UNAMA 2.2018)

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 01.01.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 01.01.2018 - 31.03.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.04.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.04.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.01.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.01.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (engl. "explosive remnants of war") 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.08.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.03.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.03.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.04.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.04.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.04.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.04.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.03.2018; vgl. LWJ 20.04.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.03.2018; vgl. Reuters 30.03.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedenskonferenz in Usbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.03.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.03.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 05.02.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.03.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.01.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 09.03.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.01.2018; vgl. AJ 30.04.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 05.02.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 02.02.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 05.02.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 05.02.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien sind eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 06.03.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 01.07.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt, finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 01.07.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.03.2018; vgl. AJ 08.03.2018, UNGASC 27.02.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 01.06.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

Zur Hauptstadt Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Ka

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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