TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/15 W173 2168007-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2018
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Entscheidungsdatum

15.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2167976-1/8E

W173 2168007-1/8E

W173 2168003-1/8E

W173 2168011-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1) XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, (2) XXXX , geb. XXXX , StA:

Afghanistan, (3) XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, und (4) XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.7.2017, Zl (1) 1085765400-151266443, (2) 1085770509-151266826, (3) 1085766103-151266737 und (4) 1085765705-151266630, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.9.2018 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX , XXXX , XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX und XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in der Folge 1.BF), XXXX (in der Folge 2.BF), XXXX (in der Folge 3.BF) und XXXX (in der Folge 4.BF) reisten im September 2015 in Österreich ein und stellten allesamt am 03.09.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

2. Bei der am 04.09.2015 durchgeführten Erstbefragung der Beschwerdeführer durch ein Organ der Landespolizeidirektion Niederösterreich gab die 1.BF an, sie sei am 1.1.1964 in Kandahar, Afghanistan, geboren, gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an und sei Angehörige der ethnischen Volksgruppe der Chandra. Sie sei vor circa fünf Tagen mit ihrer Familie aus Kandahar mit dem Flugzeug ausgereist. Über ihre Fluchtgründe befragt, führte sie aus, sie habe das Land verlassen, da ihre Tochter von Pathans entführt worden sei, da die Familie der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Die Leute in Afghanistan würden wollen, dass die Familie zum Islam konvertiere.

Der 4.BF gab in der Erstbefragung an, am 1.1.1964 in Kandahar geboren zu sein. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Roschan und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er sei vor fünf Tagen mit seiner Ehefrau und seinen zwei Söhnen von Kandahar nach Kabul und von dort aus weiter mit dem Flugzeug geflohen. Er sei wegen seiner Religion in Afghanistan verfolgt worden. Seine Tochter sei vor sieben Monaten entführt worden. Seine gesamte Familie sei bedroht worden und man habe unter Drohungen ihre Konversion zum Islam verlangt.

Der 2.BF gab in der Erstbefragung an, am 22.11.1999 in Kandahar geboren zu sein. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Roschan und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Schwester sei entführt worden. Als Sikhs hätten sie religionsbedingt Probleme gehabt. Die moslemische Bevölkerung in Afghanistan hätte unter Drohungen ihre Konversion zum moslemischen Glauben verlangt.

Der 3.BF gab in der Erstbefragung an, am 1.12.1998 in Kandahar geboren zu sein. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Roschan und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Seine Schwester sei entführt worden. Alle Sikhs hätten religionsbedingte Probleme in Afghanistan. Seine Familie habe deshalb das Land verlassen müssen.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark (in der Folge BFA) am 6.4.2017 führte die 1.BF hinsichtlich ihrer Fluchtgründe aus, dass sie als Sikhs Probleme gehabt hätten. Sie habe nicht aus dem Haus gehen dürfen. Das gesamte Leben sei für sie wie ein Gefängnisaufenthalt gewesen. Sie sei vor fünf Jahren schwanger gewesen. Nach einem Übergriff durch einen Pathan auf dem Weg zum Arzt mit ihrem Mann seien sie angegriffen worden. Dabei sei sie gestürzt und habe das Kind verloren. Die gesamte Familie sei immer wieder geschlagen und als "Hindu" und "Kafir" beschimpft worden. Als sie mit ihrer Familie im Sikh-Tempel gewesen sei, hätten die Pathans den Schwiegervater im Haus der Familie so stark geschlagen, dass dieser nach fünf Tagen ums Leben gekommen sei. Ihre Tochter sei dabei entführt worden. Die Familie sei immer wieder unter Drohung aufgefordert worden, zum Islam zu konvertieren. Ihr Mann (BF 4) sei auch bei der Polizei gewesen, doch diese sei korrupt. Von ihrer entführten Tochter habe sie nie wieder etwas gehört. Im Todesfall sei keine rituelle religiöse Bestattung nach ihrer Religion möglich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan bestehe nicht.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 7.4.2017 führte der 4.BF hinsichtlich seiner Fluchtgründe aus, dass er bereits seit seiner Kindheit Probleme gehabt habe. Er habe nicht zur Schule gehen dürfen und sei ständig beschimpft worden. Im Mai 2014 hätten die Probleme dann begonnen. Er sei von vier Männern attackiert und um 200.000 afghanische Rupien beraubt worden. Im Rahmen eines Arztbesuches mit seiner schwangeren Frau seien sie auf dem Weg nach Hause attackiert worden. Daraufhin habe sie ihr ungeborenes Kind verloren. Das tote Kind habe zu Hause verbrannt werden müssen. Er sei auch in Kabul attackiert worden, als er dort von der Bank Geld holen habe wollen. Sein Vater sei verprügelt worden und den Verletzungen erlegen. Dabei sei auch seine Tochter entführt worden. Der 4.BF sei daraufhin bei der Polizei und auch der Zivilschutzpolizei gewesen, die ihm nicht geholfen habe. Es sei ihm gesagt worden, dass diese Leute nach Pakistan gehen könnten. Danach sei er weiter bedroht worden. Die Familie sollte zum Islam konvertieren, da sie sonst alle umgebracht werden würden. Von der Tochter habe er nichts mehr gehört. Die Zivilschutzpolizei habe ihm gesagt, dass sie nicht mehr in der Stadt sei. Auch andere Teile Afghanistans, wie Kabul, seien für Sikhs nicht sicher.

4. Der 2.BF und der3.BF gaben im Rahmen ihrer Einvernahmen durch die belangte Behörde am 6.4.2017 bzw. 7.4.2017 zu ihren Fluchtgründen zusammengefasst an, dass sie als Sikhs in Afghanistan Probleme gehabt hätten. Sie hätten nicht zur Schule gehen können. Sie seien stets als "Kafir" beschimpft, attackiert und aufgefordert worden, zum Islam zu konvertieren. Ihre Schwester sei entführt worden. Auch die Eltern seien attackiert worden. Ihre schwangere Mutter habe wegen einer Attacke das ungeborene Kind verloren.

5. Das BFA wies mit Bescheiden vom 26.07.2017 zu den Zahlen (1) 1085765400-151266443, (2) 1085770509-151266826, (3) 1085766103-151266737 und (4) 1085765705-151266630 die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. Unter Spruchpunkt II. wurde die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. für alle Beschwerdeführer ebenso abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Unter Spruchpunkt IV. wurde die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

In den angefochtenen Bescheiden stellte die belangte Behörde fest, dass die Identität des jeweiligen Beschwerdeführers nicht eindeutig habe festgestellt werden können. Alle der Kernfamilie zugehörigen Beschwerdeführer seien Angehörige der Volksgruppe der Roshan, Sikh und afghanische Staatsangehörige. Eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan liege bei keinem der Beschwerdeführer vor. Es fehle auch an einer Bedrohungssituation oder besonderen Gefährdung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan. Die jeweiligen Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer wurden als zu vage, widersprüchlich und unglaubwürdig gewertet und die alleinige Zugehörigkeit zu den Sikhs begründe keinen Fluchtgrund im Sinne der GFK.

Hinsichtlich Spruchpunkt II führte die belangte Behörde rechtlich in allen Bescheiden aus, es sich um einen jungen, arbeitsfähigen Mann, der im Stande gewesen sei, den weiten Weg nach Österreich selbst bzw. schlepperunterstützt zu organisieren und schaffen - dies auch noch mit einem mehr als einem Jahr dauernden Zwischenaufenthalt im Iran. Der BF1 sei es jedenfalls im Rückkehrfall möglich, die existenzsichernden Grundbedürfnisse zu erfüllen. Ein Leben alleine sei in der Heimatprovinz in Herat oder in andern Großstädten in Afghanistan möglich. Es sei dem jeweiligen Beschwerdeführer zumutbar, mit seiner Familie in Afghanistan zu leben. Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens nicht habe festgestellt werden können und stelle dies daher keinen Eingriff in das Familienleben iSd Art. 8 EMRK dar. Der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung sei auch im Sinne des Art.8 Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig zu beurteilen. Die Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig. Die Rückkehr sei nach § 9 Abs1 bis 3 BFA-VG zulässig. Mit der Rückkehrentscheidung sei zugleich eine Frist zur freiwilligen Ausreise festzulegen.

Mit Verfahrensanordnungen vom 27.7.2017 wurde für die Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Gegen die vorliegenden Bescheide erhoben die Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, mit Schriftsatz vom 10.8.2017 fristgerecht Beschwerde. Die Beschwerden richteten sich gegen sämtliche Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wesentlicher Verfahrensfehler.

Begründend wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund ihrer Religion (Shiks) und Volksgruppe (Roschan) verfolgt werden würden. Die gesamte Familie sei bedroht, mehrfach physisch attackiert und aufgefordert worden, zum Islam zu konvertieren. Die schwangere 1.BF habe nach einem Angriff ihr ungeborenes Kind verloren. Sieben Monate vor Ankunft der Beschwerdeführer in Österreich sei die Tochter der 1.BF und des 4.BF entführt worden, wobei deren Großvater väterlicherseits schwer verletzt und den Verletzungen erlegen sei. Die Polizei habe nichts unternommen. Es seien weitere Bedrohungen erfolgt. Die Organisation der Flucht habe sieben Monate in Anspruch genommen. Die 1.BF erlebe als Frau darüber hinaus massive Beschränkungen ihrer Grundrechte in Afghanistan- ihr Leben sei wie im Gefängnis gewesen. Sie genieße nunmehr in Österreich ihre Freiheit. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für die Beschwerdeführer nicht, da ihnen als Sikhs im gesamten afghanischen Staatsgebiet Verfolgung drohe. Im Rückkehrfall hätten die BF um ihr Leben zu fürchten.

Die BF1 sei nicht im Hinblick auf eine westliche Gesinnung befragt worden. Die Länderfeststellungen sei bei den BF 2 bis 4 nicht vorhanden bzw. veraltet. Die Feststellungen zur Lage der Sikhs in Afghanistan seien unvollständig und würden Berichte zur tatsächlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden vermissen lassen. Dazu wurde die diesbezügliche Lage erörtert und auf die Judikatur verwiesen. Die Feststellungen würden auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung basieren. Die Ansicht des BFA, es gäbe keine staatliche Diskriminierung der Sikhs, sei verfehlt. Auch könne aufgrund der Sicherheitslage keinesfalls davon ausgegangen werden, dass es den Beschwerdeführern zumutbar sei, sich nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul niederzulassen. Bei einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und einer ordnungsgemäßen Beweiswürdigung hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe. Zudem hätte das BFA zum Schluss kommen müssen, dass die Beschwerdeführer aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage im gesamten Staatsgebiet jedenfalls in eine bedrohliche Lage geraten würden. Als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland seien sie zudem als besonders vulnerabel anzusehen. Die Beschwerdeführer beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung des Asylstatus. In eventu wurde die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. in eventu die Feststellung der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG 2005 begehrt. In eventu sei das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung im Sinne eines besonderen Schutzes gem. § 57 AsylG 2005 festzustellen, sowie sei in eventu der angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Beschwerde wurden diverse Schul- und Kursbesuchsbestätigungen sowie Deutschzertifikate der Beschwerdeführer angeschlossen.

7. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.9.2018 wurden die unter den oben genannten Aktenzahlen protokollierten Beschwerden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Die Beschwerdeführer wurden im Beisein ihrer rechtlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi getrennt ausführlich zu ihren Fluchtgründen und ihrer Situation in Österreich befragt.

Die 1.BF hielt, über ihre Fluchtgründe befragt, ihr Fluchtvorbringen im Wesentlichen aufrecht. Sie gab an, nach einem gewalttätigen Übergriff vor acht Jahren ihr ungeborenes Kind verloren zu haben. Sie habe drei Kinder, von denen ihre Tochter sieben Monate vor der Ausreise entführt worden sei. Ihr Schwiegervater sei dabei so schwer verletzt worden, dass er danach verstarb. Ihr Mann sei deswegen zur Polizei gegangen, aber diese habe nichts unternommen. Die BF 1 führte weiter aus, religionsbedingt ihr Leben im Haus verbracht und keine Schule besuchen können. Außer Haus sei sie wegen ihrer Religion bedroht und zur Konversion zum Islam bedrängt worden. Sie hätten nicht ihre Toten entsprechend ihren religiösen Gebräuchen bestatten können. Sie habe Afghanistan verlassen, da sie wegen ihrer Religion um ihr Leben habe fürchten müssen. Der 2.BF gab an, dass er wegen seiner Religion verfolgt worden sei. Man habe ihn als Sikh erkannt, da er ein anderes Aussehen habe als die Muslime. Auch der Vater seines Vaters sei getötet worden. Er habe Afghanistan verlassen, weil die Familie immer mit dem Tod bedroht und aufgefordert worden sei, die Religion zu wechseln. Daher habe der Vater gewollt, dass zumindest die Brüder und die Mutter des 2.BF überleben, nachdem sie ja die Schwester durch eine Entführung bereits verloren hätten. Er habe religionsbedingt keine öffentliche Schule besuchen können und habe zu Hause durch Einpacken von Lebensmittel seinem Vater, der ein Geschäft in Afghanistan betrieben habe, unterstützt. Wegen der bestehenden Entführungsgefahr durch Moslems habe er sich primär im Haus aufgehalten. Der 3.BF gab ebenfalls an, dass er Afghanistan verlassen habe, da er wegen seiner Religion um sein Leben habe fürchten müssen. Man sei bedroht und seine Schwester sei entführt worden. Auch er habe keine öffentliche Schule besuchen können und habe mittels Hausarbeit (Einpacken von Lebensmitteln) seinen Vater unterstützt. Ebenso verwies er auf die bestehende Entführungsgefahr durch Moslems. Der 4.BF führte über seinen Fluchtgrund befragt aus, dass sieben Monate vor seiner Flucht seine Tochter entführt worden sei. Als er nach Hause gekommen sei, sei sein Vater am Boden gelegen. Er habe nur drei lebend geborene Kinder, seine Frau habe ein Kind verloren nachdem sie zu Boden gestoßen und getreten worden sei. Er habe Angst gehabt, dass das Haus der Familie abermals angegriffen werden würde. Wegen der Entführung der Tochter und den darauf erfolgenden Bedrohungen sei die Familie endgültig geflüchtet. Die Polizei habe nicht geholfen.

Die rechtliche Vertretung der Beschwerdeführer brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer durch die Länderberichte der aktuellsten Version bestätigt werden würde. Die Bewegungsfreiheit von Sikhs sei stark beschränkt und Sikhs seien in Afghanistan gesellschaftlicher Diskriminierung, Belästigung und physischen Übergriffen ausgesetzt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die unter den Aktenzahlen W173 2167976-1 (BF1), W173 2168007-1 (BF2), W173 2168003 (BF3) und W173 2168011 (BF4) protokollierten Beschwerden wurden gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 zu einer gemeinsamen Entscheidung verbunden.

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Religionsgemeinschaft der Sikhs. Die 1.BF ist mit dem

4. BF verheiratet. Die 1.BF und der 4.BF sind die Eltern des 2.BF und des 3.BF. Sie reisten gemeinsam in Österreich ein und stellten am 3.9.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführer sind in der Stadt Kandahar in der Provinz Kandahar geboren und lebten dort bis zur ihrer Ausreise aus Afghanistan.

Die Beschwerdeführer waren aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sikhs in Afghanistan gewaltsamen Übergriffen und Diskriminierung ausgesetzt.

Die Beschwerdeführer wurden auf Grund ihrer Religion regelmäßig beschimpft, mit dem Tode bedroht und aufgefordert zum Islam zu konvertieren. Das Leben der BF1 und ihrer Söhne (BF2-3) war im Hinblick auf Entführungsgefahr von Moslems auf das häusliche Umfeld weitgehend beschränkt. Sie konnten keine öffentliche Schule besuchen. Die Söhne unterstützten den Vater in Form von Hausarbeiten, in dem sie Lebensmittel abfüllten.

Die Beschwerdeführer waren aufgrund ständiger Gefährdung in ihrer Bewegungsfreiheit äußerst eingeschränkt.

Im Februar 2015 kamen Paschtunen zum Haus der Beschwerdeführer, schlugen den 4.BF und entführten die Tochter der 1.BF und des 4.BF. Der Großvater der Familie väterlicherseits wurde bei diesem Überfall zusammengeschlagen und erlag seinen Verletzungen. Der 4.BF wandte sich daraufhin an die Polizei, er erhielt jedoch keine Hilfe. Weiter Bedrohungen folgten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018)

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

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- Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

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Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

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Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

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Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

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Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

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Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

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Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

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Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

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Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

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Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

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Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

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Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

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Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

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Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

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Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

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Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

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Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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