Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde der A in R, vertreten durch Dr. Walter Ratt, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, Obermarkt 26, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 29. November 1995, Zl. IIa-200-6/1, betreffend Bemessung der Kaufkraftausgleichszulage gemäß § 21 GG 1956, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die 1958 geborene Beschwerdeführerin steht als Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Vorarlberg. Ihre Dienststelle ist die Hauptschule Kleinwalsertal in Riezlern.
In einem Rundschreiben vom 30. Juni 1995, das unter anderem an die Dienststelle der Beschwerdeführerin mit dem Ersuchen erging, alle Lehrer und Lehrerinnen entsprechend zu informieren, eröffnete die belangte Behörde nach Ausführungen zur Gebührlichkeit der Kaufkraftausgleichszulage im Zollausschlussgebiet Kleinwalsertal, nach Mitteilung des Bundesministeriums für Finanzen habe die Kaufkraftparität für den Raum Bayern im Vergleich zu Österreich (= 100) im halbjährigen Beobachtungszeitraum von November 1994 bis April 1995 zwischen 106 und 111 betragen. Der Hundertsatz für die Bemessung der Kaufkraftausgleichszulage gemäß § 21 Abs. 1 GG 1956 sei daher, den nunmehrigen Kaufkraftverhältnissen entsprechend, jedoch mit Bedacht auf die besondere Lage der Ortsgemeinde Mittelberg, mit 16 % neu festzusetzen. Aufgrund dieses Sachverhaltes sei die belangte Behörde "leider gezwungen", die Kaufkraftausgleichszulage mit Wirkung vom 1. August 1995 auf 16 % herabzusetzen.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 1995 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit: "Aus aktuellem Anlass bitte ich Sie um Zusendung des die Kürzung der Kaufkraftausgleichszulage betreffenden Bescheides".
In den Verwaltungsakten befindet sich ein anwaltliches Schreiben vom 24. Oktober 1995, in welchem es heißt, der einschreitende Rechtsanwalt vertrete anwaltschaftlich "die Lehrerschaft des Zollausschlussgebietes Kleinwalsertal" (Anmerkung: die vertretenen Personen sind namentlich nicht genannt). Der einschreitende Rechtsanwalt bezog mit näheren Ausführungen Stellung gegen das Vorhaben der belangten Behörde, die Kaufkraftausgleichszulage (von bislang 30 %) auf 16 % herabzusetzen. Nach Urgenz erging an diesen Anwalt ein Antwortschreiben der belangten Behörde vom 23. November 1995 unter Hinweis auf ein (angeschlossenes) Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 18. Juni 1995.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, es werde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin ab 1. August 1995 gemäß § 21 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und Abs. 13 GG 1956 eine Kaufkraftausgleichszulage in der Höhe von 16 % des Monatsbezuges und der Sonderzahlung gebühre.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin stehe als Hauptschullehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Vorarlberg. Sie habe ihren Dienstort an der Hauptschule Kleinwalsertal in Riezlern und müsse dort wohnen.
Im halbjährigen Beobachtungszeitraum von November 1994 bis April 1995 habe die Kaufkraftparität für den Raum Bayern in Vergleich zu Österreich (= 100) zwischen 106 und 111 betragen. Diese Feststellung stütze sich auf die vom Bayrischen Landesamt für Statistik im Kontext zum Harmonisierten Verbraucherpreisindex der Europäischen Union verlautbarten Indices und die in München durch das Österreichische Generalkonsulat durchgeführte Preiserhebung. Diese Ergebnisse seien dem Amt der Vorarlberger Landesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 9. Juni 1995 zur Kenntnis gebracht worden.
Nach Wiedergabe der bezogenen Bestimmungen des § 21 GG 1956 heißt es weiter, das Kleinwalsertal sei auch nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ein Zollausschlussgebiet im Sinne des § 21 Abs. 13 leg. cit., sodass die Kaufkraftausgleichszulage einem Beamten, der seinen Dienstort in diesem Zollausschlussgebiet habe und dort wohnen müsse, gebühre, sofern die Kaufkraft des Schillings dort geringer sei als im Inland.
Da aufgrund der vom Bayrischen Landesamt für Statistik im Kontext zum Harmonisierten Verbraucherpreisindex der Europäischen Union verlautbarten Indices und der vom Österreichischen Generalkonsulat in München durchgeführten Preiserhebung im halbjährigen Beobachtungszeitraum November 1994 bis April 1995 feststehe, dass die Kaufkraft des Schillings am Dienstort der Beschwerdeführerin geringer sei als im "Inland", habe sie Anspruch auf eine Kaufkraftausgleichszulage. Da die Kaufkraftparität für den Raum Bayern im Vergleich zu Österreich (= 100) zwischen 106 und 111 betragen habe, sei die Kaufkraftausgleichszulage gemäß § 21 Abs. 2 GG 1956 mit 16 % festzusetzen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Zurückweisung, hilfsweise die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 106 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984, BGBl. Nr. 302, ist (unter Bedachtnahme auf die in Abs. 2 leg. cit. normierten Abweichungen) im Beschwerdefall das GG 1956 anzuwenden.
Aufgrund der zeitlichen Lagerung des Beschwerdefalles ist § 21 GG 1956 in der Fassung der 53. GG-Novelle, BGBl. Nr. 314/1992, anzuwenden.
Gemäß § 21 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gebührt dem Beamten, solange er seinen Dienstort im Ausland hat und dort wohnen muß, eine monatliche Kaufkraftausgleichszulage, wenn die Kaufkraft des Schillings dort geringer ist als im Inland.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Kaufkraftausgleichszulage nach dem Verhältnis der Kaufkraft des Schillings im Inland zur Kaufkraft des Schillings im Gebiet des ausländischen Dienstortes des Beamten zu bemessen. Sie ist in einem Hundertsatz des Monatsbezuges der Sonderzahlung und der Auslandsverwendungszulage festzusetzen.
Nach Abs. 7 Z. 1 lit. a dieser Bestimmung ist die Kaufkraftausgleichszulage
a) mit dem auf eine wesentliche Änderung des Kaufkraftverhältnisses nach Abs. 2 folgenden Monatsersten oder, wenn die Änderung mit einem Monatsersten erfolgt, mit diesem Tag oder
b) mit dem Tag einer sonstigen wesentlichen Änderung des ihrer Bemessung zugrundeliegenden Sachverhaltes neu zu bemessen.
Nach § 21 Abs. 12 gilt u.a. die Kaufkraftausgleichszulage als Aufwandsentschädigung und ist vom zuständigen Bundesminister im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu bemessen.
Gemäß § 21 Abs. 13 sind die Abs. 1 bis 10 und 12 auch auf den Beamten anzuwenden, der seinen Dienstort in einem österreichischen Zollausschlussgebiet hat.
Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift zunächst vor, eine Verletzung des Parteiengehörs liege nicht vor, weil mit dem Schreiben vom 30. Juni 1995 unter anderem auch alle Lehrer und Lehrerinnen der Dienststelle der Beschwerdeführerin entsprechend informiert worden seien. Die Beschwerdeführerin habe sich in ihrer Eingabe vom 9. Oktober 1995 in keiner Weise zu diesem Schreiben geäußert. Die Möglichkeit des Parteiengehörs habe sie im Gegensatz zu anderen Lehrpersonen (Hinweis auf das anwaltliche Schreiben vom 24. Oktober 1995) nicht wahrgenommen. Das Beschwerdevorbringen stelle daher "insgesamt eine unzulässige Neuerung dar" und sei somit "unbeachtlich". Deshalb sei die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Diese Auffassung der belangten Behörde trifft nicht zu. Abgesehen davon, dass nicht feststeht, ob das Rundschreiben der belangten Behörde vom 30. Juni 1995 der Beschwerdeführerin tatsächlich zugekommen ist, ist auch die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, das gesamte Beschwerdevorbringen (demnach auch einschließlich der Rechtsausführungen) stelle "insgesamt eine unzulässige Neuerung dar" und sei somit unbeachtlich, ebenso unzutreffend, wie die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass deshalb die Beschwerde als "unzulässig zurückzuweisen" sei. Ein Grund für die Zurückweisung der Beschwerde ist vielmehr nicht ersichtlich.
Es geht vorliegendenfalls auch schon deshalb nicht an, der Beschwerdeführerin eine mangelnde Mitwirkung im Verwaltungsverfahren vorzuwerfen, weil sie mit dem Rundschreiben der belangten Behörde vom 30. Juni 1995 (sollte dieses sie überhaupt erreicht haben) gar nicht zu einer Stellungnahme (in einem in Gang zu bringenden Dienstrechtsverfahren) aufgefordert wurde. Der Umstand, dass sich eine Gruppe ungenannter Lehrer in einem anwaltlichen Schreiben zu diesem Vorhaben der belangten Behörde geäußert hat, vermag der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht zum Nachteil zu gereichen.
Das Beschwerdevorbringen ist zwar zu einem erheblichen Teil verfehlt, im Ergebnis jedoch berechtigt:
Da die Beschwerdeführerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht, ist zunächst ihr Hinweis auf dienstvertragliche Regelungen, die es beizubehalten gelte, bereits im Ansatz verfehlt. Dem ist nämlich insbesondere entgegenzuhalten, dass der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses darin gelegen ist, dass Personen in einem Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig werden und bezugsrechtliche Ansprüche nur nach besoldungsrechtlichen Vorschriften (Gesetze bzw. Verordnungen) geltend gemacht werden können. Bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis handelt es sich nicht um ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Vertragspartnern; die aus einem solchen Dienstverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten sind im Gegensatz zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen - sofern nicht Gestaltungsrechte gesetzlich ausdrücklich eingeräumt sind - weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer gestaltbar, sondern haben sich aus dem Gesetz zu ergeben (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 93/12/0075, mwN).
Ebenso ist aus dem Hinweis auf § 21 Abs. 3 GG 1956 nichts zu gewinnen, weil sich diese Bestimmung nicht auf die Bemessung der vorliegenden Kaufkraftausgleichszulage bezieht.
Die Beschwerdeführerin ist weiters der Auffassung, der angefochtene Bescheid sei "auch deswegen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weil entgegen § 21 (12) GehG 1956 die Bemessung nicht vom zuständigen Bundesminister (für Unterricht) erfolgt sei, schon gar nicht im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und schon gar nicht im Einvernehmen mit dem Land Vorarlberg als Dienstgeber". Dieses Vorbringen ist vorliegendenfalls aber nicht dahin zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin (eine Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Vorarlberg) die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides bestreitet (vgl. dazu § 106 Abs. 2 Z. 4 in Verbindung mit § 2 LDG 1984 und die Zuständigkeitsbestimmungen im (Vorarlberger) Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz, LGBl. Nr. 34/1964), sondern es ist dieses Vorbringen vielmehr vor dem Hintergrund der weiteren Ausführungen zu sehen, die belangte Behörde habe sich überhaupt nicht damit auseinander gesetzt, aus welchem Grunde das Land Vorarlberg als Dienstgeber an die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen gebunden sei (gemeint nach dem Zusammenhang: an den vom Bundesminister für Finanzen mit 116 bekannt gegebenen Paritätswert). In diesem thematischen Zusammenhang bringt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vor, sie habe keinen Grund gefunden, die vom Bundesminister für Unterricht und Kunst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen "bemessene Kaufkraftausgleichszulage in Frage zu stellen; hiezu hätte sie auch nicht die Kompetenz".
Dem ist zu entgegnen, dass die Kaufkraftausgleichszulage nicht normativ generell zu bestimmen ist, sondern dass sie die zuständige Dienstbehörde individuell mit Bescheid zu bemessen hat (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 4. März 1981, Zl. 09/3112/80 = Slg. 10390/A). Dieser Bescheid ist entsprechend (§ 60 AVG) zu begründen, wobei freilich die von den Bundesbehörden in anderen Fällen bemessenen Kaufkraftausgleichszulagen vorliegendenfalls keinerlei Bindungswirkung entfalten (ebenso wenig im Übrigen wie allenfalls von der belangten Behörde für andere Landesbeamte bemessene Kaufkraftausgleichszulagen, weil jeder Fall individuell auf Grundlage des Gesetzes zu entscheiden ist).
Vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles ist die Beschwerdeführerin mit ihrer Auffassung im Recht, dass der angefochtene Bescheid unzureichend begründet ist, weil daraus nicht zu entnehmen ist, wie die belangte Behörde zu dem für die Kaufkraftparität im Beschwerdefall maßgebenden Wert gekommen ist. Hiezu kann, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zu einem, soweit hier erheblich, gleich gelagerten Sachverhalt (Bemessung einer Kaufkraftausgleichszulage für einen Gendarmeriebeamten beim Gendarmerieposten Kleinwalsertal durch den Bundesminister für Inneres) ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1997, Zl. 95/12/0255, verwiesen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid lediglich in einer Ausfertigung vorzulegen war.
Wien, am 23. Juni 1999
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996120011.X00Im RIS seit
20.11.2000