TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/8 W219 2006168-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2018
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Entscheidungsdatum

08.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GWG 2011 §69 Abs1
GWG 2011 §72 Abs2
GWG 2011 §79
VwGVG §24 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W219 2006168-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Walter TOLAR über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch SchneideR's Rechtsanwalts KG, Ebendorferstraße 10/6b, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Vorstands der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) vom 14.10.2013, GZ V KOS G 023/13, betreffend die Feststellung der Kosten, der Zielvorgaben und des Mengengerüstes der XXXX gemäß § 69 GWG zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Beschluss vom 22.02.2013 leitete der Vorstand der E-Control (im Folgenden: belangte Behörde) ein Verfahren zur Feststellung der Kosten, der Zielvorgaben sowie des Mengengerüsts gemäß § 69 GWG 2011 betreffend die nunmehr beschwerdeführende Partei ein. Nach Durchführung des behördlichen Verfahrens sprach die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid aus:

"1. Der Kostenanpassungsfaktor wird mit 5,30 % festgestellt.

2. Die Kosten für das Systemnutzungsentgelt gemäß § 72 Abs. 2 GWG 2011 werden wie folgt festgestellt (in TEUR):

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3. Das der Entgeltermittlung für die Netznutzung zu Grunde zu legende Mengengerüst wird wie folgt festgestellt:

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4. Die Mengenbasis für den Bezug aus dem vorgelagerten Netz sowie für zusätzliche vorgelagerte Netzkosten wird wie folgt festgestellt:

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5. Die von den festgestellten Kosten und Werten abweichenden Anträge werden abgewiesen."

In der Begründung des bekämpften Bescheides hat die belangte Behörde im Zuge der Unterscheidung zwischen beeinflussbaren Kosten (nur auf diese wirken die Zielvorgaben gemäß § 79 Abs. 2 GWG) und nicht beeinflussbaren Kosten Folgendes erwogen:

"[Die nunmehr beschwerdeführende Partei] bringt ... vor, dass die

Stadtwerke als Betrieb gewerblicher Art mit 1.1.2001 in die [beschwerdeführende Partei] eingebracht wurden. Das zwischen der Stadtgemeinde und den Stadtwerken abgeschlossene Personalübereinkommen vom 6.9.2001 regle die Überlassung von Arbeitskräften (Gemeindebediensteten); weder das laufende Einkommen noch Vorrückungen oder Pensionsregelungen seien demnach vom Management der Stadtwerke zu beeinflussen. Auch eine Möglichkeit zur Kündigung bestehe nur, soweit dies im Steiermärkischen Gemeinde(vertrags)bedienstetengesetz verankert sei. Daher beantragt das Unternehmen die Anerkennung von Personalkosten für Gemeindebedienstete als nicht beeinflussbare Kosten.

Dazu stellt die Behörde fest, dass § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 auf gesetzliche Vorschriften im Zuge von Ausgliederungen abstellt, d.h. auf ein im Zusammenhang mit einer Ausgliederung erlassenes Gesetz. Eine solche gesetzliche Vorschrift liegt aber im vorliegenden Fall nicht vor. Die erwähnten Gesetze stehen nicht im Zusammenhang mit einer Ausgliederung; umgekehrt stellt das im Zuge der Ausgliederung abgeschlossene Personalübereinkommen keine gesetzliche Vorschrift dar. Aus Sicht der Behörde ist die Bestimmung zu unbeeinflussbaren Kosten (§ 79 Abs. 2 GWG 2011) eng auszulegen. Unbeeinflussbar in diesem Sinne bedeutet, dass dem Unternehmen bei den fraglichen Kosten weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Ermessensspielraum zukommt. Kosten, die aus vertraglichen Vereinbarungen resultieren, müssen aus diesem Grund prinzipiell als beeinflussbar angesehen werden, weil hierzu - zumindest zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses - ein Willensakt des Unternehmens erforderlich war. Wenn auch dem Unternehmen zuzugestehen ist, dass das Dienstverhältnis einschließlich der Einkommens- und Pensionsregelungen bei Gemeindebediensteten gesetzlich determiniert ist, so ergibt sich aus dem Personalübereinkommen, dass insbesondere für die Auswahl des Personenkreises und die Dienstverwendung die Zustimmung der Stadtwerke erforderlich war. Insofern liegt zumindest hinsichtlich dieser Aspekte ein gewisser Grad der Beeinflussbarkeit vor, der im Ergebnis die Anwendung von § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 auf die genannten Personalkosten ausschließt."

2. Mit einem Schriftsatz, der am 31.10.2013 bei der belangten Behörde einlangte, erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an die Regulierungskommission der E-Control (im Folgenden: REK) als damalige Rechtsmittelbehörde.

Die Beschwerde beantragt, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Teil der Personalkosten der beschwerdeführenden Partei unbeeinflussbare Kosten im Sinne von § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 darstellten, den Kostenanpassungsfaktor sowie die festgestellte Summe der Netzkosten unter Berücksichtigung des neu festgestellten Kostenanpassungsfaktors abzuändern. Außerdem wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Entgegen der (oben wiedergegebenen) Ansicht der belangten Behörde habe es anlässlich der "Ausgliederung" für die Übernahme des Personals des Betriebs gewerblicher Art gemäß Einbringungsvertrag vom 06.09.2001 und Personalübereinkommen vom selben Tag sehr wohl eine gesetzliche Vorschrift gegeben, welche "dem Grunde nach" zum Zeitpunkt der Vollliberalisierung des Erdgasmarktes mit 01.10.2002 bereits bestanden habe. Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen sehe in Art. 3 vor, dass die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis im Zuge des Übergangs eines Unternehmens, Betriebes oder Unternehmens- oder Betriebsteiles auf den Erwerber übergehen. Diese EU-Richtlinie bzw. die Vorgängerrichtlinie 77/187/EWG vom 14. Februar 1977 sei in Österreich zunächst durch das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz - AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993, in nationales Recht umgesetzt worden. Allerdings nehme das AVRAG unter anderem Arbeitsverhältnisse zu Gemeinden vom Anwendungsbereich aus. Daher sei Österreich im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie 77/187/EWG bzw. der Richtlinie 2001/23/EG insoweit in Verzug gewesen. Erst später seien entsprechende Landesgesetze zur Umsetzung der Richtlinie auch für Gemeindebedienstete ergangen. In der Steiermark sei die Richtlinie gemäß dem ausdrücklichen Hinweis in § 8 dieses Gesetzes durch das Steiermärkische Gemeindebediensteten-Zuweisungsgesetz, LGBl. Nr. 54/2003, umgesetzt worden. Zum Zeitpunkt der Einbringung des Teilbetriebs gewerblicher Art "Gasversorgung" in die neue Rechtsform der beschwerdeführenden Partei am 12.09.2001 sei somit die Landesregierung mit der Umsetzung der Richtlinie 2001/23/EG säumig gewesen. Aufgrund des unmittelbar anwendbaren Inhalts der Richtlinie sei diese daher auch ohne Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber ab dessen Säumigkeit unmittelbar anwendbar gewesen. Das Personalübereinkommen sei also in Umsetzung der in der Richtlinie zwingend vorgeschriebenen Anordnungen abgeschlossen worden. Im Hinblick auf die zwingende Vorschrift des Art. 3 der Richtlinie sei der beschwerdeführenden Partei keine andere Wahl geblieben, als das Personalübereinkommen zur Übernahme aller im (Teil-)betrieb gewerblicher Art "Gasversorgung" der Stadtgemeinde XXXX beschäftigten Dienstnehmer mitsamt ihren Ansprüchen abzuschließen. Die aus der Übernahme resultierenden Personalkosten seien daher, soweit sie ihren Ursprung in der Zeit vor der Vollliberalisierung hätten, unbeeinflussbare Kosten im Sinne des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011. Aber auch ohne die zwingend anwendbaren Vorschriften der EU-Richtlinie wären die aus der Übernahme des Personals erwachsenden Kosten unbeeinflussbare Kosten: Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hätte das Unternehmen bei Abschluss des Personalübereinkommens vom 06.09.2001 de facto keinen Spielraum gehabt. Mit dem Personalübereinkommen seien der beschwerdeführenden Partei nämlich sämtliche in den eingebrachten Geschäftsbereichen beschäftigten Dienstnehmer zugewiesen worden, es habe für die beschwerdeführende Partei keine Auswahlmöglichkeit gegeben. Ohne Übernahme aller Dienstnehmer wäre die Ausgliederung nicht erfolgt. Die in § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 vorgenommene Aufzählung nicht beeinflussbarer Kosten sei demonstrativ, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergebe; auch in der Aufzählung nicht enthaltene nicht beeinflussbare Kosten seien daher aus der Basis für die Zielvorgaben herauszurechnen. Bei der Auslegung von § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 sei weiters zu berücksichtigen, dass mit der Ausgliederung in einen Rechtsträger privatrechtlicher Art die Möglichkeit geschaffen worden sei, zumindest neues Personal zu kostengünstigeren Rahmenbedingungen anzustellen. Es könne dem GWG 2011 nicht unterstellt werden, dass durch eine Ungleichbehandlung von ausgegliederten Rechtsträgern gegenüber nicht ausgegliederten kommunalen Betrieben Einstellungsmöglichkeiten verhindert werden sollen. Die sich aus dem im Rahmen der Ausgliederung abgeschlossenen Personalübereinkommen ergebenden Mehrkosten seien daher als unbeeinflussbare Kosten anzuerkennen.

3. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde sowie den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 18.03.2014 vor (es handelt sich bei diesem Beschwerdeverfahren um ein fortgesetztes Verfahren gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG; vor dem 01.01.2014 war die REK Rechtsmittelbehörde).

4. Das Bundesverwaltungsgericht machte mit Schreiben vom 28.04.2014 Beschwerdemitteilung an die Verfahrensparteien. Am 18.06.2014 erstattete die belangte Behörde eine Äußerung, mit der sie den Beschwerdeargumenten entgegentrat und die Abweisung der Beschwerde beantragte. Mit Schriftsatz vom 29.09.2014 replizierte die beschwerdeführende Partei auf die Äußerung der belangten Behörde.

5. Mit Schreiben vom 18.10.2018 brachte die beschwerdeführende Partei vor, im Hinblick auf die Erörterung der auch hier maßgeblichen Fragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 27.06.2018 betreffend die Beschwerden desselben Unternehmens gegen Kostenbescheide aus dem Elektrizitätsbereich bestehe aus der Sicht der beschwerdeführenden Partei kein zusätzlicher Nutzen in der Durchführung einer weiteren Verhandlung. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde daher zurückgezogen.

6. Mit Schriftsätzen vom 29.10.2018 bzw. 30.10.2018 stimmten die weiteren Verfahrensparteien der Zurückziehung des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die beschwerdeführende Partei zu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das in Rede stehende Unternehmen der beschwerdeführenden Partei (Gas-Verteilernetzbetreiber) wurde zuerst als "Betrieb gewerblicher Art" unmittelbar von der Stadtgemeinde XXXX geführt, im Jahre 2001 jedoch mit seinen Mitarbeitern auf die beschwerdeführende Partei, eine juristische Person des Privatrechts, die von der Stadtgemeinde XXXX beherrscht wird, übertragen.

Die Übertragung ("Ausgliederung") erfolgte nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern lediglich aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung: Die beschwerdeführende Partei hat das gesamte Personal des eingebrachten Teilbetriebs "Gasversorgung" aus dem Betrieb gewerblicher Art der Stadtgemeinde XXXX mit Einbringungsvertrag und Personalübereinkommen vom 06.09.2001 übernommen. Mitübernommen wurde auch die Verpflichtung zur Tragung der mit diesem Personal zusammenhängenden Kosten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf den Verwaltungsakten und den Schriftsätzen der Verfahrensparteien im Beschwerdeverfahren und sind unstrittig.

3. Rechtlich folgt daraus:

3.1. Das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) lautet auszugsweise:

"Verfahren zur Festsetzung der Systemnutzungsentgelte

Feststellung der Kostenbasis

§ 69. (1) Die Regulierungsbehörde hat die Kosten, die Zielvorgaben und das Mengengerüst von Verteilernetzbetreibern von Amts wegen periodisch mit Bescheid festzustellen.

[...]

Grundsätze der Kosten- und Mengenermittlung

Kostenermittlung für Verteilernetzbetreiber

§ 79. (1) Die den Entgelten zugrunde liegenden Kosten haben dem Grundsatz der Kostenwahrheit zu entsprechen und sind differenziert nach Netzebenen zu ermitteln. Dem Grunde und der Höhe nach angemessene Kosten sind zu berücksichtigen. Der Netzsicherheit, der Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien, der Marktintegration sowie der Energieeffizienz ist Rechnung zu tragen. Die Bestimmung der Kosten unter Zugrundelegung einer Durchschnittsbetrachtung, die von einem rationell geführten, vergleichbaren Unternehmen ausgeht, ist zulässig. Investitionen sind in angemessener Weise ausgehend von den historischen Anschaffungskosten sowie den Finanzierungskosten zu berücksichtigen. Außerordentliche Aufwendungen oder Erträge können über einen mehrjährigen Zeitraum anteilig verteilt werden. Die bei einer effizienten Implementierung neuer Technologien entstehenden Kosten sind in den Entgelten unter Berücksichtigung der beschriebenen Grundsätze und der Nutzung von Synergieeffekten angemessen zu berücksichtigen. Die Kosten des Verteilernetzbetreibers für das Netznutzungsentgelt im Fernleitungsnetz gemäß § 74 sind als Kosten der Netzebene 1 zu berücksichtigen.

(2) Für die Ermittlung der Kosten sind Zielvorgaben zugrunde zu legen, die sich am Einsparungspotential der Unternehmen, der strukturellen Entwicklung der Versorgungsaufgabe und des Marktanteils im jeweiligen Netzgebiet orientieren. Dabei sind die festgestellten Kosten sowohl um generelle Zielvorgaben, die sich an Produktivitätsentwicklungen orientieren, als auch um die netzbetreiberspezifische Teuerungsrate anzupassen. Individuelle Zielvorgaben können aufgrund der Effizienz der Netzbetreiber berücksichtigt werden. Die dabei anzuwendenden Methoden haben dem Stand der Wissenschaft zu entsprechen. Bei der Ermittlung der individuellen Zielvorgaben können neben einer Gesamtunternehmensbetrachtung bei sachlicher Vergleichbarkeit auch einzelne Teilprozesse herangezogen werden. Dabei ist sicher zu stellen, dass für die Verteilernetzbetreiber Anreize bestehen, die Effizienz zu steigern und notwendige Investitionen angemessen durchführen zu können.

(3) Der Zeitraum zur Realisierung der Zielvorgaben (Zielerreichungszeitraum) kann durch die Regulierungsbehörde im jeweiligen Kostenbescheid in ein- oder mehrjährige Regulierungsperioden unterteilt werden. Zum Ende einer Regulierungsperiode können die unternehmensindividuellen Effizienzfortschritte einer Evaluierung unterzogen werden. Nach einer Regulierungsperiode kann neuerlich ein Effizienzvergleich oder ein alternatives dem Stand der Wissenschaft entsprechendes Regulierungssystem zur Ermittlung der Netznutzungsentgelte umgesetzt werden.

(4) Beeinflusst das vertikal integrierte Erdgasunternehmen die Kosten des Netzbetreibers durch Verrechnungen, muss der Netzbetreiber diese Kosten ausreichend belegen. Auf Verlangen der Regulierungsbehörde hat das vertikal integrierte Erdgasunternehmen die Kalkulationsgrundlage für die Verrechnungen vorzulegen.

(5) Zur Abdeckung der netzbetreiberspezifischen Teuerungsrate ist ein Netzbetreiberpreisindex zu berücksichtigen. Dieser setzt sich aus veröffentlichten Teilindices zusammen, die die durchschnittliche Kostenstruktur der Netzbetreiber repräsentieren.

(6) Zielvorgaben gemäß Abs. 2 sowie die netzbetreiberspezifische Teuerungsrate gemäß Abs. 5 wirken ausschließlich auf die vom Unternehmen beeinflussbaren Kosten. Nicht beeinflussbare Kosten sind insbesondere Kosten:

1. für die Nutzung funktional verbundener Netze im Inland sowie für den Verteilergebietsmanager;

2. für Landesabgaben zur Nutzung öffentlichen Grundes (Gebrauchsabgabe);

3. zur Deckung von Netzverlusten auf Basis transparenter und diskriminierungsfreier Beschaffung;

4. aufgrund gesetzlicher Vorschriften im Zuge von Ausgliederungen, welche dem Grunde nach zum Zeitpunkt der Vollliberalisierung des Erdgasmarktes mit 1. Oktober 2002 bestanden haben. Die näheren Kostenarten sind spätestens nach Ablauf von 3 Monaten ab Inkrafttreten dieses Gesetzes durch eine Verordnung der Regulierungskommission festzulegen.

[...]"

3.2. Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde

Zur Ermittlung der relativen Effizienz des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei (und damit zur Bestimmung einer "individuellen Zielvorgabe" iSd § 79 Abs. 2 GWG 2011) hat die belangte Behörde im vorliegenden Verfahren zur bescheidmäßigen "Feststellung der Kostenbasis" ein sogenanntes "Benchmarking" durchgeführt. Gemäß § 79 Abs. 6 Satz 1 GWG 2011 wirken Zielvorgaben gemäß Abs. 2 ausschließlich auf die vom Unternehmen beeinflussbaren Kosten. Unbeeinflussbare Kosten sind im Zusammenhang mit einem "Benchmarking" und der Ermittlung und Anwendung einer (individuellen) Zielvorgabe also gewissermaßen auszuklammern.

Die beschwerdeführende Partei ist mit ihrem Begehren, die Personalkosten für das im Rahmen der Einbringung des "gewerblichen Unternehmens" (gemeint wohl: Betriebes gewerblicher Art) der Stadtgemeinde XXXX in die beschwerdeführende Partei übernommene Personal als unbeeinflussbare Kosten anzuerkennen, nicht im Recht:

Die beschwerdeführenden Partei bringt zusammengefasst vor, die Übernahme der Personals des Betriebs gewerblicher Art der Stadtgemeinde XXXX durch die beschwerdeführende Partei sei zwar im Wege von Verträgen (nämlich des "Einbringungsvertrages" und des "Personalübereinkommens", jeweils vom 06.09.2001) erfolgt, allerdings habe es dafür sehr wohl im Sinne des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 eine gesetzliche Vorschrift gegeben, die dem Grunde nach zum Zeitpunkt der Vollliberalisierung des Erdgasmarktes (01.10.2002) bereits bestand. Diese gesetzliche Vorschrift sieht die Beschwerde in der Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen. Das österreichische Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz - AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993, das zur Umsetzung der genannten Richtlinie bzw. deren Vorgängerrichtlinie dienen hätte sollen, habe zu diesem Zeitpunkt Arbeitsverhältnisse zu Gemeinden von seinem Anwendungsbereich ausgenommen, sodass Österreich insoweit bis zur Schaffung entsprechender Landesgesetze (hier: Steiermärkisches Gemeindebediensteten-Zuweisungsgesetz, LGBl. Nr. 54/2003) mit der Richtlinienumsetzung säumig und die genannte Richtlinie unmittelbar anwendbar gewesen sei. Das Personalübereinkommen vom 06.09.2001 sei somit in Umsetzung zwingender Anordnungen der genannten Richtlinie abgeschlossen worden. Die Personalkosten seien daher, soweit sie ihren Ursprung in der Zeit vor der Vollliberalisierung hätten, unbeeinflussbare Kosten im Sinne des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011. Gewissermaßen hilfsweise bringt die Beschwerde darüber hinaus vor, die aus der Personalübernahme erwachsenden Mehrkosten wären auch dann unbeeinflussbare Kosten im Sinne des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011, wenn es keine gesetzliche Grundlage gäbe, zumal die u.a. in Z 4 leg.cit. vorgenommene Aufzählung nicht beeinflussbarer Kosten nur demonstrativ sei. Denn die beschwerdeführende Partei habe bei Abschluss des Personalübereinkommens de facto keinen Spielraum gehabt. Ohne Übernahme aller Dienstnehmer hätte die Stadtgemeinde die Ausgliederung nicht vorgenommen.

Dem entgegnet die belangte Behörde in ihrer Äußerung zur Beschwerde, den in § 79 Abs. 6 GWG 2011 demonstrativ genannten Positionen von nicht beeinflussbaren Kosten sei gemeinsam, dass sich sowohl der Anfall als auch das Ausmaß der Kosten dem Einflussbereich des Netzbetreibers entziehe. Der Begriff der nicht beeinflussbaren Kosten sei tendenziell restriktiv zu interpretieren, weil sonst die vom Gesetzgeber präzise definierten Tatbestände entwertet würden. Vertragliche Vereinbarungen seien grundsätzlich beeinflussbar, sodass aus Verträgen resultierende Kosten grundsätzlich nicht unter § 79 Abs. 6 GWG 2011 fielen. Kosten könnten nur dann als nicht beeinflussbar angesehen werden, wenn die Kosten unabhängig von einer Willenserklärung des betroffenen Unternehmens entstanden seien (oder diese Willenserklärung weit vor der Liberalisierung abgeschlossen worden sei) und das Unternehmen über keinerlei Ermessensspielraum im Hinblick auf das Entstehen und das Ausmaß der anfallenden Kosten verfüge. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Richtlinie stelle keine gesetzliche Vorschrift iSd § 79 Abs. 6 Z 4 ElWOG 2010 dar, da sie keine spezifische Ausgliederungsvorschrift sei und schon gar nicht im Zuge einer Ausgliederung des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei erlassen worden sei. In der Richtlinie finde keine Zuweisung von Dienstnehmern an die beschwerdeführende Partei, wie sie etwa das Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz vorsehe, statt. Das hier in Rede stehende Personalübereinkommen beruhe auf einer Willensübereinkunft zwischen der Stadtgemeinde XXXX und der beschwerdeführenden Partei, deren Anteile zu 65 % der Stadtgemeinde gehörten.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich im Ergebnis der Sichtweise der belangten Behörde an:

§ 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 stellt zwar - wie die Beschwerde und die belangte Behörde gleichermaßen vorbringen - eine Position in einer nur demonstrativen Aufzählung von Arten von Kosten, die für die Zwecke der Tarifierung als unbeeinflussbar zu gelten haben, dar. Allerdings lässt die Bestimmung nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund ihrer systematischen Stellung die Anordnung des Gesetzgebers erkennen, dass es im Zusammenhang mit der Frage, ob Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit "Ausgliederungen" von Netzbetreibern stehen, als unbeeinflussbar gelten sollen, genau darauf ankommt, ob diese Kosten aufgrund einer Verpflichtung nach einem Gesetz anfallen, das spezielle Regelungen über diesen Ausgliederungsvorgang trifft und das am 01.10.2002 bestanden hat, oder nicht. Dass eine ohne spezielle gesetzliche Regelung erfolgte Ausgliederung zum genannten Zeitpunkt bereits Kosten verursacht hat, genügt - entgegen der hilfsweise von der Beschwerde vertretenen Auslegung dieser Bestimmung - nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig nicht, um diese Kosten nach dieser Bestimmung als unbeeinflussbar anzusehen. Im vorliegenden Fall war es zum genannten Zeitpunkt zwar zu einer "Ausgliederung" gekommen, da das Unternehmen der beschwerdeführenden Partei zuvor als "Betrieb gewerblicher Art" unmittelbar von einer Gebietskörperschaft geführt und im Jahre 2001 mit seinen Mitarbeitern auf die beschwerdeführende Partei, eine juristische Person des Privatrechts, die von dieser Gebietskörperschaft beherrscht wird, übertragen wurde. Die Ausgliederung an sich erfolgte allerdings - auch nach dem Beschwerdevorbringen - nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern lediglich aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte EU-Richtlinie sieht zwar gewisse Pflichten des Übernehmers eines Betriebes vor, die - wie viele andere gesetzliche, etwa gesellschafts- oder arbeitsrechtliche Regelungen - auch in Fällen von "Ausgliederungen" anwendbar sein mögen; die Richtlinie ist allerdings eindeutig keine spezielle, verpflichtende Regelung der hier in Rede stehenden Ausgliederung.

Daher war die Beschwerde abzuweisen (so auch BVwG vom heutigen Tage, W219 2016983-1 und W219 2118882-1; vgl. weiters BVwG 27.09.2018, W157 2006170-1 ua; 27.09.2018, W219 2149246-1 zur gleichartigen Bestimmung des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010).

3.3. Eine mündliche Verhandlung konnte angesichts der Zurückziehung des Antrags der beschwerdeführenden Partei auf ihre Durchführung, der die anderen Verfahrensparteien zustimmten (vgl. § 24 Abs. 3 letzter Satz VwGVG), entfallen.

3.4. Zu Spruchpunkt B) Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt, oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich behandelt wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil sie wegen Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt:

Zur Bestimmung des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011, die den Problemkreis der Anerkennung bestimmter Personalkosten im Zusammenhang mit einer Ausgliederung als unbeeinflussbare Kosten im Zuge der Ermittlung einer individuellen Zielvorgabe für die bescheidmäßige Feststellung der Kosten eines Gas-Verteilernetzbetreibers regelt, existiert keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Diese Bestimmung ist auch nicht als eindeutig (vgl. etwa VwGH 18.03.2015, Zl Ra 2015/04/0005) anzusehen (wenn auch der Wortlaut dieser Bestimmung die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Auslegung nahelegt), sodass hier eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Ausgliederung, Berechnung, Entgeltfestlegung, Ermessensspielraum,
Feststellungsbescheid, Feststellungsverfahren, Gutachten,
Jahresabschluss, Kostenbestimmungsbescheid, Kostenersatz,
Kostentragung, Mehraufwand, Nachvollziehbarkeit, Personalaufwand,
Revision zulässig, Sachverständigengutachten, Vertragsverhältnis,
Willenserklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W219.2006168.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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