Entscheidungsdatum
15.11.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G303 2175546-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 28.09.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 13.07.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel und eine Kopie des Behindertenpasses der BF angeschlossen.
Da die BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" zum Zeitpunkt der Antragstellung war, gilt der Antrag vom 13.07.2017 gemäß dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 21.09.2017 (vidiert am 22.09.2017 von XXXX) wurde, nach persönlicher Untersuchung der BF am 12.09.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Degenerative Wirbelsäulenerkrankung, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5, C5/6 und C6/7
2
Hüftgelenksschädigung beidseits, Zustand nach Hüftgelenksoperation links
3
Arterieller Bluthochdruck
4
Chronisches Schmerzsyndrom, Depression
2.2.
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass der Gang ohne Hilfsmittel und "ohne fremde Hilfsmittel" (gemeint wohl ohne fremde Hilfe) möglich sei. Die Funktionen des Stütz- und Bewegungsapparates seien ausreichend vorhanden, das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel sei zumutbar. Es bestehe ein Zustand nach Bandscheibenoperationen in der Hals- und Lendenwirbelsäule mit mittelgradiger Funktionseinschränkung und Hüftgelenksschädigungen beidseits mit geringer Funktionseinschränkung. Eine zeitweise analgetische Therapie mit NSAR sei ausreichend. Durch das chronisch myofasciales Schmerzsyndrom bestehe keine höhergradige Einschränkung der Mobilität.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.09.2017 wurde der Antrag vom 13.07.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen.
3.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Das oben angeführte Sachverständigengutachten von XXXX vom 21.09.2017 (vidiert am 22.09.2017) wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes zitiert und die entscheidungsrelevanten Kriterien für die gegenständliche Zusatzeintragung angeführt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass ihre Gesundheit aufgrund der Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule stark beeinträchtigt sei und selbst bei geringster körperlicher Belastung eine Schmerzverstärkung eintrete. Die schwerwiegendste gesundheitliche Beeinträchtigung der BF bestehe darin, dass sie aufgrund eines Bandscheibenvorfalles und einer Stenose C5/6 und C6/7 operativ versorgt worden sei. Trotzdem leide sie unter einer Faustschlussschwäche und einem Taubheitsgefühl im linken Arm. Im Jahr 1996 sei auch eine Beckenschiefstandkorrektur vorgenommen worden. Die BF leide an massiven Taubheitsgefühlen in den Beinen; diese würden sich beim längeren Sitzen und Stehen verstärken und ein ständiger Lagewechsel sei deshalb notwendig. Sie könne nur kurze Wegstrecken unter großen Schmerzen zurücklegen und sei nicht in der Lage die geforderten 300 bis 400 m aus eigener Kraft zurückzulegen. Aufgrund der schmerzbedingten Schonhaltung würden der BF auch andere Bereiche des Stütz- und Bewegungsapparates täglich große Beschwerden bereiten.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 06.11.2017 vorgelegt.
6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
6.1. Im ärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.01.2018, wird basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Deutliche Abnützung der gesamten Wirbelsäule mit stattgehabter Bandscheibenoperation im Bereich der Hals- als auch der Lendenwirbelsäule mit partiellen Nervenwurzelreizzeichen ohne neuromotorische Ausfälle im Sinne einer Lähmung
2
Hüftgelenksschädigung beidseits mit Bewegungs- und Belastungsminderung nach stattgehabter Operation im Bereich des linken Hüftgelenkes
3
Chronisches Schmerzsyndrom mit konsekutiver reaktiven Depression
4
Bluthochdruck, medikamentös kompensiert
Der Sachverständige führte aus, dass die Leiden im Vorgutachten ausreichend gewürdigt worden seien. Aufgrund der aktuellen Untersuchung sei festzuhalten, dass eine Abnützung im Bewegungs- und Stützapparat gegeben sei und diesbezüglich mehrere Operationen durchgeführt worden seien. Unbestritten sei auch, dass eine Funktionseinschränkung, welche gewürdigt wurde und auch ein Schmerzsyndrom gegeben seien. Laut Eigenangabe der BF sei eine ausreichende Wegstrecke umsetzbar. Auch das Überwinden von Niveauunterschieden sei möglich und der sichere Stand gewährleistet; dies auf alle Fälle mit einem Hilfsmittel, wobei keine relevante Funktionseinschränkung der oberen Extremitäten gegeben sei.
Bei der BF würden keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder schwere anhaltende Erkrankungen des Immunsystems vor. Es liege auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vorliegen. Öffentliche Verkehrsmittel seien zumutbar.
7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 09.02.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
7.1. Die BF erstattete dazu eine beim Bundesverwaltungsgericht am 28.02.2018 eingelangte Stellungnahme. Darin führte sie aus, dass es ihr möglich sei öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, jedoch würden nach 15 Minuten Schmerzen auftreten. Die Anreise zu ihrem Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nehme ca. 60 Minuten in Anspruch. Die auftretenden Schmerzen würden dann nicht im Laufe des Tages abklingen, sondern sich verschlechtern. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist XXXX geboren und im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert.
Die BF leidet an folgenden Gesundheitsschädigungen:
-
Deutliche Abnützung der gesamten Wirbelsäule mit stattgehabter Bandscheibenoperation im Bereich der Hals- als auch der Lendenwirbelsäule mit partiellen Nervenwurzelreizzeichen ohne neuromotorische Ausfälle im Sinne einer Lähmung
-
Hüftgelenksschädigung beidseits mit Bewegungs- und Belastungsminderung nach stattgehabter Operation im Bereich des linken Hüftgelenkes
-
Chronisches Schmerzsyndrom mit einer konsekutiven reaktiven Depression
-
Bluthochdruck, medikamentös kompensiert
Die Funktionen der unteren Extremitäten der BF sind nicht höhergradig eingeschränkt. Die BF leidet an keinen erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Auch konnten keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems bei der BF festgestellt werden. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit. Im Bereich der oberen Extremitäten sind keine Funktionseinschränkungen feststellbar.
Die BF ist in der Lage eine kurze Wegstrecke (bis zu zehn Minuten) selbstständig und schmerzfrei zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe geleistet werden. Der sichere Transport der BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Ein Ausmaß an Schmerzen, welches eine wesentliche Gangbildbeeinträchtigung und Gangleistungsminderung für kurze Wegstrecken nach sich ziehen würde, das Ein- und Aussteigen bei öffentlichen Verkehrsmitteln oder das Festhalten in diesen, gravierend erschweren würde, kann nicht festgestellt werden.
Der BF ist die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln möglich und auch zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum der BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX vom 29.01.2018 ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen ergeben sich daraus.
Daraus konnte auch zweifelsfrei festgestellt werden, dass bei der BF keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, genannt sind, insbesondere keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, vorliegen.
Die Tatsache, dass die BF in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke zurückzulegen, ergibt sich daraus, dass die BF nach eigenen Angaben durchschnittlich Wegstrecken bis zu zehn Minuten ohne Schmerzen zurücklegen könne.
Aus den Angaben der BF bei der Sachverständigenuntersuchung, dass sie, wenn sie sich konzentriere drei bis vier Stufen steigen könne, ergibt sich, dass die BF in der Lage ist, Niveauunterschiede zu überwinden.
Es konnten auch keine Anhaltspunkte festgestellt werden, dass der sichere Transport der BF im öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich ist. Insbesondere ergibt sich die Gewährleistung des sicheren Transportes dadurch, dass der BF ein freies Gehen und Stehen laut den gutachterlichen Ausführungen von XXXX möglich ist, auch ein Aufstehen aus dem Sitzen ist der BF ausreichend möglich ebenso der Einbeinstand.
Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von XXXX vom 29.01.2018 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde von der belangten Behörde nicht erstattet. Die BF führte in ihrer Stellungnahme aus, dass es ihr möglich sei öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, jedoch nach 15 Minuten Schmerzen auftreten würden.
Durch die vorliegenden Gesundschädigungen ist es auch nachvollziehbar und glaubhaft, dass bei der BF Schmerzen auftreten. Ein Ausmaß an Schmerzen, welches eine wesentliche Gangbildbeeinträchtigung und Gangleistungsminderung für kurze Wegstrecken nach sich ziehen würde und das Ein- und Aussteigen bei öffentlichen Verkehrsmitteln oder das Festhalten in diesen gravierend erschweren würde, konnte nicht objektiviert werden.
Insgesamt konnte aufgrund des medizinischen Sachverständigengutachtens, das auch die seitens der BF in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel berücksichtigt, festgestellt werden, dass der BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und zumutbar ist. Festzuhalten ist auch, dass keine medizinischen Beweismittel vorgelegt wurden, welche dieses Begutachtungsergebnis widerlegen.
Das Sachverständigengutachten von XXXX vom 29.01.2018 wird der daher gegenständlichen Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gegenständlich wird aufgrund der gegebenen Voraussetzungen in der Sache selbst entschieden.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht substantiiert beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung der BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten von XXXX eingeholt, in dem die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF und ihre Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln in nachvollziehbarer Weise dargestellt wurden.
Es konnten bei der BF danach keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, festgestellt werden.
Die BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für die BF selbstständig möglich ist, zumal - wie im Sachverständigengutachten ausgeführt - die BF in einem guten Allgemeinzustand ist, ihr ein freies Gehen und Stehen ohne fremde Hilfe und Hilfsmittel möglich ist und sie nach eigenen Angaben eine Wegstrecke von zehn Minuten schmerzfrei bewältigt. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens der BF geleistet werden. Der sichere Transport im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Die vorgebrachten Schmerzen, welche laut den Angaben der BF nach 10 Minuten Gehstrecke bzw. nach einer viertelstündigen Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel auftreten, konnten nicht in einem Ausmaß und in einer Weise festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Was schließlich den Antrag der BF betrifft, ihr einen Parkausweis nach § 29b StVO auszustellen, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass die belangte Behörde über diesen Antrag ausdrücklich bescheidmäßig nicht abgesprochen hat.
Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). Daher ist der Antrag der BF auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich. Vollständigkeitshalber ist jedoch anzumerken, dass, wie die belangte Behörde in inhaltlicher Hinsicht zutreffend ausgeführt hat, gegenständlich die grundsätzliche Voraussetzung dafür, nämlich der Besitz eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, der über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, fehlt.
Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auch stellt die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für Zusatzeintragungen in den Behindertenpass gegeben sind, stellt stets eine Einzelfallentscheidung dar
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2175546.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.02.2019