TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/21 W189 2184768-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2018
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Entscheidungsdatum

21.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W189 2184768-1/8E

W189 2184766-1/8E

W189 2184764-1/5E

W189 2184769-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch RA Dr. Benno WAGENEDER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2017, Zlen. 1.) 1052695907-150221522, 2.) 1052696403-150221549, 3.) 1052695602-150221590 und 4.) 1073912008-150688315, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.10.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Das Vorbringen der Beschwerdeführer steht in einem derartigen Zusammenhang bzw. ist soweit miteinander verknüpft, dass die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller Beschwerdeführer abzuhandeln war. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist mit der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) verheiratet und die Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder (BF3 und BF4). Gemeinsam werden sie als die BF bezeichnet.

1. BF1, BF2 und BF3, Staatsangehörige der Ukraine, reisten gemeinsam illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 02.03.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte BF1, Staatsangehöriger der Ukraine, christlich-orthodoxen Glaubens und verheiratet zu sein. Er spreche die Sprachen Russisch, Ukrainisch und etwas Tschechisch. Im Herkunftsstaat habe er von 1988 bis 1995 die Grundschule und eine Berufsschule für KFZ-Mechaniker besucht und zuletzt als KFZ-Mechaniker gearbeitet. Dort sei der Vater von BF1 wohnhaft und lebe seine Mutter seit 12 Jahren in Österreich. Zum Fluchtgrund gab BF1 zu Protokoll, dass in der Ukraine Krieg herrsche, er zur Armee habe einrücken müssen und die Ostukraine geschickt worden wäre. Jedoch habe er keine Menschen töten wollen.

BF2 gab zu Protokoll, dass sie Ukrainerin, orthodoxen Glaubens und verheiratet sei. Sie spreche die Sprachen Russisch, Ukrainisch und Englisch. Von 1991 bis 1999 habe sie die Grundschule, von 1999 bis 2002 eine Berufsschule für "Wirtschaftsberufe" und von 2003 bis 2007 die Wirtschaftsuniversität besucht. Zu den Fluchtgründen gab BF2 an, dass BF1 in den Krieg habe ziehen müssen und im Juni, Juli und August 2014 drei Einberufungsbefehle erhalten habe. Da er sich nicht der Armee habe anschließen wollen, seien sie geflüchtet. BF3 befinde sich seit ihrer Geburt in ihrer Obsorge und habe keine eigenen Fluchtgründe.

Am 03.04.2015 wurde BF1 in Graz im Besitz von 2 Gramm Cannabiskraut betreten und polizeilich zur Anzeige gebracht.

2. Am XXXX wurde BF4 im Bundesgebiet geboren und stellte BF2 für diesen als seine gesetzliche Vertretung am 17.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. BF4 habe keine eigenen Fluchtgründe.

3. BF1 und BF2 wurden am 23.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemeinsam niederschriftlich einvernommen. Dabei gaben sie an, dass es ihnen und BF3 gut gehe, nur BF4 habe seit seiner Geburt Probleme mit der Wirbelsäule und Wassereinlagerungen im Gehirn, weswegen er bereits dreimal operiert worden sei. Er werde alle sechs Monate kontrolliert. Dabei wurden ärztliche Unterlagen zum Gesundheitszustand von BF4, sowie Integrationsunterlagen der BF, wie zum Beispiel Deutschkursbestätigungen, Empfehlungsschreiben und eine Arbeitszusage für BF1 vorgelegt. Auch legten sie Identitätsunterlagen vor. BF1 und BF2 berichtigten auf Nachfrage ihre Angaben aus ihrer Erstbefragung zum Reiseweg, da es einen Widerspruch gegeben habe. BF1 und BF2 gaben weiters befragt zu Protokoll, dass sie Ukrainisch und Russisch sprechen würden, BF1 könne etwas Tschechisch und BF2 etwas Englisch. Im Herkunftsstaat hätten BF1, BF2 und BF3 gemeinsam in einer Eigentumswohnung gewohnt, die der Mutter von BF1 gehöre und nun leer stehe. BF1 habe als LKW-Fahrer und BF2 als Buchhalterin in einem medizinischen Zentrum gearbeitet. Die BF hätten keine Probleme bei der Passausstellung bzw. Verlängerung der Gültigkeit gehabt und habe BF1 in der Vergangenheit zweimal ein Schengenvisum für Polen besessen. Zu den Fluchtgründen gaben BF1 und BF2 an, dass BF1 im April und im Juli 2014 zwei Ladung erhalten habe und in den Krieg hätte ziehen müssen. Im August 2014 seien am Abend zwei in zivil gekleidete Männer zu ihnen nachhause gekommen und hätten nach BF1 gefragt. BF2 habe ihnen gesagt, dass BF1 nicht da sei und die Unterschrift verweigert, worauf hin sie ihr entgegnet hätten, sie solle sich entscheiden, ob sie ihren Mann, oder ihre Tochter schützen wolle. Danach habe sie oft ein unbekanntes Fahrzeug vor ihrem Haus gesehen und habe sie einen der zwei Männer erkannt. BF1 sei in der Zeit danach nur noch selten zuhause und immer in der Arbeit oder unterwegs mit dem LKW gewesen. Es habe auch einen Vorfall in der Schule gegeben. Dabei sei BF3 nach ihrem Vater befragt worden und hätte sie gesagt, dass sie nicht wisse, wo sich ihr Vater befinde. Man hätte zu ihr gesagt, ihr Vater sei ein Verräter. Ein unbekanntes Fahrzeug sei auch immer wieder und bis zur Ausreise vor ihrem Haus gestanden. Die BF hätten deshalb entschieden, dass BF1 einige Zeit nach Polen fahren solle, und zwar von Mitte September 2014 bis ungefähr Mitte Oktober 2014. Da BF1 "inoffiziell" gearbeitet habe, habe ihn das Militär auch nicht gefunden. BF1 habe in der Vergangenheit auch überlegt in den Militärdienst einzutreten, jedoch würden die Soldaten ihre eigenen Uniformen kaufen müssen und sei die Armee auf Spenden angewiesen gewesen. Weiters befragt gab BF1 zu Protokoll, dass er weder Hilfsorganisationen, noch die Polizei aufgesucht habe; letztere hätte ihn mitgenommen, wenn er hingegangen wäre. Nochmals danach gefragt, was der konkrete Auslöser für die Flucht gewesen sei, gaben die BF an, dass es keinen solchen gegeben habe, aber als BF2 auch noch schwanger geworden sei, hätten sie noch mehr Angst um ihre Zukunft gehabt. Auch habe es nächtliche Anrufe gegeben, wobei man nach BF1 gefragt hätte. Das seien all ihre Fluchtgründe. Danach gefragt, ob sie politisch tätig gewesen seien, verneinten beide BF diese Frage und gab BF1 zu Protokoll, dass er an der "Revolution" am Maidan teilgenommen habe und seine Daten für die Busfahrt aufgenommen worden seien. Die BF seien nicht mit den Strafgesetzen in Konflikt geraten und gebe es auch keine Haftbefehle gegen sie. Im Bundesgebiet lebe die Mutter von BF1, die über ein Arbeitsvisum verfüge, sonst hätten die BF keine Verwandten oder nahen Angehörigen in Österreich. BF1 und BF2 würden Deutschkurse besuchen und engagiere sich BF1 ehrenamtlich für die Gemeinde. Die BF würden in die Kirche gehen und sich mit den Gemeindebewohnern sportlich betätigen. BF3 spiele Geige und gehe in die Schule. Im Herkunftsort würde die Mutter von BF2 leben, die Pensionistin sei und sei ihr Vater bereits verstorben. Auch lebe dort die Schwester von BF2 gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in der Eigentumswohnung der Eltern; sie sei Schneiderin und ihr Mann Tischler. Auch habe sie weitere Verwandte mütterlicherseits und handle es sich dabei um ihren Onkel, ihre Tante und deren Familien. Sie würden ebenfalls finanziell abgesichert leben. Überdies habe sie eine Verwandte väterlicherseits. BF1 habe zwei Onkeln mütterlicherseits in der Ukraine, wovon einer mit seiner Familie in einer Eigentumswohnung und der andere gemeinsam mit seiner Mutter in einer Eigentumswohnung lebe. Der Vater von BF2 wohne mit seiner Partnerin in einer Eigentumswohnung in Kiew.

BF3 und BF4 hätten keinen eigenen Fluchtgründe; jedoch könne BF4 in der Ukraine keine Behandlung erhalten und womöglich sterben.

Am Ende der Einvernahme wurden die Länderberichte zur Lage im Herkunftsstaat ausgehändigt und wurde den BF die Möglichkeit gegeben, bis 30.11.2017 hierzu Stellung zu nehmen.

4. Mit Schreiben vom 29.11.2017 wurde auf die im Verfahren herangezogenen Länderberichte Stellung bezogen und insbesondere auf die prekäre Versorgungs- und Sicherheitslage in der Ukraine hingewiesen. So seien Regierungsapparat und Beamtentum von Korruption geprägt und sei es für einfache Bürger praktisch unmöglich, medizinische Versorgung zu erhalten. Im Hinblick darauf und auf den im Land geführten "Scheinkrieg" bestehe für den Fall einer Rückkehr eine reale Bedrohung für das Leben der BF.

5. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und weiters gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) erlassen. Weiters wurde innerhalb des Spruches gemäß § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung der BF in die Ukraine festgestellt (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG bis 24.02.2018 festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung von BF1 aufgrund der Wehrdienstverweigerung nicht glaubhaft sei, zumal dieses im Verfahren gesteigert worden sei und überdies in der Ukraine nur wenige Anklagen und kaum Verurteilungen aufgrund dessen stattfinden würden. Schließlich sei die ukrainische Armee im Moment gut ausgerüstet und würden keine weiteren Mobilisierungswellen stattfinden. Den Länderberichten zufolge sei die medizinische Versorgung in der Ukraine kostenlos und flächendeckend. Laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation seien Shunt-Operationen, die Anpassung und die Nachbehandlung in der Ukraine verfügbar und habe die angeforderte Befundinterpretation vom 13.12.2017 ergeben, dass der Verlauf des Krankheitsbildes von BF4 insgesamt als zufriedenstellend zu bewerten sei. Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass die BF somit nicht in der Lage gewesen seien, eine Bedrohungssituation iSd. Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes wurde im Wesentlichen damit begründet, dass kein reales Risiko einer derart extremen Gefahrenlage vorliege, welches einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle würde und somit einer Rückführung der BF in ihr Heimatland entgegenstehen würde. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand von BF4 wurde mit Verweis auf die Befundinterpretation vom 13.12.2017 ausgeführt, dass er stabil sei, alle Kontrollen positiv verlaufen seien und er derweil keine weiteren Therapien oder Medikamente benötige. Schließlich bestünden im Bundesgebiet keine Hinweise auf weitere familiäre Anknüpfungspunkte oder eine außerordentliche Integration, weshalb das Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden könne. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde für den 24.02.2018 angesetzt, um BF3 den Abschluss des ersten Halbjahres zu ermöglichen und BF1 sowie BF2 genügend Zeit zu geben, damit sie alle für die Reise in die Ukraine notwendigen Vorkehrungen bezüglich der Krankheit von BF4 treffen können.

6. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und wurden diese zur Gänze angefochten. Insbesondere wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes vorgebracht, dass BF1 als Teilnehmer der Proteste am Maidan politisch aktiv gewesen und ins Visier der ukrainischen Behörden geraten sei. Aufgrund der sprachlichen Barriere hätten die BF ihr Vorbringen im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht vollständig und wahrheitsgemäß artikulieren können. Überdies hätte die Behörde den BF bestimmte Themenbereiche der Länderberichte vorhalten müssen und sei ihnen das medizinische Gutachten vom 13.12.2017 nicht übermittelt worden. Schließlich sei das Kindeswohl von BF3 im Bundesgebiet am besten gewahrt, zumal sie sich kaum von den gleichaltrigen Mädchen ihres Jahrganges der Gemeinde unterscheiden würde.

7. Mit Urkundenvorlage vom 09.05.2018 wurden weitere medizinische Unterlagen zum Gesundheitszustand von BF4 vorgelegt und wurde weiters darauf hingewiesen, dass weitere Operationen in Österreich wahrscheinlich seien.

8. Am 31.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt, zu welcher BF1, BF2 und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Im Rahmen dessen wurde BF1 und BF2 Gelegenheit geboten, ausführlich zu ihren Fluchtgründen Stellung zu nehmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete mit Schreiben vom 18.09.2018 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und ist ein Vertreter der Behörde entschuldigt nicht erschienen. Vorgelegt wurden allgemeine Internetberichte über die Lage von Kriegsdienstverweigerern und Oppositionellen in der Ukraine sowie weitere Integrationsunterlagen und Fotos der BF. Auch wurde ein Ambulanzbrief zum Gesundheitszustand von BF4 vorgelegt.

9. Einlangend am 15.11.2018 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter der BF eine Stellungnahme in welcher im Wesentlichen auszugsweise aus einer Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, Nr.46 vom 10.11.2018, unter dem Titel "Notstandsgebiete" auf die politischen Verhältnisse insbesondere hinsichtlich der Ostukraine Bezug genommen wird. Bezugnehmend auf die im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Länderberichte zur Ukraine wurde noch auf schwierige finanzielle Situation im Gesundheitswesen hingewiesen sowie darauf, dass bei Eintritt einer Infektion der BF4 sofort behandelt werden müsse.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der BF, beinhaltend die jeweiligen Erstbefragungen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.03.2015 und der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.11.2017 von BF1 und BF2, sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 31.10.2018, und schließlich durch Einsicht in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und IZR sowie durch Einsichtnahme in das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine und der eingeholten Befundinterpretation von Dr. XXXX vom 13.12.2017.

1. Feststellungen:

1.1. Festgestellt wird, dass die BF Staatsangehörige der Ukraine sind. BF1 und BF2 sind miteinander verheiratet und gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter, BF3, in das Bundesgebiet eingereist. BF4 ist ihr im Bundesgebiet geborener Sohn. Im Herkunftsstaat lebten die BF in XXXX . Sie gehören der Volksgruppe der Ukrainer an, bekennen sich zum orthodoxen Glauben und sprechen sowohl Ukrainisch als auch Russisch; BF1 kann überdies etwas Tschechisch, BF2 beherrscht ein wenig Englisch. BF1 und BF2 besuchten in der Ukraine die Schule und eine Berufsschule für KFZ-Mechaniker bzw. für "Wirtschaftssachen" und besuchte BF2 überdies die Universität. BF1 arbeitete als LKW-Fahrer und BF2 als Buchhalterin in einer Privatklinik. Sie lebten gemeinsam mit BF3 in einer Eigentumswohnung im Westen der Ukraine, die es auch weiterhin gibt und die im Moment leer steht. Die BF lebten wirtschaftlich abgesichert.

1.2. Die BF stellten nach illegaler Einreise am 02.03.2015, bzw. nach der Geburt von BF4, am 17.06.2015, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Nicht festgestellt werden kann, dass den BF in der Ukraine eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Die BF können auch weiterhin im Herkunftsort leben, der weit entfernt von den von Unruhen betroffenen Gebieten in der Ukraine gelegen ist, oder in einem anderen Ort in der Ukraine, wie zum Beispiel in Kiew, und wo die Lage ebenfalls ruhig ist.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die BF1, BF2 und BF3 sind gesund.

Bei BF4 war bereits pränatal eine Meningomyelocele bekannt und zeigten sich bei der Geburt die Diagnose einer Arnold-Chiari-Malformation Typ II mit Hydrocephalus occlusus und Meningomyelocele L5 bis S2. Es wurde am 27.05.2015 die Entfernung der Cele und der Verschluss des Rückenmarkskanals durchgeführt, und am 02.06.2015 ein ventrikulo-peritonealer Shunt zur Ableitung des gesamten Gehirnwassers gelegt. Aufgrund einer Shunt-Dysfunktion musste BF4 ein drittes Mal operiert werden. Alle weiteren fachärztlichen Kontrollen zeigten den Erfolg der durchgeführten Maßnahmen und wurde der weitere Verlauf seiner Erkrankung als "zufriedenstellend" beschrieben. Bis auf regelmäßige videourodynamische Untersuchungen, neurochirurgische und augenärztliche Kontrollen sind keine weiteren Therapien und keine Medikation empfohlen worden. Der nächste Kontrolltermin mit MR der gesamten Neuroachse beim Kepler Universitätsklinikum, Universitätsklinik für Neurochirurgie, ist für April 2019 geplant. Die nächste urologische Untersuchung ist für August 2019 vorgesehen. BF4 benötigt jedenfalls Zugang zu fachärztlichen Kontrollen sowie eine chirurgische Interventionsmöglichkeit für den Fall einer Shunt-Dysfunktion. Es besteht keine Lebensgefahr, wenn im Falle einer Shunt-Dysfunktion "rasch" chirurgisch interveniert wird. Er ist reise- und flugfähig. Ein dauernder Aufenthalt in Österreich wird von den behandelnden Ärzten empfohlen. Bei BF4 wurde ein Grad der Behinderung von 50% festgestellt und er ist im Besitz eines befristeten Behindertenpasses bis 30.04.2019. Eine diesbezügliche Nachuntersuchung ist für April 2019 geplant, weil eine Besserung möglich ist.

Die BF befinden sich seit März 2015 im Bundesgebiet, leben von Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. BF1 und BF2 haben Deutschkurse besucht, zuletzt einen Kurs des Niveaus B1 der deutschen Sprache. Sie leben in der Pfarrgemeinschaft der Wohnsitzgemeinde und verfügen über Freunde und Bekannte im Bundesgebiet. BF1 verfügt über eine Arbeitszusage für eine Steuerberatungsfirma und engagieren sich die BF ehrenamtlich in der Gemeinde mit Hilfsarbeiten. BF3 besucht die Hauptschule, BF4 geht in den Kindergarten.

Im Bundesgebiet lebt die Mutter von BF1. Die BF haben sonst keine Verwandten oder nahen Angehörigen in Österreich und konnte eine überdurchschnittliche Integration der BF im Bundesgebiet nicht festgestellt werden. Im Herkunftsstaat haben die BF, wo sie (mit Ausnahme von BF4) den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht haben, noch zahlreiche soziale Anknüpfungspunkte. Im Herkunftsort leben die Mutter und die Schwester von BF2. Der Vater von BF1 lebt gemeinsam mit seiner Partnerin in einer Eigentumswohnung in Kiew. Überdies leben weitere Verwandte von BF1 und BF2 in der Ukraine. Dabei handelt es sich um zwei Onkeln mütterlicherseits von BF1 und den Onkel und der Tante mütterlicherseits von BF2, sowie deren Familien. Die Verwandten der BF leben finanziell abgesichert. Sie stehen in Kontakt zu ihren Verwandten in der Ukraine bzw. kann dieser wiederhergestellt werden.

BF1 und BF2 sind strafgerichtlich unbescholten und stehen im erwerbsfähigem Alter.

1.3. Zum Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

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DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

-

DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

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UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

KI vom 30.11.2017, Zeugen Jehovahs (relevant für Abschnitt 15/Religionsfreiheit)

In verschiedenen Regionen der Ukraine beklagen religiöse Minderheiten Diskriminierung durch lokale Behörden. Die ukrainischen Gesetze verbieten jedenfalls Diskriminierung aufgrund des Glaubens, und religiöse Gruppen haben auch Möglichkeiten im Gesetzgebungsprozess gehört zu werden. Ukrainische Gerichte haben an mehreren Orten Polizeistrafen aufgehoben, welche gegen Zeugen Jehovahs wegen der Verteilung ihrer Schriften an öffentlichen Orten verhängt worden waren. Es gibt Berichte von physischen Angriffen auf Zeugen Jehovahs und von Vandalenakten gegen ihre Einrichtungen. Für 2016 werden 21 Fälle von Vandalismus (davon drei Brandstiftungen) gegen Königreichhallen gezählt, während es 2015 noch 56 Fälle von Vandalismus (davon fünf Brandstiftungen) waren. Es gibt aber auch Berichte über behördliche Gegenmaßnahmen, etwa die Verurteilung von Tätern bei Körperverletzungen. 2015 hatte der Gemeinderat eines ukrainischen Dorfes im Oblast Kirovohrad alle Religionsgemeinschaften außer der lokalen orthodoxen Gemeinde verboten, darunter auch die Zeugen Jehovahs. Dieses Verbot wurde auf Intervention des Büros des Ombudsmanns zurückgenommen, was die Zeugen Jehovahs sehr begrüßten. (USDOS 15.8.2017a).

In früheren Jahren zählten die Zeugen Jehovahs 64 Körperverletzungen (2008-2014) und 190 Vandalenakte (2008-2013) bei, nach eigenen Angaben, 150.000 Mitgliedern. Sie beklagten die Passivität von Polizei und Gerichten bei der Verfolgung der Delikte (JW 28.7.2014). 2014-2016 zählten die Zeugen Jehovahs 115 Übergriffe; acht Täter wurden in diesem Zeitraum gerichtlich verurteilt. Auch beklagten sie Einmischung der Behörden bei der Errichtung von Königreichsälen (UNHRC 31.8.2017). Andererseits sehen die Zeugen Jehovahs in der Ukraine ihre Position im Land durch ein ukrainisches Gerichtsurteil gestärkt, das der Religionsgemeinschaft die Anmietung von Gebäuden erleichtert (JW 24.3.2017). Laut Bericht wurde der Tag der offenen Tür der Zeugen Jehovahs in Lemberg auch von Behördenvertretern besucht (JW 25.7.2017).

Die Zeugen Jehovas sind eine jener Religionsgemeinschaften, deren Angehörige in der Ukraine ausdrücklich für einen Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen infrage kommen, was auch für den Mobilisierungsfall gilt, wie eindeutig gerichtlich bestätigt wurde (USDOS 10.8.2016) (siehe dazu Kap. 9.1. Wehrersatzdienst, Anm.).

Die Separatisten in den selbsternannten Volksrepubliken Donetsk (DPR) und Lugansk (LNR) sperrten unter anderem eine Reihe von Zeugen Jehovahs ein. Nachdem in der DPR ein Gesetz zum Verbot von Sekten erlassen wurde, wurden einige Königreichhallen der Zeugen Jehovas besetzt, zwei davon aber auch wieder zurückgegeben (USDOS 15.8.2017a). Auf der Krimhalbinsel wird faktisch russisches Recht umgesetzt (USDOS 15.8.2017b). Die Zeugen Jehovahs wurden auf der Krimhalbinsel im April 2017 durch Entscheidung des russischen Verfassungsgerichts für illegal erklärt, weil sie eine extremistische Organisation seien. Am 1. Juni 2017 wurden alle 22 Gemeinden dieser Religionsgemeinschaft auf der Krim (geschätzte 8.000 Mitglieder) amtlich abgemeldet. Am 9. Juni 2017 wurde einem Zeugen Jehovahs auf der Krim erklärt, er habe als solcher in der Russischen Föderation kein Recht auf einen Wehrersatzdienst aus Glaubengründen. Am 27. Juni 2017 wurde das Oberhaupt einer Gemeinde der Zeugen Jehovahs wegen unerlaubter Missionierungstätigkeit vor Gericht geladen und starb später am Tag an einer Herzattacke (OHCHR 25.9.2017).

Quellen:

? JW - Jehovahs Witnesses (24.3.2017): Oberstes Gericht der Ukraine stärkt Versammlungsfreiheit,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/high-gericht-st%C3%A4rkt-versammlungsfreiheit/, Zugriff 29.11.2017

? JW - Jehovahs Witnesses (25.7.2017): Behörden­vertreter besuchen Zweigbüro von Jehovas Zeugen in der Ukraine am Tag der offenen Tür, https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/pressemitteilungen/nach-region/ukraine/behoerdenvertreter-besuchen-zweigbuero-jehovas-zeugen-tag-der-offenen-tuer/, Zugriff 29.11.2017

? JW - Jehovahs Witnesses (28.7.2014): Passivität der Strafverfolgungsbehörden in der Ukraine leistet weiteren Straftaten Vorschub,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/religioes-motivierte-gewalt-bleibt-ungestraft/, Zugriff 29.11.2017

? OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (25.9.2017): Situation of human rights in the temporarily occupied Autonomous Republic of Crimea and the city of Sevastopol, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1506587856_crimea2014-2017-en.pdf, Zugriff 29.11.2017

? UNHRC - UN Human Rights Council (31.8.2017): Summary of Stakeholders' submissions on Ukraine; Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1510062028_g1725515.pdf, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (15.8.2017a): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/345317/489112_de.html, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (15.8.2017b): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/345319/489113_de.html, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/328420/455696_en.html, Zugriff 29.11.2017

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka) 142

Volksfront (Narodny Front) 81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok) 43

Selbsthilfe (Samopomitsch) 26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka) 20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna) 20

Gruppe Wolja Narodu 19

Gruppe Widrodshennja 24

Fraktionslose Abgeordnete 48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

Halbinsel Krim

Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:

Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.

a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).

Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).

Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).

Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).

Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).

Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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