TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W247 2116096-1

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
VwGVG §35
VwGVG §40

Spruch

W247 2116096-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA Armenien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2015, Zl. XXXX , die Anordnung der Schubhaft, sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Zeitraum von 15.10.2015 bis 27.10.2015, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 15.10.2015 bis 27.10.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Dem Antrag auf (unentgeltliche) Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers wird gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG nicht Folge geleistet.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesministerium für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Erster Asylantrag im Bundesgebiet:

1.1 Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 1999 nach Deutschland, hat sich dort als XXXX ausgegeben und ist nach negativem Ausgang seines Asylverfahrens am 07.01.2001 nach Österreich gereist.

1.2. In Österreich hat er am 08.01.2001 unter dem Namen XXXX erstmals mit der gleichen Begründung - wie in Deutschland - einen Asylantrag gestellt.

1.3. Mit Bescheid vom 23.03.2001, Zl. XXXX , wies das Bundesasylamt diesen ersten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 und 3 AsylG ab und stellte zugleich fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gem. § 8 leg. cit. zulässig sei.

1.4. Gegen diesen Bescheid wurde mit am 30.03.2001 eingebrachten Schriftsatz Berufung erhoben.

1.5. Der Unabhängige Bundesasylsenat hat mit Bescheid vom 10.01.2002, Zl. XXXX , die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.03.2001 gemäß § 6 Z 2 und 3 sowie § 8 AsylG abgewiesen und zugleich festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG zulässig ist.

1.6. Die Behandlung der Beschwerde gegen diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20.06.2002, Zl. XXXX , abgelehnt.

2. Zweiter Asylantrag im Bundesgebiet:

2.1. Anschließend hat sich der Beschwerdeführer von November 2002 bis 15. oder 20.12.2002 sowie vom 14.06.2004 bis zur Rücküberstellung nach Österreich am 02.07.2004 in der Schweiz aufgehalten, wo er im Jänner 2002 sein erstes und am 14.06.2004 sein zweites Asylgesuch eingebracht hat.

2.2. Am 25.08.2003 brachte der Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX in Österreich seinen (zweiten) Asylantrag ein. Dieses Verfahren wurde am 15.12.2003 wegen Abwesenheit (Aufenthalt in der Schweiz) des Berufungswerbers gem. § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt.

2.3. Nach der Rücküberstellung des Beschwerdeführers von der Schweiz nach Österreich am 02.07.2004 wurde das eingestellte (zweite) Asylverfahren des Beschwerdeführers durch die niederschriftliche Befragung am 29.10.2004 vom Bundesasylamt fortgesetzt.

2.4. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 12.04.2006, Zl. XXXX , den (zweiten) Asylantrag des Berufungswerbers vom 25.08.2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und stellte zugleich fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers nach Armenien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG sowie seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien gem. § 8 Abs. 2 leg. cit. zulässig seien.

2.5. Dagegen wurde mit dem am 02.05.2006 eingebrachten Schriftsatz Berufung erhoben.

2.6. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29.06.2006 wurde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.04.2006 gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 AsylG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Glaubhaftmachung einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung nicht vorliege und nicht angenommen werde, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in sein Heimatland einer Bedrohungssituation ausgesetzt wäre.

2.7. Am 16.01.2009, 11.02.2009 und 24.03.2009 hat der Beschwerdeführer in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2.8. Zuletzt wurde in Italien ein inhaltliches Asylverfahren durchgeführt und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel erteilt.

3. Dritter Asylantrag im Bundesgebiet:

3.1. Im März 2015 reiste der Beschwerdeführer zusammen mit seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern aus Italien illegal nach Österreich ein und brachte am 19.03.2015 den (dritten) Antrag auf internationalen Schutz ein.

3.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 15.04.2015 ein auf Art. 12 Abs. 1 Dublin III-Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien, welchem dieser Mitgliedstaat mit Schreiben vom 27.04.2015 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.

3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 03.06.2015, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18. Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 09.06.2015 Beschwerde erhoben. Das BVwG erkannte weder dem BF, noch seiner Familie, die aufschiebende Wirkung zu, wodurch das Verfahren des BF seit dem 26.06.2015 durchführbar geworden ist. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2016 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 03.06.2015 gemäß § 5 AsylG, § 61 FPG und § 21 Abs 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

3.3. Am 15.10.2015 hätte der BF nach Italien überstellte werden sollen. Aufgrund der Weigerung des BF auszureisen und dessen Verhalten bei der Sicherheitskontrolle am Terminal 240 wurde die Abschiebung abgebrochen.

4. Gegenständliches Verfahren:

4.1 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 15.10.2015, Zl. XXXX , über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm § 76 Abs. 2a FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, iVm § 57 Abs. 1 AVG idgF, zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend wurde im Wesentlichen zur Fluchtgefahr des BF sein bisheriges Verhalten ins Treffen geführt, nämlich, dass sich der BF bereits am 15.10.2015 geweigert habe nach Italien überstellt zu werden und damit drohte sich selbst oder Einrichtungsgegenstände des Flugzeuges zu "beschädigen". Darüber hinaus wisse er, wie er die Abschiebung seiner Familie verhindern könne. Auch für die Zukunft gab er an nicht ausreisen zu wollen. Für die belangte Behörde sei es daher anzunehmen, dass für den BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe, da er auch künftig nicht gewillt sei auszureisen. Des Weiteren führte die belangte Behörde die Wohn- und Familiensituation der BF an, aus der das Fehlen einer sonstigen Verankerung in Österreich geschlossen werden könne. Die BF habe keinerlei Anbindungen an Österreich, sei nicht selbsterhaltungsfähig und sei während seines bisherigen Aufenthalts in Österreich auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen. Bei der Prüfung der Fluchtgefahr wurde von der belangten Behörde auch das strafrechtliche Verhalten des BF berücksichtigt. Es sei davon auszugehen, dass sich der BF auch künftig nicht an die geltenden Rechtsvorschriften in Österreich halten werde.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung und ihrer Notwendigkeit ergäbe daher in casu, dass das private Interesse des BF an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe.

Bei der Prüfung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG käme für die belangte Behörde die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung gemäß § 77 FPG - alleine aufgrund der finanziellen Situation des BF - nicht in Betracht. Auch die Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung würden nach Ansicht des BFA - aufgrund des im gegenständlichen Fall bestehenden beträchtlichen Risikos des Untertauchens des BF - zu keinem gesicherten Erfolg führen. Die belangte Behörde habe auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima-ratio-Maßnahme darstelle. Auch seien für die belangte Behörde keine Hinweise hervorgekommen, die seine Haftfähigkeit in Frage stellen würden.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt.

4.2. Mit Schreiben vom 20.10.2015 brachte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde gegen den im Spruch bezeichneten Schubhaftbescheid vom 15.10.2015, sowie gegen die Anordnung der Schubhaft und die (von 15.10.2015 bis 27.10.2015) "fortdauernde" Anhaltung der BF in Schubhaft seit 15.10.2015 ein. Darin wird zunächst der bisherige Verfahrensgang bestätigt.

Die Beschwerdeseite wandte ein, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, konkret und schlüssig zu begründen, warum der BF einem gelinderen Mittel in der Form einer - allenfalls auch in engeren zeitlichen Abständen erfolgenden - periodischen Meldeverpflichtung nicht nachkommen würde. Alternativ wäre auch eine Unterkunftnahme des BF in der Zinnergasse als gelinderes Mittel in Frage gekommen. Der BF wäre bereit dieser Unterkunftnahme zu folgen. Die belangte Behörde habe nicht individuell die Anwendbarkeit eines gelinderen Mittels geprüft.

Die Beschwerdeseite stellte folgende Anträge: Das BVwG möge 1) eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts durchführen; 2) den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte;

3) im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen; 4) dem BF unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beigeben; 5) den BF von der Eingabegebühr befreien; 6) dem BF etwaige Dolmetschkosten ersetzen und im Falle eines Obsiegens der Behörde den BF vom Ersatz des Aufwandsersatzes iSd.VwG-Aufwandsersatzverordnung zu befreien;

6) dem BF Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandsverordnung ersetzen;

4.3. Am 20.10.2015 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4.4. Mit elektronischem Schreiben der belangten Behörde vom 02.11.2015 wurde der Abschiebebericht des PAZ Klagenfurt vom 02.11.2015 über die am 27.10.2015 erfolgte Abschiebung des BF nach Mailand/Italien übermittelt.

4.5. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 19.09.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der GA W190 abgenommen und mit 29.09.2017 der GA W247 zugewiesen.

4.6. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 26.11.2018 scheinen folgende Verurteilungen des BF auf:

01) LG ST.POELTEN XXXX vom 26.11.2003 RK 26.11.2003

PAR 127 130 (1.2. FALL) 15 PAR 107/1 StGB

Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 9 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 21.05.2008

zu LG ST.POELTEN XXXX RK 26.11.2003

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 20.12.2003

LG ST.POELTEN XXXX vom 16.01.2004

zu LG ST.POELTEN XXXX RK 26.11.2003

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 28.09.2006

02) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 06.04.2006 RK 06.04.2006

PAR 15 127 130 (1. FALL) StGB

Freiheitsstrafe 7 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 21.11.2008

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 06.04.2006

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG F.STRAFS.WIEN 51 HV 142/2006H vom 28.09.2006

03) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 28.09.2006 RK 19.12.2006

Seite 1 / 2

PAR 15 127 130 (1. FALL) StGB

Freiheitsstrafe 12 Monate

Vollzugsdatum 21.08.2007

04) BG BADEN XXXX vom 27.07.2017 RK 25.08.2017

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 03.05.2016

Geldstrafe von 200 Tags zu je 4,00 EUR (800,00 EUR) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

05) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 06.03.2018 RK 10.03.2018

§ 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 08.09.2017

Geldstrafe von 300 Tags zu je 4,00 EUR (1.200,00 EUR) im NEF 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

2.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

2.3. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.4. Der mit "Haft" übertitelte Art 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU."

2.5. Der mit "Schubhaft" übertitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetz 2006 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015, (Inkraftretensdatum am 20.07.2015 -Außerkrafttretensdatum am 31.10.2017) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2.6. Der mit "Schubhaft" übertitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetz 2006 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, (Inkraftretensdatum am 01.01.2014 -Außerkrafttretensdatum am 19.07.2015) lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;

2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(2a) Das Bundesamt hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 oder 2a ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

(7) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

2.7. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

2.8. Zu A: Zur Stattgabe der Beschwerde und Behebung des Schubhaftbescheides, sowie der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft:

2.8.1. Der Art. 28 der am 19.07.2013 in Kraft getretenen und seit 01.01.2014 anzuwendenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31 (Dublin III-VO), regelt die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung.

2.8.2. Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung "die entsprechende Person" zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO "das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte", zu verstehen.

2.8.3 Die belangte Behörde hat am 15.10.2015 mit angefochtenen Bescheid gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Dublin III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2a FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 57 Abs. 1 AVG, BGBl. I Nr. 51/1991, idgF, über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2.8.4. In der zum Zeitpunkt der Verhängung des gegenständlichen Schubhaftbescheides geltenden Fassung des § 76 FPG, nämlich BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015, in Kraft getreten am 20.07.2015, ist jedoch kein Absatz 2a enthalten. Die im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführte Gesetzesbestimmung § 76 Abs. 2a FPG ist mit dem Datum 19.07.2015 außer Kraft getreten - d. h. ca. drei Monate vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides - und war somit zum Zeitpunkt der gegenständlichen Schubhaftverhängung von der belangten Behörde in casu nicht mehr anzuwenden.

2.8.5. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Der § 76 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, auf dessen Abs. 2a sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides bezogen hat, enthielt jedoch keinen formal-gesetzlich determinierten "Kriterienkatalog" zur Annahme einer "Fluchtgefahr". Daher waren die Verhängungen von Schubhaft in Dublin-III-Fällen auf Basis dieser Fassung des § 76 FPG (vor dem Außerkraftretensdatum vom 19.07.2018) als rechtswidrig zu qualifizieren. Die europarechtlich indizierten und vom VwGH geforderten gesetzlich festgelegten Kriterien haben schließlich im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 (FrÄG 2005) Eingang in die Neufassung des § 76 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Br. 70/2015, mit Inkrafttretensdatum 20.07.2015, gefunden.

2.8.6. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid auf eine bereits außer Kraft getretene Gesetzesbestimmung gestützt und damit die Anordnung der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer mit Rechtswidrigkeit belastet. Die gegenständliche Schubhaft hätte vielmehr - neben den im Spruch des angefochtenen Bescheides richtig angeführten Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 57 AVG - auch auf den § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG in der zum Schubhaftverhängungszeitpunkt geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015) gestützt werden müssen.

2.8.7. Angesichts der obigen Ausführungen und der besonderen Bedeutung des Spruchs eines Bescheides (in ständiger Judikatur der Höchstgerichte) ist die Schubhaft in casu somit auf einer falschen Rechtsgrundlage angeordnet worden und damit als rechtswidrig anzusehen.

2.8.8. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0014; 19.03.2013, 2011/21/025; 28.08.2012, 2010/21/0388).

2.8.9. Bereits aus diesem Grunde erweist sich sowohl der angefochtene Schubhaftbescheid vom 15.10.2015, als auch die auf ihm basierende Anhaltung des BF von 15.10.2015 bis 27.10.2015 als rechtswidrig.

2.8.10. Damit erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen.

2.9. Zur unentgeltlichen Beigabe eines Verfahrenshelfers:

Der Beschwerdeführer begründet seinen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers damit, dass § 40 VwGVG vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogen worden sei, weil Bedenken bestünden, ob § 40 VwGVG dem Art. 6 EMRK entspreche. Das Schubhaftverfahren falle zwar nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK, aber in den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta. Art. 47 GRC habe dieselbe Tragweite wie Art. 6 Abs. 1 EMRK, weshalb der Äquivalenzgrundsatz zu berücksichtigen sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich Anspruch auf Beigabe eines Rechtsberaters gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG. Die Rechtsberatung sei nicht mit der Verfahrenshilfe gleichwertig, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsberatung lediglich über die ihn betreffende rechtliche Situation aufgeklärt werde, ihm aber kein Rechtsvertreter vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben werde. Dadurch sei der Beschwerdeführer auf die Beiziehung eines gewillkürten Vertreters angewiesen gewesen. Für gewillkürte Vertreter gebe es keine qualitativen Mindeststandards und kein Anforderungsprofil, wie etwa im Hinblick auf die Rechtsberatung (§ 48 BFA-VG) oder Rechtanwälte (§ 1 RAO). Der rechtsunkundige Beschwerdeführer sei mangels Deutschkenntnissen und auf Grund der rechtlichen Komplexität des Falles nicht in der Lage, im Verfahren selbst Schriftsätze abzufassen, den Akteninhalt zu erfassen oder sich selbst in der Verhandlung zu vertreten. Auf Grund seiner finanziellen Situation sei er nicht in der Lage, ohne Beeinträchtigung seines Lebensunterhalts die Mittel für eine rechtsfreundliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt aufzubringen, die Eingabegebühr zu entrichten oder der Behörde im Falle des Obsiegens den Aufwand zu ersetzen.

Insbesondere durch die Zuordnung der Bestimmung betreffend Verfahrenshilfeverteidiger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum

3. Hauptstück - Besondere Bestimmungen, 2. Abschnitt - Verfahren in Verwaltungsstrafen des VwGVG, und die Verwendung der Begriffe "Beschuldigter" und "Strafsache" in § 40 VwGVG, bringt der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe nur für das verwaltungsgerichtliche Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen ist (idS auch VfGH 09.12.2014, E 599/2014).

Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG zur Vertretung von Interessen im Beschwerdeverfahren betreffend einen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft kam mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (s. VfGH 17.09.2015, E 1343-1345/2015).

Selbst bei Anwendbarkeit des § 40 VwGVG auf das vorliegende Schubhaftverfahren wäre dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Aus § 40 Abs. 5 VwGVG, wonach die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten erlischt, ergibt sich jedoch, dass die Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann nicht erforderlich sein kann, wenn dieser Antrag bereits von einem Bevollmächtigten des Beschuldigten gestellt wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, VwGVG § 40 K 7).

Es würde daher den Sinn der oben wiedergegebenen Bestimmung gänzlich unterlaufen, wenn ein Bevollmächtigter für seinen Mandanten einen Verfahrenshelfer beantragen kann. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist daher ein bereits (aufrecht) vertretener Beschwerdeführer jedenfalls nicht legitimiert, einen Verfahrenshelfer zu beantragen, weshalb dem diesbezüglichen Antrag nicht Folge zu geben ist. Im Übrigen ist nicht schlüssig, wieso der Vertreter im gegenständlichen Verfahren - der zunächst als amtswegiger Rechtsberater im Schubhaft-Beschwerdeverfahren bestellt worden ist und in dieser Funktion regelmäßig tätig ist - offenbar davon ausgeht, für die Vertretung in solchen Verfahren nicht hinreichend kompetent zu sein. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wieso die Abfassung einer Beschwerde für einen Beschwerdeführer in Asyl- oder Schubhaftverfahren nur durch einen gewillkürten Vertreter erfolgen können sollte, zumal dies durchaus im Aufgabenbereich eines amtlich bestellten Rechtsberaters liegt.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Erkenntnis vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, aus, dass in Anbetracht des dem Unionsrecht zukommenden Vorrangs die verfassungsrechtliche Immunisierung des § 40 VwGVG vor dem Hintergrund des Art. 47 Abs. 3 GRC irrelevant sei. Im Übrigen sei aber ohnehin davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenshilfe gegebenenfalls, wenn keine geeignete innerstaatliche Anspruchsgrundlage existiere, direkt auf Basis von Art. 47 Abs. 3 GRC zu gewähren sei. Für die Auslegung und Anwendung der Grundrechtecharta sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes maßgebend. Dieser berücksichtige wiederum die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Auch die Erläuterungen zu Art. 47 Abs. 3 GRC würden ausdrücklich auf das Judikat des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, verweisen, wonach Prozesskostenhilfe zu gewähren sei, wenn mangels einer solchen Hilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet sei. Es gebe auch ein Prozesskostenhilfesystem für die beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Rechtssachen. Für das Verständnis von Art. 47 Abs. 3 GRC sei damit die in diesem Urteil, mit dem eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK konstatiert wurde, weil mangels Beigabe eines Rechtsanwalts kein wirksames Recht auf Zugang zum zuständigen Gericht gegeben war, angestellten Überlegungen maßgeblich. Dabei sei bedeutsam, dass die Beschwerdeführerin des vom EGMR entschiedenen Falles ihr Recht vor dem zuständigen Gericht auch persönlich geltend machen habe können. Das habe jedoch nach der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ihrem Anspruch auf Zugang zum Gericht nicht genügt; in Anbetracht der in materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht gegebenen Schwierigkeiten des Verfahrens vor dem zuständigen Gericht und der besonders in Ehestreitigkeiten - diese seien dem zu beurteilenden Fall zu Grunde gelegen - möglichen emotionalen Spannungen sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, ohne anwaltlichen Beistand ihre Rechte wirksam wahrzunehmen; allerdings folge aus der Verpflichtung, Zugang zum Gericht zu gewährleisten, nicht zwangsläufig die generelle Verpflichtung der Vertragsstaaten, in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen Verfahrenshilfe zu gewähren. Es stehe jedem Staat frei, in welcher Weise er seine Verpflichtung erfülle, dem Einzelnen wirksamen Zugang zu den Zivilgerichten zu verschaffen; die Gewährung von Prozesskostenhilfe sei nur eine von denkbaren Möglichkeiten. Eine Vereinfachung des Verfahrens stelle eine weitere Möglichkeit dar, denn nicht in allen Fällen sei es dem Einzelnen unzumutbar, seinen Fall persönlich, ohne Hilfe eines Anwalts, dem Gericht vorzutragen. Daran habe der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil 22.12.2010, Rs C-279/09, Fall DEB Deutsche Energiehandles- und Beratungsgesellschaft mbH, festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwalts umfassen könne, einzelfallbezogen nach Maßgabe insbesondere folgender Kriterien zu erfolgen habe: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen.

In der weiteren Folge verneinte der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob § 52 Abs. 1 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 einen ausreichenden Komplementärmechanismus darstellte, der die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe entbehrlich machte, weil eine Vertretung des Fremden in einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dieser Rechtslage nur gesichert war, wenn eine Rückkehrentscheidung Beschwerdegegenstand war, nicht aber im Falle der Schubhaft. Dies decke sich mit Art. 9 Abs. 6 und 7 RL 2013/33/EU, wonach es der Beigabe eines Rechtsanwaltes nicht bedürfe, es aber vorzusehen sei, dass der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen könne, und zwar dergestalt, dass zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden zu erfolgen habe. Diese Garantien entsprächen nach aktueller Sichtweise typischerweise dem, was einem Schubhäftling zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne der hier fraglichen Chartabestimmung anzugedeihen lassen sei. Dem entspreche § 52 Abs. 2 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 nicht, weil eine Vertretung des Fremden in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Schubhaftsachen nicht zum Aufgabenkreis eines Rechtsberaters zähle.

Mit dem FRÄG 2015 wurde (in Umsetzung des Art. 9 RL 2013/33/EU [RV 582 BlgNR 25. GP 10]) in § 52 Abs. 2 BFA-VG folgender Satz eingefügt: "In Verfahren über internationalen Schutz, sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen."

Hiezu führen die Materialien aus: "Die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht wird um die Möglichkeit der Vertretung in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. gegen eine Entziehung oder Beschränkung der Grundversorgung und um die Verhandlungsteilnahme in einem Beschwerdeverfahren wegen eines Antrages auf internationalen Schutz und über die Anordnung von Schubhaft erweitert. [...] Art. 9 Neufassung der Aufnahmerichtlinie umfasst außerdem, dass der Rechtsberater auf Ersuchen auch bei der mündlichen Verhandlung betreffend die Schubhaft teilzunehmen hat. Ein Einschreiten des Rechtsberaters setzt jeweils das Einverständnis des Fremden voraus."

Wenn auch § 52 Abs. 2 BFA-VG nur von "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung spricht, kann diese Bestimmung vor dem Hintergrund der Materialien (RV 582 BlgNR 25. GP 10) in richtlinienkonformer Interpretation (VfSlg. 14.889/1997) nur so verstanden werden, dass damit die von Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU geforderte "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung "im Namen des Antragstellers" angeordnet ist. Die von der Richtlinie ebenfalls geforderte Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente ist von der Unterstützung des Beschwerdeführers bei der Beschwerdeeinbringung und im Beschwerdeverfahren im Sinne des ersten Satzes umfasst.

Auf Grund der Umsetzung des Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU liegt nunmehr ein wirksamer Komplimentärmechanismus iSd Erkenntnisses VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, vor.

Es bestehen auch keine Bedenken gegen § 52 Abs. 2 BFA-VG im Hinblick auf Art. 1 BVGRassDiskr wegen der Verwendung der Begriffe "Vertretung" durch den Rechtsberater in den Fällen des zweiten Satzes einerseits und die "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung in den Fällen des vierten Satzes andererseits:

Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Schubhaftverfahren die Sicherstellung dafür, dass "der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen kann. Die Rechtsberatung und -vertretung umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden." Ebenso verlangt Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU betreffend Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz die Sicherstellung dafür, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und - vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers."

Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Verfahren betreffend die Grundversorgung hingegen, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch genommen werden kann, soweit dies zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes erforderlich ist. Dies umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Vertretung vor den Justizbehörden im Namen des Antragstellers." Der im Zeitpunkt der Erlassung des § 52 BFA-VG idF BGBl. I 87/2012 in Geltung gestanden habende Art. 13 Abs. 4 RL 2008/115/EG verlangte "rechtliche Beratung, rechtliche Vertretung und - wenn nötig - Sprachbeistand" im Hinblick auf Rückkehrentscheidungen und verwies auf Art. 15 Abs. 3-6 RL 2005/85/EG; die RL 2005/85/EG wurde durch Art. 53 RL 2013/32/EU aufgehoben, laut Anhang III RL 2013/32/EU entspricht Art. 15 Abs. 1 RL 2005/85/EG Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU.

Die Verwendung der Begriffe "Teilnahme" einerseits und "Vertretung" andererseits resultiert folglich aus der unterschiedlichen Textierung der durch § 52 Abs. 2 BFA-VG umgesetzten Richtlinien.

Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass der Unionsrechtssetzer den Begriffen "Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers" einerseits und "Vertretung" andererseits einen anderen Bedeutungsgehalt zugemessen hätte: So verlangt der in der deutschen Sprachfassung die Teilnahme des Rechtsberaters an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernde Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU "que les États membres veillent à ce que les demandeurs aient accès à l'assistance juridique et à la représentation gratuites. Ceci comprend, au moins, la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur" ebenso wie Art. 26 Abs. 2 derselben Richtlinie, der betreffend die Grundversorgung in der deutschen Sprachfassung die "Vertretung" durch den Rechtsberater verlangt ("Les États membres veillent à ce que l'assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées à la demande, dans la mesure où cette aide est nécessaire pour garantir un accès effectif à la justice. Cette aide comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur").

Gleiches gilt für den in der deutschen Fassung wiederum die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernden Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU, der ebenso verlangt, dass "Les États membres veillent à ce que l'assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées sur demande dans le cadre des procédures de recours visées au chapitre V. Ceci comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant une juridiction de première instance au nom du demendeur." Im Gegensatz zur deutschen Sprachfassung unterscheidet die französische somit nicht zwischen "Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Namen des Antragstellers" und "Verhandlung", sondern bezeichnet beides als "participation à l'audience".

Gleiches gilt für die englische Sprachfassung, die ebenfalls gleichlautend verlangt, dass "Member States shall ensure that applicants have access to free legal assistance and representation. This shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU), "Member States shall ensure that free legal assistance and representation is made available on request in s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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