Entscheidungsdatum
29.11.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W178 2205461-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch RIEDL und Partner Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) Pensionsservice vom 30.04.2018, Zl. 3181- XXXX /1, betreffend § 41 Abs. 1 und Abs. 2 und Abs. 4 Pensionsgesetz 1965 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 30.04.2018 wurde auf Antrag vom 01.02.2018 festgestellt, dass Herrn XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) ab 01.01.2018 ein monatlicher Ruhebezug von brutto € 6.872,42 Euro gebührt.
Unter Hinweis auf § 41 Abs. 1 und Abs. 2 Pensionsgesetzes 1965 sei die Erhöhung seines Ruhebezuges ab 1. Jänner 2018 gemäß § 711 Abs. 1 Z. 4 ASVG um einen Prozentsatz vorzunehmen, der von 1,6 % auf 0 % linear absinke. Da das Gesamtpensionseinkommen des Beschwerdeführers mehr als 4.980 Euro monatlich betrage, finde keine Erhöhung statt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei dem Gesetzgeber bei der Regelung des Dienst-, Besoldungs-und Pensionsrechts der Beamten durch den Gleichheitsgrundsatz ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum offen gelassen; der Gesetzgeber sei lediglich gehalten, das Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht derart zu gestalten, dass es im Großen und Ganzen in einem angemessenen Verhältnis zu den dem Beamten obliegenden Dienstpflichten stehe; der VfGH habe bereits anlässlich von Beschwerden zur früheren Pensionsanpassungen die Behandlung von Beschwerden, wonach höhere Pensionen nur um einen Fixbetrag und nicht um einen Anpassungsfaktor erhöht wurden, mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt.
2. Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung erhoben und auf 45 Seiten zusammengefasst folgendes ausgeführt.:
Er stehe als Universitätsprofessor iR in einem öffentlichen Dienstverhältnis zum Bund, seine Ruhestandsversetzung sei mit Ablauf des 31.08.2000 erfolgt. Das ihn betreffende Pensionsrecht sei seit 1995 laufend verschlechtert worden. Die Vorenthaltung der Inflationsanpassung bedeute eine reale Pensionskürzung, er stehe auf dem Standpunkt, dass dies gleichheitswidrig und unionsrechtswidrig sei.
Auch der Bescheidspruch sei fehlerhaft, es sei nicht erklärlich, warum die belangte Behörde von einem Antrag vom 01.02.2018 ausgehe, der jedoch erst mit 16.04.2018 datiert und am 22.04.2018 abgesendet worden sei. Auch sei der Bescheidspruch verfehlt, soweit der Antrag auf Erhöhung des Ruhebezuges abgewiesen werde, er habe den Antrag auf Bemessung gerichtet und lediglich auf eine Anpassung zur Gewährung der Wahrung des inneren Geldwertes.
Er halte fest, dass er nicht an der richtigen Umsetzung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen durch die belangte Behörde zweifle, sondern sich darauf stütze, dass diese Bestimmungen verfassungs- und unionsrechtswidrig seien. 2017 habe die Inflation in Österreich 2,08% betragen. Zur Erhaltung des Geldwertes seiner Pension hätte es eine Anhebung um 142,95 Euro geben müssen. Infolge der gänzlichen Verweigerung eines Inflationsausgleiches sei jedoch eine Realwertminderung um 2,08% eingetreten. Dass die Regelung in Ansehung der Höhenkategorien ungleich sei, bedürfe keiner besonderen Analyse. Die Frage sei, ob diese Ungleichheit anders als geldwerttechnisch gerechtfertigt werden kann oder eine Grundrechtsverletzung bewirke.
Weder § 108 noch § 108h ASVG enthielten einen Ansatz für eine Differenzierung des jährlichen Pensionsanpassungsprozentsatzes je nach Pensionshöhe. Dass ein solcher ausgerechnet zum 01.01.2018 vorgenommen worden sei, entbehre jeglicher sachlichen Grundlage. Die Bestimmung sei gleichheitswidrig, weil sie exzessiven Charakter habe und grob gegen den Vertrauensgrundsatz verstoße.
Anschließend legte der Beschwerdeführer die Entwicklung der bezughabenden Bestimmungen in den Jahren 2000 bis 2017 dar. Die Summe der benachteiligenden Anpassungen von 2000 bis 2018 habe zu kumulierten Pensionsverlusten von 25,7%-Punkten gegenüber den Anpassungen der Gehälter V/2 bzw von 25,3%-Punkten gegenüber den Anpassungen gemäß den jeweiligen Inflationsraten der Vorjahre geführt.
Der Verfassungsgerichtshof vertrete den Standpunkt, dass ein Gesetz in den Gleichheitsgrundsatz verstoße, wenn es in Änderung einer bisherigen Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechte eingreife (G300/02 uva).
Er rege an, das BVwG möge iSd § 140 B-VG an den VfGH den Antrag stellen von § 711 Abs 1 ASVG die Wort- und Ziffernfolge "1. Wenn es nicht mehr als 1.500 Euro" sowie weiters ab Z 2 den gesamten Rest des Gesetzesabsatzes aufzuheben.
Zur Unionsrechtswidrigkeit führte der Beschwerdeführer an, dass die Richtlinie 79/7/EWG vom 19.12.1978 gemäß Art 3 Abs 1 lit a auf gesetzliche Systeme anwendbar sei, die Schutz gegen das Risiko des Alters bieten, dazu gehöre auch das Pensionsgesetz. Der Gesetzgeber habe im Pensionsanpassungsgesetz 2018 eine mittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht bei der Pensionsanpassung für das Jahr 2018 vorgenommen, da der Ausschluss der Pensionsanpassung mehr Männer als Frauen treffe und zudem ausschließlich Bezieher von Pensionen, deren Höhe ASVG-Pensionen überschreite. Eine soziale Staffelung der Pensionsanpassung nach der Höhe der Pension verstoße gegen zwingendes Europarecht, soweit sie das Ausmaß der Inflationsrate unterschreite.
Der OGH weise ausdrücklich darauf hin, dass eine nationale Regelung, die gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung verstoße, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei. Die nationalen Gerichte seien daher gehalten, die betreffende Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass ihre vorherige Aufhebung durch den Gesetzgeber beantragt oder abgewartet werden müsse.
Da BVwG habe im Einklang mit der Rechtsprechung des OGH § 711 Abs 1 letzter Satz ASVG nicht anzuwenden und seine Pension im Sinne des § 711 Abs 1 Z 4 ASVG ab Jänner 2018 um 2,08%, mindestens um 1,6% zu erhöhen.
Der Beschwerdeführer stelle den Antrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der ihm ab 01.01.2018 gebührende Ruhebezug den Ausführungen der Beschwerde entsprechend (mindestens inflationsentsprechend) höher festgesetzt werde.
3. Der Beschwerdeakt wurde am 06.09.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
4. Mit Schreiben vom 03.10.2018 wurde der Beschwerdeführer um Stellungnahme ersucht, ob er die Entscheidung eines Verfahrens des Verfassungsgerichtshofes mit ähnlicher strittiger Fragestellung abwarten möchte.
5. Der Beschwerdeführer teilte mit Schreiben vom 09.10.2018 mit, dass ein Einverständnis zu einem Abwarten nicht erklärt wird.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Beamter im Ruhestand und hat im Jahre 2017 einen monatlichen Brutto-Ruhebezug von € 6.872,43 bezogen. Die Erhöhung der Ruhebezugsleistung wurde für 2018 zum 01.01. mit 0% festgelegt.
Die richtige Umsetzung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und die rechnerische Richtigkeit wurden nicht in Zweifel gezogen.
Die vom Beschwerdeführer angeführten Fehler im Spruch des Bescheides (Datum des Antrages) und die bemängelte Bezeichnung "Antrag auf Erhöhung Ihres Ruhebezuges" bewirken keine Rechtswidrigkeit des Bescheids.
2. Beweiswürdigung:
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist unbestritten und ergibt sich aus dem vorgelegten Akt des BVA-Pensionsservice und dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1 Gesetzliche Bestimmungen
§ 41 PG 1965 lautet wie folgt:
(1) Änderungen dieses Bundesgesetzes, durch die weder die Höhe der Leistungen nach diesem Bundesgesetz geändert wird noch die Anspruchsvoraussetzungen auf diese Leistungen geändert werden, gelten auch für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf monatlich wiederkehrende Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz haben. Änderungen von Bemessungsvorschriften oder von Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen gelten für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben, nur dann, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.
(2) Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Ergänzungszulage gemäß § 26 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits
1. vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder
2. sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.
Die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges ist abweichend vom ersten Satz erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruches auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen.
....
(4) Die in § 711 ASVG für das Kalenderjahr 2018 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person auch die Summe aller im Dezember 2017 nach dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, und dem Bundesbahn-Pensionsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2001, gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2018 unterliegenden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 711 Abs. 1 Z 2 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen.
§ 711 ASVG bestimmt Folgendes:
(1) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 ist die Pensionserhöhung für das Kalenderjahr 2018 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen (Abs. 2) ist zu erhöhen
1. wenn es nicht mehr als 1 500 € monatlich beträgt, um 2,2%;
2. wenn es über 1 500 € bis zu 2 000 € monatlich beträgt, um 33 €;
3. wenn es über 2 000 € bis zu 3 355 € monatlich beträgt, um 1,6%;
4. wenn es über 3 355 € bis zu 4 980 € monatlich beträgt, um einen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 1,6% auf 0% linear absinkt.
Beträgt das Gesamtpensionseinkommen mehr als 4 980 € monatlich, so findet keine Erhöhung statt.
(2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am 31. Dezember 2017 in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch mit Ausnahme der Kinderzuschüsse und der Ausgleichszulage und vor Anwendung von Ruhensbestimmungen. Ausgenommen sind auch Pensionen, die nach § 108h Abs. 1 letzter Satz für das Kalenderjahr 2018 nicht anzupassen sind, sowie befristete Pensionen, deren Anspruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endet. Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2017 darauf Anspruch hat.
(3) Bezieht eine Person zwei oder mehrere Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen, so ist der Erhöhungsbetrag nach Abs. 1 auf die einzelne Pension im Verhältnis der Pensionen zueinander aufzuteilen.
(4) Abweichend von den §§ 293 Abs. 2 und 700 Abs. 5 sind die Ausgleichszulagenrichtsätze für das Kalenderjahr 2018 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern mit dem Faktor 1,022 zu vervielfachen.
(5) Rechtsträger, die Leistungen nach Abs. 2 dritter Satz auszahlen, haben die Höhe dieser Leistungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger mitzuteilen. Der Pensionsversicherungsträger hat sodann diesen Rechtsträgern das Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 mitzuteilen.
(6) (Verfassungsbestimmung) Die Anpassung für das Kalenderjahr 2018 von Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, darf die Erhöhung nach Abs. 1 unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (Abs. 2) nicht überschreiten.
§ 108h ASVG lautet:
1) Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres sind
a) alle Pensionen aus der Pensionsversicherung, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) vor dem 1. Jänner dieses Jahres liegt,
b) alle Hinterbliebenenpensionen, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) am 1. Jänner dieses Jahres liegt, wenn diese Pensionen von der Pension bemessen wurden, auf die der Verstorbene am Todestag Anspruch hatte,
mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Lit. b ist nicht anzuwenden, wenn der Stichtag für die Pension des Verstorbenen gleichfalls am 1. Jänner dieses Jahres liegt. Handelt es sich um eine erstmalige Anpassung, so ist diese erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen; abweichend davon ist für die erstmalige Anpassung von Hinterbliebenenpensionen, die aus einer bereits zuerkannten Leistung abgeleitet sind, der Stichtag dieser Leistung maßgebend.
Nach Abs. 2 ist der Anpassung nach Abs. 1 die Pension zugrunde zu legen, auf die nach den am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch mit Ausnahme der Kinderzuschüsse und der Ausgleichszulage und vor Anwendung von Ruhensbestimmungen. Sie erfasst im gleichen Ausmaß alle Pensionsbestandteile.
§ 62 Abs 4 AVG lautet:
Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden kann die Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigen.
3.2 Zu den Beschwerdeausführungen:
Das Vorbringen des Beschwerdeführers beschränkt sich ausschließlich auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Pensionsanpassung 2018 bzw. ob diese Bestimmungen mit dem EU-Recht konform sind. Die konkrete Anwendung der genannten Normen wird ausdrücklich nicht bestritten ebenso wenig wie der Rechenvorgang.
Grundlage der Beschwerde ist, dass durch § 711 Abs. 1 Z. 4 ASVG, welcher gemäß § 41 PG 1965 auch auf Ruhegenussbezieher anzuwenden ist, Leistungen über € 3355 bis zu € 4980 monatlich um einen Prozentsatz zu erhöhen sind, der zwischen den genannten Werten von 1,6 % auf 0 % linear absinkt. Im Fall des Beschwerdeführers ist aufgrund der Höhe seines Ruhebezuges ein Erhöhungsfaktor von 0% gegeben.
3.2.1 Der Beschwerdeführer macht u.a. Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechts auf Eigentum geltend.
Das Gericht verweist auf die Ausführungen im Erk des VfGH B 525/06 vom 29.11.2006 :
"Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 17.254/2004 S 1201 mwN) die Auffassung, dass keine Verfassungsvorschrift den Schutz erworbener Rechtspositionen gewährleistet, sodass es im Prinzip in den politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Die Aufhebung oder Abänderung von Rechten, die der Gesetzgeber zunächst eingeräumt hat, muss jedoch jeweils sachlich begründbar sein. Auch an sich unbedenkliche Eingriffe in bestehende Rechtspositionen können aber nicht die Minderung erworbener Rechte jedweder Art und in jedweder Intensität sachlich rechtfertigen. Unter diesem zuletzt genannten Gesichtspunkt verletzt ein Gesetz den Gleichheitssatz, wenn es bei Änderung der Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreift. Diesem - aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten - Vertrauensschutz kommt gerade im Pensionsrecht besondere Bedeutung zu. Bei der Änderung von Regelungen, die Pensionen betreffen, ist nämlich zu beachten, dass sich die in Betracht kommenden Personen schon während ihres Erwerbslebens im Vertrauen darauf eingerichtet haben, später eine am Erwerbseinkommen orientierte Pensionsleistung zu beziehen. Eine Missachtung dieses Vertrauens durch plötzliche, die (künftige) Lebensführung direkt treffende Maßnahme des Gesetzgebers wiegt bei Pensionsbeziehern besonders schwer, weil es diesem Personenkreis meist nicht mehr möglich ist, sich im Nachhinein auf geänderte Umstände einzustellen.
3.2.2. Im konkreten Fall:
Hinsichtlich der Motive des Gesetzgebers (1767 der Beilagen XXV.GP-Regierungsvorlage, Seite 1f.) zum Pensionsanpassungsgesetz 2018 - PAG 2018, BGBl. I 151/2017 ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien Folgendes:
"Abweichend von § 108h ASVG ist die Pensionserhöhung für das Kalenderjahr 2018 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern gestaffelt vorzunehmen. Bei Menschen mit niedrigem Einkommen und Pensionen stehen die alltäglichen Kosten im Vordergrund. Das betrifft beispielsweise Lebensmittel oder wohnen. Diese Kosten sind in den letzten Monaten stärker gestiegen. Gerecht ist es, hier anzusetzen und diese Entwicklung mit einer gestaffelten Anpassung der Pensionen entgegenzuwirken. Unter der Überschrift finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte wird folgendes angefertigt:
Durch die gestaffelte Pensionsanpassung 2018 über den Anpassungsfaktor hinaus werden die zusätzlichen Kosten für Pensionist/inn/en abgefedert. Die dadurch entstehenden Mehraufwendungen in der UG 22 belasten aufgrund der Ausfallshaftung des Bundes diesen in gleicher Höhe. Zitatende
Im Kapitel "Wirkungsorientierte Folgenabschätzung" wird als Problemanalyse angeführt, dass die Teuerung im für die Pensionsanpassung maßgeblichen Beobachtungszeitraum August 2016 bis Juli 2017 voraussichtlich 1,6 % betragen werde; als Ziel der Maßnahme und als anzustrebender Erfolg wird die Kaufkraftstärkung der niedrigen Pensionen sowie Kaufkrafterhaltung der höheren Pensionen durch gestaffelte Pensionsanpassung im Jahr 2018 über den Anpassungsfaktor hinaus genannt.
Als Alternative zur vorgeschlagenen Maßnahme wird angeführt: Keine Kaufkraftstärkung der niedrigen Pensionen sowie Kaufkrafterhaltung der höheren Pensionen, einheitliche Erhöhung aller Pensionen um den Anpassungsfaktor.
Nach Auffassung des Gerichts sind diese, im öffentlichen Interesse liegende Zielsetzungen geeignet, Regelungen über die verminderte Leistungsanpassung, wie die hier in Rede stehenden, sachlich zu rechtfertigen.
Auch wenn der Ruhebezug einen Teil des Entgeltes darstellt, das für während der Aktivzeit geleistete Arbeit steht, ist dieses vor einer Kürzung nicht gefeit, wenn diese im Rahmen bleibt (vgl. unten).
In vergleichbaren Fällen hat der Verfassungsgerichtshof (vgl. Erk vom 12.10.2016, G478/2015 mwH) bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in laufende Pensionsansprüche gegen den gebotenen Vertrauensschutz verstößt, als Grenze für eine ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Rechtfertigungsgründe anzunehmende Unbedenklichkeit des Eingriffes rd. 10% des Nettobezuges als maßgeblich angesehen (vgl. einerseits VfSlg 18.010/2006 - Wr. Dienst- und Pensionsordnung und andererseits VfSlg 17.254/2004 - Kürzungen der Notarpensionen um 20-28%).
Mitunter wurde auch berücksichtigt, ob es sich um den Teil eines auch viele andere Personengruppen treffenden und so die Lasten gleichmäßig verteilenden Maßnahmenpaketes gehandelt hat (VfSlg 14.867/1997 - Kürzung von Dienstzulagen von Richtern sowie VfSlg 18.010/2006 - Wr. Dienst- und Pensionsordnung). Die Nettokürzungen durch die Besteuerung von Unfallrenten, die für einen Großteil der Rentenbezieher zwischen 10% und 24% des Renten- und Pensionseinkommens betragen hat, wurde wegen Fehlens von Übergangsfristen für zwei Kalenderjahre als verfassungswidrig aufgehoben (VfSlg 16.754/2002; vgl. auch den Überblick bei Siess-Scherz, Vertrauensschutz im Sozialrecht, DRdA 2015, 433 ff).
Damit hat der VfGH den Spielraum des Gesetzgebers in der Richtung definiert, dass ein Eingriff bis zu 10% einer Kürzung (hier der nach Auffassung des Beschwerdeführers zustehenden Ruhebezug-Erhöhung, wenn nach §§ 108 und 108h ASVG angepasst worden wäre, definiert; die verfassungsmäßige Prüfung- sowohl im Hinblick auf den Eigentumsschutz als auch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz - der einfachgesetzlichen Regelungen hat nach diesen Gesichtspunkten zu erfolgen.
Da die gegenständliche Regelung der Pensions- (Ruhegenuss)- Anpassung für 2018 nach § 41 PG 1965 iVm § 711 ASVG im gegenständlichen Fall weit unter diesem Wert liegt und auch keine Leistungskürzung, wenn auch eine Kaufkraftminderung, sondern nominell eine Nichterhöhung vorliegt, hat das Gericht keine Bedenken in Richtung Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.
Ebenso ist aus diesen Argumenten heraus ein Eingriff in das Eigentumsrecht in dieser Höhe gerechtfertigt.
Wenn allerdings die Anpassung von höheren Leistungen in den kommenden Jahren weiterhin unter dem Anpassungsfaktor/ der Inflationsrate liegen sollte, könnte nach einigen Jahren die oben genannte Grenze erreicht werden. Dabei ist auch zu bedenken, dass die geringere Erhöhung Berechnungsgrundlagen-relevant ist, d.h. dass bei der nächsten jährlichen Pensionsanpassung (und den folgenden) die Basis für die prozentuelle Erhöhung geringer ist.
Diese Frage steht aber im konkreten Fall nicht zur Entscheidung.
Ob die Pensionserhöhung in Zeiten guter Konjunktur für alle oder bestimmte Personengruppen eine andere zu sein hat als in Zeiten der Krise ist nach Ansicht des Gerichts primär eine Frage der politischen Entscheidung, wenn der Gesetzgeber den oben dargelegten - eher weiten - rechtspolitischen Spielraum nicht verletzt.
Einzuräumen ist, dass entgegen den Ausführungen in der "Wirkungsorientierten Folgenabschätzung" das Ziel der Kaufkrafterhaltung mit der getroffenen Regelung für Personen mit Leistungshöhen wie dem Beschwerdeführer bei einer Inflationsrate von 2,08 (2017) nicht erreichbar war. Diese Folge hat der Gesetzgeber in einer politischen Verantwortlichkeit in Kauf genommen.
Zusammengefasst hat der Gesetzgeber mit den §§ 41 idF der Novelle BGBl. iVm § 711 ASVG seinen Gestaltungsspielraum, den ihm die Verfassung zugesteht, nicht überschritten.
3.2.3 Vorbringen der Unionsrechtswidrigkeit wegen mittelbarer Diskriminierung
Unstrittig ist, dass gemäß § 41 Abs 4 PG iVm § 711 ASVG keine unmittelbare Diskriminierung enthalten. Daher ist zu prüfen, ob die Regelung eine mittelbare Diskriminierung darstellen kann.
Unstrittig ist, dass gemäß § 41 Abs 4 PG iVm § 711 ASVG keine unmittelbare Diskriminierung enthalten. Daher ist zu prüfen, ob die Regelung eine mittelbare Diskriminierung darstellt:
Es ist unbestritten, dass von §§ 41 Abs. 4 PG und 711 ASVG wesentlich mehr Männer als Frauen betroffen sind, weil in der Gruppe der höheren Pensionen (mehr als 3.355, -- bzw. 4 980 € monatlich) mehr Männer vertreten sind als Frauen, vgl. https://www.oeffentlicherdienst.gv.at/fakten/publikationen/Einkommensbericht_2018.pdf
Der Beschwerdeführer bezieht sich auch auf die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit) und u.a. das Urteil des EuGH BRACHNER vom 20. Oktober 2011, C-123/10 betreffend den Ausschluss der den Ausgleichszulagenrichtsatz unterschreitenden Pensionen von dieser Erhöhung -Rechtssache
Die Argumentation in der Beschwerde hinsichtlich der Diskriminierung von Männern, weil sie in der Gruppe mit den höheren Ruhegenüssen und den geringeren Pensionserhöhungen überrepräsentiert sind, führt aber nicht dazu, dass die Bestimmungen wegen Verletzung von der Gleichbehandlungsrichtlinie nicht anwendbaren wären.
Nach Auffassung des Gerichts sind die Aussagen des EuGHs im Fall Brachner auf den gegenständlichen Fall wegen des unterschiedlichen Sachverhaltes nicht übertragbar:
Der EuGH hat im Fall BRACHNER die im Vorlageverfahren gestellte Frage, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Ausschluss einer bestimmten Gruppe von Kleinstpensionsbeziehern von einer außerordentlichen Pensionserhöhung zur Folge hat und für diese eine geringere Erhöhung als für die übrigen Pensionsbezieher vorsieht, wodurch sehr viel mehr Frauen als Männer benachteiligt werden, bejaht.
Basis war § 634 Abs 10 ASVG.
§ 634 Abs.10 ASVG beinhaltete, dass eine Pension von mehr als 746,99 € bis zu 1 050 €, um 21 € zu erhöhen war, von mehr als 1 050 € bis zu 1 700 €, mit dem Faktor 1,020,- , bei mehr als 1. 700 € bis zu 2 161,50 €, war sie um einen Prozentsatz zu erhöhen, der zwischen den genannten Werten von 2,0% auf 1,7% linear absank, bei mehr als 2 161,50 €, ¿war sie um 36,75 € zu erhöhen.
Das beurteilte der EuGH dahingehend, dass Frau Brachner, die eine den Ausgleichszulagenrichtsatz unterschreitende Pension, bezog, benachteiligt war, weil sie von der außerordentlichen Erhöhung ausgeschlossen war, die Personen mit höheren Pensionen (ab 747,--) gewährt wurde; sie hatte nur Anspruch auf die in § 108h Abs. 1 ASVG vorgesehene geringere Erhöhung, die für das Jahr 2008 auf 1,7 % festgesetzt worden war. Personen mit einem Leistungsanspruch ab der Höhe der Ausgleichszulage konnten von einer höheren Pensionsanpassung profitieren, während höhere Pensionen (ab €1. 700,-- ) wieder mit einem geringerem Prozentsatz angepasst wurden.
Im gegenständlichen Fall hat man bei der Bewertung nach der Einschätzung des Gerichts von einer anderen Ausgangslage auszugehen:
Während im Fall Brachner die niedrigere Pensionserhöhung die Kleinstpensionen (bis € 747,--) betraf, während die Kleinpensionen in größerem Maße erhöht wurden, trifft sie hier die höheren Pensionen (von € 3.355,--aufwärts), worauf ein anderer Maßstab anzulegen ist.
Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die bessere Position einer Gruppe (Pensionshöhe der Männer), die dann eine Schlechterbehandlung/Benachteiligung bei der Leistungserhöhung nach sich zieht, keine Diskriminierung darstellt.
Eine Verletzung von unmittelbar anwendbaren Unionsrecht ist somit nicht festzustellen.
3.2.4. Liegt eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit in einem Bescheid vor, die einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG zugänglich wäre, dann ist der Bescheid in der "richtigen", das heißt von der Unrichtigkeit bereinigten Fassung zu lesen, wenn eine Berichtigung durch Bescheid unterblieben ist (VwGH 2013/07/0156 vom 31.03.2016).
Daraus ergibt sich, dass die im Spruch festgestellten Fehler (unrichtiges Datum des Bescheidantrages) und der nicht entsprechende Terminus (Erhöhung statt Anpassung) keine Rechtswidrigkeit des Bescheides bewirken.
3.2.5. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.
Zu B) Zur Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtsprechung ist insofern als uneinheitlich zu sehen, als das LG St.Pölten in Anwendung des § 369 Abs 1 GSVG (inhaltsident mit § 711 ASVG) eine andere Auslegung getroffen hat, vgl. 27 Cgs 97/18b-7.
Schlagworte
Anpassung, Diskriminierung, Gleichheitsgrundsatz, Pension,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W178.2205461.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.02.2019