TE Bvwg Beschluss 2018/12/11 W251 2158856-3

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Veröffentlicht am 11.12.2018
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Entscheidungsdatum

11.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32

Spruch

W251 2158856-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, vertreten durch RA Mag. Doris EINWALLNER, vom 06.12.2018 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.05.2018, Zl. W251 2158856-2, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens:

A)

Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 17.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid vom 22.05.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz zur Gänze ab und erteilte dem Antragsteller keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Antragsteller wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt.

3. Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid Beschwerde.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.05.2018 wurde die Beschwerde des Antragstellers als unbegründet abgewiesen.

5. Der Antragsteller erhob am 29.06.2018 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.09.2018 wurde die außerordentliche Revision des Antragstellers zurückgewiesen.

6. Der Antragsteller stellte am 06.12.2018 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 32 VwGVG. Der Antragsteller führte begründend aus, dass er am 22.11.2018 ein Schreiben seiner Schwester erhalten habe, in dem sie mitteilen würde, dass die Eltern, Brüder und eine weitere Schwester nicht mehr in Mogadischu leben würden. Eine Rückkehr sei wegen der Al Shabaab nicht möglich. Dies stelle ein neues Beweismittel im Sinn des § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG dar. Das Bundesverwaltungsgericht habe seine Entscheidung auf die Annahme gestützt, dass die Familie des Antragstellers noch unbehelligt in Mogadischu leben würde und dort ein Haus habe und er im Falle einer Rückkehr auf familiäre Unterstützung zurückgreifen könne. Aus dem Schreiben gehe jedoch hervor, dass die Familie des Antragstellers Opfer von Gewalt gewesen sei, das Haus in Mogadischu habe verlassen müssen und aus Somalia geflohen sei. Das Schreiben würde nicht nur die Flucht und Verfolgung der Familie bestätigen, sondern auch, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr keine familiäre Unterstützung habe und somit in eine existenzbedrohende und exzeptionelle Notlage geraten würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Antragsteller, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 17.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Antragstellers statt. Am 21.10.2015 fand eine Einvernahme des Antragstellers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt, die unterbrochen und am 18.11.2015 fortgesetzt wurde.

1.3. Mit Bescheid vom 22.05.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Antragsteller keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Antragsteller wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

1.4. Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sein Fluchtvorbringen mit den Länderberichten in Einklang stehe und deshalb glaubhaft sei. Das Bundesamt habe sich jedoch nicht mit der tatsächlichen Situation des Clans der Gabooye in Somalia beschäftigt. Jedenfalls sei ihm aufgrund der Hungerkrise in Somalia der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

1.5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.10.2017 in Anwesenheit eines Dolmetschers und im Beisein des Rechtsvertreters des Antragstellers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Zum Zeitpunkt der Verhandlung hatte der Antragsteller regelmäßig Kontakt zu seiner Familie, nämlich zu seinen Eltern und Geschwistern.

1.7. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 15.05.2018 die Beschwerde des Antragstellers (dort als Beschwerdeführer bezeichnet) als unbegründet ab und erkannte, dass eine Revision nicht zulässig ist.

1.8. Das Bundesverwaltungsgericht traf unter anderem nachstehende Feststellungen (Erkenntnis vom 15.05.2018, S. 5, S. 6-8, S. 13-14):

"Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX. Er ist somalischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben und spricht Somalisch als Muttersprache.

Der Beschwerdeführer ist kein Angehöriger der Volksgruppe der Madhibaan, der Gabooye oder einer anderen Minderheit. Es kann nicht festgestellt welcher Volksgruppe der Beschwerdeführer angehört.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer wurde in Mogadischu, im Bezirk Yaqshid geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern aufgewachsen. Es kann nicht festgestellt werden, wie viele Geschwister der Beschwerdeführer hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers im Haus seiner Familie gewohnt hat.

Der Beschwerdeführer hat 6 Jahre lang die Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat keine berufliche Ausbildung, er hat aber das Nähen von Schuhen von seiner Familie gelernt und als Schuster in seinem eigenen Geschäft gearbeitet.

Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers sowie seine Ehefrau leben nach wie vor in Mogadischu.

Die Familie des Beschwerdeführers besitzt ein Haus in Mogadischu im Bezirk Yaqshid. Es kann weder festgestellt werden, dass dieses Haus der Familie des Beschwerdeführers von Angehörigen anderer Stämme weggenommen bzw. besetzt wurde, noch, dass es von der Al Shabaab verbrannt wurde.

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Dezember 2014 durchgehend in Österreich auf. (...)

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Al Shabaab oder von anderen Personen in Somalia konkret und individuell mit dem Tod oder der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht wurde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Kontakt zu Mitgliedern der Al Shabaab gehabt hat oder von der Al Shabaab aufgefordert wurde sich ihnen anzuschließen. Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von der Al Shabaab in seinem Geschäft aufgesucht wurde noch, dass ihm Zettel von der Al Shabaab hinterlassen wurden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bzw. seine Familie zu Hause von der Al Shabaab aufgesucht worden sind.

Auch der Vorfall, wonach die Familie des Beschwerdeführers von Angehörigen der Al Shabaab zu Hause überfallen und alle Familienangehörigen bzw. der Beschwerdeführer und sein Bruder mitgenommen und der Beschwerdeführer sodann in einem Raum eingesperrt worden sei, kann nicht festgestellt werden.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass sich ein Bruder des Beschwerdeführers der Al Shabaab angeschlossen habe nachdem der Beschwerdeführer Somalia verlassen hat.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine Beziehung mit einem Mädchen eines "höheren" Clans hatte. Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von Verwandten dieses Mädchens in seinem Geschäft oder auf seinem Heimweg überfallen bzw. angegriffen wurde noch, dass ihm von Verwandten dieses Mädchens physische Gewalt zugefügt worden ist. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von Familienangehörigen dieses Mädchens konkret und individuell mit dem Tod oder der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht worden ist.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Somalia droht.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Somalia Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Angehörige der Al Shabaab, Verwandte des Mädchens oder sonstigen Personen droht. (...)

Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Bei einer Rückkehr nach Somalia, Mogadischu, kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer verfügt in Mogadischu über ein soziales und familiäres Netzwerk. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen bzw. kann der Beschwerdeführer anfänglich auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen. Der Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr zumindest vorrübergehend bei seiner Familie wohnen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr von den Auswirkungen der Dürre betroffen wäre oder Gefahr laufen würde notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein Bruder des Beschwerdeführers aufgrund der Hungersnot gestorben ist.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr in Mogadischu Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM. Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv. Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt. Die Zahl von Angriffen der Al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt. Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der Al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant. (...)

Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr. In der Hauptstadt lässt sich die Aufbruch-Stimmung an unzähligen Baustellen und an neuen Straßen, Cafés und Geschäften ablesen. Ausländische Diplomaten, Berater und Helfer strömen ins Land. Botschaften werden gebaut. Doch die meisten Ausländer verschanzen sich hinter hohen Sprengschutzmauern auf dem geschützten Flughafengelände. Alleine aus der Region zählte der UNHCR im Zeitraum 2014-2017 in Somalia 109.317 freiwillige Rückkehrer.

Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration hängt in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person ab. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren. Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist"

1.9. Der Antragsteller erhob am 29.06.2018 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.09.2018 wurde die außerordentliche Revision des Antragstellers zurückgewiesen.

1.10. Der Antragsteller stellte am 06.12.2018 einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 15.05.2018 abgeschlossenen Verfahrens zur GZ W251 2158856-2. Der Antragsteller legte einen undatierten Brief in somalischer Sprache vor, den er nach seinen Angaben am 22.11.2108 von seiner Schwester erhalten habe. Der beigelegten deutschen Übersetzung ist zu entnehmen:

"Friede sei mit dir Bruder XXXX.

Nach schönen Grüßen von mir möchte ich dir Folgendes berichten:

Unsere Familie, Mama, Papa, die zwei Brüder und die Schwester leben momentan inXXXX. Aufgrund der Unsicherheit in meinem Heimatland bin ich hierher nach Kenia gekommen. Unser hab und Gut hat man mit Gewalt genommen. Es gibt kein Zurück mehr in die Heimat. Ich habe meine Heimat wegen Al Shabaab verlassen. Dazu kommt noch, dass mein Bruder und ein Mädchen aus einem anderen Clan sich verliebt haben. Man hat uns angegriffen, weil man uns minderwertig angesehen hat. Mama und Papa fanden Unterkunft bei fremden Leuten. Und ich lebe bei einer Familie in XXXX, für die ich arbeite, um mich über Wasser zu halten. Freundliche Grüße von mir (Unterschrift)"

2. Beweiswürdigung:

Beweise wurden erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt (W251 2158856-2 und W251 2158856-3) sowie durch die Einsicht in den vorgelegten Brief bzw. die deutsche Übersetzung. Der Akteninhalt ist unbestritten und konnte den Feststellungen zu Grunde gelegt werden.

Dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2017 regelmäßig Kontakt zu seiner Familie hatte, ergibt sich aus seiner eigenen Aussage in der Verhandlung vom 16.10.2017. Der Antragsteller gab an zu seiner Familie Kontakt zu haben. Er gab weiters an, dass er drei Wochen vor der Verhandlung das letzte Mal mit seiner Mutter gesprochen habe, seine Eltern und Geschwister würden zusammen leben (Verhandlungsprotokoll vom 16.10.2017, S. 9).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Wiederaufnahmeantrag

3.1.1. Gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG ist einem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Gemäß § 17 VwGVG ist der IV. Teil des AVG, und somit die Bestimmung über die Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG, nicht auf Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbar. Die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG sind jedoch denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet. Es kann daher auf das bisherige Verständnis zu diesen Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden (VwGH vom 31.08.2015, Ro 2015/11/0012). Die zu § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergangene Judikatur zur Wiederaufnahme ist auf den nahezu wortgleichen § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbar (VwGH vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0120).

Da es im Verfahren über einen Wiederaufnahmeantrag um eine Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft geht, sind die Prozessvoraussetzungen streng zu prüfen (VwGH vom 24.09.2014, 2012/03/0165).

neue Tatsachen und neue Beweismittel

Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nach 32 VwGVG setzt voraus, dass neue Tatsachen oder Beweise hervorgekommen sind, die im Zeitpunkt der Entscheidung bereits bestanden haben, aber nicht bekannt waren und im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht "geltend gemacht" werden konnten. Es muss sich um Tatsachen oder Beweise handeln, die bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind.

Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (VwGH vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0120).

Tatsachen sind Geschehnisse im Seinsbereich, auch wenn es sich um "innere Vorgänge" handelt (VwGH vom 15.12.1994, 93/09/0434). Es muss sich um mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen oder Eigenschaften handeln, deren Berücksichtigung voraussichtlich zu einem anderen als dem vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Ergebnis geführt hätte.

Bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemachte Tatsachen können keinesfalls einen Wiederaufnahmegrund iSd § 32 VwGVG begründen. Dies gilt auch für Vorbringen, die im Wesentlichen nur eine Wiederholung von bereits während des ersten Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Umständen oder eine Bekämpfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung enthalten (VwGH vom 29.05.2008, 2007/07/0040; VwGH vom 24.02.2011, 2010/09/0198).

Mit "Beweismittel" iSd §32 VwGVG sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint. Grundsätzlich gilt für Beweismittel das Gleiche wie für Tatsachen, nämlich, dass sie nur dann einen Wiederaufnahmegrund darstellen, wenn sie schon bei Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, aber nicht bekannt waren und daher - ohne Verschulden der Partei - nicht geltend gemacht werden konnten. Sind sie nach Abschluss des Verfahrens (neu) entstanden, erfüllen sie die Voraussetzungen des Wiederaufnahmegrundes nicht.

Relevanz:

Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG stellen neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweise nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens dar, wenn sie allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätten. Es muss sich also um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handeln, die den Sachverhalt betreffen und die, wenn sie schon im wiederaufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wären, zu einer anderen Feststellung des Sachverhalts und voraussichtlich zu einer im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Entscheidung geführt hätten (VwGH vom 18.01.2017, Ra 2016/18/0197; VwGH vom 24.09.2014, 2012/03/0165).

ohne Verschulden der Partei

Es ist Sache des Wiederaufnahmewerbers darzutun, dass die von ihm behaupteten neuen Tatsachen oder Beweismittel im Verwaltungsverfahren ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (VwGH vom 24.06.20152012/10/0243).

3.1.2. Unter Berücksichtigung der zitierten maßgeblichen Judikatur bedeutet dies für den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag folgendes:

3.1.2.1. Es ist weder dem vorgelegten Schreiben noch den Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag zu entnehmen, ob sich die im Schreiben behaupteten Ereignisse (Verlust von Hab und Gut, Verlassen von Mogadischu, Probleme mit Al Shabaab, Beziehung des Bruders mit einem anderen Mädchen, Angriffe wegen der Clanzugehörigkeit) vor oder nach der Ausfertigung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.05.2018 ereignet hätten.

Da das im Wiederaufnahmeverfahren vorgelegte Schreiben scheinbar vom 22.11.2018 stammt bzw. es an diesem Tag an den Antragsteller übermittelt wurde (siehe vom Antragsteller vorgelegtes Foto eines Handys als Beweis für die Übermittlung), liegt es nahe, dass es sich allenfalls um Ereignisse handeln würde, die erst vor Kurzem eingetreten wären. Diesfalls wären diese Ereignisse jedoch nach dem Erkenntnis eingetreten - bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme zulässig.

Jedenfalls verabsäumt es der Antragsteller darzulegen, wann die im vorgelegten Schreiben behaupteten Ereignisse stattgefunden haben sollen, sodass der Wiederaufnahmeantrag nicht gesetzeskonform ausgeführt ist. Zudem können Tatsachen, die bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht wurden, keinen Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung begründen.

3.1.2.2. Im Wiederaufnahmeantrag fehlen zudem gänzlich substantiierte Ausführungen dazu, dass der Antragsteller das Beweismittel im Verfahren ohne sein Verschulden nicht habe vorlegen können. Der Antragsteller gibt zwar im Wiederaufnahmeantrag pauschal an, es würde ihn kein Verschulden treffen (siehe S. 3 des Wiederaufnahmeantrages), es fehlen dazu jedoch substantiierte Ausführungen.

Der Antragsteller gab zudem in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens zu W251 2158856-2 am 16.10.2017 an, dass er Kontakt zu seiner Familie habe, seine Eltern und Geschwister würden zusammen in einem Flüchtlingslager leben. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller ein allfälliges Schreiben seiner Familie nicht bereits in der mündlichen Verhandlung oder auf Vorhalt neuer Länderinformationen eingeholt und an das Gericht übermittelt hat.

Wären im vorgelegten Schreiben Ereignisse enthalten, die sich vor Ausfertigung des Erkenntnisses vom 15.05.2018 ereignet hätten, so hätte der Antragsteller diesbezüglich bereits in der Verhandlung entsprechende Bestätigungen seiner Familie vorlegen können. Sofern im vorgelegten Schreiben Ereignisse enthalten wären, die sich nach Ausfertigung des Erkenntnisses vom 15.05.2018 ereignet hätten, wären diese nach Abschluss des Verfahrens (neu) entstanden, sodass aus diesem Grund die Voraussetzungen des Wiederaufnahmegrundes nicht erfüllt wären.

Sofern die im vorgelegten Schreiben angegebenen Ereignisse sich vor Ausfertigung des Erkenntnisses vom 15.05.2018 ereignet hätten, so ist dem Antragsteller daher jedenfalls entgegenzuhalten, dass diesen ein Verschulden daran trifft, dass er eine Stellungnahme seiner Familie zu seinen Fluchtgründen und seiner persönlichen Situation bei einer Rückkehr nach Mogadischu nicht bereits in der Verhandlung zum Verfahren W251 2158856-2 vorgelegt hat bzw. dort allfällige Kontaktdaten angegeben hat.

Es fehlen jedoch gänzlich substantiierte Ausführungen des Antragstellers, aus denen sich ergeben würde, dass diesen kein Verschulden treffen würde.

3.1.2.3. Es mangelt dem Wiedereinsetzungsantrag zudem an der erforderlichen Relevanz.

Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten

Der Antragsteller gab im Wiederaufnahmeantrag pauschal an, dass das vorgelegte Schreiben die Flucht und Verfolgung seiner Familie belegen würde.

Dem Schreiben ist jedoch ausschließlich zu entnehmen, aus welchen Gründen die Schwester des Antragstellers Somalia verlassen habe. Das Schreiben nimmt jedoch keinen konkreten Bezug auf die vom Antragsteller im Asylverfahren vorgebrachten Asylgründe.

Der Antragsteller machte zudem als Asylgrund geltend, dass er in Mogadischu von der Al Shabaab gezwungen worden sei, sich dieser anzuschließen und mit dieser zusammen zu arbeiten. Wie im Erkenntnis in der Beweiswürdigung dargelegt, ergibt sich bereits aus dem beigezogenen und unbedenklichen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, dass es in Mogadischu keine Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab gibt (Erkenntnis vom 15.05.2018, S. 27). Ein "neu entstandenes" Beweismittel wie die spätere Erklärung eines (potentiellen) Zeugen kann zwar an sich geeignet sein zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen (VwGH vom 14.11.2102, 2010/08/0165), dies trifft jedoch bei einem vagen und unsibstantiierten Schreiben eines Zeugen, das mit den beigezogenen Länderberichten nicht in Einklang zu bringen wäre, nicht zu.

Der Antragsteller hat jedoch eine Relevanz betreffend die im Verfahren zu GZ W251 2158856-2 angegebenen Asylgründe nicht substantiiert dargelegt. Es fehlt daher dem Antrag an der erforderlichen Relevanz.

Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten

Auch diesbezüglich erfolgte durch den Antragsteller keine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Einzelfalls, sondern liegt auch hier lediglich ein unsubstantiierter und pauschaler Verweis vor, ohne auf den konkreten Einzelfall Bezug zu nehmen.

Im Erkenntnis wurde festgestellt, dass der Antragsteller ein junger, gesunder Mann ist, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfügt und in Mogadischu geboren und aufgewachsen ist. Es wurde auch festgestellt, dass der Antragsteller selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann (Erkenntnis vom 15.05.2018, S. 8, S. 40). Den Feststellungen ist zu entnehmen, dass Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) bei der Arbeitssuche in Mogadischu Vorteile haben, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden, dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist. Zudem erlebt Mogadischu einen wirtschaftlichen Aufschwung und es gibt eine Vielzahl von Personen, die nach Somalia zurückkehren (Erkenntnis vom 15.05.2018, S. 13-14).

Es werden im Wiederaufnahmeantrag keine exzeptionellen Gründe den Antragsteller betreffend dargelegt, die eine Rückkehr nach Somalia ausschließen würde. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es der Statusrichtlinie 2011/95/EU widerspricht, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (vgl. VwGH vom 21.11.2108, Ra 2018/01/0461; VwGH 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit Verweis auf Rechtsprechung des EuGH).

Eine Relevanz wird im Antrag des Antragstellers auf Wideraufnahme des Verfahrens nicht substantiiert dargelegt. Dem Wiederaufnahmeantrag kommt daher auch aus diesem Punkt keine Berechtigung zu.

3.1.3. Der Antrag auf Wiederaufnahme war aus den oben genannten Gründen als unbegründet abzuweisen.

3.2. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt schien und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/220/0017).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beweismittel, mangelnder Anknüpfungspunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W251.2158856.3.00

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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