TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/20 W169 2175157-2

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Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §57
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W169 2175157-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren amXXXX, StA.: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018, Zl. 610116509-180011015, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in Österreich am 13.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß §§ 3 und 8 AsylG ab und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 03.02.2015, Zahl W124 1431062-1/15E, gemäß §§ 3 und 8 AsylG als unbegründet ab. Bezüglich der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG an das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm im fortgesetzten Verfahren zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, keine Parteieneinvernahme vor, sondern gewährte dem Beschwerdeführer mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 25.10.2016 die Möglichkeit, zu maßgeblichen Fragen schriftlich Stellung zu nehmen. In einem wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderfeststellungen bezüglich Indien übermittelt, zu welchen er ebenfalls eine Stellungnahme abgeben könne.

Mit Schreiben vom 13.11.2016 führte die Vertreterin des Beschwerdeführers aus, dass der Beschwerdeführer diverse Integrationsbemühungen (Sprachdiplom A2, Krankenversicherung) angestellt habe.

Mit Schreiben vom 11.09.2017 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer auf, "bis spätestens 29.09.2017 (einlangend), etwaige Änderungen seiner "privaten, familiären und/oder beruflichen Verhältnisse der Behörde schriftlich bekanntzugeben, welche bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollen."

Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 05.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diese Erledigung wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.

Da das im Akt einliegende Originalexemplar der Erledigung vom 05.10.2017 nicht vom genehmigungsberechtigten Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unterschrieben war, richtete das Bundesverwaltungsgericht am 08.11.2017 per E-Mail an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anfrage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine unterfertigte oder mit einer elektronischen Amtssignatur versehene Version der angefochtenen Erledigung dem Beschwerdeführer zugestellt habe.

Daraufhin teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Mail vom 10.11.2017 Folgendes mit: " [...] wie aus dem bereits vorgelegten Akt ersichtlich sein sollte, wurde am 05.10.2017 mittels RSb eine unterfertigte Version der angefochtenen Entscheidung inkl. VAO an den Bf. über seinen Bevollmächtigten übermittelt. Dieses Schriftstück wurde lt. dem im Akt befindlichen Rückschein am 10.10.2017 übernommen."

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.11.2017, W191, 2175157-1/3E, wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzlässig zurückgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der angefochtenen Erledigung die Bescheidqualität fehle, da weder die Urschrift noch - mit Gewissheit - die an den Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen sei bzw. die Erledigung auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters und der Authentizität der Erledigung genehmigt worden sei. Somit wende sich die gegenständlich erhobene Beschwerde nicht gegen einen Bescheid im Sinne des Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, weshalb diese wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen sei.

Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.02.2018 persönlich einvernommen (Gegenstand der Amtshandlung: "Mitwirkung HRZ, Erlassung Wohnsitzauflage"). Im Rahmen dieser Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass gegen ihn eine "rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung" bestehe, er seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen und illegal im Bundesgebiet verblieben sei. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass er hier Deutsch gelernt habe. Er wolle nach Indien fliegen, doch erst brauche er eine Arbeitsgenehmigung in Österreich. Er habe kein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch genommen, zumal er dieses Schreiben nicht erhalten habe. Auf die Frage, ob er bereit sei, aus dem Bundesgebiet auszureisen, gab der Beschwerdeführer an, dass er erst einen Visaantrag stellen werde. Wenn er diesbezüglich eine negative Entscheidung erhalten werde, dann werde er das Bundesgebiet verlassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle Tirol, Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn zu nehmen, und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II).

Gegen diesen - dem Beschwerdeführer sowie dem bevollmächtigten Vertreter am 21.02.2018 zugestellten - Bescheid wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 18.12.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten und den Gerichtsakten.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

§ 46 FPG lautet auszugsweise:

"[...]

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

[...]"

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

Im angefochtenen Bescheid geht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehe, zumal diese mit 20.11.2017 in zweiter Instanz in Rechtskraft erwachsen sei. Dabei hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedoch übersehen, dass mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.11.2017, W191 2175157-1/3E, die Beschwerde gegen den "Bescheid" des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017, mit welchem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, als unzulässig zurückgewiesen wurde, zumal es der angefochtenen Erledigung an der Bescheidqualität fehle, da weder die Unterschrift noch - mit Gewissheit - die an den Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen gewesen sei bzw. die Erledigung auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters und der Authentizität der Erledigung genehmigt worden sei. Folglich liegt - anders als das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid festgestellt hat - im konkreten Fall noch keine gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassene Rückkehrentscheidung vor, welche aber Voraussetzung für die Erlassung einer Wohnsitzauflage ist, weshalb der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben war.

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Mangels festgestellter Verwirklichung der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" war der angefochtene Bescheid auch im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II.) zu beheben.

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Rückkehrentscheidung, Voraussetzungen,
Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W169.2175157.2.00

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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