TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/20 W112 2196051-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1

Spruch

W112 2196051-1/21E

Gekürzte Ausfertigung des am 29.05.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA GHANA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2018, Zl. 17-1175392307/180142505, und die Anhaltung in Schubhaft seit 16.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 16.05.2018 bis 29.05.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 17.01.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am 22.01.2018, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte fest, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO ITALIEN zur Prüfung des Asylantrages zuständig war und ordnete die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG nach ITALIEN an. Unter einem stellte es gemäß § 61 Abs. 2 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach ITALIEN zulässig war. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer wurde am 05.03.2018 auf dem Luftweg nach ITALIEN abgeschoben.

Er kehrte entgegen der gegen ihn bestehenden aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung nach Österreich zurück und stellte am 16.05.2018 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer wurde im Anschluss an seine polizeiliche Erstbefragung am 16.05.2018 festgenommen.

Das Bundesamt verhängte mit dem angefochtenen Mandatsbescheid vom 16.05.2018 über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung. Mit Verfahrensanordnung vom 17.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater beigegeben.

Mit Schriftsatz vom 22.05.2018, hg. eingebracht am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2018 und die Anhaltung in Schubhaft und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers durchführen, den bekämpften Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt seien, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers gemäß der VwG-Aufwandersatz-VO sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen habe, auferlegen.

Das Bundesamt legte am 23.05.2018 den Verwaltungsakt vor und beantragte die Bestätigung des Bescheides sowie die Feststellung nach § 22a Abs. 3 BFA-VG, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen. Einen Antrag auf Kostenersatz stellte es nicht.

Am 29.05.2018 fand die hg. mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm.

Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 29.05.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer war gambischer Staatsangehöriger, nicht österreichischer Staatsbürger und verfügte über kein Aufenthaltsrecht für Österreich. Er war abgesehen von XXXX gesund und haftfähig.

Der Beschwerdeführer stellte am 09.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in ITALIEN. Am 27.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Permesso di soggiorno sowie ein Fremdenpass aus humanitären Gründen ausgestellt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nicht mehr über diese verfügte, er unterdrückte diese Dokumente. Es konnte nicht festgestellt werden, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers in ITALIEN abgeschlossen worden war.

Er stellte am 30.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Identitätsbezeugende Dokumente brachte der Beschwerdeführer in seinen österreichischen Asylverfahren nicht in Vorlage. Er machte im Asylverfahren abweichende Angaben zu seinem Alter, dem Verfahrensstand in ITALIEN, ob er jemals über einen Reisepass verfügt hatte und seinen Anknüpfungspunkten in Österreich. Mit Bescheid vom 17.01.2018 wurde sein erster Antrag auf internationalen Schutz in Österreich wegen der Zuständigkeit ITALIENS zurückgewiesen und gegen ihn eine Anordnung der Außerlandesbringung erlassen.

Am 10.02.2018 wurde der Beschwerdeführer im Nachtzug nach ITALIEN in XXXX fest- und in Schubhaft genommen, als er versuchte, sich der offiziellen Überstellung nach ITALIEN durch dokumentenlose Einreise nach ITALIEN zu entziehen. Bei der Festnahme wies sich der Beschwerdeführer mit den Fotos von seinem Reisepass und seinem Permesso di Soggiorno aus. Bei ihm wurden im Polizeianhaltezentrum XXXX Dokumente einer fremden Person sichergestellt.

Der Beschwerdeführer wurde am 05.03.2018 nach ITALIEN abgeschoben und kehrte entgegen der aufrechten Anordnung der Außerlandesbringung nach Österreich zurück, wo er am 16.05.2018 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte. Diesem kam gemäß § 12a AsylG 2005 kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er wurde noch am selben Tag polizeilich erstbefragt. Am 22.05.2018 stellte Österreich ein Wiederaufnahmeersuchen an ITALIEN, indem es um eine dringende Antwort ersuchte; die Antwortfrist ITALIENS war im Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgelaufen.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet weder beruflich noch sozial verankert.

Er wurde am 16.05.2018 im Anschluss an seine polizeiliche Erstbefragung festgenommen. Er befand sich seit diesem Tag in Schubhaft, die im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergaben sich aus der hg. mündlichen Verhandlung, den beigeschafften Verwaltungsakten der Asylverfahren und des Schubhaftverfahrens, Auskünften aus dem ZMR, GVS, IZR, Strafregister und der Anhaltedatei, sowie der Mitteilung der belangten Behörde betreffend der Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs an ITALIEN vom 29.05.2018. Die Feststellungen zur Haftfähigkeit fußten auf dem amtsärztlichen Gutachten vom 17.05.2018. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer seinen Fremdenpass und sein Permesso di Soggiorno unterdrückte, beruhten auf seinem unglaubwürdigen Vorbringen in der hg. Verhandlung. Dass der Abschluss des Asylverfahrens des Beschwerdeführers in ITALIEN nicht festgestellt werden konnte, ergab sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der hg. Verhandlung, sowie aus den Rechercheergebnissen des Bundesamtes vom 24.05.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A.I.) Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2018 und Anhaltung in Schubhaft von 16.05.2018 bis 29.05.2018

Das Bundesamt verhängte die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Beschwerdeführer. Bei der vom Bundesamt gesicherten Abschiebung handelte es sich allerdings um eine Überstellung im Dublin-Verfahren. Die belangte Behörde führte zeitgleich Dublin-Konsultationen mit ITALIEN.

Die Schubhaft hätte sohin gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängt werden müssen. War die Verhängung der Schubhaft rechtswidrig, galt dies auch für die Anhaltung in Schubhaft auf Grund dieses Bescheides.

Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2018 war sohin stattzugeben, der Bescheid aufzuheben und die Anhaltung in Schubhaft von 16.05.2018 bis 29.05.2018 für rechtswidrig zu erklären.

Zu A.II.) Fortsetzungsausspruch

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor:

Der Beschwerdeführer wurde zur Sicherung der Abschiebung und des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Schubhaft angehalten (Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 1, 2 Z 2 FPG).

Die Fristen des Art. 28 Dublin III-VO waren durch das Wiederaufnahmegesuch vom 22.05.2018 und das Ersuchen um eine dringende Antwort gewahrt. Die Antwortfrist ITALIENS lief bis 05.06.2018.

Im Falle des Beschwerdeführers lag erhebliche Fluchtgefahr vor:

Der Beschwerdeführer kehrte entgegen der aufrechten Anordnung der Außerlandesbringung ins Bundesgebiet zurück (§ 76 Abs. 3 Z 2 FPG), wirkte am Asylverfahren durch Angabe falscher Identitätsdaten und Nichtvorlage seiner Dokumente sowie Verschweigens seines Aufenthaltstitels in ITALIEN nicht mit (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG) und verfügt über keine sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich, die der Annahme von Fluchtgefahr entgegengestanden wären (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG).

Auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers und des Vorliegens einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG) sowie des persönlichen Eindrucks, den er in der hg. mündlichen Verhandlung vermittelte, lag erhebliche Fluchtgefahr vor, die mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht das Auslangen finden ließ; die von ihm relevierte Kooperationsbereitschaft und Ausreisebereitschaft waren nicht glaubhaft.

Eine Unverhältnismäßigkeit der Abschiebung ergab sich auch nicht aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, der Verfahrensdauer oder der Wahrscheinlichkeit der Durchführung der Abschiebung.

Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen.

Der Abspruch über den Kosten- und Barauslagenersatz wurde einer separaten Entscheidung vorbehalten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder wich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlte es an einer Rechtsprechung; weiters war die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch lagen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor: Die Rechtslage zu § 76 Abs. 3 FPG war auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021, die Rechtsfrage zu Art. 28 Dublin III-VO durch das Erkenntnis 17.11.2016, Ra 2016/21/0270, geklärt.

Begründung der gekürzten Ausfertigung

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Dublin III-VO, Fluchtgefahr, gekürzte Ausfertigung,
Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W112.2196051.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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