Entscheidungsdatum
20.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I419 1419491-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX alias XXXX, StA. NIGERIA alias Simbabwe, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.05.2018, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,
dass der erste Satz des Spruchpunktes III wie folgt zu lauten hat:
"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste am 02.08.2010 illegal ein und beantragte als angeblich 16-jähriger Staatsangehöriger von Simbabwe internationalen Schutz. Er sei drei Wochen zuvor aus dem Herkunftsstaat geflüchtet, da er fürchte, von Truppen der Regierung getötet zu werden, weil er für einen Weißen gearbeitet habe, dessen Farm diese übernommen hätte.
Die Altersdiagnose ergab ein Mindestalter von 19, weshalb das BFA das Geburtsdatum wie im Spruch als erstes angegeben festlegte.
Am 22.11.2010 hat das BAA den Antrag ab- und den Beschwerdeführer nach Simbabwe ausgewiesen, was mangels rechtzeitiger Beschwerde rechtskräftig wurde. Einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Beschwerdefrist hat das BFA als verspätet zurückgewiesen, was der AsylGH am 07.12.2011 bestätigte.
2. Im Herbst 2013 reiste der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet aus und wurde am 16.12.2013 aus den Niederlanden überstellt, worauf er bei seiner Ankunft einen Folgeantrag stellte, zu dem er angab, keine neuen Gründe zu haben, seine alten seien aufrecht. Zu seiner Familie habe er keinen Kontakt und ansonsten keinen Platz zu dem er zurückkehren könne.
Niederschriftlich befragt ergänzte er am 16.05.2017, er sei sich seit 2011 bewusst, bisexuell zu sein, was in Simbabwe illegal sei. Seither habe er den dritten männlichen Partner, aber keine Lebensgemeinschaft.
3. Der Sprachbefund ergab am 22.03.2018, dass der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Süden Nigerias hauptsozialisiert wurde, während tragfähige Hinweise auf eine Haupt- oder Teilsozialisierung in Simbabwe oder sonst außerhalb Nigerias fehlen.
Eine Ladung zur Wahrung des Parteiengehörs zum Herkunftsstaat befolgte der Beschwerdeführer nicht.
4. Am 23.05.2018 hat das BFA dem Beschwerdeführer den Verlust des Aufenthaltsrechts wegen Straffälligkeit mitgeteilt.
5. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag in Bezug auf die Status des Asyl- und des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG", erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV), und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Zugleich wurde ein mit 10 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt VI).
Beschwerdehalber wurden anschließend an Vorbringen zu unterschiedlichen Sachverhalten und Staaten, darunter, dass auch in Nigeria Homosexualität unter Männern strafbar sei, auch die Befassung eines landeskundigen Sachverständigen sowie die Zuerkennung aufschiebender Wirkung beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Am 08.08.2018 hat der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz im Inland abgemeldet. Seit 09.11.2018 ist er hier wieder angemeldet. Bereits im Herbst 2017 war er mehr als zwei Monate nirgends gemeldet. Er ist volljährig, ledig, kinderlos, Christ und Staatsangehöriger Nigerias. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht Englisch, leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit, wird nicht ärztlich behandelt, ist arbeitsfähig und nimmt nach eigenen Angaben Allergiemedikamente. In der Haft hat er einen Deutschkurs A1 besucht, den Behörden aber kein Prüfungszeugnis vorgelegt.
In Österreich verfügte der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte. Er traf sich mit einem - von ihm mit Vor- und Nachnamen sowie Wiener Wohnbezirk - genannten österreichischen Staatsbürger zum Deutschlernen. Er hat Gottesdienste besucht, war ansonsten aber in keiner Organisation Mitglied. Weitere, über die alltäglichen Verrichtungen und die Kontakte zu Mithäftlingen und Justizpersonal hinausgehende private Bindungen bestehen nicht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer homosexuell oder bisexuell wäre.
Im Herkunftsstaat, wo er zumindest fünf Jahre die Grundschule besucht und Berufserfahrung in der Landwirtschaft und als Friseur gesammelt hat, leben die Schwester und die Tante sowie ein Freund des Beschwerdeführers. Mit diesem sowie einer weiteren Schwester und seiner Mutter steht der Beschwerdeführer weiterhin in Kontakt, wobei er angab, die beiden Frauen würden sich in Südafrika aufhalten.
In Österreich wurde der Beschwerdeführer vom LGS XXXX wie folgt strafgerichtlich verurteilt:
Am 12.01.2011 wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften als junger Erwachsener zu 7 Monaten Freiheitsstrafe, 6 davon bedingt nachgesehen, wobei es um den Verkauf von Heroin und Kokain von Ende November bis 10.12.2010 ging,
am 27.07.2011 wegen des gleichen Vergehens als junger Erwachsener zu 8 Monaten Freiheitsstrafe, weil er am 12.07.2011 einem Dritten Kokain oder Heroin überlassen hatte,
am 04.05.2012 wegen des gleichen Vergehens als Beitragstäter und junger Erwachsener zu 12 Monaten Freiheitsstrafe, wobei es um den Verkauf von Kokain ging und die bedingte Entlassung aus der vorigen Freiheitsstrafe widerrufen wurde,
am 05.12.2014 wegen des gleichen Vergehens in Form des Versuchs zu 14 Monaten Freiheitsstrafe, wobei es um den versuchten Verkauf mehrerer Kugeln Heroin ging und die bedingte Nachsicht aus der ersten Verurteilung widerrufen wurde, und
am 20.09.2017 wegen des gleichen Vergehens begangen in einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anlage, weil er mehrere Kugeln Kokain verkauft hatte, zu 15 Monaten Freiheitsstrafe.
Infolge seiner Straffälligkeit befand er sich wie folgt in Untersuchungs- und in Strafhaft:
Von 11.12.2010 bis 12.01.2011, von 12.07. bis 22.12.2011, von 06.04.2012 bis 27.06.2013, von 29.08. bis 11.09.2014, von 17.10.2014 bis 25.05.2016 und von 08.08. bis 11.10.2017. Seither genießt er einen zweijährigen Vollzugsaufschub nach § 39 SMG, um sich einer Behandlung zu unterziehen.
In Anbetracht dessen und der 4,5-monatigen Schubhaft des Beschwerdeführers war dieser während seines Aufenthalts von rund acht Jahren etwa 3,5 Jahre in Haft, somit also fast die Hälfte der Zeit inhaftiert. Wegen des gewährten Aufschubs hat er den Großteil der zuletzt verhängten 15 Monate Freiheitsstrafe noch nicht abgebüßt.
Am 12.01.2011 ordnete die BPD XXXX im Anschluss an das Urteil des Strafgerichts die Schubhaft über den Beschwerdeführer an. Der Versuch, ein Heimreisezertifikat für Simbabwe zu erlangen, scheiterte im März 2011, da sich der Beschwerdeführer vor der Konsularabteilung weigerte, irgendeine Aussage zu machen.
Die BPD XXXX erließ gegen den Beschwerdeführer wegen seiner Delinquenz am 09.03.2011 ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot, was der UVS XXXX am 16.01.2012 mit der Maßgabe bestätigte, dass eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot der genannten Dauer erlassen wurden.
Am 12.07.2012 erließ die genannte BPD ein Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer für 10 Jahre, was der genannte UVS am 21.11.2012 mit einer Maßgabe bestätigte.
Er lebte außerhalb der Haftzeiten von Leistungen der Grundversorgung und des AMS. Neben dem Suchtgifthandel hat er sich unter anderem durch gewerbsmäßiges Haareschneiden Geld verschafft, ohne dafür eine Gewerbeberechtigung zu haben.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Medizinische Versorgung
Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesundheitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die Koordination der Angelegenheiten in den medizinischen Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zuständig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).
Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).
Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 9.2016).
Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).
Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).
Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 7.2017b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 9.2016).
Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria (IRIN 13.7.2017). Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 21.11.2016; vgl. SFH 22.1.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 21.11.2016).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Gemäß dem Exekutivsekretär des National Health Insurance Scheme (NHIS) beträgt nach zwölf Jahren die Zahl der Nigerianer, die durch das NHIS krankenversichert sind, 1,5 Prozent (Vanguard 22.6.2017). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 21.11.2016). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 7.2017b).
Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017).
Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 21.11.2016). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 9.2016).
In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).
Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 21.11.2016).
Der Glaube an die Heilungskräfte der traditionellen Medizin ist bei den Nigerianern nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher die traditionellen Heiler als die Schulmediziner nach westlichem Vorbild konsultiert (GIZ 7.2017b).
In den letzten Jahren wurden mehrere Massenimpfungen gegen Polio und Meningitis durchgeführt. Ende 2016 kam es zu einem akuten Meningitis-Ausbruch, bei dem 745 Menschen gestorben sind und mehr als 8.000 Verdachtsfälle registriert wurden (GIZ 7.2017b).
1.2.2 Homosexuelle
Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).
In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" (SSMPA) in Kraft getreten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship"). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deutschen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz gekommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).
Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).
Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei involviert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeitraum 172 Übergriffe bzw. (Menschen-)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).
Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z.B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der Generalinspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).
Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).
Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).
Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).
UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).
Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).
Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).
Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).
Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche - im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen - unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).
Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015).
1.2.3 Behandlung nach Rückkehr
Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zu-rückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).
Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 21.11.2016).
1.3 Zum Vorbringen:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass ihm eine gegen seine Person gerichtete Verfolgung wegen seiner sexuellen Neigung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen derart droht, dass er keinen Schutz durch staatliche Behörden erwarten könnte.
Der Beschwerdeführer wird nach seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser und der weitere festgestellte Sachverhalt ergaben sich überwiegend aus dem Inhalt der Verwaltungsakten des BFA zu den bisherigen Verfahren einschließlich der strafgerichtlichen Urteile, sowie des vorliegenden Gerichtsaktes.
Ergänzend wurden das Register der Sozialversicherungen, jenes der Grundversorgung, das ZMR und das Strafregister abgefragt.
Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Gericht verweist daher auch auf die schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Von drei Terminen zur sprachanalytischen Befundaufnahme nahm der Beschuldigte nur den zweiten wahr und brach bei diesem die Befundaufnahme vorzeitig ab, sodass kein Gutachten im engeren Sinn (vgl. Hengstschläger/Leeb AVG § 52 Rz 60) erstattet wurde, sondern ein Befund "zu den Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen". Schon aus diesem und den enthaltenen gutachterlichen Feststellungen (AS 278 ff) kann allerdings, wie es das BFA getan hat, einwandfrei auf den Herkunftsstaat geschlossen werden.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers seinen Lebensumständen, seinem Personenstand und seiner Kinderlosigkeit, seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben, wobei der Herkunftsstaat dem Befund folgend festgestellt wurde, sowie den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen. Mangels Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten des Beschwerdeführers, der auch sein wahres Geburtsdatum verschwieg, steht seine Identität nicht fest.
Der Beschwerdeführer hat dem Sprachgutachter einen Terminplan eines psychosozialen Vereins vorgelegt, der auch Suchttherapie anbietet. Da der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nur sporadisch gemeldet ist und auch keinerlei Ausführungen zu einer Behandlung im Sinne § 39 SMG erstattete, geht das Gericht vom fortwährenden Zutreffen der Angabe aus, dass er keine ärztliche Behandlung in Anspruch nimmt.
Die Negativfeststellung betreffend seine sexuelle Neigung gründet sich zum einen darauf, dass der Beschwerdeführer von seinem angeblich ersten Partner nur den Vornamen angeben konnte, wie das BFA zutreffend ausführt (AS 371 f), vom aktuellen hingegen keinerlei Daten nannte, im Gegensatz zum genannten Österreicher, der ihn Deutsch lehrte.
Zum anderen ist dem BFA (a. a. O.) auch darin beizupflichten, dass durch die Verwendung mehrerer Geburtsdaten und das Beharren auf einem falschen Herkunftsstaat die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens im Folgeantrag stark erodiert ist, zumal das Vorbringen zutreffendenfalls mit rund sechs Jahren Verspätung erstattet worden wäre, welche sich nach rund siebenjährigem Aufenthalt in Europa nicht mit der beschwerdehalber geltend gemachten Begründung erklären lässt, der Beschwerdeführer habe sich "eventuell" wegen der Tabuisierung männlicher Homosexualität in der afrikanischen Kultur geniert, "in der Einvernahme ganz offen" zu sprechen (AS 411).
2.2 Zur Lage im Herkunftsland
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsstaat nicht entgegen, sondern ließ einen für seine Anhörung dazu vorgesehenen Termin verstreichen, und bestreitet weiter, aus diesem Staat zu stammen.
2.3 Zum Fluchtvorbringen:
In der Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer bestreite, aus Nigeria zu stammen. Homosexualität sei aber auch dort strafbar, speziell die von Männern. Der Beschwerdeführer habe deutlich angegeben, worin seine Verfolgung bestehe, und dass die nigerianischen Behörden ihm Schutz verweigerten.
Demgegenüber erweist die Niederschrift, dass sich die Ausführungen des Beschwerdeführers auf die Sätze beschränken (AS 218 f): "Meine neuen Gründe sind[,] das[s] ich bisexuell bin. In Simbabwe ist das illegal." "Ich fürchte die Regierung[,] weil es dort illegal ist."
Unter diesem Aspekt kann - mit dem BFA (AS 377) - auf Basis der Feststellungen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers in Nigeria weder aus dem Vorbringen noch aus den Länderinformationen abgeleitet werden.
Es spricht auf dieser Basis auch nichts dafür, dass noch zu klären wäre, wie die Beschwerde ausführt, "ob im Fall des Beschwerdeführers eine Verfolgung entsprechender Intensität aufgrund von Konventionsgründen durch Dritte trotz staatlichen Schutzes in Ägypten [gemeint wohl: Nigeria] mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten" wäre, wozu der Beschwerdeführer nachvollziehbare Angaben gemacht habe. Solche Angaben liegen nämlich nicht vor.
Wenn die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer habe in der Heimatregion keine Sozialkontakte und könne ehemalige solche "durch die Fluchtbewegungen innerhalb Nigerias" nicht mehr auffinden oder erneuern, sind dem die Feststellungen entgegenzuhalten, die auf den Aussagen in der Niederschrift beruhen (AS 216), speziell den "Freund von damals" betreffend.
Soweit weiter beschwerdehalber vorgebracht wird, in Österreich habe der Beschwerdeführer sich "gut eingelebt", spreche für den Alltag ausreichend Deutsch, sei selbsterhaltungsfähig und habe umfangreiche soziale und familiäre Kontakte, wogegen ihm im Rückkehrfall eine existenzielle Notlage drohe, ist auf die Feststellungen zu verweisen, aus denen sich weder die Behauptungen für das Inland ableiten lassen, noch angesichts der Arbeitsfähigkeit und des Alters des Beschwerdeführers existenzielle Schwierigkeiten im Herkunftsstaat.
Wenn dagegen die Beschwerde die Gesundheit des Beschwerdeführers nicht thematisiert, dann kann fußend auf den Länderfeststellungen, wonach in der Regel fast alle geläufigen Medikamente in Apotheken erhältlich sind (oben 1.2.1) davon ausgegangen werden, dass auch die Verfügbarkeit allenfalls weiter benötigter Antiallergika oder Antihistamine im Herkunftsstaat nicht in Zweifel steht.
Warum der Beschwerdeführer also im Herkunftsstaat, dessen Sprache er spricht und in dem er aufwuchs und sozialisiert wurde, in existenzielle Schwierigkeiten geraten sollte, ist nicht substantiiert begründet und auch nicht sonst erkennbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):
3.1.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde als Bisexueller verfolgt werden, ist auf die Notwendigkeit zu verweisen, eine Verfolgung zumindest glaubhaft zu machen. Wie ausgeführt, ist das dem Beschwerdeführer nicht gelungen.
3.1.3 Im vorliegenden Fall liegt daher die Voraussetzung einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht vor. Daraus ergibt sich rechtlich gesehen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und daher der Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.
3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):
3.2.1 Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser Antrag in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.
3.2.2 Selbst wenn man in Bezug auf die Bekämpfung der Terroristen der Boko Haram durch die staatlichen Sicherheitskräfte von einem innerstaatlichen Konflikt ausginge, wäre der überwiegende Teil Nigerias, vor allem der Süden, nicht von einem solchen betroffen und wie dargestellt auch fluchtweise erreichbar.
3.2.3 Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen gleichwertige Elementarereignisse liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes nach Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
3.2.4 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits öfters erkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.
Das gilt auch dann, wenn - was angesichts der Feststellungen nicht zu erwarten ist - eine Unterstützung durch Angehörige oder Freunde des Beschwerdeführers unterbleibt. Dieser ist mit seiner Grundschulbildung und seinen bisherigen Tätigkeiten im Landwirtschaftsbereich und als Friseur im Arbeitsmarkt integrierbar, sei es wie zuvor am Bauernhof, sei es in anderen Branchen.
Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Ausspruch in Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.
3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):
3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels
Im Spruchpunkt III im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war der Bescheidbegründung nach (S. 55, AS 381) offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
3.3.2 Rückkehrentscheidung
Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl betreffend den Status des Asyl-, als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, wie im bekämpften Bescheid geschehen, ist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG vorgesehen, dass das BFA eine Rückkehrentscheidung erlässt.
Das gilt nur dann nicht, wenn eine solche wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.
Der Beschwerdeführer hat kein Familienleben im Bundesgebiet. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer hat unstrittig kein Familienleben im Bundesgebiet. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Betreffend die angebliche sexuelle Neigung erfolgte eine Negativfeststellung, sodass auch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht festgestellt ist. Unter den gegebenen Umständen kann vom Vorhandensein eines Privatlebens über den privaten "Deutschlehrer", die Feier der Gottesdienste sowie den Umgang mit Mithäftlingen und Justizpersonal hinaus kaum ausgegangen werden.
Eine Drogentherapie hat der Beschwerdeführer den Feststellungen nach nicht begonnen. Wohl aber nimmt er Allergiemedikamente ein. Darin liegt ein privates Interesse an der Versorgung mit diesen Präparaten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0082 mwH).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen, dass es dem Fremden obliegt, substantiiert darzulegen, warum eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei, und dass diese nur in Österreich erfolgen könne. Denn nur dann wäre ein sich daraus allenfalls ergebendes privates Interesse im Sinne des Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (26.03.2015, 2013/22/0297 mwH).
Der Beschwerdeführer leidet an keiner schweren Erkrankung und hat auch nicht behauptet, dass bei seiner Rückkehr eine Therapie zu entfallen hätte. Insofern ist das private Interesse an einer Krankenbehandlung des Beschwerdeführers weit von der Gravidität entfernt, welche die Rechtsprechung für einen Verbleib voraussetzt.
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der - unterbrochene - Aufenthalt des volljährigen und arbeitsfähigen Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise gut acht Jahre gedauert hat, davon bisher 3,5 Jahre in Haft, und der Beschwerdeführer noch 13 von 15 Monaten aus seiner letzten Verurteilung nicht verbüßt hat. Von einer "Aufenthaltsverfestigung" kann daher und schon unabhängig davon keine Rede sein, dass er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste. Außerdem fußte der Aufenthalt auf zwei Asylanträgen, die unbegründet und im Anschluss an eine illegale Einreise und an die Rückkehr aus Holland nach illegaler Einreise gestellt worden waren, und von der Abweisung des ersten Antrags bis zum Folgeantrag auf der Nichtbefolgung der Ausreisepflicht.
Mit der Verurteilung vom 05.12.2014 hat er zudem auch sein durch den Folgeantrag bewirktes Aufenthaltsrecht verloren, auch wenn ihm dieser Verlust erst 2018 und unter Verweis auf die Verurteilung von 2011 mitgeteilt wurde. Somit besaß der Beschwerdeführer lediglich für einen Zeitraum von zusammen etwa 28 Monaten ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht.
Es liegen auch keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen solchen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Der Beschwerdeführer übt in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er konnte auch keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
Im Fall des Beschwerdeführers kommt dazu die festgestellte Delinquenz, die mit einer Regelmäßigkeit auftrat, die eine weitere kontinuierliche Beeinträchtigung der Volksgesundheit erwarten lässt, was gravierend für dessen Rückkehr in den Herkunftsstaat spricht.
Es würde eine Benachteiligung jener Fremden, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmun-gen in Österreich beachten, gleichkommen, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unzulässigen Asylantrag erzwungen hat und zwischen den Zeiten der Untersuchungs- und Strafhaftperioden entgegen der Ausreiseverpflichtung fortsetzte. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.
3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig betont die Rechtsprechung des VwGH jedoch unter Hinweis auf jene des EGMR, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Das gilt auch, wenn eine Unterstützung durch Angehörige ausbleiben sollte. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig.
Er spricht mindestens eine Landessprache und hat im Herkunftsstaat die Schule besucht, weshalb er dort zweifelsfrei die Möglichkeit hat, am Arbeitsmarkt fündig zu werden, ob mit landwirtschaftlicher oder anderer Arbeit.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich - auch ohne Drogendelikte - wirtschaftlich besser leben und versorgt werden kann, genügt nicht für die Annahme, er würde im Herkunftsstaat keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht im Herkunftsstaat keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3