Entscheidungsdatum
21.12.2018Norm
AVG §19Spruch
W250 2211189-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Côte-d'Ivoire, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem.GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 46 Abs. 2a FPG iVm § 19 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 17.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Nach Durchführung eines mit Italien geführten Konsultationsverfahrens auf Grund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 - Dublin-III-VO wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) diesen Antrag mit Bescheid vom 09.11.2017 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte fest, dass Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung der BF an und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Italien zulässig sei. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.12.2017 stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2018 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung gegen die BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Republik Côte-d'Ivoire zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Auf Grund einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde behob das Bundesverwaltungsgericht mit Teilerkenntnis vom 28.05.2018 Spruchpunkt VI. dieses Bescheides ersatzlos und stellte fest, dass der Beschwerde nunmehr die aufschiebende Wirkung zukommt. Diese Entscheidung wurde sowohl dem Bundesamt als auch der Rechtsvertreterin der BF am 29.05.2018 zugestellt.
4. Am XXXX leitete das Bundesamt ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für die BF bei der Vertretungsbehörde der Republik Côte-d'Ivoire ein.
5. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 25.10.2018 wurde der BF gemäß § 46 Abs. 2a und 2b Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG in Verbindung mit § 19 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG aufgetragen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes am XXXX um 10.30 Uhr zur Botschaft der Republik Côte-d'Ivoire zu kommen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).
Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass beabsichtigt sei, die BF einer Delegation aus Vertretern ihres Heimatlandes gegenüberzustellen, da sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und sie sich als nicht rückkehrwillig zeige.
Dieser Bescheid wurde der BF am 29.10.2018 zugestellt.
6. Am 22.11.2018 erhob die BF durch ihre ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.10.2018 und brachte im Wesentlichen vor, dass keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliege, weshalb eine Abschiebung der BF gemäß § 46 Abs. 1 FPG und in der Folge die Erlangung eines Ersatzreisedokumentes gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG nicht in Betracht komme.
Das Bundesamt könne die personenbezogenen Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, gemäß § 33 Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG an die Botschaft der Côte-d'Ivoire weiterleiten, wobei eine persönliche Anwesenheit der BF nicht notwendig sei.
Es sei darüber hinaus erforderlich, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen, die den Ladungsbescheid ausnahmsweise nötig machen. Derartige Gründe habe das Bundesamt aber nicht dargelegt.
Die BF beantragte den Ladungsbescheid aufzuheben, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen bzw. den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung aufzuheben und dem Bundesamt aufzutragen, der BF die Kosten für das Beschwerdeverfahren zu ersetzen.
7. Der vom Bundesamt vorgelegte Verwaltungsakt langte am 14.12.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren wurde nicht abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der unter Punkt I.1. bis I.7. geschilderte Verfahrensgang wird als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
1.2. Über den Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 17.07.2018 wurde bisher nicht rechtskräftig entschieden, der Beschwerde der BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2018 kommt aufschiebende Wirkung zu.
1.3 Die BF ist in Österreich unbescholten, verfügt seit dem Tag ihrer Antragstellung über eine Meldeadresse und wird in der Grundversorgung betreut.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und den Gerichtsakt, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2179366-1, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.11.2017 betreffend, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2196061-1, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.04.2018 betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Zentrale Melderegister sowie in das Strafregister.
2.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes, aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Beschwerdeverfahren gegen die Bescheide vom 09.11.2017 sowie vom 17.04.2018.
2.2. Aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde der BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17.04.2018 betreffend ergibt sich, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukommt und über die Beschwerde bisher noch nicht abschließend entschieden wurde.
2.3. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF, ihren Meldedaten und ihrer Betreuung in der Grundversorgung gründen sich auf die Einsichtnahme in das Strafregister, das Zentrale Melderegister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Stattgabe der Beschwerde
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
§ 46 Abs. 2a und 2b FPG lautet:
(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.
Der mit "Ladungen" überschriebene § 19 AVG lautet:
§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung.
3.1.2. Das Bundesamt ist gemäß § 46 Abs. 2a FPG grundsätzlich jederzeit ermächtigt, bei der für einen Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen einzuholen. Der Fremde hat in diesem Zusammenhang an den Amtshandlungen des Bundesamtes im dafür erforderlichen Umfang mitzuwirken. Diese Mitwirkungsverpflichtung kann dem Fremden gemäß § 46 Abs. 2b FPG mit Bescheid aufgetragen werden und kann der Fremde auch vor die für ihn zuständige ausländische Behörde geladen werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsgrundlage für die in diesem Zusammenhang ergehende Ladung § 19 AVG, deren Zulässigkeit ihre unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilende Notwendigkeit voraussetzt (vgl. VwGH vom 29.05.2018, Ro 2018/21/0006).
3.1.3. Der Antrag der BF auf internationalen Schutz wurde in erster Instanz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen, der dagegen erhobenen Beschwerde kommt aufschiebende Wirkung zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29.05.2018, Ro 2018/21/0006, ausgesprochen, dass sich die Zulässigkeit einer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz vorgenommenen Ladung eines Asylwerbers zum Bundesamt mit dem Zweck der Identitätsfeststellung im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht alleine deshalb verneinen lasse, weil noch keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliege. Es sei vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit insgesamt zu prüfen, ob die Ladung ausnahmsweise schon in diesem Stadium nötig sei. Diesbezüglich sei jedenfalls ergänzend zu beachten, dass es einem Asylwerber - außer es handle sich um einen Folgeantrag - in der Regel nicht zumutbar sein werde, während des noch nicht rechtskräftig beendeten Verfahrens auf Gewährung von internationalem Schutz Vertretern des Herkunftsstaates gegenübergestellt und von diesen zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen befragt zu werden.
3.1.4. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass beabsichtigt ist, die BF einer Delegation aus Vertretern ihres Heimatlandes gegenüberzustellen. Besondere Umstände, die die Ladung der BF zu dieser Amtshandlung zu einem Zeitpunkt, in dem über ihren Asylantrag noch nicht abschließend entschieden worden ist, erforderlich erscheinen lassen, werden im Bescheid nicht genannt. Es wird darin lediglich darauf verwiesen, dass die BF ihrer Verpflichtung zur Ausreise in ihr Heimatland nicht nachgekommen sei und sich nicht rückkehrwillig zeige. Besondere Umstände, die eine Gegenüberstellung mit Vertretern ihres Herkunftsstaates noch während des anhängigen Asylverfahrens erforderlich machen, werden damit aber nicht dargetan. Dem Verwaltungsakt lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ein so hohes öffentliches Interesse an der Außerlandesbringung der BF besteht, das eine Ladung vor die Vertretungsbehörde ihres Herkunftsstaates noch vor einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz erforderlich macht. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die BF unbescholten ist und ihrer Meldeverpflichtung nach dem Meldegesetz bisher lückenlos nachgekommen ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher unter Berücksichtigung der für die Zulässigkeit einer Ladung im Sinne des § 19 AVG erforderlichen Verhältnismäßigkeit als rechtswidrig da nicht ersichtlich ist, weshalb die Ladung schon während des anhängigen Asylverfahrens ausnahmsweise erforderlich gewesen wäre.
Der Beschwerde war gemäß § 46 Abs. 2a iVm § 19 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.
3.1.5. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.2. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II. - Kostenentscheidung
Der Antrag des BF auf Kostenersatz war zurückzuweisen, da das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz einen solchen nur im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG vorsieht. Im vorliegenden Fall war jedoch über eine Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu entscheiden.
Zu B) Unlässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Ausreisewilligkeit, Kostenersatz, Ladungen, Rechtswidrigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W250.2211189.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.02.2019