TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/2 L519 2180000-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.01.2019
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Entscheidungsdatum

02.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L519 2180000-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 21.8.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.11.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Iran, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 13.8.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF im Wesentlichen vor, er sei im Iran zum Christentum konvertiert und in Dänemark getauft worden. Seine Familie sei streng religiös und er habe Angst vor den iranischen Behörden.

Beim BFA gab der BF zusammengefasst an, er stamme aus einer politischen Familie und gehöre zu den kurdischen Demokraten. Über einen Freund sei der BF mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Bei Gesprächen über das Christentum seien der BF und seine Freunde von einem Geheimpolizisten belauscht worden. Diesem hätten sie monatlich 500.000,- Tunan pro Person als Bestechungsgeld gegeben. Außerdem habe der BF 2 Facebookadressen, einmal zur kurdischen Partei und einmal zum Christentum.

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.11.2017 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.3. Der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des BVwG vom 2.1.2018 gem. § 28 Abs. 3 VwGVG Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA verwiesen.

I.4. Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz mit im Spruch genannten angefochtenen Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

I.4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Angaben des BF zu seinem Fluchtgrund nicht glaubhaft seien.

Bei der Erstbefragung gab der BF an, im Iran zum Christentum konvertiert und aus Angst um sein Leben geflüchtet zu sein. Er sei in Dänemark getauft worden und könne nicht in den Iran zurück, da seine Familie streng religiös sei und er Angst vor den iranischen Behörden habe. Beim BFA gab er an, mit einem Freund über das Christentum gesprochen zu haben. Eine Person habe dies gehört und den BF bestochen. Der BF habe in einer Nacht mit einem Freund in einer Passage über den christlichen Glauben gesprochen. Zunächst habe er nicht gewusst, dass jemand zugehört hat. Diese Person, die beim Geheimdienst gearbeitet habe, sei drogenabhängig gewesen und habe Geld verlangt, damit sie der Polizei nichts erzählt. Der BF und sein Freund hätten ca. 4 bis 5 Monate Bestechungsgeld in Höhe von 500.000,- Tunan pro Person gegeben. Der BF sei dann vom Iran geflüchtet, weil er lebenslang Geld an diese Person zahlen hätte müssen. Weiter gab der BF an, aus einer politischen Familie zu stammen, die zu den kurdischen Demokraten gehört. Nachgefragt gab er an, im Iran nicht politisch tätig gewesen zu sein. Er habe in Dänemark an Demonstrationen teilgenommen. In Österreich sei er nicht politisch tätig.

Mit den widersprüchlichen Angaben in der Erstbefragung konfrontiert, erklärte der BF, dass jemand anderer ihm gesagt habe, dass er in Dänemark auch gelogen und deshalb einen positiven Bescheid bekommen habe und deshalb solle der BF in Österreich auch lügen. Der BF behauptete bei seinen Fragen z.B., dass er verheiratet sei, weil man ansonsten in Dänemark 10 Jahre warten müsse. Auch bei der Untersuchung im XXXX am 9.8.2017 behauptete der BF wieder, dass er zu seiner Familie und zu seiner Frau im Iran derzeit keinen Kontakt habe. Erst beim BFA stellte er richtig, dass er nicht verheiratet, sondern ledig sei. Mit der namentlich angegebenen Ehefrau habe er im Iran eine Art Beziehung gehabt, diese sei aber aufgelöst worden.

Auch den Widerspruch, dass der BF bei seiner Einvernahme vorerst angab, wegen seiner psychischen Probleme im Iran nicht in Behandlung gewesen zu sein, habe er dann richtiggestellt, indem er angab, im Iran mit 13 oder 14 Jahren auch in Behandlung gewesen zu sein. Danach sei es dem BF besser gegangen und er wäre auch nicht mehr so oft in Behandlung gewesen.

Weiter stellte der BF richtig, dass er bei der Erstbefragung auch falsch angegeben hat, dass sein Cousin für ihn ein Visum bei der Botschaft in Teheran beantragt habe und er dann mit dem Reisepass des BF verschwunden sei. Den Originalreisepass hat der BF der Behörde am 19.9.2017 vorgelegt.

Ebenso deute der Umstand, dass der BF problemlos legal ausreisen konnte und offenbar keine Bedenken hatte, ein Visum zu beantragen und sich der Passkontrolle auszusetzen, darauf hin, dass der BF Verfolgungshandlungen seitens der iranischen Behörden nicht befürchtete.

Der BF sei 8 Monate in Dänemark gewesen, davon 6 Monate versteckt. Die Behörden hätten ihm gesagt, dass er aufgrund der Dublin III Verordnung nach Österreich zurückgehen müsse. Der BF würde nicht wissen, ob er in Dänemark einen negativen Asylbescheid bekommen hat. Er habe deshalb in Dänemark gelogen, weil ihm eine andere Person dies so gesagt habe.

Aufgrund dieser unwahren und widersprüchlichen Angaben bei der Erstbefragung und der Einvernahme beim BFA gehe die Behörde davon aus, dass der BF die wahren Gründe für seine Ausreise aus dem Iran nicht vorgebracht hat und somit keine asylrelevanten Tatsachen bestehen.

Dazu befragt, ob der BF im Iran politisch tätig war, erklärte er, dass er als er jung war, politisch aktiv gewesen sei. Er habe provokativ Wände beschmiert und sei mit 15 oder 16 bei einer Demonstration dabei gewesen. Außerdem habe er vor ca. 10 Jahren CDs mit Antiregierungen weitergegeben. Probleme deshalb habe er aber nicht gehabt, da die Polizei nicht dahintergekommen sei. Damit konfrontiert, dass er das bei der Einvernahme im September 2017 nicht angegeben hat, erklärte der BF, dass er es deshalb nicht angab, da ihm gesagt worden sei, dass er Sachen, die vor vielen jahren passiert sind, nicht anzugeben brauche. Der Pfarrer habe ihm gesagt, dass er es, weil er noch ein Kind war, nicht zu sagen brauche. Aber weil heute danach gefragt wurde, habe er es erzählt. In der Familie des BF seien nur der Großvater und die Onkel politisch aktiv gewesen. Der Vater und die beiden im Iran befindlichen Brüder des BF seien politisch nicht aktiv.

Auch darüber befragt, ob der BF weiterhin eine politische Facebookseite in Österreich betreibe, bejahte dieser, erklärte aber gleichzeitig, dass er "eher religiös unterwegs" sei. Er bekomme derzeit von einem iranischen Freund, der in Irland lebt und einem Vertreter der kurdischen Partei in Österreich Informationen für seine Facebookseite. Eine aktive politische Tätigkeit bzw. Parteimitgliedschaft sei aufgrund dieser Ausführungen nicht gegeben.

Der BF habe auch keine persönlichen Beweggründe für seinen Übertritt zum Christentum glaubhaft machen. Ein Freund habe Islamisten und Christen verglichen und dem BF viel erzählt, das er geglaubt habe.

Seinen Weg zum neuen Glauben habe der BF so beschrieben: " Jesus Christus ist gekommen und hat sich geopfert, dass er uns retten kann. Wir wissen, dass Jesus Christus ein Retter ist. Er hat sein Blut vergossen, damit er uns retten kann." Der BF habe Bibelverse zitiert, aber nichts Persönliches beschrieben.

Bei der Erstbefragung gab der BF an, bereits im Iran zum Christentum konvertiert zu sein. Außer der Geheimpolizei und 2 Freunden habe niemand vom Interesse des BF am christlichen Glauben gewusst. Jetzt würden es alle wissen, da der BF auf Facebook religiöse und politische Einträge mache. Der BF habe im Iran auch keine Hauskirche besucht oder sich mit Gleichgesinnten getroffen.

Die allgemeinen Fragen zum Christentum habe der BF großteils beantworten können. Bei der Hinwendung des BF zum Christentum handle es sich aber um kein ernsthaftees Interesse, sondern eine Vortäuschung von Tatsachen, um den Verlauf seines Asylverfahrens zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Eine innere und ernsthafte Auseinandersetzung habe dem Vorbringen nicht entnommen werden können. So habe der BF vage und oberflächlich über sein angebliches Interesse am christlichen Glauben gesprochen. Eine innere Überzeugung habe er nicht glaubhaft machen können, da er nichts Persönliches erzählte und nur Bibelverse aufsagte.

Der BF behauptete, dass im Iran aufgrund der Einträge in Facebook alle wissen, dass er Christ sei. Seine Verwandten hätten deshalb positive Bescheide erhalten. Gefragt, ob der BF deshalb einen Facebookaccount gemacht habe, erklärte dieser, dass er wolle, dass seine politischen Freunde bei der kurdischen Seite und seine gläubigen Freunde bei der christlichen Seite sind. Er habe weltweit Kontakte.

In Hinblick darauf, dass der iranische Staat nicht jegliche Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen kann, muss sich sein Interesse auf Personen beschränken, die aufgrund ihrer exponierten Stellung, aufgrund ihres Einflusses auf andere Iraner oder eines herausragenden Engagements eine potentielle Gefahr für den ausschließlichen Machtanspruch des Regimes im Iran darstellen könnten, was aber beim BF nicht der Fall sei.

Am 2.8.2018 gab der BF an, dass er im Iran mit der Polizei Probleme gehabt habe. Bei der Einvernahme im September 2017 hat er Derartiges verneint. Befragt nach konkreten persönlichen Problemen mit der iranischen Polizei, gab der der BF an, dass er den Geheimdienstmitarbeiter bestochen habe, damit ihn dieser nicht an die iranische Polizei verrät. Es sei nicht weiter nachgefragt worden, weil der BF offensichtlich keine persönlichen konkreten Probleme mit der Polizei hatte, außer dass er einen Geheimpolizisten bestochen hat, weil die Polizei angeblich draufgekommen sei, dass sich der BF angeblich für das Christentum interessiert. Wäre dies aber tatsächlich der Fall gewesen, hätte die Polizei mit Sicherheit Massnahmen ergriffen und sich der BF nicht mit Bestechungsgeld freikaufen können.

Der BF wurde am 22.3.2016 bei der Pfingstkirche St. Johannes in Dänemark getauft. In Österreich würde er verschiedene Kirchen, eine evangelikale Freikirche, eine Baptistengemeinde und eine evangelische Kirche besuchen. Weiter besuche der BF montags einen Bibelkurs, am Dienstag würde er zur Nader-Kirche gehen. Donnerstags würde er in der XXXX einen Kurs besuchen und freitags einen Pastor am XXXX namens Stefan. Samstags besuche er mit seiner Partnerin wiederum einen Bibelkurs. Weiter würde der BF 3 Mal in der Woche von 20.00 bis 22.00 Uhr einem Bibelkurs in Hamburg via Internet beiwohnen.

Befragt wie der BF in Dänemark getauft werden konnte, wo er sich dort doch nach eigener Angabe versteckt hielt, erklärte er, er sei in einer Unterkunft gewesen und dort hätten sie sich vorgestellt. Dann sei er nach einem 6-monatigen Taufvorbereitungskurs zur Taufe gegangen. Aber genau könne sich der BF nicht daran erinnern.

Auch danach gefragt, wie es sich mit dem christlichen Glauben vereinbaren lasse, dass der BF seit 22.6.2018 mit einer Frau gemeinsam lebt, ohne mit ihr verheiratet zu sein, meinte der BF, sie würden nur miteinander sprechen. Seine Freundin würde in einem anderen Raum schlafen, aber wenn der BF wolle, könne er auch bei seiner Freundin im Schlafzimmer schlafen, da diese ein größeres und besseres Bett habe als er in der Küche. Der BF habe sich auch bereits wegen einer Heirat informiert und würde daran bleiben. Aber nach ihrem Alter habe er seine Freundin noch nicht gefragt. Er würde sich mit ihr wohlfühlen und sie wäre auch Christin.

Dass sich der BF derzeit intensiv mit der neuen Religion auseinandersetzt und dadurch Fragen zum Christentum beantworten kann, sei noch kein Indiz, dass sich der BF im Iran auch für das Christentum informiert hätte. Auch beruhe ein Religionswechsel normalerweise nicht auf kurzfristigem Interesse für bloße Inhalte einer Religion. Derartiges gehe vielmehr mit umfassenden Gewissensentscheidungen einher und einem gewissen Lösungsprozeß vom bisherigen Glauben, der ebenfalls auf tiefgreifenden Überlegungen und Präferenzabgleichungen beruhen sollte. Auch habe der BF nicht ansatzweise nachvollziehbar angeben können, weshalb er innerhalb kurzer Zeit von einer Religion ab- und der anderen zugewendet habe bzw. derzeit gleichzeitig verschiedene Glaubensrichtungen - Internationale Christengemeinde XXXX, Baptistengemeinde XXXX, Evangelikale Freikirche, Christengemeinde Immanuel, Pfingstkirche - zuwendet. Es sei nachvollziehbar, dass dabei soziale Überlegungen, die aber nichts mit Religion zu tun haben, nämlich dass der BF in einem fremden Land Anschluss findet, eine Rolle spielen. Eine innere Konversion zum Christentum deshalb sei aber nicht glaubhaft. Am 2.8.2018 gab der BF auch an, dass der Vorschlag einer neuerlichen Taufe in Österreich mehrmals an ihn herangetragen worden sei. Der BF glaubte, man könne sich nur einmal taufen lassen, aber wenn Jesus möchte würde er sich nochmals taufen lassen. Aber der BF glaube, dass er das derzeit nicht braucht. Trotz Glaubensfreiheit ist das Aus- und Eintreten in eine Religionsgemeinschaft ein einschneidender Vorgang: man stelle die eigene Vergangenheit in Frage. Eine für den BF zwingende Gewissententscheidung sei nicht ersichtlich.

Lediglich aufgrund der Ausstellung einer Taufurkunde in Dänemark, was als Scheinkonversion angesehen werde, sei keine individuelle Verfolgungsgefährdung zu erkennen. Der BF benutze die Vortäuschung einer asylrelevanten Verfolgung aufgrund des Religionswechsels, um seinem Wunsch nach einem Verbleib in Österreich nachzukommen.

Zum Gesundheitszustand des BF führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass er eine im Remission befindliche Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion habe. Daraus ergebe sich keine dauernde Behandlungsbedürftigkeit. Bei einer Überstellung bestehe auch keine Gefahr, dass der BF aufgrund der Erkrankung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten könnte oder sich die Krankheit in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtern könne.

I.4.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.4.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

I.5. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht festgestellt worden sei. Das Vorbringen des BF sei zu Unrecht als nicht glaubhaft bewertet worden. Es sei ein Fehler gewesen, dass der BF bei der Erstbefragung falsche Angaben zu seinem Reisepass und seinem Beziehungsstatus gemacht hat. Wenn der BF angab, dass er wegen seiner psychischen Probleme im Iran nicht behandelt wurde, so habe er damit die letzte Zeit vor seiner Ausreise gemeint. Der BF habe in Dänemark keinen negativen Asylbescheid bekommen, vielmehr sei er nach den Bestimmungen der Dublin III Verordnung nach Österreich überstellt worden. Da nur ein sehr eingeschränkter Personenkreis Kenntnis von der Konversion des BF hatte und er als Begleiter eines krebskranken Kindes ausreisen sollte, habe er den Weg der legalen Ausreise wählen können. Die belangte Behörde komme fälschlich zum Schluss, dass eine aktive politische Betätigung des BF nicht gegeben sei. Der BF habe sich mit dem Christentum auseinandergesetzt und dann aus innerer Überzeugung entschieden, sich taufen zu lassen. Da der BF auch auf Facebook aktiv sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Geheimdienst bereits über seine Konversion informiert ist. Der BF habe überdies PTBS, weshalb er täglich Medikamente einnehme. Der BF sei um Integration bemüht und arbeite freiwillig in einem Altenheim. Die Lebensgefährtin des BF könne wesentliche Angaben zu dessen Integration machen.

I.6. Für den 21.11.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der der BF und sein Rechtsvertreter teilnahmen. Weiter wurde die vom BF beantragte Zeugin einvernommen.

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Staatsangehörigen des Iran, welcher zur Volksgruppe der Kurden gehört. Der BF ist damit Drittstaatsangehöriger.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF tatsächlich aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert wäre. Der BF wurde am 22.3.2015 in Dänemark christlich getauft.

Der BF ist ein lediger, 38-jähriger, arbeitsfähiger Mann mit einer im Iran - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Der BF hat eine in Remission befindliche Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2 ICD-10). Die Diagnosekriterien von PTBS liegen nicht vor.

Der BF stammt aus der Region XXXX und hat 11 Jahre die Schule besucht und eine technische Ausbildung gemacht. Er hat auch eine Ausbildung als Friseur und Krankenpfleger. Er spricht Farsi und Kurdisch auf muttersprachlichem Niveau sowie Deutsch auf A2-Niveau.

Im Iran leben nach wie vor die Eltern des BF, 2 Schwestern und 2 Brüder. Der BF besitzt in XXXX nachwievor eine derzeit leerstehende Wohnung.

Der BF bezieht Grundversorgung und ist in Österreich bislang strafrechtlich unbescholten. Er lebt mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt.

Die Identität des BF steht fest.

Der BF beantragte am 15.6.2014 bei der ÖB Teheran ein Visum C. Dieses wurde ihm mit einer Gültigkeitsdauer vom 27.6.2014 bis 25.7.2014 ausgestellt. Mit diesem Visum reiste der BF nach Dänemark, von wo er 12.8.2015 nach Österreich überstellt wurde.

Der BF hält sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat:

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran werden folgende

Feststellungen getroffen:

1. Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 6.2018a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 9.2017). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2018a).

Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: 19.05.2017). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shora-ye Eslami/ Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar und April 2016 statt. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer [auch Oberster Rechtsgelehrter oder Revolutionsführer], seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 9.2017). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 2.3.2018).

Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. AA 6.2018a, FH 1.2018, BTI 2018).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln. Zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind

Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2018a).

Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt (AA 6.2018a, vgl. GIZ 3.2018a). Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt. Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA 6.2018a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 1.2018, vgl. AA 2.3.2018).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft: Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte in Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher noch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt war die Publikation der Bürgerrechtscharta im Dezember 2016. Die rechtlich nicht bindende Charta beschreibt in 120 Artikeln die Freiheiten, die ein iranischer Bürger haben sollte (ÖB Teheran 9.2017).

Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dass sich die USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückziehen werde, stieß international auf Kritik. Zudem will Trump die in der Folge des Wiener Abkommens von Juli 2015 ausgesetzten Finanz- und Handelssanktionen wiedereinsetzen (Kurier 9.5.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (6.2018a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-

amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 20.6.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.btiproiect.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI 2018 Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 21.3.2018

-

Kurier (9.5.2018): Trump kündigt Iran-Abkommen: So reagiert die Weltgemeinschaft,

https://kurier.at/politik/ausland/trump-kuendigt-iran-abkommen-so-reagiert-die-

weltgemeinschaft/400033003, Zugriff 25.6.2018

-

GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a):

Geschichte und Staat Iran,

https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 25.4.2018

-

ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

-

2.Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMeiA 20.6.2018).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am

6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff

20.6.2018

-

BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff

20.6.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise

Iran,

https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-

fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018

3.1. Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände (vgl. Art.279 bis 288 IStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des IStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 2.3.2018).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 2.3.2018). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv. Dies sind politische Gruppierungen, aber vor allem PJAK und Komala erscheinen momentan weniger aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle, dass sie noch nie davon gehört hätte, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. das Verteilen von Flyern angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quelle schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Aufmalen von politischen Slogans an eine Wand erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC

23.2.2018) .

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

-

DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788 1520517984 issues-concerning-persons-of-

ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 15.6.2018

3.2. Volksmudschaheddin (Mudjahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People's Mojahedin Organisation of Iran - PMOI; National Council of Resistance of Iran - NCRI)

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO,

"iranische Volksmudschahedin") gilt in Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von 17.000

IranerInnen verantwortlich gemacht wird (ÖB Teheran 9.2017). Es handelt sich um eine

linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah

zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Die

Führung in Teheran macht die Gruppierung für Tausende Morde an iranischen Zivilisten und

Beamten verantwortlich. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die

Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak (Global Security o.D., vgl. ACCORD 7.2015). Experten

sind sich einig, dass die Volksmudschaheddin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen

Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der

Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW

28.3.2016). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten

Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den

Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an

(Iran Focus 18.1.2018, vgl. Arab News 22.1.2018). Weiters kritisierte Präsident Rohani den

französischen Präsidenten Macron, dass eine terroristische Gruppierung, die gegen das iranische

Volk arbeitet und zu Gewalt aufruft, in Frankreich eine Basis hat [der von Maryam Rajavi geführte

Nationale Widerstandsrat hat seinen Sitz in Frankreich] (Iran Focus 18.1.2018)

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin im Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad bei der US-Invasion im Irak erfolgte durch die Amerikaner. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in Teheran betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK- Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen. Diese Behauptung wird von AkademikerInnen und anderen Iran-ExpertInnen bestritten. Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD 9.2013). Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten 2012 wurde von iranischer

Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten als moharebeh (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 9.2017).

Die MEK konzentriert sich auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK-Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht nach Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde. In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik zu stürzen, und die iranische Regierung und der Sicherheitsapparat die MEK als die am meisten ernstzunehmende regimekritische Organisation betrachten. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen. Die MEK hat keine große Basis in Iran und auch die Untergrundbewegung ist klein. Nur einige MEK-Aktivisten sind in Iran aufhältig (ACCORD 7.2015).

Quellen:

-

ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file upload/4543 1436510544 accord-irancoi-compilation-iuly-2015.pdf, Zugriff 20.6.2018

-

ACCORD (9.2013): Iran COI compilation, http://www.ecoi.net/file upload/90 1384784380 accordiran-coi-compilation-september-2013-corrected-2013-11-18.pdf, Zugriff 20.6.2018

-

Arab News (22.1.2018): Iranian people are ready to usher in a 'new day',

http://www.arabnews.com/node/1274381, Zugriff 26.6.2018

-

DW - Deutsche Wlle (28.3.2016): Iranische Volksmudschahedin in Albanien,

http://www.dw.com/de/iranische-volksmudschahedin-in-albanien/a-19132961, Zugriff 20.6.2018

-

Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO),

http://www.globalsecurity.org/military/world/para/mek.htm, Zugriff 20.6.2018

-

The Guardian (21.9.2012): Q&A: what is the MEK and why did the US call it a terrorist organisation?

http://www.theguardian.com/politics/2012/sep/21/qanda-mek-us-terrorist-organisation, Zugriff

20.6.2018

-

Iran Focus (18.1.2018): Iran Regime's Weakness and Its Fear From Pmoi/Mek Exposed During the Uprising,

https://www.iranfocus.com/en/index.php?option=com content&view=article&id=32380:iran-regime-

s-weakness-and-its-fear-from-pmoi-mek-exposed-during-the-uprising&catid=4:iran-

general&Itemid=109, Zugriff 26.6.2018

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ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

3.3. PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistane (Partei für Freiheit und Leben in Kurdistan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität, und man wollte die "Arianisierung" der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Eben dort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Die PJAK ist die einzige kurdische Partei, die noch immer aktiv für ihre Ziele - z. B. Selbstbestimmung - in Iran kämpft. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen bei ca. 3.000 Kämpfern. Es gibt auch einige Einheiten mit weiblichen Kämpferinnen (BMI 2015, ACCORD 7.2015).

Die PJAK liefert sich seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA

2.3.2018) . Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Zusammenstöße zwischen Kurden und iranischen Sicherheitskräften, welche insbesondere im zweiten Quartal 2016 zunahmen und, neben hunderten Festnahmen, auch zu Toten und Verletzten führten, nähren Befürchtungen, dass Kurden zukünftig vermehrt Repressalien ausgesetzt sein könnten, nicht zuletzt um Sympathiebekundungen mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der irakischen Kurden hintanzuhalten. Hier gilt es jedoch anzumerken, dass von kurdischer Seite Gewalttätigkeiten gegen iranische Sicherheitskräfte zunahmen. So bestätigte etwa die Demokratische Partei Kurdistans in Iran im September 2016, dass die Peschmerga, Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan, einen bewaffneten Konflikt mit iranischen Regierungstruppen in den kurdischen Gebieten Irans begonnen hätten. Iran wird weiter mit allen Mitteln aufrührerische Tendenzen unterdrücken wollen (ÖB Teheran 9.2017). Die PJAK erscheint momentan weniger aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei der PJAK gibt es zwei Arten von Mitgliedschaft: Professionelle Mitglieder, die unter anderem auch militärisches Training erhalten und Waffen tragen. Diese sind unverheiratet und haben ihr Leben der PJAK gewidmet. Sie werden von der PJAK z.B. in kurdische Dörfer oder Städte entsandt, wo sie versuchen, die Leute zu organisieren und verschiedene Komitees und legale Organisationen zu gründen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Professionelle Mitglieder nehmen an militärischen und politischen Aktivitäten der PJAK teil. Als zweite Gruppe werden die semi-professionellen oder lokalen Mitglieder genannt, die ein ganz normales Leben mit ihren Familien führen. Sie nehmen nicht an militärischen Aktivitäten teil, führen aber politische Aktivitäten aus, wie z.B. Flyer verteilen. Um ein semi-professionelles Mitglied zu werden, muss man das Ausbildungsprogramm der Partei durchlaufen. Neben diesen beiden Gruppen gibt es auch noch die Sympathisanten, die selten auch

Flyer verteilen oder an Demonstrationen teilnehmen. Diese sind nicht direkt an der Organisation von Demonstrationen beteiligt und haben auch keine Verbindung zur Organisation der Partei. Die Sympathisanten arbeiten unter der Führung der semi-professionellen Mitglieder. Da die PJAK in Iran eine verbotene Organisation ist, müssen sowohl Mitglieder als auch Sympathisanten mit ernstzunehmenden Strafen rechnen, wenn ihre Aktivitäten enthüllt werden (DIS/DRC 30.9.2013).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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