TE Vfgh Beschluss 2018/11/26 V62/2018

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Veröffentlicht am 26.11.2018
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Vlbg RaumplanungsG 1996 §41, §43, §48
V der Vlbg LReg über die Einleitung eines Umlegungsverfahrens im Bereich "Zollgasse II" in der Gemeinde Nüziders vom 30.03.2018

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung der Vlbg Landesregierung betreffend die Einleitung eines Umlegungsverfahrens als Voraussetzung zur Erstellung eines Umlegungsplans nach dem Vlbg RaumplanungsG als unzulässig; Einleitungsverordnung bewirkt keine Änderung der bestehenden Grundstückslage und keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Mit dem vorliegenden auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung der Landesregierung über die Einleitung eines Umlegungsverfahrens im Bereich "Zollgasse II" in der Gemeinde Nüziders, Amtsblatt für das Land Vorarlberg vom 30. März 2018, Jahrgang 73/Nr 13, zur Gänze, in eventu betreffend das Grundstück Nr 1082/2, infolge der Verletzung in ihrem Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG aufheben.

2.       Hinsichtlich ihrer Antragslegitimation bringt die Antragstellerin zusammengefasst vor, sie sei Eigentümerin des Grundstückes Nr 1082/2, EZ 2131, GB 90014 Nüziders. Die Vorarlberger Landesregierung habe durch die oben genannte Verordnung ein Umlegungsverfahren im Bereich "Zollgasse II" in der Gemeinde Nüziders eingeleitet, welches das Grundstück der Antragstellerin einbezieht. Dadurch werde sie unmittelbar in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht sowie in dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot verletzt. Auf Grund der geplanten Errichtung einer Zufahrtsstraße auf dem Grundstück der Antragstellerin zu den dahinterliegenden Grundstücken würde dieses unzumutbar entwertet. Außerdem sei das Grundstück der Antragstellerin rechtswidrig in das Umlegungsverfahren einbezogen worden, weil es weder nach seiner Lage, noch Form, noch Größe einer Veränderung bedürfe. Zur Zulässigkeit bringt die Antragstellerin vor, ihr stünde keine andere Möglichkeit offen, um sich gegen die unrechtmäßige Einbeziehung ihres Grundstückes in das Umlegungsverfahren zu wehren. In einer Beschwerde nach Abschluss des Umlegungsverfahrens könnten lediglich die Ergebnisse des Umlegungsverfahrens, nicht aber die rechtswidrige Einleitung selbst thematisiert werden.

3.       Die Vorarlberger Landesregierung legte die das Umlegungsverfahren betreffenden Akten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

II.      Rechtslage

Die §§41, 42 und 43 des Vorarlberger Gesetzes über die Raumplanung (RPG), LGBl 39/1996, idF LGBl 44/2013 lauten wie folgt:

"Umlegung von Grundstücken

§41

Begriff, Zweck, Umlegungsgebiet

(1) Zur Neugestaltung und Erschließung von Siedlungsgebieten können bebaute und unbebaute Grundstücke in der Weise neu geordnet werden, dass nach Lage, Form und Größe für bauliche oder sonstige Nutzungen zweckmäßig gestaltete und erschließbare Grundstücke entstehen (Umlegung).

(2) Das Umlegungsgebiet umfasst Bauflächen oder Flächen, die für eine Widmung gemäß §13 in Frage kommen. Es können auch andere Flächen einbezogen werden, wenn es zur Verwirklichung der Raumplanungsziele oder sonstiger Planungen nach diesem Gesetz erforderlich ist oder sonst der Umlegungszweck nicht erreicht werden kann.

(3) Das Umlegungsgebiet ist so zu begrenzen, dass sich die Umlegung zweckmäßig durchführen lässt. Es kann aus räumlich getrennten Flächen bestehen. Die Nutzung und Erschließung von Grundstücken außerhalb des Umlegungsgebiets darf dadurch nicht erschwert oder behindert werden.

(4) Sofern im Bebauungsplan oder in sonstigen Planungen nach diesem Gesetz darüber nichts vorgesehen ist, hat die Gemeinde jedenfalls ihre Vorstellungen über die Bebauung und die Erschließung des Umlegungsgebiets (§42 Abs3 litd) bekannt zu geben.

§42

Einleitung des Verfahrens

(1) Der Antrag auf Durchführung eines Umlegungsverfahrens ist von der Gemeinde

a) von Amts wegen oder

b) auf Ersuchen von den Eigentümern mindestens der Hälfte der umzulegenden Grundfläche

zu stellen.

(2) Die Gemeinde hat die im Abs3 lita angeführten Personen von der beabsichtigten Antragstellung nachweislich in Kenntnis zu setzen und ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Der §8 Abs2 dritter Satz gilt sinngemäß.

(3) Im Antrag ist darzulegen, welche Erwägungen für die Abgrenzung des Umlegungsgebiets maßgeblich sind. Dem Antrag müssen angeschlossen sein

a) ein Verzeichnis der zur Einbeziehung beantragten Grundstücke mit Angabe der Grundstücksnummern, der Einlagezahlen, des Flächenausmaßes sowie der Namen und Anschriften der betroffenen Eigentümer und der der Gemeinde bekannten dinglich Berechtigten,

b) ein Lageplan, aus dem der Grundstücksbestand des Umlegungsgebiets ersichtlich ist,

c) ein Hinweis auf den Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan oder Planungen gemäß §41 Abs4,

d) Hinweise in Bezug auf städtebauliche, siedlungs- und verkehrstechnische Interessen,

e) die eingelangten Stellungnahmen nach Abs2.

(4) Die Landesregierung hat durch Verordnung ein Umlegungsverfahren einzuleiten, wenn

a) ein Antrag nach Abs1 vorliegt,

b) das beantragte Umlegungsgebiet gemäß §41 Abs3 festgelegt ist,

c) die Umlegung zur Verwirklichung der Raumplanungsziele und der Planungen nach diesem Gesetz erforderlich ist und

d) ein Landesraumplan, der Flächenwidmungsplan oder sonstige Planungen nach diesem Gesetz der Umlegung nicht entgegenstehen.

Die Verordnung ist im Amtsblatt für das Land Vorarlberg kundzumachen.

§43

Rechtswirkungen der Einleitung des Verfahrens

(1) Von der Erlassung einer Verordnung gemäß §42 Abs4 bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Umlegung (§48) dürfen im Umlegungsgebiet – unbeschadet der nach anderen landesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen – nur mit Genehmigung der Landesregierung durchgeführt werden

a) Teilungen von Grundstücken,

b) Einräumung von Bau- und Wegerechten,

c) Bauführungen, es sei denn, dass eine Baubewilligung vorliegt, die vor Erlassung der Verordnung gemäß §42 Abs4 rechtskräftig geworden ist,

d) Veränderungen an Grundstücken, die deren bauliche Nutzbarkeit wesentlich beeinträchtigen.

(2) Eine Genehmigung nach Abs1 ist zu erteilen, wenn das beabsichtigte Vorhaben die Umlegung nicht beeinträchtigt.

(3) Soweit eine im Abs1 angeführte Maßnahme ohne Genehmigung der Landesregierung durchgeführt worden ist und auch nachträglich keine Genehmigung erteilt wird, ist auf die durch diese Maßnahme gegebene Veränderung im Umlegungsverfahren nicht Bedacht zu nehmen. Verhindert oder erschwert diese Veränderung die Erreichung des Umlegungszwecks, so ist die entschädigungslose Wiederherstellung des früheren Zustands zu verfügen.

(4) Die Landesregierung hat eine Verordnung gemäß §42 Abs4 unverzüglich dem Grundbuchsgericht und dem Vermessungsamt bekannt zu geben. Das Grundbuchsgericht hat hierauf von Amts wegen bei den betroffenen Grundstücken die Einleitung des Umlegungsverfahrens im Grundbuch anzumerken. Die Anmerkung hat die Wirkung, dass nachfolgende grundbücherliche Eintragungen die grundbücherliche Durchführung der Umlegung nicht hindern.

(5) Die von der Landesregierung oder vom Bürgermeister ermächtigten Personen sind berechtigt, zur Vorbereitung und Durchführung eines Umlegungsverfahrens fremde Grundstücke und Bauwerke zu betreten und, sofern es die Bewirtschaftungsverhältnisse erlauben, Grundstücke zu befahren sowie die erforderlichen Vermessungen und sonstigen Arbeiten vorzunehmen und alle hiefür notwendigen Zeichen anzubringen. Die Bestimmungen des §10 Abs2 und 3 gelten sinngemäß."

III.    Zur Zulässigkeit

1.       Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2.       Der Antrag ist nicht zulässig:

Durch die angefochtene Verordnung der Vorarlberger Landesregierung, mit der ein Umlegungsverfahren im Bereich "Zollgasse II" in der Gemeinde Nüziders und damit auch betreffend das Grundstück Nr 1082/2 eingeleitet wird, wird nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingegriffen. Diese Verordnung verfolgt lediglich den Zweck, das Umlegungsverfahren gemäß §§41 ff. Vbg RPG einzuleiten und durch die Statuierung bestimmter Genehmigungsvorbehalte (siehe §43 Abs1 Vbg RPG iVm §2 der gegenständlich angefochtenen Verordnung) die Erstellung eines Umlegungsplanes zu ermöglichen. Durch die bloße Einleitung des Umlegungsverfahrens mit Verordnung der Landesregierung wird keine Änderung der bestehenden Grundstückslage bewirkt, weshalb die rechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin aktuell nicht beeinträchtigt werden. Die Antragstellerin hat auch nicht dargetan, inwieweit die angefochtene Verordnung sie in ihren Rechten aktuell und unmittelbar berührt. Die angefochtene Verordnung ist demnach zwar Voraussetzung für das Umlegungsverfahren, ein allfälliger Eingriff in subjektive Rechte der Antragstellerin findet durch die Verordnung allerdings nicht statt (vgl VfSlg 10.989/1986, 17.268/2004, 18.780/2009). Ein solcher unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin würde erst mit der allfälligen Erlassung eines das Umlegungsverfahren abschließenden Umlegungsbescheides gemäß §48 Vbg RPG eintreten.

Damit fehlt es schon aus diesem Grund an einer der für die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG geforderten Voraussetzungen.

IV.      Ergebnis

1.       Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:V62.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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