TE Vfgh Erkenntnis 2018/11/26 G219/2018

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Veröffentlicht am 26.11.2018
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Index

62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art7 / Gesetz
B-VG Art91
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
AuslBG §28 Abs1

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit einer Strafbestimmung des AusländerbeschäftigungsG betreffend unerlaubte Beschäftigung; Höhe der Geldstrafe kein taugliches Kriterium zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts; keine Bedenken gegen unterschiedliche verfahrensrechtliche Regelungen für Beschuldigte in den eigenständigen Ordnungssystemen Verwaltungsstrafverfahren und gerichtliches Strafverfahren, sofern die Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform sind; keine Unverhältnismäßigkeit der Strafhöhe durch Wertung der verbotenen Beschäftigung eines Ausländers als selbständige Tat

Spruch

I. Soweit sich der Antrag gegen §28 Abs1 Z1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl Nr 218/1975 idF BGBl I Nr 72/2013, richtet, wird er abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, festzustellen, dass §28 Abs1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl 218/1975, idF BGBl I 113/2015 verfassungswidrig war.

Der Antrag umfasst denselben Anfechtungsumfang, allerdings in einer anderen Fassung, wie im Verfahren G60/2018, den der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juni 2018 als unzulässig zurückgewiesen hat.

II.      Rechtslage

1.       §28 AuslBG, BGBl 218/1975 idF BGBl I 72/2013, lautet wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Strafbestimmungen

§28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,

1.     wer

a)     entgegen §3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der keine für diese Beschäftigung gültige 'Rot-Weiß-Rot – Karte', 'Blaue Karte EU' oder 'Aufenthaltsbewilligung – Künstler' oder keine 'Rot-Weiß-Rot – Karte plus', keine 'Aufenthaltsberechtigung plus', keinen Befreiungsschein (§4c) oder keinen Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' oder 'Daueraufenthalt – EU' besitzt, oder

b)     entgegen §18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder

c)     entgegen der Untersagung gemäß §32a Abs8 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Freizügigkeitsbestätigung ausgestellt wurde,

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;

2.     wer

a)     entgegen §3 Abs4 einen Ausländer beschäftigt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen, oder

b)     entgegen §18 Abs5 oder 6 die Arbeitsleistungen eines Ausländers in Anspruch nimmt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice rechtzeitig anzuzeigen, oder

c)     seinen Verpflichtungen gemäß §26 Abs1 nicht nachkommt oder

d)     entgegen §26 Abs2 den im §26 Abs1 genannten Behörden und Rechtsträgern den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen und Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer oder das Befahren von Privatstraßen nicht gewährt, oder

e)     entgegen §26 Abs3 die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt oder

f)     entgegen dem §26 Abs4 oder 4a die Durchführung der Amtshandlungen beeinträchtigt,

mit Geldstrafe von 150 Euro bis 5 000 Euro, im Fall der litc bis f mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis 8 000 Euro;

3.     wer

a)     entgegen §3 Abs6 einen Ausländer beschäftigt, ohne die ihm nach diesem Bundesgesetz erteilten Bewilligungen oder Bestätigungen im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten, oder

b)     die im §26 Abs5 vorgesehenen Meldungen nicht erstattet,

mit Geldstrafe bis 2 000 Euro;

4.     wer

a)     entgegen §18 Abs12 als Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes einen Ausländer im Inland beschäftigt oder

b)     entgegen §18 Abs12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt,

obwohl §18 Abs12 Z1 oder 2 nicht erfüllt ist und – im Fall der litb – auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;

5.     wer entgegen §32a Abs4 einen Ausländer, der gemäß §32a Abs2 oder 3 unbeschränkten Arbeitsmarktzugang hat, ohne Freizügigkeitsbestätigung beschäftigt, mit Geldstrafe bis 1 000 Euro.

(2) Die Verjährungsfrist (§31 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG 1950, BGBl Nr 172) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 beträgt ein Jahr.

(3) Die Eingänge aus den gemäß Abs1 verhängten Geldstrafen fließen dem Arbeitsmarktservice zu.

(4) Abs1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zuwiderhandlung vom Organ einer Gebietskörperschaft begangen worden ist. Besteht bei einer Bezirksverwaltungsbehörde der Verdacht einer Zuwiderhandlung durch ein solches Organ, so hat sie, wenn es sich um ein Organ des Bundes oder eines Landes handelt, eine Anzeige an das oberste Organ, dem das der Zuwiderhandlung verdächtige Organ untersteht (Art20 Abs1 erster Satz B-VG), zu erstatten, in allen anderen Fällen aber an die Aufsichtsbehörde.

(5) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat bei Übertretungen nach Abs1 Z1 die unberechtigte Beschäftigung eines Ausländers zu schlechteren Lohn- und Arbeitsbedingungen als sie die jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorsehen, bei der Strafbemessung als besonders erschwerend zu berücksichtigen.

(6) Ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, ist neben dem beauftragten Unternehmen gemäß Abs1 Z1 zu bestrafen, wenn es

1.     die Übertretung des von ihm unmittelbar beauftragten oder – im Fall der Auftragsweitergabe – jedes weiteren beauftragten Unternehmens bei der Auftragserfüllung wissentlich geduldet hat, oder

2.     seiner Verpflichtung gemäß §26 Abs6 nicht nachgekommen ist.

(7) Wird ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen, die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, ist das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, daß eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

2.       §16 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl 52/1991, lautet wie folgt:

"Ersatzfreiheitsstrafe

§16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.

(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf §12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen mit Sitz in Österreich beauftragte ein Unternehmen mit Sitz in Kroatien mit Montagearbeiten an einer Baustelle in Österreich; die Arbeiten wurden am 14. September 2015 aufgenommen. Anlässlich einer Kontrolle der Finanzpolizei am 27. September 2015 wurde festgestellt, dass keine grenzüberschreitende Entsendung gemäß §7b Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), sondern eine grenzüberschreitende Überlassung von Arbeitskräften nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) vorgelegen ist. Die dafür erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen gemäß §3 AuslBG sind nicht vorgelegen. Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom 5. Mai 2017 wurden über die Vorstände des in Österreich ansässigen Unternehmens in ihrer Eigenschaft als nach außen zur Vertretung Berufene im Sinne des §9 VStG Geldstrafen wegen Übertretung des §28 Abs1 Z1 lita iVm §3 Abs1 AuslBG verhängt. Die Geldstrafe beläuft sich bei 200 unberechtigt beschäftigten Ausländern je Vorstandsmitglied auf € 2.640.000,– inkl. Kosten und Barauslagen bzw im Falle der Uneinbringlichkeit auf 1600 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Gegen diese Straferkenntnisse haben die Vorstände Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark erhoben.

2.       Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"Präjudizialität:

Bei allen im Sachverhalt beschriebenen Anlassfällen handelt es sich beim jeweiligen Beschwerdeführer um einen Vorstand der […] AG, dem aus Anlass eines anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens wegen des Verdachtes verschiedener Übertretungen des AuslBG Geldstrafen in der Höhe von € 2,640.000,00 (Strafe, Kosten, Barauslagen) bzw im Falle der Uneinbringlichkeit 1600 Tage Ersatzfreiheitsstrafe aufgetragen wurden. Die Bestimmung des §28 Abs1 Z1 lita AuslBG idF BGBl I Nr 113/2015 ist somit in allen diesen Verfahren vom Landesverwaltungsgericht Steiermark anzuwenden.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit:

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt gegen die gesetzliche Regelung des AuslBG, dessen Aufhebung es beantragt, Bedenken im Hinblick auf das Anklageprinzip gemäß Art90 Abs2 B-VG, Art91 B-VG, auf den Grundsatz der Gewaltentrennung gemäß Art94 B-VG, das Verbot unverhältnismäßiger Strafen gemäß Art3 EMRK und Art49 GRC, das Recht auf Eigentum gemäß Art5 StGG, Art1 erstes ZPEMRK und Art17 GRC, sowie wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK und Art47 GRC, welche wie folgt näher ausgeführt werden:

[…]

Im Anlassfall hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark über einen zu zahlenden Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) von € 2,640.000,00 bzw über eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1.600 Tagen (4 Jahre, 4 Monate und 20 Tage) zu entscheiden.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat massive Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §28 Abs1 AuslBG. Die Strafbestimmung des §28 AuslBG stellt jedenfalls Strafrecht im Sinn der EMRK dar, zumal sich die Bestimmung, welche die Grundlage für eine Sanktion darstellt, an die Allgemeinheit richtet und die Sanktion der Ahndung und der Abschreckung dient (vgl EGMR 23.10.1995, Gradinger, Nr 16922/90, JBL 1997, 577; Grabenwarter in Korinek/Hollubeck, EMRK Art6 Rz 28; ferner EGMR 10.02.2009 (GK) Zolotukhin, Nr 14939/03, NL 2009, 38). Der Beschwerdeführer kann sich somit auf Art6 EMRK wie im Übrigen auch alle anderen Normunterworfenen im Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG berufen.

Anklageprinzip:

Gemäß Art90 Abs2 B-VG gilt der Anklageprozess. Gemäß §4 StPO obliegt die Anklage in Strafverfahren der Staatsanwaltschaft.

Gemäß Art91 Abs1 B-VG hat das Volk an der Rechtsprechung mitzuwirken. Gemäß Art91 Abs2 B-VG entscheiden Geschworene, bei dem mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen, über die Schuld des Angeklagten.

Gemäß Art91 Abs3 B-VG nehmen Schöffen im Strafverfahren wegen anderer strafbarer Handlungen an der Rechtsprechung teil, wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet.

Der Verfassungsgerichtshof leitet aus den in Absätzen 2 und 3 des Art91 B-VG enthaltenen Grenzziehungen nach der Strafdrohung ab, dass auch 'unterhalb' der Schöffengerichtsbarkeit ein – nach der Strafdrohung zu bestimmender – Kernbereich strafgerichtlicher Zuständigkeit besteht. Wenn der Gesetzgeber ein Verhalten als hoch sozialschädlich bewertet und demgemäß mit schwerwiegender Strafe (auch Geldstrafe) bedroht, so muss der einfache Bundes- oder Landesgesetzgeber demnach eine Zuständigkeit der Strafgerichte begründen (vgl VfSlg 12.151; seither ständige Judikatur: VfSlg 12.282, 12.389, 12.471, 12.546, 12.547,12.920; Adamovic/Hubbmann, FS 75 Jahre Bundesverfassung [1995] 521; Mayer/Muzak, B-VG Kurzkommentar 5. Auflage, 352).

Demgemäß wäre der einfache Gesetzgeber gehalten, die Ahndung strafbarer Handlungen jedenfalls dann den Strafgerichten zuzuweisen, wenn die angedrohte Geldstrafe ein nach allgemeinem Stand der Gesetzgebung für die Strafgerichtsbarkeit typisches hohes Ausmaß erreicht (vgl Hellbling, Grenzen des Verwaltungsstrafrechtes, JBL 1959, S. 252 ff., insbesondere S. 256 f.).

Der Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er es verbietet, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen (VfSlg 14.039/1995; 16.407/2001; 17.315/2004; 17.500/2005 uva.). Ferner ergibt sich aus Art7 B-VG, dass Tatbestände mit einem größeren Unrechtsgehalt mit schwereren Strafen bedroht werden müssen, als Tatbestände, deren Unrechtsgehalt geringer ist. Hellbling schließt daraus, dass – wie bereits erwähnt – der Gesetzgeber lediglich bei den verhältnismäßig 'leichten Delikten' die Wahl der Zuweisung zu Gerichten und Verwaltungsbehörden habe und, dass die Obergrenze einer angedrohten Verwaltungsstrafe keinesfalls weiter reichen dürfe, als die Obergrenze für die gerichtlich strafbaren Handlungen im Allgemeinen in Betracht kommenden Strafen. Diese Überlegungen gelten nach der Systematik des B-VG sicher auch weiterhin für die Wahl zwischen Bezirks- und Landesgerichten für Strafsachen auf der einen und Verwaltungsgerichten auf der anderen Seite.

Diese Annahme blieb jedoch in der Literatur zwar umstritten (vgl die ausführliche Zusammenfassung in dem Erkenntnis des VfGH vom 20.11.1995, 4119/93, Seite 3 bis 4). Einigkeit herrscht jedoch, dass Verwaltungsstrafen im Rahmen des Sachlichkeitsgebotes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bleiben müssen. Auffällig ist, dass Österreich das einzige Land in der EU ist, in welchem mehrjährige Ersatzfreiheitsstrafen im Verwaltungsrecht verhängt werden können, und in allen anderen Mitgliedstaaten bei einer mehrjährigen Freiheitsstrafe eine Anklagebehörde einschreitet.

Der Verfassungsgerichtshof setzte sich erstmals in seinem Erkenntnis VfSlg 12.151/1989 mit der Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts auseinander. Dabei erwog der Verfassungsgerichtshof, dass den Vorgaben des Art91 B-VG die Vorstellung eines (auch) nach den Strafdrohungen klassifizierbaren strafrechtlichen Systems zugrunde liege, und auch der unterhalb der (Geschworenen- und) Schöffengerichtsbarkeit liegende Teil der Strafgerichtsbarkeit einen für diesen typischen Kernbereich strafbarer Handlungen enthalte. In diesem Sinn sei der Gesetzgeber von Verfassungswegen verpflichtet, mit der Verfolgung von als besonders sozialschädlich bewerteten und demgemäß mit schwerwiegender Strafe bedrohten Handlungen die Organe der Strafgerichtsbarkeit zu betrauen. Eine strafbare Handlung sei diesem Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit jedenfalls dann zuzuordnen, wenn die angedrohten Strafen – vor dem Hintergrund des in der Strafrechtsordnung enthaltenen, unterhalb der Grenze zur Schöffengerichtsbarkeit liegenden Systems von Strafen unterschiedlicher Höhe – als für den Bestraften besonders empfindlich einzustufen ist. Somit könnten auch Verfahren über die Verhängung von Geldstrafen in die (Kern-)Zuständigkeit der Strafgerichtsbarkeit fallen.

Diese Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof in weiterer Folge mehrfach bestätigt (VfSlg 12.282/1990, 12.389/1990, 12.471/1990, 12.546/1990, 12.547/1990, 12.920/1991, 13.790/1994, 14.361/1995, 14.973/1997, 15.772/2000, 19.960/2015).

Der Verfassungsgerichtshof geht weiterhin davon aus, dass die Ahndung bestimmter Straftaten gemäß Art91 Abs2 und 3 B-VG der Zuständigkeit der Schöffen- und Geschworenengerichte vorbehalten ist (gemäß Art91 Abs2 B-VG entscheiden Geschworene '[b]ei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen'; gemäß Art91 Abs3 B-VG entscheiden Schöffengerichte in Strafverfahren 'wegen anderer strafbarer Handlungen […], wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet'). Im Übrigen hält aber der Verfassungsgerichtshof seine auf Art91 B-VG gestützte Rechtsprechung zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts (unterhalb der Schöffen- und Geschworenengerichtsbarkeit) mit dem bisherigen Inhalt nicht aufrecht:

Die bisherige Rechtsprechung der Verfassungsgerichtshof gründet sich – wie insbesondere aus dem Erkenntnis VfSlg 12.151/1989 hervorgeht – auf eine verfassungsrechtlich vorgegebene Organisationsstruktur der Strafgerichtsbarkeit (vgl Art92 Abs1, Art140 Abs1 Z1 litd, Art90a B-VG, §8 Abs5 litd ÜG 1920) und die in Art91 Abs2 und 3 B-VG zum Ausdruck kommende Abgrenzung nach der Strenge der strafrechtlichen Sanktion. Aus diesen Vorgaben leitete der Verfassungsgerichthof ab, 'dass die Zuweisung eines durchaus erheblichen Teilbereichs der Strafsachen an die Strafgerichtsbarkeit von Verfassungs wegen vorausgesetzt wird'. Die Grenze zwischen dem Bereich des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts zog der Verfassungsgerichtshof im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber in der angedrohten Strafe die Sozialschädlichkeit des verbotenen Verhaltens zum Ausdruck bringt, an deren Ausmaß (vgl zur Maßgeblichkeit der Strafdrohung für die Bewertung der Sozialschädlichkeit des verbotenen Verhaltens insbesondere VfSlg 19.960/2015). Vor dem Hintergrund der Organisationsstruktur des gerichtlichen Strafrechts und der Entscheidung im gerichtlichen Strafrecht durch einen Richter anstelle des Vollzugs des Verwaltungsstrafrechts durch Verwaltungsbehörden unter eingeschränkter, nachprüfender Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof liegt nach dieser Rechtsprechung gleichzeitig auch ein Rechtschutzgedanke zugrunde (vgl VfGH 13.12.2017, G408/2016-31, G412/2016-10, G2/2017-9, G21/2017-7, G54/2017-7).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngsten Rechtsprechung vom 13.12.2017, G408/2016-31, G412/2016-10, G2/2017-9, G21/2017-7, G54/2017-7 jedoch ausgesprochen, dass diese Rechtsprechung zur Art91 B-VG und der damit vorgenommenen Grenzziehung zwischen dem gerichtlichen Strafrecht und dem Verwaltungsstrafrecht der Vielfalt an möglichen Sachverhalten nicht (mehr) gerecht wird. Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass es zum Ersten nicht mehr überzeugt, dass die Zuständigkeitsabgrenzung ausschließlich nach dem Kriterium der Strafdrohung zu erfolgen hat; dies gilt sowohl innerhalb der Strafgerichtsbarkeit als auch für die Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts (vgl Burgstaller Art91 Abs2 und 3 B-VG, in Korinek/Holoubek ua [Hrsg.] Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 43). Zum Zweiten lässt das alleinige Abstellen auf die durch den Gesetzgeber für die jeweilige Straftat normierte Obergrenze der angedrohten Geldstrafe für die Zuordnung zu einen der beiden Vollzugsbereiche die unterschiedliche Funktion der Geldstrafe im gerichtlichen und im Verwaltungsstrafrecht sowie die mit ihrer Verhängung jeweils einhergehenden Folgen außer Acht. Zum Dritten kann die schematische Orientierung an der für die Straftat vorgesehenen Obergrenze der angedrohten Geldstrafe für die Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts nicht die Unterschiede zwischen juristischen und natürlichen sowie zwischen vermögenden und weniger vermögenden Personen erfassen und damit letztlich nur ein unzureichendes Urteil über die 'Schwere' einer Strafe bieten. Zum Vierten werden in der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes, die vom Gesetzgeber mit der Zuordnung verbundenen rechtspolitischen Zielsetzungen – allen voran jene der Stigmatisierung und der Entkriminalisierung – nicht zureichend berücksichtigt. Dadurch erweist sich die Höhe der angedrohten Sanktion im Ergebnis als kein taugliches Mittel für die Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts (vgl auch Miklau, Ist die Höhe der Strafdrohung ein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen dem Justiz- und dem Verwaltungsstrafrecht, ÖJZ1991, 361; VfGH 13.12.2017, G408/2016-31, G412/2016-10, G2/2017-9, G21/2017-7, G54/2017-7).

Der Verfassungsgerichtshof führt in den oben zitierten Entscheidungen weiter aus, dass sich im Übrigen auch das Rechtschutzgefüge der Bundesverfassung durch die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit der Novelle BGBl I 51/2012 insgesamt tiefergreifend verändert hat.

Mit dieser Novelle schuf der (Verfassungs-) Gesetzgeber Verwaltungsgerichte erster Instanz, deren Mitglieder gemäß Art134 Abs7 B-VG Richter sind. Diese Richter der Verwaltungsgerichte erster Instanz genießen – ebenso wie die Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit – die richterlichen Garantien des Art87 Abs1 und 2 bzw Art88 Abs1 und 2 B-VG (Art134 Abs7 B-VG; vgl auch die Entschließungen zum AB 1771 BlgNR, XXIV. GP, in denen unter anderem ein einheitliches Richterbild gefordert wird; weiters VfSlg 19.825/2013).

Durch die Einräumung der richterlichen Garantien unterschieden sich die neu geschaffenen Verwaltungsgerichte erster Instanz grundsätzlich von den zuvor bestehenden Rechtsschutzeinrichtungen in Gestalt der Unabhängigen Verwaltungssenate: Letztere waren zum einen nur mit bestimmten, nicht aber mit den vollen richterlichen Unabhängigkeitsgarantien ausgestattete Berufungsbehörden (vgl insbesondere die bloß mit einer Mindestvorgabe festgelegte Bestellungsdauer gemäß Art129b Abs1 B-VG; darüber hinausgehende Gewährleistungen waren nur durch einfaches Gesetz vorgesehen), zum anderen waren sie nicht der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit, sondern jener der Verwaltung zuzuordnen (AB 817 BlgNR, XVII. GP, 4f.) (vgl VfGH 13.12.2017, G408/2016-31, G412/2016-10, G2/2017-9, G21/2017-7, G54/2017-7).

Der Verfassungsgerichtshof ist damit zur Auffassung gelangt, dass seine bisherige Judikatur zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts vor dem Hintergrund des Art91 B-VG mit dem bisherigen Inhalt nicht mehr aufrechterhalten werden kann (vgl VfGH 13.12.2017, G408/2016-31, G412/2016-10, G2/2017-9, G21/2017-7, G54/2017-7).

Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch ausgesprochen, dass dies nicht bedeutet, dass der Gesetzgeber künftig gänzlich frei darin wäre, welchem Organ er die Zuständigkeit zur Verhängung von Strafen überträgt. Verfassungsrechtliche Grenzen, welche in diesem Zusammenhang beachtet werden müssen, ergeben sich auch weiterhin insbesondere aus den spezifischen Zuständigkeiten der Schöffen- und Geschworenengerichte gemäß Art91 Abs2 und 3 B-VG, aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988, sowie aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Sachlichkeitsgebot, welches exzessiven Strafdrohungen entgegensteht) ua VfSlg 19.960/2015) (vgl VfGH 13.12.2017, G408/2016-31, G412/2016-10, G2/2017-9, G21/2017-7, G54/2017-7).

Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes vom 13.12.2017 sind daher aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts Steiermark nicht geeignet abzuleiten, ob die Verhängung von sehr hohen Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen im AuslBG verfassungswidrig ist oder nicht, zumal sich der gegenständliche Sachverhalt keinesfalls mit dem Sachverhalt der zugrundeliegenden entschiedenen Anträge des Bundesverwaltungsgerichts vergleichen lässt.

Bei Beurteilungen nach dem AuslBG sind schließlich in der Regel keine Banken oder börsennotierten Unternehmen betroffen, sondern haben sehr hohe Geldstrafen regelmäßig zur Folge, dass die betroffenen Unternehmen insolvent werden und es dadurch regelmäßig dazu kommen wird, dass ein Beschuldigter für ein Fahrlässigkeitsdelikt im Verwaltungsstrafrecht durch eine mehrjährige Freiheitsstrafe unverhältnismäßig hart bestraft wird.

Ist eine Übertretung des AuslBG ein strafrechtliches Vergehen oder ein Verbrechen?

Gemäß §17 StGB sind Verbrechen vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Gemäß §17 Abs2 StGB sind alle anderen strafbaren Handlungen Vergehen.

Als Konsequenz sind die reinen Fahrlässigkeitsdelikte generell aus dem Bereich der Verbrechen nach der Systematik des StGB auszuscheiden, obwohl aufgrund des Stufenverhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit grundsätzlich jedes Fahrlässigkeitsdelikt auch vorsätzlich verwirklicht werden kann. Denn selbst wenn dem Täter im Einzelfall Vorsatz zur Last fällt, ohne dass die Verhaltensweise unter ein entsprechendes vorsätzliches Tatbild subsumiert werden kann, wird der verwirklichte Tatbestand nicht zu einem solchen, in dem eine 'vorsätzliche Handlung' […] mit Strafe bedroht ist' (im Ergebnis einhellige Meinung: vgl SSt 51/22; Fuchs AT8460; Höpfel WK §17 Rz 17; Kienapfel/Höpfel AT8; Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer (Hrsg.) Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch §17 Rz 14).

Der Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er es verbietet, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen (VfSlg 14.039/1995; 16.407/2001; 17.315/2004; 17.500/2005 uva.). Nach §28 AuslBG kann jedoch ein Beschuldigter zu einer deutlich über dreijährigen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt werden, obwohl es sich bei diesem Delikt um ein Fahrlässigkeitsdelikt handelt. Dies stellt eine eindeutige Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß §7 B-VG dar.

Abwesenheitsurteil möglich:

Gemäß §427 StPO darf bei sonstiger Nichtigkeit in Abwesenheit des Angeklagten die Hauptverhandlung nur dann durchgeführt und das Urteil gefällt werden, wenn der Angeklagte bei der Hauptverhandlung nicht erschienen ist, wenn es sich um ein Vergehen handelt, der Angeklagte gemäß §§164 oder 165 StPO zum Anklagevorwurf vernommen wurde und ihm die Ladung zur Hauptverhandlung persönlich zugestellt wurde.

Verfassungsrechtlich bedenklich hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes und auch hinsichtlich des Grundsatzes auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK ist ebenso der Umstand, dass ein Beschuldigter wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes in seiner Abwesenheit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt werden kann, obwohl es sich nach der gesamten Systematik des österreichischen Rechtes hierbei um kein Verbrechen handelt.

Recht auf rechtliches Gehör:

Ebenfalls müsste bei existenzbedrohenden Strafen einem Beschuldigten das Recht auf rechtliches Gehör zugestanden werden. Gemäß §6 StPO hat der Beschuldigte das Recht, am gesamten Verfahren mitzuwirken und die Pflicht, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein. Bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang die zumindest in der Steiermark gängige Praxis mehrerer Bezirkshauptmannschaften, selbst nach mehrfacher Beantragung der Einvernahme des Beschuldigten und/oder von Zeugen, dass lediglich durch einen Textbaustein im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ausgeführt wird, dass eine solche Einvernahme nicht notwendig sei. So wird im konkreten Fall deutlich, dass einzelne Bezirkshauptmannschaften nicht einmal in Fällen, in welchen Verwaltungsstrafen in Millionenhöhe und mehrjährige Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden, Beschuldigte anhören und somit keinerlei Möglichkeit auf ein faires Verfahren besteht.

Durch diese Vorgehensweise mehrerer steirischer Bezirkshauptmannschaften werden Beschuldigte de facto auch um ihr Recht auf einen Instanzenzug gebracht!

Aus dem konkreten Anlassfall, sowie aus unzähligen vergleichbaren Fällen, wird ersichtlich, dass das Verwaltungsstrafrecht völlig ungeeignet ist, Delikte zu behandeln, welche eigentlich in den Kernbereich des Strafrechtes gehören.

Betrachtet man die Zuständigkeit der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) gemäß §20a StPO, so fällt auf, dass selbst Vergehen, welche wie beispielsweise Ketten- oder Pyramidenspiele gemäß §168a Abs2 StGB, Geschenkannahme durch Machthaber gemäß §153a StGB, Bestechlichkeit gemäß §304 StGB, Vergehen gemäß §255 Aktiengesetz, §122 GmbH-Gesetz, §89 Genossenschaftsgesetz etc. von einer kompetenten Anklagebehörde verfolgt werden und nicht ein Sachbearbeiter mit der Verfolgung und Verurteilung betraut ist.

Ist der Gesetzgeber nun tatsächlich der Meinung, dass Arbeitgeber oder auch verantwortlich Beauftragte gemäß §9 VStG für ein Fahrlässigkeitsdelikt mehrjährige Freiheitsstrafen verbüßen sollen, so müsste dies – die Sinnhaftigkeit und Gerechtigkeit sei hier in Frage gestellt – im Rahmen eines Kriminalstrafverfahrens nach Anklageerhebung durch eine Anklagebehörde von einem Strafgericht entschieden werden.

Zuständigkeitsproblematik:

Nach der Systematik des §31 StPO würde §28 Abs1 AuslBG zumindest in die Zuständigkeit eines Einzelrichters eines Landesgerichtes, eher aber in die Zuständigkeit eines Schöffengerichtes fallen, wenn man betrachtet, dass beispielsweise das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §131 StGB oder die Gewaltanwendung eines Wilderers nach §140 StGB in die Zuständigkeit eines Schöffengerichtes fällt, obwohl der Strafrahmen lediglich von sechs Monaten bis fünf Jahren reicht.

Die Mitwirkung von Laienrichtern bei politischen Verbrechen und mit schwerer Strafe bedrohten Verbrechen wurde zu Recht in unsere Verfassung aufgenommen. Dem Bundesverfassungsgesetzgeber ist es gerade darauf angekommen, dass in wichtigen Strafsachen Personen, die einen anderen Beruf als das Richteramt haben, ihre allgemeine Lebenserfahrung einbringen und (mit)entscheidungsbefugt sind. Sie sollen durch ihr natürliches Rechtsempfinden juristischer Routine entgegenwirken und auf diese Weise sicherstellen, dass dort, wo Urteile der Strafgerichte in besonders einschneidender Weise in das Leben der Menschen eingreifen, dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung Rechnung getragen wird.

Auf der anderen Seite soll durch die Laienbeteiligung das Verständnis weiter Kreise der Staatsbürger für die Probleme der Justiz im Allgemeinen sowie für das Strafrecht und den Strafprozess im Besonderen gefördert werden. Das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Einrichtungen, dass durch die Beteiligung an Gerichtsentscheidungen gefördert wird, ist ein Grundelement der Demokratie. Ein weiteres Argument, welches für den Einsatz von Schöffen und Geschworenen vorgebracht wird, ist ihre unbestreitbare Unabhängigkeit von Karriere oder weiterem beruflichen Fortkommen in der Justiz. Über gegenständliche Strafverfahren wurde bereits in zahlreichen Printmedien und im ORF berichtet. Eine richtungsweisende Entscheidung kann auf die Karriere eines Richters in einem so heiklen politischen Verfahren jedenfalls eine große Auswirkung auf die weitere Berufslaufbahn haben.

Gerade im konkreten Fall ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das natürliche Rechtsempfinden des Volkes einer mehrjährigen Freiheitsstrafe für ein Fahrlässigkeitsdelikt entgegensteht. Dies vor allem in Anbetracht der in Österreich verhängten äußerst milden Strafen von Delikten gegen Leib und Leben in Abwägung zu einem bisher weder verwaltungsstrafrechtlich noch kriminalstrafrechtlich belangten Arbeitgeber.

Notwendige Verteidigung- Verteidigerzwang:

Problematisch erscheint weiters, dass ein unvertretener Beschuldigter nach §28 Abs1 AuslBG zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werden kann, obwohl gemäß §61 StPO jedes Vergehen und Verbrechen mit einer derart hohen Strafdrohung dazu führen würde, dass der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein muss (notwendige Verteidigung).

Anklageprinzip:

Gemäß Art90 Abs2 B-VG gilt im Strafverfahren der Anklageprozess. Das bedeutet, dass für den Kernbereich des Strafverfahrens, zu welchem nach den obigen Ausführungen §28 Abs1 AuslBG jedenfalls zählt, die Funktion des Anklägers von der des Richters getrennt sein muss; im Verwaltungsstrafverfahren oder im Disziplinarverfahren ist das Anklageprinzip durch diese Bestimmung zwar nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht geboten (vgl VfSlg 4557,12.462; VwGH 26.05.1989, 89/18/0043; 09.06.1995 95/02/0081; 18.03.1998, 96/09/0042), jedoch betrafen diese Entscheidungen entweder Disziplinarverfahren oder Verwaltungsstrafverfahren mit einer keinesfalls vergleichbaren Strafhöhe.

Das Recht auf ein faires gerichtliches Verfahren gemäß Art6 EMRK:

Längere Freiheitsstrafen und sonstige Strafsanktionen von vergleichbarer Schwere begründen jedenfalls eine strafrechtliche Anklage (vgl Walter Berka, Die Grundrechte Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, S. 445).

Gemäß Art3 Abs1 des B-VG vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (Pers.Frg.) darf nur ein Gericht aufgrund einer mit Strafe bedrohten Handlung auf Freiheitsentzug erkennen. Gemäß Art3 Abs2 Pers.Frg. darf die Verhängung einer Freiheitsstrafe und die Festsetzung von Freiheitsstrafen durch Verwaltungsbehörden jedoch vorgesehen werden, wenn das Ausmaß des angedrohten Freiheitsentzuges je 6 Wochen, soweit die Entscheidung einer unabhängigen Behörde obliegt, je 3 Monate nicht übersteigt.

Die Bestimmung des Art3 Pers.Frg. soll den Art5 Abs1 und Art6 Abs1 EMRK Rechnung tragen; welche vorsehen, dass Freiheitsstrafen durch 'Gerichte' verhängt werden müssen. Art3 Abs2 Pers.Frg. sieht vor, dass Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 6 Wochen von 'normalen' (d.h. weisungsgebundenen) Verwaltungsbehörden festgesetzt werden dürfen – diesfalls muss die Anfechtung der Entscheidung bei einer unabhängigen Behörde ('Gerichte' iSd. EMRK) in vollem Umfang und mit aufschiebender Wirkung gewährleistet sein (VwGH 29.08.2000, 2000/05/0174; vgl Mayer/Muzak B-VG Kurzkommentar, 5. Auflage, S. 685).

Der Anlassfall zeigt deutlich, dass die als zulässig erachteten Freiheitsstrafen bzw Ersatzfreiheitsstrafen durch die Kumulierung der Geldstrafe in §28 Abs1 AuslBG dazu führen können, dass mehrjährige Haftstrafen verhängt werden. Dies widerspricht jedoch dem Recht auf ein faires Verfahren.

Da von der Bestimmung des §28 Abs1 AuslBG nicht nur börsennotierte Unternehmen, sondern in der Regel kleine und mittlere Unternehmen betroffen sind, kann es durchaus vorkommen, dass durch die verhängte Strafe von mehreren hunderttausend Euro ein Unternehmen insolvent wird und dass das tatzeitlich zur Vertretung nach außen berufene Organ in weiterer Folge die Ersatzfreiheitsstrafe antreten muss.

Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen gemäß Art49 GRC:

Im Verfahren die im Anwendungsbereich des Unionsrechts sind, ist die Grundrechtscharta der EU heranzuziehen. Der VfGH kann daher wegen einer Verletzung der Charta angerufen werden. Im konkreten Anlassfall spielt das Unionsrecht zweifellos eine Rolle, zumal es um die Beschäftigung von kroatischen Arbeitnehmern in Österreich geht.

Gemäß Art49 Abs3 GRC darf das Strafmaß zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein. Art49 Abs3 GRC enthält ein eigenständiges einklagbares Grundrecht (vgl Jarass, EU Grundrechte §42 Rz 14). Art49 Abs3 GRC bindet die Organe der Union und jene der Mitgliedstaaten, wenn und soweit diese Unionsrecht vollziehen. Art49 Abs3 GRC richtet sich zum einen an den zuständigen Gesetzgeber, der angehalten ist, für eine bestimmte Straftat nur eine verhältnismäßige Strafe und einen dementsprechenden Strafsatz gesetzlich zu erlassen, zum anderen an die Vollziehung, die eine im Wege der Strafzumessung festzusetzende verhältnismäßige Strafe auszusprechen hat, sofern dies im Einzelfall überhaupt geboten ist.

Ein strafrechtlich relevantes Verhalten darf nur insoweit sanktioniert sein, als dies im Einzelfall erforderlich, geeignet und angemessen ist. Sanktionen dürfen demnach nicht über den Rahmen des zur Erreichung des verfolgten Zieles unbedingt Erforderlichen hinausgehen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist dabei insbesondere die Schwere des Verstoßes sowie das Gewicht der Strafe entscheidend. Bereits Art3 EMRK enthielt ein Exzessverbot von Strafen. Im konkreten Anlassfall würde die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe sogar im Widerspruch zum Verbot der Folter nach Art3 EMRK stehen, zumal die fast fünfjährige Ersatzfreiheitsstrafe nicht einmal auf einmal durchgehend vollstreckt werden könnte, sondern nach dem österreichischen Recht in vielen Unterbrechungen abgesessen werde müsste, was dazu führen würde, dass ein Verurteilter für sein restliches Leben praktisch nie wieder durch die Vielzahl der Haftantritte ein geregeltes Berufs- oder Familienleben ausüben könnte und dadurch die Strafe auch als erniedrigende Strafe angesehen werden kann, zumal der Verurteilte schlechter gestellt wird als ein Schwerverbrecher in Österreich (vgl Holoubek/Lienbacher GRC-Kommentar Art49 Rz 23 ff.).

Zum Umfang der Anfechtung:

Sollte der Verfassungsgerichtshof die Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichtes teilen, dass es in Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren, die mangelnde Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes, den Gleichheitsgrundsatz und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen gemäß §49 Abs3 GRC prinzipiell nicht zulässig ist, dass in einem Verfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz existenzbedrohende Geld- bzw Ersatzfreiheitsstrafen ausgesprochen werden können, wäre die gesamte Bestimmung des §28 Abs1 AuslBG nicht mehr vollziehbar, weshalb sie auch anzufechten war." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3.       Die Bundesregierung verweist auf die in den Verfahren G60/2018 (Anfechtungsgegenstand: §28 Abs1 AuslBG idF BGBl I 66/2017) und G62/2018 (Anfechtungsgegenstand: §7i Abs4 AVRAG) erstatteten Äußerungen und legt diese vor:

"II.

Zur Zulässigkeit:

1. Der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm darf im Gesetzesprüfungsverfahren bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden (vgl VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Die Antragsteller haben all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011).

1.1. Die Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichts richten sich im Wesentlichen dagegen, dass in Verfahren nach §28 Abs1 AuslBG […] Verwaltungsstrafbehörden – und nicht die ordentlichen Gerichte – Geldstrafen in Millionenhöhe bzw Ersatzfreiheitsstrafen von mehreren Jahren verhängen könnten. Derart hohe Strafen dürften aber aufgrund des Anklageprinzips gemäß Art90 Abs2 B-VG und des Grundsatzes der Gewaltentrennung gemäß Art94 B-VG nur von ordentlichen Gerichten verhängt werden. Die Strafen seien außerdem unverhältnismäßig und verstießen daher gegen das Verbot unverhältnismäßiger Strafen gemäß Art49 GRC sowie gegen Art3 EMRK.

1.2. Diese Bedenken richten sich aber nicht (allein) gegen die angefochtenen Bestimmungen:

1.2.1. Weder §28 Abs1 AuslBG noch §7i Abs4 AVRAG sehen die Verhängung einer primären Freiheitsstrafe oder einer Ersatzfreiheitsstrafe vor. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Grundlage vielmehr in §16 Abs1 VStG, wonach bei Verhängung einer Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen ist. Die Aufhebung des §16 Abs1 VStG wurde aber nicht beantragt.

1.2.2. §28 Abs1 Z1 lita AuslBG und §7i Abs4 AVRAG sehen für das Grunddelikt einen Strafrahmen von 1 000 bis 10 000 Euro (im Wiederholungsfall von 2 000 bis 20 000 Euro) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer bzw für jeden Arbeitnehmer und im Qualifikationsfall (unberechtigte Beschäftigung von mehr als drei Ausländern bzw wenn mehr als drei Arbeitnehmer betroffen sind) einen Strafrahmen von 2 000 bis 20 000 Euro (im Wiederholungsfall von 4 000 bis maximal 50 000 Euro) für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer bzw für jeden Arbeitnehmer vor.

Die Anträge begründen die behauptete Verfassungswidrigkeit damit, dass nach den angefochtenen Bestimmungen Geldstrafen in Millionenhöhe und mehrjährige Ersatzfreiheitsstrafen, wie sie etwa den Anlassfällen zu Grunde liegen (nämlich Geldstrafen von insgesamt 2 640 000 Euro bzw Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 1 600 Tagen und Geldstrafen von insgesamt 2 864 400 Euro bzw Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 1 736 Tagen), möglich seien. Geldstrafen (und Ersatzfreiheitsstrafen) auf Grund des §28 Abs1 AuslBG bzw des §7i Abs4 AVRAG (iVm. §16 Abs1 VStG) in einer solchen Höhe sind aber nur in Fällen echter Realkonkurrenz denkbar, wenn also durch zahlreiche selbständige Taten zahlreiche Verwaltungsübertretungen begangen wurden; die unberechtigte Beschäftigung jedes einzelnen Ausländers bzw die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen für jeden einzelnen Arbeitnehmer stellt nämlich ein eigenes Delikt dar und ist gesondert zu bestrafen. In einem solchen Fall ist für jedes Delikt – entsprechend §22 Abs2 erster Satz VStG – eine eigene Strafe zu verhängen, wie dies auch in den Anlassfällen erfolgt ist: Nach den Angaben des antragstellenden Verwaltungsgerichts erfolgte eine Bestrafung nach dem AuslBG in 200 Spruchpunkten (Antrag zu G60/2018, Seite 3) bzw nach dem AVRAG in 217 Spruchpunkten (Antrag zu G62/2018, Seite 3). In verfahrensrechtlicher Hinsicht kann in einem solchen Fall über jedes Delikt in einem eigenen Bescheid oder – wie dies offenbar in den Anlassfällen erfolgte – über mehrere Delikte in einer gemeinsamen Bescheidausfertigung abgesprochen werden (vgl VwGH 24.1.2014, 2013/09/0048 mwN). Eine die jeweiligen Einzelstrafen addierende 'Gesamtstrafe' kennt das VStG nicht (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 [2017] §22 VStG Rz 9).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es Sache des Verfassungsgerichtshofes, im Gesetzesprüfungsverfahren zu entscheiden, wie der Aufhebungsumfang im konkreten Fall abzugrenzen ist. Der Antragsteller muss daher all jene Bestimmungen mitanfechten, die in diese Abwägung bei der Abgrenzung des Aufhebungsumfanges miteinzubeziehen sind, und darf nicht durch Anfechtung nur eines Teils dieser Bestimmungen das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorwegnehmen (siehe VfGH 10.3.2015, G201/2014; 7.10.2015, G315/2015 ua; 10.12.2015, G639/2015; 25.11.2016, G252/2016).

Vor dem Hintergrund seiner Bedenken, dass nämlich die angefochtenen Bestimmungen Geldstrafen in Millionenhöhe (und mehrjährige Ersatzfreiheitsstrafen) ermöglichten, hätte das antragstellende Verwaltungsgericht daher nicht nur den jeweiligen Verwaltungsstraftatbestand des §28 Abs1 Z1 AuslBG bzw des §7i Abs4 AVRAG anfechten müssen, sondern auch den Grundsatz der Strafenkumulierung in §22 Abs2 VStG, um so den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden könnte.

1.2.3. Die Anträge sind schon aus diesem Grund zur Gänze unzu

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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