TE Vfgh Beschluss 2018/11/27 G267/2018

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §15 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags mangels Sachverhaltsdarstellung; kein behebbares Formgebrechen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Antrag

1.       Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die "Erkennung der Verfassungswidrigkeit des §18 NÖ-StrG idgF iVm der praktischen Rechtssprechung bei ordentlichen Gerichten iSd OGH-Rechtssprechung vor der Verwaltungsreform 2014 und vor der Novellierung neuer Gebrauchsarten in §1 Abs3 NÖ-GebAG idF 2015".

II.      Rechtslage

1.       §18 NÖ Straßengesetz 1999 (NÖ-StrG), LGBl 8500-0 idF LGBl 8500-3, lautet:

"Sondernutzung

(1) Jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung von öffentlichen Straßen ist eine Sondernutzung und bedarf der Zustimmung der Straßenverwaltung.

Sie wird in Form einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Straßenverwaltung und Sondernutzer erteilt.

Durch eine Sondernutzung werden keine Rechte ersessen.

(2) Für den Anschluss von Haus- und Grundstücksausfahrten an die Straße ist eine Vereinbarung nach Abs1 nicht erforderlich,

wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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die Ausführung des Anschlusses im Einvernehmen mit der Straßenverwaltung hergestellt wird und

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die Straßenverwaltung auf den Abschluss einer Vereinbarung verzichtet.

(3) Eine Vereinbarung nach Abs1 hat alle Angaben zu beinhalten, die alle Rechte und Pflichten, die mit der Sondernutzung verbunden sind, eindeutig regeln.

Dazu gehören insbesonders:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Art und Umfang der Sondernutzung,

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Auflagen und Bedingungen,

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Dauer der Sondernutzung,

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Gründe für den Widerruf der Zustimmung zur Sondernutzung,

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Sachleistungen,

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Entgelte (z. B. Bestandszins).

(4) Soferne nichts anderes vereinbart ist, gehen die Rechte und Pflichten aus der abgeschlossenen Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger über."

2.       §1 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 (NÖ-GebAG), LGBl 3700-8 idF LGBl 17/2015, lautet:

"Recht zum Gebrauch

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher ein Gebrauchsrecht zu erwirken, wenn der Gebrauch über die widmungsmäßigen Zwecke dieser Fläche hinausgehen soll.

(2) Die im angeschlossenen Tarif angegebenen Arten des Gebrauches von öffentlichem Grund in der Gemeinde (Abs1) gehen über die widmungsmäßigen Zwecke hinaus und sind erst nach Erteilung einer Gebrauchserlaubnis (§2 Abs1 bis 4) zulässig. Ist für eine Gebrauchsart eine baubehördliche oder straßenpolizeiliche Bewilligung erforderlich, gilt sie mit Vornahme der Anzeige gemäß §2 Abs5 als bewilligt.

(3) Folgende Arten des Gebrauches von öffentlichem Grund in der Gemeinde (Abs1) gehen über die widmungsmäßigen Zwecke hinaus und sind vor Beginn des Gebrauchs der Gemeinde anzuzeigen (§2 Abs6):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Anbringung und Aufstellung von ständig angebrachten Halterungen für Fahnen und ähnliche Vorrichtungen;

2.

regelmäßige Aufstellung von nicht unter kraftfahrzeugrechtliche Vorschriften fallenden selbstfahrenden Arbeits- oder Zugmaschinen oder von Handwagen, Handkarren und Handschlitten auf dem annähernd gleichen Ort;

3.

regelmäßige Aufstellung von nicht unter kraftfahrzeugrechtliche Vorschriften fallenden einspurigen Fahrzeugen auf dem annähernd gleichen Ort, wenn es sich dabei nicht um entsprechende Abstellanlagen handelt;

4.

Anbringung und Aufstellung von flach angebrachten Schildern, Schautafeln, Ankündigungen, Anschriften in Form von flach angebrachten Buchstaben, Zeichen u.ä, soweit diese nicht wirtschaftlichen Werbezwecken oder Wählergruppen dienen;

5.

Anbringung und Aufstellung von Steckschildern, Ankündigungstafeln, nicht ortsfesten Plakatständern, Werbefahnen oder freistehenden Buchstaben, soweit diese nicht wirtschaftlichen Werbezwecken oder Wählergruppen dienen;

6.

Anbringung und Aufstellung von Lautsprecheranlagen zu wirtschaftlichen Werbezwecken;

7.

Aufstellung von Fahrradständern.

Die Ausnahmen gemäß Z4 und 5 gelten für jene Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung für

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die Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper oder zu den satzungsgebenden Organen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung oder

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die Wahl des Bundespräsidenten oder

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Volksabstimmungen, Volksbegehren oder Volksbefragungen auf Grund landes- oder bundesgesetzlicher Vorschriften

beteiligen, innerhalb von 6 Wochen vor bis spätestens 2 Wochen nach dem Wahltag oder dem Tag der Volksabstimmung, der Volksbefragung oder des Volksbegehrens.

(4) Folgende Arten des Gebrauches von öffentlichem Grund in der Gemeinde gehen über die widmungsmäßigen Zwecke hinaus und sind verboten:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Ablagern von Abfall und Müll, Unrat, Autowracks außerhalb von dafür bewilligten Flächen, soweit es sich nicht um einen Fall der Tarifpost 1 handelt;

2.

Verunreinigen durch das Zurücklassen von Stoffen oder Gegenständen, durch das Ausgießen von Flüssigkeiten;

3.

Verunreinigungen durch das Aufbringen von färbenden Stoffen, sofern es sich nicht um Brauchtumspflege handelt und kein bleibender Schaden am öffentlichen Grund entsteht.

Dies gilt nicht für Handlungen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften zulässig oder genehmigt sind. Der Verursacher hat die Gegenstände gemäß Z1 und die Verunreinigungen gemäß Z2 und 3 ohne unnötigen Aufschub zu beseitigen.

(5) Der Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes im Sinne des Abs2 und 3 bedarf keiner vorherigen Gebrauchserlaubnis bzw Anzeige, wenn er durch Behörden des Bundes, des Landes Niederösterreich oder der Gemeinde in Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse oder durch eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft zum Zwecke der Religionsausübung oder durch Einrichtungen, die unter Denkmalschutz stehen, erfolgt."

III.    Antragsvorbringen

1.       Der Antragsteller bringt vor, das Bezirksgericht Baden habe entschieden, dass ein unbestritten bestehendes und schriftlich erteiltes Gebrauchsrecht der Gemeindeverwaltung gemäß "§1 Abs1 NÖ-GebAG idF 2014 auch auf Gemeindestraßen keine Zustimmung iSd §18 erster Satz NÖ-StrG" darstelle und dass in Folge der als fehlend angenommenen Zustimmung bzw schriftlichen Vereinbarung gemäß §18 "erste beide Sätze" NÖ-StrG für eine Ladevorrichtung für Elektroautos die vom Beschwerdeführer errichtete Ladevorrichtung im alleinigen Eigentum desselben entschädigungslos vom Beschwerdeführer zu beseitigen sei.

2.       Der Antragsteller fühle sich mit dieser Entscheidung zur entschädigungslosen Beseitigung seines Eigentums, die nur mit einer völligen Zerstörung seines Eigentums möglich sei, in seinen "verfassungsrechtlichen gewährleisteten Rechten nach Art17 Abs1 EU-Grundrechtscharta ('Eigentumsrecht), nach Art5 StGG ('Eigentum, Enteignung) und nach Art1 des 1. EMRK-Zusatzprotokolls ('Schutz des Eigentums), sowie nach Art94 B-VG aufgrund der gesetzlich nicht vorgesehenen Beurteilung nach dem §18 NÖ-StrG durch ein ordentliches Zivilgericht in einer Verwaltungssache verletzt". Er begehre, dass §18 NÖ-StrG als verfassungswidrig erkannt werde. Im Fall des Antragstellers werde das ihm erteilte Gebrauchsrecht gemäß §1 Abs1 NÖ-GebAG von den ordentlichen Gerichten nicht als Zustimmung der Straßenverwaltung iSd §18 NÖ-StrG gewertet. Als Folge dieser Beurteilungen durch die ordentlichen Gerichte werde die entschädigungslose Beseitigung der Ladevorrichtung vom Gericht vorgeschrieben, obwohl der §18 NÖ-StrG keine solchen Sanktionen überhaupt kenne. §18 NÖ-StrG sei verfassungswidrig, weil er keine Möglichkeit vorsehe, die Zustimmung der Straßenverwaltung durch ein schriftlich erteiltes Gebrauchsrecht gemäß §1 NÖ-GebAG zu ersetzen. Die von dem ordentlichen Gericht als dem entgegenstehende Judikatur des Obersten Gerichtshofes (OGH 11.10.2012, 1 Ob 66/12m) zitierte Entscheidung sei nicht anwendbar, weil diese ausschließlich für eine Sondernutzung im Sinne des §1a NÖ-GebAG und nicht für alle Gebrauchsarten anwendbar sei, wie es falsch interpretiert werde. Im vorliegenden Fall sei aber keine Gebrauchsart im Sinne des §1a NÖ-GebAG gegeben.

3.       Zudem sei das erkennende Bezirksgericht zur Beurteilung der Sache nach §18 NÖ-StrG unzuständig gewesen und hätte den Rechtsweg über ordentliche Gerichte für unzulässig iSd Art94 B-VG erkennen und die Klage der Gemeindebehörde abweisen müssen.

IV.      Zulässigkeit

1.       Der vorliegende Antrag ist unzulässig.

2.       Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

3.       Gemäß §15 Abs2 VfGG hat ein an den Verfassungsgerichtshof gerichteter Antrag gemäß Art140 B-VG eine Darlegung des Sachverhaltes, aus dem der Antrag hergeleitet wird, zu enthalten. Das Fehlen einer solchen Darstellung ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht als bloßes Formgebrechen, sondern als inhaltlicher Fehler zu beurteilen, der einer Verbesserung nach §18 VfGG nicht zugänglich ist (VfGH 12. Oktober 2016, G319/2016; vgl hiezu auch VfSlg 9798/1993, 11.354/1986, 11.363/1987, 12.630/1991, 13.100/1992, 15.415/1999, 16.605/2002). Ein Antrag, der mit einem solchen inhaltlichen Fehler behaftet ist, ist als unzulässig zurückzuweisen (vgl VfSlg 12.630/1991).

3.1.    Der vorliegende Antrag ist mit einem solchen inhaltlichen Fehler behaftet: Der Antrag enthält keine Darstellung des Sachverhaltes, aus dem der Antrag hergeleitet wird. Es wird lediglich – im Rahmen der Wiedergabe der Spruchpunkte des ordentlichen Gerichtes – erkennbar, dass es um die Anordnung einer entschädigungslosen Entfernung einer Ladevorrichtung für Elektroautos im Eigentum des Antragstellers geht. Weiters deuten die Ausführungen im Antrag darauf hin, dass dem Antragsteller ein Gebrauchsrecht gemäß §1 NÖ-GebAG schriftlich erteilt worden war.

3.2.    Aus diesen vereinzelten Hinweisen im vorliegenden Antrag ist nicht erkennbar, welches tatsächliche Geschehen dem Antrag zugrunde liegt; vielmehr wird die Kenntnis des Sachverhaltes im Antrag vorausgesetzt (vgl VfSlg 16.605/2002). Die dem Antrag zugrunde liegenden Lebensumstände gehen aus dem Antragsvorbringen nicht hervor (vgl hiezu VfSlg 15.415/1999). Aus den vorgetragenen Sachverhaltshinweisen ist insbesondere nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang sie zueinander stehen und welche Verfahren geführt wurden. Ebenso wenig sind dem Antragsvorbringen der Gegenstand und das Klagebegehren im gerichtlichen Verfahren vor dem ordentlichen Gericht erster Instanz deutlich zu entnehmen (vgl hiezu VfSlg 12.925/1991).

3.3.    In einer solchen fragmentarischen Andeutung des Sachverhaltes liegt keine Darstellung im Sinne des §15 Abs2 VfGG (vgl VfSlg 16.605/2002). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, erstmals im Wege der Einsicht in die Akten zu ermitteln, welche tatsächlichen Vorgänge Gegenstand eines Antrages sind (vgl VfSlg 16.605/2002). Das Antragsvorbringen vermag den Verfassungsgerichtshof nicht in die Lage zu versetzen, den dem Antrag zugrunde liegenden Lebenssachverhalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu würdigen (vgl hierzu VfSlg 15.415/1999). Dies wäre aber Voraussetzung für eine Erfüllung der Anforderungen des §15 Abs2 VfGG.

3.4.    Der Antrag ist daher schon aus diesen Gründen unzulässig.

V.       Ergebnis

1.       Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G267.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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