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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 14. August 2018, Zl. LVwG-601978/9/SE, betreffend Übertretungen der StVO (mitbeteiligte Partei: H in T, vertreten durch Dr. Robert Mayrhofer, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Kapuzinerberg 2), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 26. Mai 2017 legte die revisionswerbende Partei dem Mitbeteiligten zur Last, er sei am 18. November 2016 um 22.00 Uhr in der Gemeinde A. auf der Gemeindestraße 11 in Fahrtrichtung G. als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe in weiterer Folge folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
1. Er habe, obwohl sein Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, nicht an der Sachverhaltsfeststellung mitgewirkt, da er es durch das Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen.
2. Er habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl er und die Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, einander Name und Anschriften nicht nachgewiesen hätten.
Aus diesem Grund habe der Mitbeteiligte § 4 Abs. 1 lit. c StVO sowie § 4 Abs. 5 StVO verletzt, weshalb die revisionswerbende Partei über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO bzw. § 99 Abs. 3 lit. b StVO Geldstrafen in der Höhe von EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 92 Stunden) bzw. EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 69 Stunden) verhängte.
2 Das Verwaltungsgericht gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
Es stellte fest, der Mitbeteiligte sei am 18. November 2016 mit dem genannten PKW in Richtung G. unterwegs gewesen. Um ca. 22.10 Uhr sei im Gemeindegebiet A. ein Reh von der rechten Seite auf die Fahrbahn gesprungen. Es habe den PKW touchiert, sei aber nach links weiter gelaufen. Der Mitbeteiligte habe angehalten und in der näheren Umgebung nach dem Tier gesucht, dieses jedoch nicht finden können. Das vordere rechte Scheinwerferglas des PKW sei zerbrochen und der vordere rechte Kotflügel eingedellt gewesen. Da es keine Beweise, Informationen oder Hinweise darüber gebe, was mit dem Reh in der Folge geschehen sei, könne nicht festgestellt werden, ob überhaupt, in welcher Form und in welchem Ausmaß das Reh verletzt worden sei. Auf seiner Weiterfahrt sei der Mitbeteiligte um ca. 22.30 Uhr in T. von einem Polizisten zur Durchführung einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten worden. Im Zuge dieser Kontrolle sei die Beschädigung des PKW aufgefallen und der Mitbeteiligte habe erklärt, einen Wildunfall gehabt zu haben. Es seien keine Blutspuren am PKW des Mitbeteiligten vorhanden gewesen. Ob Fellspuren vorhanden gewesen seien, könne nicht festgestellt werden. In der Folge habe der Polizist die Meldung an den zuständigen Jagdberechtigten veranlasst. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, die dem Mitbeteiligten zu Last gelegten Verwaltungsübertretungen seien nicht erwiesen und die objektiven Tatbestände des § 4 Abs. 1 lit. c StVO sowie des § 4 Abs. 5 StVO nicht erfüllt, da außer am PKW des Mitbeteiligten kein Sachschaden habe festgestellt werden können.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu folgenden Rechtsfragen:
"Liegt bei einer anlässlich eines Verkehrsunfalles erfolgten potentiellen bzw. wahrscheinlichen Verletzung eines (Wild-)Tieres ein die gesetzlichen Pflichten des § 4 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 5 StVO auslösender Sachschaden vor? Liegt auch dann ein Sachschaden vor, wenn der Schaden am beteiligten Tier trotz offensichtlicher Indizien aufgrund eines Sich-Fortbewegens von der Unfallstelle nicht (mehr) unmittelbar am Tier verifiziert werden kann?"
Im Übrigen wird in der Revision die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zu § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 5 StVO dem "verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz" widerspreche.
7 Die Revision ist nicht zulässig.
8 Die in § 4 Abs. 1 lit. c StVO normierte Verpflichtung kann sinnvoll nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 2 StVO besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. Liegt aber unbestritten ein Verkehrsunfall vor, bei dem niemand verletzt wurde und Sachschaden nur am Kraftfahrzeug des Beschuldigten selbst eingetreten ist, besteht keine Mitwirkungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 1 lit. c StVO (vgl. VwGH 20.4.2001, 99/02/0176, mwN).
9 Ebenso liegt bei einem Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden, und dieser nur im Vermögen einer Person entstanden ist, kein Grund für eine Verpflichtung dieser geschädigten Person vor, gemäß § 4 Abs. 5 StVO die nächste Polizeidienststelle zu verständigen (vgl. VwGH 25.1.2002, 2001/02/0240, mwN).
10 Im vorliegenden Fall ist es unbestritten weder zu einer Verletzung einer Person gekommen, noch hat ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unmittelbar am Unfallort eine Tatbestandsaufnahme vorgenommen oder veranlasst. Konsequenterweise hat auch kein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines solchen Organs verlangt. Das Verwaltungsgericht hat lediglich eine Beschädigung des Kraftfahrzeugs des Mitbeteiligten festgestellt. Es hat jedoch nicht feststellen können, ob das Reh durch die Kollision mit dem Fahrzeug verletzt wurde. Daher ist bei dem gegenständlichen Verkehrsunfall erwiesenermaßen bloß ein Sachschaden am Kraftfahrzeug des Mitbeteiligten und somit nur in dessen Vermögen eingetreten, weshalb das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Mitbeteiligte weder die Mitwirkungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO noch die Verständigungspflicht gemäß § 4 Abs. 5 StVO verletzt hat.
11 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten - wie etwa des in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Gleichheitssatzes - gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen (vgl. VwGH 12.4.2018, Ra 2016/04/0097, mwN).
12 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Jänner 2019
Schlagworte
MeldepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020311.L00Im RIS seit
19.02.2019Zuletzt aktualisiert am
20.02.2019