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L70300 Buchmacher Totalisateur Wetten;Norm
Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §1 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/02/0288 Ra 2018/02/0287Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision 1. des C in T, 2. des H in L und 3. der S GmbH in T, alle vertreten durch Dr. Georg Haunschmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 6- 8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. Jänner 2018, ausgefertigt am 5. Februar 2018, Zlen. VGW- 002/082/1288/2017, VGW-002/V/082/1289/2017, VGW-002/082/1290/2017, VGW-002/V/082/1292/2017, VGW-002/082/1300/2017, VGW- 002/V/082/1302/2017, VGW-002/082/1305/2017 und VGW- 002/V/082/1307/2017, betreffend Übertretungen des GTBW-G (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die revisionswerbenden Parteien betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit jeweils zwei Aufforderungen zur Rechtfertigung vom 19. Oktober 2016 (betreffend den Erstrevisionswerber) bzw. 21. Oktober 2016 (betreffend den Zweitrevisionswerber) legte die belangte Behörde dem Erst- und Zweitrevisionswerber zur Last, sie hätten als handelsrechtliche Geschäftsführer der drittrevisionswerbenden Partei zu verantworten, dass diese am 15. Dezember 2015 um 12.15 Uhr bzw. 17.10 Uhr an zwei näher genannten Standorten in W durch das Zurverfügungstellen von Software für drei Wettterminals an Serkan G. daran mitgewirkt habe, dass die "Tätigkeit der Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden" an eine Buchmacherin durch Serkan G. ausgeübt worden sei, obwohl die dafür erforderliche landesrechtliche Bewilligung nicht erwirkt worden sei.
1 Mit den darauffolgenden vier Straferkenntnissen vom 29. November 2016 und 5. Dezember 2016 (betreffend den Erstrevisionswerber) bzw. jeweils vom 13. Dezember 2016 (betreffend den Zweitrevisionswerber) verhängte die belangte Behörde über den Erst- und Zweitrevisionswerber jeweils gemäß § 2 Abs. 3 Z 2 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens (GTBW-G) iVm. § 9 Abs. 1 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage und 19 Stunden) und sprach gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der drittrevisionswerbenden Partei für die verhängte Strafe aus. Die belangte Behörde legte diesen Straferkenntnissen den in den Aufforderungen zur Rechtfertigung genannten Tatvorwurf zu Grunde, ergänzte diesen jedoch, indem sie in den Sprüchen der Straferkenntnisse nach der Wortfolge "die Tätigkeit der Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden" die Wortfolge "für Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen" einfügte.
2 Mit dem am 15. Jänner 2018 mündlich verkündeten und am 5. Februar 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien ab und bestätigte die Straferkenntnisse mit der Maßgabe, dass es vor die Wortfolge "Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden für Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen" die Wortfolge "vertraglich näher geregelten gewerbsmäßigen" einfügte.
3 Zu den Zlen. VGW-002/082/1293/2017 und VGW- 002/082/1298/2017 sprach das Verwaltungsgericht in diesem Erkenntnis auch über die Beschwerden des Serkan G. ab. Diese Zlen. sind kein Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens.
4 Seiner rechtlicher Beurteilung stellte das Verwaltungsgericht voran, dass an Verfolgungshandlungen im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen seien wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG. In dieser Hinsicht müsse sich eine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 44a Z 2 VStG beziehen und alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente umfassen (unter Hinweis auf VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0186). Dem Erst- und Zweitrevisionswerber sei die Mitwirkung an der gewerbsmäßigen Wettkundenvermittlung des Serkan G. aus der jeweiligen Begründung der Straferkenntnisse konkret und sachverhaltsbezogen angelastet worden. Ausgehend vom jeweiligen Tatzeitpunkt am 15. Dezember 2015 sei die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist bis 15. Dezember 2016 gelaufen. Sämtliche Straferkenntnisse hätten die behördliche Sphäre jedoch vor Ablauf dieser Frist verlassen. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sei das (behördlich verfolgte) Tatbild der dem Erst- und Zweitrevisionswerber angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt. Das Zurverfügungstellen von Software zum Betrieb von Wettgeräten komme als eine Form der Mitwirkung bei der gewerbsmäßigen Wettkundenvermittlung in Betracht. Dies sei zudem im Rahmen einer laufenden Kooperation erfolgt und habe geschäftlichen Zwecken im Sportwettbereich gedient, sodass die drittrevisionswerbende Partei an einer gewerbsmäßigen Wettkundenvermittlung aus Anlass sportlicher Veranstaltungen (unternehmerisch) mitgewirkt habe. Ausgehend von der Tatanlastung sei die Tatumschreibung des dem Erst- und Zweitrevisionswerber zur Last gelegten Tatvorwurfs richtigzustellen gewesen.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2018, E 975/2018-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In weiterer Folge erhoben die revisionswerbenden Parteien die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit aufheben.
7 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, weder in den Aufforderungen zur Rechtfertigung, noch in sämtlichen Straferkenntnissen der belangten Behörde sei das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit angeführt gewesen. Dementsprechend enthielten die Straferkenntnisse keinen Vorwurf eines gemäß dem GTBW-G strafbaren Verhaltens, weil nur die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkunden und somit auch nur die Beteiligung an einem solchen Sachverhalt strafbar seien. Da der "Vorfallstag" der 15. Dezember 2015 gewesen sei, sei hinsichtlich des durch das Verwaltungsgericht "mehr als zwei Jahre später" angenommenen und geänderten Tatvorwurfs bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, weil keine ausreichende Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist von einem Jahr vorgelegen sei. Indem das Verwaltungsgericht aber den Spruch auf "vertraglich näher geregelten gewerbsmäßigen" geändert habe, sei es von der hg. Rechtsprechung abgewichen (unter Hinweis auf VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0186).
9 Die Revision ist zulässig und aus dem von den revisionswerbenden Parteien angeführten Grund auch berechtigt.
10 Die zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Bestimmungen des (Wiener) Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens (GTBW-G), LGBl. Nr. 388/1919 in der Fassung LGBl. Nr. 26/2015, lauten auszugsweise:
"I. Verwaltungsrechtliche Bestimmungen.
Bewilligung
§ 1. (1) Die gewerbsmäßige Vermittlung und der gewerbsmäßige Abschluss von Wetten sowie die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden aus Anlass sportlicher Veranstaltungen ist nur mit Bewilligung der Landesregierung zulässig.
(...)
Strafbestimmungen
§ 2. (1) Wer ohne Bewilligung der Landesregierung Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen gewerbsmäßig abschließt oder vermittelt oder bei diesem Abschluss (dieser Vermittlung) mitwirkt, wer ohne Bewilligung der Landesregierung aus Anlass sportlicher Veranstaltungen Wettkundinnen und Wettkunden gewerbsmäßig vermittelt, ferner wer die ihm erteilte Bewilligung der Landesregierung überschreitet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet - mit einer Geldstrafe bis 22.000 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen.
(...)
(3) Derselben Strafe unterliegt:
(...)
2. wer bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden betreffend der der im ersten Absatz angeführten Wetten mitwirkt;
(...)"
11 Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
12 Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG. Demnach ist eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Somit muss sich die Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen (vgl. zum Ganzen VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0186, jeweils mwN).
14 § 2 Abs. 3 Z 2 GTBW-G bestraft die Mitwirkung an der bewilligungslosen gewerbsmäßigen Wettkundenvermittlung aus Anlass sportlicher Veranstaltungen (vgl. § 2 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 1 GTBW-G). Die Mitwirkung an einer Vermittlungstätigkeit im Sinn des Gesetzes kann demnach nur dann strafbar sein, wenn der Vermittler diese Tätigkeit gewerbsmäßig ausübt.
15 Weder den Aufforderungen zur Rechtfertigung noch den Straferkenntnissen ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde von einer gewerbsmäßigen Vermittlungstätigkeit des Serkan G. ausgegangen wäre. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts wurde das Tatbestandselement der Gewerbsmäßigkeit auch weder genannt noch durch entsprechende Sachverhaltselemente in den genannten Verfolgungshandlungen umschrieben. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die den revisionswerbenden Parteien vorgeworfene Tat nicht insoweit unverwechselbar konkretisiert war, dass diese in die Lage versetzt wurden, auf den Vorwurf zu reagieren und damit ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. abermals VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0186 sowie VwGH 25.9.2017, Ra 2017/02/0101). Die behördlichen Verfolgungshandlungen gegen die revisionswerbenden Parteien waren somit nicht geeignet, die Verjährungsfrist zu unterbrechen.
16 Der nunmehr mit dem angefochtenen Erkenntnis ergänzte Tatvorwurf der Mitwirkung an der bewilligungslosen gewerbsmäßigen Wettkundenvermittlung ist im Hinblick auf den Tattag 15. Dezember 2015 außerhalb der einjährigen Verjährungsfrist erhoben worden. Die Verfolgung der revisionswerbenden Parteien erweist sich somit als unzulässig, weshalb auf das übrige Vorbringen in der Revision nicht weiter einzugehen war.
17 Das angefochtene Erkenntnis war daher - im begehrten
Umfang - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
18 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. Jänner 2019
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Besondere Rechtsgebiete"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020286.L00Im RIS seit
19.02.2019Zuletzt aktualisiert am
20.02.2019