TE Vwgh Beschluss 2019/1/30 Ra 2018/02/0274

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Veröffentlicht am 30.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
StVO 1960 §4 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., in der Revisionssache des W in H, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in 6060 Hall in Tirol, Pfarrplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 17. Juli 2018, Zl. LVwG- 2018/24/1361-1, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs.1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 8. Mai 2018 wurde dem Revisionswerber mit näheren Konkretisierungen zur Last gelegt, er sei mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht sofort die nächste Polizeidienststelle verständigt. Der Revisionswerber habe dadurch § 4 Abs. 2 2. Satz StVO verletzt. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe von EUR 90,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeitsbegründung unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Anhalte- und Meldepflicht des § 4 StVO ausgeführt, das Verwaltungsgericht weiche von dieser Judikatur ab, zumal es ausgehend vom gegenständlichen Sachverhalt für den Revisionswerber gar nicht habe erkennbar sein können, dass es zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden gekommen sei, weil er mit der Unfallgegnerin Blickkontakt gehabt und mit ihr während des Vorbeifahrens und unmittelbar nach dem Vorbeifahren gesprochen habe. Dabei habe sich die Unfallgegnerin nicht dahingehend geäußert, dass es zu einer Berührung zwischen ihr und dem Fahrzeug des Revisionswerbers, geschweige denn zu einer Verletzung gekommen wäre. Damit habe sich der Revisionswerber aufs Umfassendste vergewissert, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen sei.

7 Mit diesen Ausführungen entfernt sich der Revisionswerber aber vom festgestellten Sachverhalt, welcher Ausgangspunkt für die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofes ist (§ 41 VwGG). Diesen Sachverhaltsfeststellungen zufolge hat der Revisionswerber die in einer sehr engen Gasse stehenden Mädchen zunächst angehupt, diese haben dann die Straßenseite gewechselt und dem Revisionswerber "ausgestellt", um ihm ein Vorbeifahren zu ermöglichen. Beim Vorbeifahren hat er das Unfallopfer am Bein gestreift und es dabei verletzt. Danach hat er angehalten und mit den Mädchen geschrien. Den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen tritt der Revisionswerber nicht konkret entgegen; er hat auch vor dem Verwaltungsgericht nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die rechtlichen Überlegungen in der Zulässigkeitsbegründung gehen daher ins Leere. Bei seiner rechtlichen Beurteilung ist das Verwaltungsgericht somit nicht von der in der Revision wie auch im angefochtenen Erkenntnis dargestellten ständigen Rechtsprechung abgewichen, was die Revision auch nicht aufzuzeigen vermochte.

8 Insoweit sich der Revisionswerber in der Folge im Ergebnis gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist er darauf hinzuweisen, dass seinem Vorbringen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu entnehmen sind. Eine solche läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (VwGH 9.10.2017, Ra 2017/02/0138). Solches hat der Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht aufgezeigt:

Dem Verwaltungsgericht kann nicht entgegengetreten werden, wenn es angesichts der besonderen örtlichen Bedingungen und der Missachtung des notwendigen Abstands aufgrund der fehlenden erforderlichen Aufmerksamkeit durch den Revisionswerber davon ausgeht, dass das Nichtwissen um den Eintritt des festgestellten Personenschadens in Folge der Berührung des Unfallopfers mit dem Fahrzeug des Revisionswerbers auf einem fahrlässig schuldhaften Verhalten beruhe und es somit die subjektive Tatseite des § 4 Abs. 2 StVO als erfüllt ansah.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, können die Delikte des § 4 Abs. 2 StVO auch fahrlässig begangen werden. Fahrlässigkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, dass dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personen- oder Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl. VwGH 5.10.1994, 94/03/0099, mwH).

10 Es trifft zwar zu, dass für die Annahme der fahrlässigen Begehung des in Rede stehenden Deliktes nicht die fahrlässige Herbeiführung des Verkehrsunfalles, sondern ein fahrlässiges Verhalten, das verhindert, dass dem Täter der Eintritt des Verkehrsunfalles zum Bewusstsein gekommen ist, entscheidend ist. Der Maßstab der an das Verhalten des Täters zu legenden Sorgfaltspflicht ist hiebei umso höher, je riskanter das Fahrmanöver war, das letztlich zu dem zugrundeliegenden Verkehrsunfall geführt hat (vgl. erneut VwGH 5.10.1994, 94/03/0099).

11 Das Verwaltungsgericht legte dem Revisionswerber ein solches fahrlässiges Verhalten zur Last, zumal ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit die Streifung des Unfallopfers beim Vorbeifahren zu Bewusstsein hätte kommen müssen. Insofern ist dem Verwaltungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausging, dass das Vorbeifahren an einem Kind in einer sehr engen Gasse ein riskantes Fahrmanöver darstellt, welches mit der dringenden Gefahr eines Verkehrsunfalles, wie er dem festgestellten Sachverhalt zufolge im konkreten Fall auch tatsächlich eintrat, verbunden ist. Die Unterlassung dieser erhöhten Aufmerksamkeit - etwa fallbezogen durch nachfragendes Vergewissern - bildete jenes fahrlässige Verhalten, welches die Wahrnehmung des Verkehrsunfalles verhinderte.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2019

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020274.L00

Im RIS seit

19.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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