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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision der B in I, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stafflerstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. August 2018, Zl. LVwG- 2017/27/1357-6, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht - in teilweiser Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 3. Mai 2017 - aus, die Revisionswerberin habe als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung der Universität I. nach außen berufenes Organ die Außerachtlassung der in § 35 Abs. 1 Z 2 ASchG auferlegten Verpflichtungen zu verantworten, als an einem näher bezeichneten Tag der bei der Universität I. beschäftigte Dienstnehmer T. die in einem Arbeitsraum der Universität aufgestellte Holzbearbeitungsmaschine "Holzbearbeitungszentrum CF 741" benützt und betrieben und dabei entgegen der Bedienungsanleitung den Spaltkeil auf ca. 15 Millimeter anstatt, wie vorgeschrieben, ca. drei bis acht Millimeter eingestellt habe. Dadurch habe der Dienstnehmer einen schweren Arbeitsunfall erlitten.
2 Es setzte die von der belangten Behörde gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG verhängte Geldstrafe von EUR 996,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage) auf EUR 166,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) herab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
3 Das Verwaltungsgericht führte zum Verschulden der Revisionswerberin aus, sie habe kein wirksames Kontrollsystem dargelegt. Der Dienstnehmer T. habe angegeben, den Spaltkeil "immer" nach Gefühl einzustellen, woraus sich ergebe, dass eine diesbezügliche Kontrolle nicht erfolgt sei und jedenfalls nicht Wirkung gezeigt habe. Zudem habe er ausgesagt, dass nur stichprobenartige Kontrollen vorgenommen worden seien, wobei sein unmittelbarer Vorgesetzter K. angegeben habe, dass vor allem kontrolliert worden sei, ob nicht berechtigte Personen die Maschine bedienten. K. habe auch ausgeführt, dass er beim Vorbeigehen an der Maschine wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen hätte, ob Schutzeinrichtungen verwendet würden, und diesbezüglich genau hingesehen werden müsse. Daraus ergebe sich, dass K. keine Kontrolltätigkeit vorgenommen habe. Auch sei dieser selbst offenkundig nicht ausreichend kontrolliert worden oder hätten Kontrollen gegenüber ihm keine Wirkung gezeigt. T. wiederum habe angegeben, dass ihm der Sicherheitsbeauftragte mitgeteilt habe, er müsse sich die Bedienungsanleitung der Maschine durchlesen. Er habe dies jedoch nur "sporadisch" getan, um zu wissen, wie "etwas" an der Maschine verstellt werde. Die Einhaltung der Anordnung des Sicherheitsbeauftragten sei demnach offenkundig nicht wirksam kontrolliert worden. Hinsichtlich des Einstellens des Spaltkeils müsse nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls bei eigenmächtigen Handlungen, wie dem Einstellen des Abstands "nach Gefühl", ein Kontrollsystem greifen. Aus all dem ergebe sich jedoch, dass ein wirksames Kontrollsystem nicht vorgelegen habe.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der Zulässigkeitsbegründung wird ausgeführt, die Universität I. unterscheide sich von "sonstigen Großarbeitgebern" dadurch, dass sie "altgewachsene Strukturen" aufweise sowie in erster Linie "Forschungs- und Lehraufgaben" zu erfüllen habe. Aus diesen Gründen sei die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Kontrollsystemen auf Universitäten nicht im selben Maß anzuwenden, wie für "andere Großarbeitgeber". "Genannten Fragen" komme deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil keine den "Besonderheiten des Rechtsform Universität" Rechnung tragende Rechtsprechung vorhanden sei.
8 Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht entgegen dem Antrag der Revisionswerberin kein Sachverständigengutachten zur Beantwortung der für das Verfahren entscheidenden Frage, ob der Abstand des Spaltkeils zum Sägeblatt "bereits vor dem Unfall oder erst in Folge des Unfalls das höchstzulässige Maß nach Betriebsanleitung" überschritten habe, eingeholt. Da jedoch zumindest "die Möglichkeit der Kausalität des Unfalls für den rechtswidrigen Abstand" bestanden habe, hätte das Verwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einholen müssen.
9 Die Revision ist nicht zulässig.
10 Zum behaupteten Fehlen von hg. Rechtsprechung ist die Revisionswerberin darauf zu hinzuweisen, dass nach der hg. Rechtsprechung betriebliche Kontrollsysteme, die sich in der Regel nicht gleichen, einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unterliegen. Eine grundsätzliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (VwGH 12.4.2018, Ra 2018/04/0082, 0083; 6.3.2018, Ra 2018/02/0074, 0075, jeweils mwN).
11 Das Verwaltungsgericht hat den vorliegenden Fall anhand der bereits bestehenden und umfassenden hg. Rechtsprechung zu Kontrollsystemen beurteilt. Der Revisionswerberin gelingt es demgegenüber nicht, aufzuzeigen, dass diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte.
12 Soweit die Revisionswerberin die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterliegt, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist (wiederum VwGH Ra 2018/04/0082, 0083). Abgesehen davon, ist den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung weder die Grundsätzlichkeit des Verfahrensmangels noch die Relevanz des Mangels für den Ausgang des Verfahrens zu entnehmen (vgl. wiederum VwGH Ra 2018/02/0074, 0075).
13 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 31. Jänner 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020305.L00Im RIS seit
19.02.2019Zuletzt aktualisiert am
20.02.2019