Entscheidungsdatum
24.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2188906-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch die ARGE RECHTSBERATUNG, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Salzburg, vom 26.01.2018, Zl.: XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 01.11.2015, 09:30 Uhr, stellte der am 30.10.2015 illegal ins Bundesgebiet gelangte und hier nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) vor Organen des SPK Salzburg einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 02.11.2015 wurde er ab 16:00 Uhr durch ein Organ des SPK Salzburg einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich der der damals noch verheiratet gewesene und kinderlose Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt angab, dass er seit dem Jahr 2009 für ein Unternehmen als Taxifahrer gearbeitet hätte, das mit der amerikanischen Armee einen Vertrag gehabt habe. Bis ca. 2010 habe er Soldaten und Offiziere hin und her gefahren. Danach sei er von schiitischen Milizen entdeckt und von ihnen bedroht worden. Er habe seinen Job aufgeben und die Heimatstadt verlassen müssen. Im Jahr 2010 seien er und seine Frau nach BAGDAD geflüchtet. Dort habe er ebenfalls als Taxilenker gearbeitet. Vor kurzem hätten ihn diese Milizen auch in BAGDAD gesehen. Da habe er gewusst, dass er wieder in Gefahr sei. Weil sie ihn damals schon bedroht hätten, habe er sich zum Verlassen des Landes entschlossen [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 02.11.2015, S. 5]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht. Im Rahmen seiner Erstbefragung erteilte er überdies eine detaillierte Auskunft zu seiner Fluchtroute.
3. Am 12.10.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen und machte er auch im Rahmen dieser Einvernahme Angaben zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates. In diesem Zusammenhang führte er im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass im Februar 2010 vier Personen bei ihm zu Hause in XXXX gewesen seien und sein Haus kontrolliert hätten. Sie hätten seiner Frau gesagt, dass er ein Spion sei. Mit Hilfe seines Bruders habe er dann eine Wohnung in BAGDAD gemietet. Auch sei seine Frau nach BAGDAD gekommen und hätten sie dort ca. vier Jahre in Ruhe gelebt. Dann habe ihm ein Nachbar gesagt, dass er den Namen des BF auf einer Liste gesehen hätte und dass darunter das Wort "Spion" gestanden habe. Sein Nachbar habe ihm dann empfohlen, auszureisen [BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017, S. 7ff].
4. Mit Bescheid vom 26.01.2018, Zl. 1093283106/151673189, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 01.11.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
5. Gegen den dem BF am 01.02.2018 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob dieser im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung am 28.02.2018 Beschwerde, die er auf die Beschwerdegründe "inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung" und "Verletzung der Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für ihn günstigerer Bescheid erzielt worden wäre" stützte und die er mit den Anträgen verband, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben und ihm den Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und ihm ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird, in eventu den angefochtenen Bescheid - im angefochtenen Umfang - ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
6. Am 12.03.2018 legte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 26.01.2018 erhobene Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.
7. Am 14.09.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters und Dolmetschers für die Muttersprache des BF durchgeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft schiitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 4].
Er war mit der irakischen Staatsangehörigen XXXX alias XXXX verheiratet und wurde die XXXX2002 vor dem Personenstandsgericht XXXX geschlossene Ehe auf Grund einer von der Ehegattin des BF eingebrachten Klage am XXXX2016 vor ebendemselben Personenstandsgericht XXXX geschieden [Übersetzung des Scheidungsurteils in die deutsche Sprache; AS 169].
Der BF hat weder eigene, noch an kindesstatt angenommene Kinder und treffen ihn somit keine Sorgepflichten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6]. Er hat im Bundesgebiet bzw. im Unionsgebiet weder Verwandte, noch nahe Angehörige [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 8 unten].
Im Herkunftsstaat besuchte er sechs Jahre die Grundschule und 2 Jahre die Mittelschule. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich im Herkunftsstaat als angestellter Taxifahrer eines Taxiunternehmens [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6].
Seinen Angaben zufolge arbeitete er zunächst - während eines nicht feststellbaren Zeitraumes - als Taxifahrer in XXXX. Anschließend zog er nach BAGDAD und war dort ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat als Taxifahrer tätig.
1.2. Die Kernfamilie des BF lebt nach wie vor im Herkunftsstaat. Sie besteht aus drei Brüdern (dem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1956 geborenen XXXX, dem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1966 geborenen XXXX und dem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1969 geborenen XXXX) und drei Schwestern (der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1959 geborenen XXXX, der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1963 geborenen XXXX und der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1970 geborenen XXXX).
Der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1962 geborene Bruder XXXX starb bereits im Kindesalter zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1965.
Die Brüder XXXX und XXXX leben in XXXX und Bruder XXXX lebt in BAGDAD. Alle Brüder des BF sind verheiratet und haben eine eigene Familie mit Kindern.
XXXX ist Pensionist und bezieht eine staatliche Pension. XXXX ist Angestellter XXXX von XXXX und XXXX arbeitet in einem Lager XXXX.
Die Schwestern XXXX und XXXX sind geschieden. XXXXhat zwei Kinder, und zwar einen Sohn und eine Tochter. XXXX hat keine Kinder. XXXX lebt in der Stadt XXXX in der Provinz BABIL, ist Hausfrau und Mutter von insgesamt sieben Kindern (fünf Söhne und zwei Töchter). Von den Schwester des BF ist keine einzige berufstätig.
Der geschiedene Ehegatte von XXXX war Muslim sunnitischer Glaubensrichtung. Der geschiedene Ehegatte von XXXX war wie der Ehegatte von XXXXMuslim schiitischer Glaubensrichtung.
Die geschiedenen Schwestern XXXXund XXXX leben im Haus der Eltern in XXXX, das sich über eine Wohnfläche von insgesamt 200 m² und über eine Gartenfläche von ca. 30 m² erstreckt. Schwester XXXX lebt mit ihrem Ehegatten in einem im Eigentum ihrer Familie stehenden Einfamilienhaus. Die beiden in XXXX lebenden Brüder des BF, XXXX und XXXX leben und wohnen in einem in deren Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Der in BAGDAD lebende Bruder XXXX lebt in einer Mietwohnung.
Der BF steht mit einem Teil seiner Familienangehörigen, und zwar mit seinen Schwestern und mit seinem in BAGDAD lebenden Bruder XXXX, sowie mit seinen Tanten väterlicherseits, mit denen er sich nach eigenen Angaben sehr gut versteht, über Viber in Kontakt. [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7f].
Beide Elternteile des BF sind bereits im Jahr 2005 an einer natürlichen Todesursache verstorben.
Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte der BF in BAGDAD.
1.3. Im Herkunftsstaat gehörte er weder einer politischen Partei, noch einer anderen politischen Bewegung oder bewaffneten Gruppierung an [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6].
Mit den Behörden, den Gerichten oder der Polizei des Herkunftsstaates hatte er kein Problem. Gegen ihn bestehen keine aktuellen Fahndungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden des Herkunftsstaates [BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017, S. 11 [AS 115]]. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat vorbestraft wäre.
Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat Probleme wegen seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber, oder Probleme auf Grund seines Religionsbekenntnisses gehabt hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017, S. 11 [AS 115]].
Auch hatte er keine Probleme mit dritten Personen im Herkunftsstaat. Auf ihn fanden weder An-, noch Übergriffe statt, noch hatte er direkten persönlichen Kontakt mit Angehörigen einer Miliz [BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017, S. 11 [AS 115]]. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat Adressat einer von einem Milizangehörigen bzw. von einer Miliz wider ihn ausgesprochenen Drohung gewesen wäre.
Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat, die er nach eigenen Angaben am 16.10.2015 von XXXX aus nach XXXX XXXX und von hier aus mit dem Flugzeug nach ISTANBUL (Türkei) angetreten haben will, Probleme gehabt hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017, S. 6 [AS 105]; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6 unten].
Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Oktober 2015 setzte er seine Reise von ISTANBUL mit dem Bus XXXX fort und setzte mit einem Schlauchboot von der Küste aus auf die griechische Insel LESBOS über, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. In der Folge setzte er seine Reise mit der Fähre nach ATHEN fort und ging es von hier aus mit öffentlichen Bussen und Zügen über die sog. "Balkanroute" an die österreichische Grenze, die er nach eigenen Angaben am 30.10.2015 - ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments gewesen zu sein - zu Fuß überquerte und so ins Bundesgebiet gelangte. In der Folge wurde er mit einem Bus nach XXXX gebracht, wo er am 31.10.2015 ankam [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 02.11.2015, S. 4 [AS 7].
Am 01.11.2015 stellte er um 09:30 Uhr einen Antrag auf Asyl [AS 3] und wurde er am 02.11.2015 ab 16:00 Uhr einer Erstbefragung durch Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde unterzogen.
1.4. Der BF ist dem Vernehmen nach strafgerichtlich unbescholten.
1.5. Er hat keine im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten bzw. hier lebende bzw. aufhältige nahe Angehörige [Angaben des BF in der Erstbefragung vom 02.11.2015, S. 3 [AS 5]; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 8 unten].
Es konnten keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine maßgebliche berufliche oder soziale Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden. Er geht im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nach und lebt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 9]. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er im Bundesgebiet einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen würde.
Er besitzt Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 und A2 [Ebda., S. 8].
1.6. Beschwerdegegenständlich konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat einer Verfolgung oder Bedrohung durch (schiitische) Milizen ausgesetzt gewesen wäre.
Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat ging er als Angestellter eines Taxiunternehmens, das mit den amerikanischen Streitkräften einen Transportvertrag abgeschlossen hatte, einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit als Taxilenker (vorerst) im Zeitraum ab Ende des Jahres 2009 bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Februar 2010 in seiner Heimatstadt XXXX nach. Ab (einem nicht feststellbaren Zeitpunkt) des Jahres 2010 bis zu seiner Ausreise am 17.10.2015 ging er - ebenfalls als Angestellter eines Taxiunternehmens - einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit als Taxifahrer in BAGDAD nach [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6].
In Bezug auf seine Heimatstadt XXXX konnte nicht festgestellt werden, welchen Personenkreis er dort tatsächlich transportierte. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er in seiner Eigenschaft als einfacher Taxilenker als Geheimnisträger fungiert hätte bzw. zu brisanten Informationen gekommen sein könnte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12; BF in Erstbefragungsprotokoll vom 02.11.2015, S. 9; BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017].
In BAGDAD lebte er mit seiner geschiedenen Ehefrau in einer Mietwohnung in einem überwiegend von Schiiten bewohnten Stadtteil mit der Bezeichnung XXXX.
Mit den dort lebenden Menschen kam er gut aus und führte er dort ein Leben, das er nach eigenen als "harmonisches und normales Miteinander" bezeichnete. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er in seinem Beruf als Taxifahrer - sowohl in seiner Heimatstadt XXXX, als auch in BAGDAD - Probleme gehabt hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2017, S. 12].
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er, als er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Februar des Jahres 2010 eine Familie nach BAGDAD fahren musste, bei seinem Bruder XXXX in BAGDAD übernachtet und in dieser Nacht von seiner Ehefrau eine telefonische Mitteilung erhalten hätte, dass vier vermummte Männer, die der Miliz JAISH AL MAHDI angehört haben sollen, bei ihm zu Hause aufgetaucht wären und nach ihm gesucht hätten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 10].
Der BF hatte in dem zwischen dem 01.01.2009 und seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat am 17.10.2015 gelegenen Zeitraum nie ein Problem mit einer Miliz bzw. mit Angehörigen einer Miliz [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12 unten].
Darüber hinaus konnte nicht festgestellt werden, dass er wegen der von ihm im Herkunftsstaat ausgeübten Tätigkeit als angestellter Taxifahrer jemals ins Visier von Angehörigen einer Miliz geraten bzw. von einer Miliz als "Spion" angesehen worden wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sein Name in einer an einer Schulmauer aufgehängten Liste im BAGDADER Bezirk XXXX aufgeschienen hätte und er darin als Spion bezeichnet worden wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 10f und S. 13f].
Abgesehen von dem behaupteten Vorfall zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Februar 2010, als vier vermummte Männer bei ihm zu Hause in XXXX aufgetaucht sein sollen, hatte er keinen Kontakt mit Angehörigen einer Miliz [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 11].
Am 13.12.2016 wurde die vor dem Personenstandsgericht XXXX zwischen ihm und seiner Ehegattin XXXX2002 XXXX geschlossene Ehe geschieden [AS 169].
Entgegen seinen Angaben in der vor dem BVwG am 14.09.2018 stattgehabten PV, dass sein Bruder in Vertretung des BF die Scheidung der Ehe beantragt hätte, wurde die Ehe auf Grund einer von der vormaligen Gattin des BF geschieden [siehe dazu PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 16].
Es konnte nicht festgestellt werden, dass sie die Ehescheidung auf Grund von Druck oder Zwang durch eine Miliz beantragt worden wäre bzw. sie in der Folge aus denselben Motiven einen Angehörigen einer Miliz geheiratet hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 15].
Fest steht, dass aus dem Scheidungsurteil nicht hervorgeht, dass die Ehescheidung deshalb erfolgt wäre, weil Milizen bzw. Angehörige einer Miliz Druck auf seine vormalige Ehegattin ausgeübt hätten [AS 123 und AS 169; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 17].
1.7. Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt Mossul (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von Mossul gelegenen Provinz Anbar konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In Mossul wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.
Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben.
Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, um damit Stärke zu demonstrieren.
Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen durch die genannten Ereignisse ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
1.8.1. Schiitische Milizen im Irak:
Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF)) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamischen Staates" (IS) verstanden werden und ist somit eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt: Im Sommer 2014 drang die Terrororganisation in den Irak ein und nahm am 10. Juni erst Mossul und danach weite Teile der Provinzen Ninewah, Salahuddin, Anbar, Diyala und Kirkuk ein; wenig später waren auch die Städte Erbil und Bagdad in Gefahr (Süß 21.8.2017).
Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem er alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwilligenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Zwei Tage später bildete die irakische Regierung ein Komitee der Volksmobilisierung, das dem Ministerpräsident Haidar al-Abadi untersteht und vom Nationalen Sicherheitsberater Falih al-Fayyad geleitet wird. Die wahren Kräfteverhältnisse sind allerdings schon daran abzusehen, dass die Gründung durch das irakische Innenministerium verkündet wurde:
Dieses unterstand bis Juli 2016 der Führung des "Badr-Politikers" Muhammad al-Ghabban, die dominante Kraft im Innenministerium und damit der eigentliche irakische Führer des Milizenbündnisses ist jedoch Hadi al-Amiri. Mehrere Milizen stehen außerdem politischen Parteien nahe.
Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schiitischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata'ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen (Süß 21.8.2017).
1.8.1.1. Die wichtigsten Milizen innerhalb der PMF:
Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Sie orientiert sich an der Tradition Khomeinis und der Staatsdoktrin Irans. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Hohen Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war. Mit der Namensänderung in Badr-Organisation wurde das Korps zum politischen Akteur. Als sich der Rat in "Irakischer Islamischer Hoher Rat" umbenannte und sich gleichzeitig vom Iran distanzierte, gelang es Badr, sich als wichtigster Verbündeter Irans im Irak zu etablieren und trennte sich 2009 schließlich vom Hohen Rat. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft des Milizenbündnisses. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und arbeitet mit Kata'ib Hizbullah zusammen. Unklar ist jedoch, ob die genannten Zahlen ausschließlich Kämpfer oder auch sonstiges Personal umfassen, denn die Badr-Organisation ist Miliz und politische Partei in einem. Badr war bisher an allen wichtigen militärischen Auseinandersetzungen in den Provinzen Diyala, Salah ad-Din, Anbar und Ninewah beteiligt; ihr militärisches Hauptquartier befindet sich im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad. In Diyala verfügt Badr außerdem über ein Territorium, das sich zu einer eigenständigen Machtbasis im Sinne eines "Staates im Staate" ausbauen lässt (Süß 21.8.2017).
Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) entstanden im Zuge der Umbenennung des Badr-Korps in Badr-Organisation und bekämpften im Gegensatz zu diesem die US-Truppen. Sie wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).
Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten (Süß 21.8.2017).
Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa Sistanis auf Anweisung von Muqtada as-Sadr gegründet und sollten möglichst viele der Freiwilligen vereinigen. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).
Auch Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl az-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr-Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feld-kommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).
1.8.1.2. Generell kann innerhalb der Volksmobilisierung eine Dominanz der älteren Milizen und ihrer Anführer Amiri, Muhandis und Khaz'ali ausgemacht werden. Die personelle Führung des Milizenbündnisses übernimmt dabei eine Trias: Anführer ist Abu Mahdi al-Muhandis, Kommandeur der Kata'ib Hizbullah und enger Verbündeter Badrs und der iranischen Revolutionsgarden. Als eigentlicher starker Mann hinter Muhandis gilt allerdings Hadi al-Amiri, Anführer der Badr-Organisation. Einfluss übt außerdem Qasim Suleimani aus, umstrittener Kommandeur der zu den iranischen Revolutionsgarden gehörigen Quds-Brigaden. Der Iran versorgt die irakischen Milizen mit Geld und Waffen und bildet ihre Kämpfer gemeinsam mit der libanesischen Hizbullah im Iran, im Irak und im Libanon aus. Viele der Milizen vertreten deshalb folgerichtig eine islamistische Ideologie, die sich an jener des Irans orientiert. Der Iran nutzte die Gründung der Volksmobilisierung 2014 auf diese Weise dafür, ihren Einfluss im Irak erheblich zu steigern. Die größten Milizen innerhalb der Volksmobilisierung hängen dabei so stark vom Iran bzw. den iranischen Revolutionsgarden ab, dass sie als Instrument des Nachbarstaates bezeichnet werden können. Auch eine personelle Verbundenheit ist vorhanden: Muhandis und Amiri haben ihre engen Beziehungen zum Iran mehrmals selbst bestätigt. Allerdings gibt es neben besonders eng an den Iran angebundenen Milizen (Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah) auch solche, die zwar ressourcenmäßig vom Iran abhängig sind, aber eine gewisse Distanz zum Iran aufweisen (Saraya as-Salam).
Obwohl das Milizenbündnis unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die Volksmobilisierung dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Ministerpräsidenten als Oberkommandierendem unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).
In der Tat scheint es sich so zu verhalten, dass innerhalb der PMF die radikal-schiitischen Gruppen mit Bindungen zum Iran die dominierenden Kräfte sind (Posch 8.2017).
1.8.1.3. Konfessionelle Zusammensetzung der PMF-Milizen:
Der absolute Großteil der PMF- Milizen besteht aus Schiiten, es gibt jedoch durchaus auch Sunniten, Christen oder sogar Jesiden in den Reihen der schiitischen Milizen [abhängig von der jeweiligen Miliz], bzw. gibt es auch gemischte Milizen, oder auch eigene Sunniten- oder Christen-Milizen (Lattimer 26.4.2017; Al-Monitor 21.8.2017) (Letzter Zugriff am 22.07.2018).
"Quellen:
Al-Monitor (21.8.2017):Turkey fumes as Sinjar Yazidis declare 'democratic autonomy',
http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/08/independence-iraqi-kurdistan-referendum-opposition.html#ixzz4qlVEYvfy, (Letzter Zugriff am 18.09.2018)
Lattimer, Mark - Director of the Ceasefire Cetre for Civilian Rights (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.- 26. April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf, (Letzter Zugriff am 18.09.2018)
Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504517740_bfa-staatendokumentation-ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31.pdf (Letzter Zugriff am 18.09.2018)
1.8.2. Nach den vorliegenden Länderinformationen stellt sich die Sicherheitslage in den Provinzen im schiitisch dominierten Süden des Landes relativ entspannt dar. Dort, wo allfällig Gewalt stattfindet, ist diese nicht terroristischer, sondern krimineller, politischer und "tribaler" (stammesbezogener) Natur. Die Provinz Basra war nicht direkt von der Offensive der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 betroffen, und es gab dort keine direkten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und irakischen Truppen (CGRS-CEDOCA 29.5.2015). Allerdings wurden seit Beginn der Kämpfe gegen den IS irakische Sicherheitskräfte aus Basra und weiteren südlichen Provinzen abgezogen und zum Kampf gegen den IS an die Front versetzt. Das hat im Süden zu einem Anstieg von Stammesauseinandersetzungen geführt.
1.9. Beschwerdegegenständlich hat der BF weder eine asylrelevante Bedrohung durch die Polizei bzw. die Behörden oder die Gerichte des Herkunftsstaates, noch durch eine (oder mehrere) schiitische Miliz(en) behauptet bzw. glaubhaft gemacht.
In der Erstbefragung gab er an, dass er seine Heimat wegen des Verkaufs von Alkohol verlassen hätte und dass sein Motorrad, mit dem er den Alkohol ausgeliefert haben wollte, in Brand gesteckt worden sei. Darauf hin hätte er um sein Leben gefürchtet und sei geflüchtet [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 5].
Vor der belangten Behörde brachte er vor, dass er von unbekannten Personen entführt und misshandelt worden wäre, als er an einem Fluss mit Alkohol gehandelt hätte. Sie hätten auch das Motorrad in Brand gesteckt. Am nächsten Tag sei seine Familie von den Angehörigen seines Freundes XXXX aufgesucht worden, weil dieser Freund tot aufgefunden worden sei und man ihm die Schuld am Tod des Freundes gegeben hätte, und hätten die Angehörigen XXXXden Tod des BF gewollt. Deshalb sei er ausgereist [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9f].
Im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG wollte der BF Glauben machen, dass die Entführer einer Organisation angehörten, die er einer schiitischen Miliz, und zwar der ASA'IB AHL AL HAQQ oder der JAISH AL MAHDI oder der SARJA AL SALAM zurechnen wollte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12]. Einen Zusammenhang zwischen dem von ihm behaupteten Vorfall und einer Verbindung der angeblichen Entführer mit einer der zuvor genannten schiitischen Milizen vermochte der BF dagegen nicht glaubhaft zu machen.
Aus den vorliegenden Länderinformationen zum Herkunftsstaat des BF sind Hinweise dazu, dass schiitische Milizen gegen Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung, der auch der BF angehört, systematisch vorgehen würden bzw. vorgegangen wären, nicht enthalten.
Auch die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, den Organen des BFA und im Rahmen seiner PV vor dem BVwG präsentierten Fluchtgeschichten lassen einen Schluss in diese Richtung nicht zu.
Während sich die Angehörigen seiner Kernfamilie aktuell weiterhin in XXXX aufhalten, mit denen er über Viber in regelmäßigem Kontakt ist [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6ff], reiste er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 ausgehend vom Flughafen BAGDAD über die Türkei nach Europa aus.
Beschwerdegegenständlich kam nicht hervor, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.
1.9.1. Zu den möglichen Fluchtalternativen als schiitischer Araber:
Als aus den südlichen Provinzen des Irak stammendem Araber sunnitischer Glaubensrichtung steht ihm de facto sämtliche im Süden des Irak gelegenen Provinzen, einschließlich der mehrheitlich von Schiiten bewohnten Stadtteile Bagdads als mögliche Fluchtalternative offen, darunter insbesondere die Städte bzw. Provinzen Al Nasiriya, Al Amara, Najaf, Hilla, Al Kut.
"Quellen:
IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,
http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (Letzter Zugriff am 19.09.2018)
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 19.09.2018)"
1.9.2. Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass der BF mit den Behörden, den Gerichten oder mit der Polizei des Herkunftsstaates oder mit einer dort aktiven (schiitischen oder sunnitischen) Milizen auf Grund seines Religionsbekenntnisses, der politischen Überzeugung oder auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt hätte.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er vor seiner Ausreise einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder er im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre, oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und den amtswegig eingeholten Auskünften.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität des BF (XXXX), Staatsangehörigkeit Irak, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim, schiitischer Glaubensrichtung), zum Familienstand Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Konstatierungen, sowie auf seinen diesbezüglichen Angaben, die er anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gemacht hatte [BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017, S. 1 [AS 95]] und den damit übereinstimmenden Angaben, die er im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gemacht hatte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 4].
Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.
Die Konstatierungen zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zu seiner Einreise ins Bundesgebiet ergeben sich aus den Angaben des BF, die er vor den Organen der Sicherheitsbehörde gemacht hatte [AS7], und aus seinen Angaben in der vor dem BVwG stattgehabten PV [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6f und S. 14].
Die Feststellungen zu seinen im Herkunftsstaat lebenden Verwandten, zu deren Familienstand und Berufstätigkeit gründen im Wesentlichen auf seinen diesbezüglichen Angaben, die er vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde [AS 5], dem BFA [AS 103] und im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gemacht hatte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7f]. Auch sind seine Angaben, dass seine Eltern im Jahr 2005 (eines natürlichen Todes) starben, glaubwürdig, zumal seine diesbezüglichen Angaben, die er vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, als auch in seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gemacht hatte, miteinander in Einklang stehen. Der Tod der Eltern lässt sich auch anhand des Lebensalters seiner nach wie vor im Herkunftsstaat aufhältigen Geschwister, hinsichtlich deren er konsistent angegeben hatte, dass er mit (einem Teil von) ihnen über Viber in Kontakt stehe, glaubwürdig nachvollziehen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7].
Die Konstatierungen zu seiner im Herkunftsstaat genossenen Schulbildung und zu der von ihm im Herkunftsstaat ausgeübten Erwerbstätigkeit als Taxifahrer, die er nach eigenen Angaben zunächst in seiner Heimatstadt XXXX und dann ab Februar 2010 bis zu seiner am 17.10.2015 erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat ausgeübt haben will, gründen auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde [AS 9], vor dem BFA [AS 109ff] und in der vor dem BVwG stattgehabten PV [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6].
Wenn der BF vor dem BFA aussagte, dass er bereits seit (einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres) 2006 als Taxifahrer gearbeitet hätte [AS 109], steht dies in einem eklatanten Widerspruch zu seiner vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde gemachten Angabe, wonach er erst seit dem Jahr 2009 als Taxifahrer gearbeitet haben soll [AS 9]; vor dem erkennenden BVwG hatte er angegeben, dass er zwischen Ende 2009 und Anfang 2010 in XXXX als Taxifahrer gearbeitet habe [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12]. Da die vor dem BVwG zur Dauer seiner Erwerbstätigkeit als Taxifahrer in seiner Heimatstadt gemachten Angaben erstmals eine annähernde zeitliche Präzisierung erfahren haben, erscheint es dem erkennenden Gericht am ehesten glaubhaft, dass er im Zeitraum von Ende 2009 bis Anfang 2010 in XXXX als Taxifahrer tätig war.
Aufgrund der divergierenden Angaben dazu, welchen Personenkreis er als angestellter Taxifahrer eines kleinen Taxiunternehmens transportierte, war zu konstatieren, dass nicht festgestellt werden konnte, welchen Personenkreis er als Taxilenker in XXXX transportierte. Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte er im Rahmen seiner Erstbefragung nämlich noch angegeben, dass er bis ca. 2010 "Soldaten und Offiziere hin und her" gefahren hätte [AS 9]. Vor dem BFA gab er dagegen an, als Taxifahrer "amerikanische Personen zur Militärstation" gebracht zu haben [AS 107]. Vor dem BFA war dann keine Rede mehr von Soldaten und Offiziere, wenngleich nicht verkannt wird, dass diese als Inhaber der amerikanischen Staatsangehörigkeit lapidar auch als "amerikanische Personen" angesehen werden können. Allerdings ist anzumerken, dass in diesen (unbestimmten) Personen Kreis grundsätzlich jede Person, die eine US-amerikanische Staatsangehörigkeit besitzt, fällt. In seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gab er sodann an, dass er Arbeiter transportiert hätte, die Mauern aufgebaut hätten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12]. Diese Angabe wiederum steht in einem eklatanten Widerspruch zu seinen im Rahmen seiner Erstbefragung am 02.11.2015 gemachten Angaben, weshalb zu konstatieren war, dass nicht festgestellt werden konnte, welchen Personenkreis er als Taxifahrer in XXXX tatsächlich transportierte.
Auch die zu seiner Ehescheidung gemachten Angaben, auf die unten noch näher eingegangen wird, erweisen sich als inkonsistent und zumindest in Ansehung der Antragstellung auf Vornahme der Ehescheidung in der vergleichenden Betrachtung der allein schon vor dem BVwG gemachten Angaben als in sich widersprüchlich, andererseits als in Widerspruch zum vorgelegten Urteil des Personenstandsgerichtes XXXX in Widerspruch stehend.
Demnach gab er in der vor dem BVwG stattgehabten PV auf die Frage nach dem Grund für die Ehescheidung wörtlich an: "Nachdem die schiitischen Milizen erfuhren, dass ich mich als Ehemann in Europa aufhalte, zwangen sie mich, mich von meiner Frau zu scheiden." [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 5]. An einer anderen Stelle gab er an, dass sein Bruder die Scheidung in seiner Vertretung beantragt und das Scheidungsurteil des irakischen Personenstandsgerichtes nach Österreich geschickt hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 16].
Aus diesen vor dem BVwG gemachten Angaben des BF ergibt sich, dass die Initiative zur Scheidung von ihm ausgegangen wäre. Damit setzte er sich jedoch in einen eklatanten Widerspruch zu dem von ihm vorgelegten Scheidungsurteil des Personenstandsgerichtes XXXX2016, XXXX [AS 123 und AS 169], zumal sich letzterem die Ehegattin des BF als Klägerin und der BF als Beklagter entnehmen lassen. Demnach wurde - im Widerspruch zu seinen Angaben - die vor dem Personenstandsgericht XXXX2002 XXXX geschlossene Ehe auf Grund der von seiner Ehegattin eingebrachten Ehescheidungsklage geschieden [AS 169]. Es waren daher die entsprechenden Konstatierungen festzustellen.
2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Die zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates getroffenen Konstatierungen beruhen im Wesentlichen auf den vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde gemachten Angaben [BF in Protokoll der Erstbefragung vom 02.11.2015, S. 5 [AS 9]], weiter auf seinen Angaben vor der belangten Behörde [BF in Niederschrift des BFA vom 12.10.2017, S. 7ff [AS 107ff]] und auf seinen Angaben vor dem erkennenden BVwG [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 9ff].
Anlässlich seiner Erstbefragung durch die Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde stützte er seine Fluchtgründe im Wesentlichen darauf, dass als angestellter Taxilenker für ein Unternehmen, das mit der amerikanischen Armee einen Vertrag gehabt haben soll, bis ca. 2010 Soldaten und Offiziere hin und hergefahren zu haben. Nachdem er von schiitischen Milizen entdeckt worden sein soll, sei ihm von ihnen gedroht worden. Er habe seinen Job aufgegeben und seine Heimatstadt verlassen. 2010 seien er und seine Frau nach BAGDAD geflohen und habe er dort als Taxilenker gearbeitet. Vor kurzem hätten ihn diese Milizen auch in BAGDAD gesehen und habe er gewusst, dass er wieder in Gefahr sei, weil sie ihn schon damals bedroht hätten. Deshalb habe er sich entschieden, das Land zu verlassen [AS 9].
Vor dem BFA stützte er den Grund für das Verlassen des Herkunftsstaats (Fluchtgrund) im Kern auf eine angeblich bei sich zu Hause im Februar 2010 von vier Personen durchgeführte Kontrolle, anlässlich der er der Spionage bezichtigt worden sein soll, und auf eine Namensliste, die in einem Stadtteil von BAGDAD öffentlich angebracht gewesen sein soll und auf der sein Name oberhalb der Bezeichnung "Spion" gestanden haben soll [AS 109].
Schon eine vergleichende Betrachtung seiner im Rahmen der Erstbefragung und in der Folge vor dem BFA gemachten Angaben mit jenen Angaben, die er im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten Befragung machte, zeigt erhebliche Divergenzen auf, auf die tieferstehend im Einzelnen eingegangen wird.
Vor den Organen der Erstbehörde behauptete der BF, für jenes Taxiunternehmen, für das er gearbeitet und das einen Vertrag mit der amerikanischen Armee gehabt haben soll, Soldaten und Offiziere hin und her gefahren zu haben. Als er von schiitischen Milizen entdeckt und bedroht wurde, seien er und seine Frau im Jahr 2010 nach BAGDAD geflüchtet, wo er weiterhin als Taxilenker gearbeitet hätte. Hier stützt sich der Grund für den von ihm gefassten Entschluss, den Herkunftsstaat zu verlassen auf eine angebliche Sichtung seiner Person durch "diese Milizen" in BAGDAD [AS 9].
Vor dem BFA gab er an, für das Taxiunternehmen, für das er in seiner Heimatstadt XXXX gearbeitet haben will, amerikanische Personen zu einer Militärstation gebracht zu haben [AS 107]. Mit seinen Angaben vor dem BVwG, dass er zwischen Ende 2009 und Anfang 2010 Arbeiter, die im Auftrag der Amerikaner mit der Errichtung einer Mauer beschäftigt waren, zur Baustelle brachte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12]. Das erkennende BVwG übersieht nicht, dass amerikanische Offiziere und Soldaten auch als "amerikanische Personen" angesehen werden können. Zwischen dem Transport von Arbeitern für einen Mauerbau an einem amerikanischen Stützpunkt zu deren Arbeitsstelle und dem Transport von Offizieren und Soldaten besteht jedoch ein eklatanter Unterschied, weshalb sich der BF mit seiner vor dem BVwG gemachten Angabe zu jener vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde im Rahmen seiner Erstbefragung in Widerspruch gesetzt hat, zumal vor dem BVwG keine Behauptung mehr dazu erhoben wurde, dass er amerikanische Offiziere und Soldaten transportiert hätte.
Als für die vom BF behauptete Binnenflucht nach BAGDAD soll anlässlich seiner Einvernahme durch das BFA ein Besuch von vier unbekannten Personen beim BF zu Hause kausal gewesen sein, anlässlich dessen das Haus des BF kontrolliert und er als "Spion" tituliert worden sei [AS 107].
Anlässlich seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gab er dagegen an, dass er - abgesehen von dem behaupteten Vorfall im Februar 2010 bei sich zu Hause - nie mit Angehörigen einer Miliz im Allgemeinen bzw. mit Angehörigen der (schiitischen) Miliz JAISH AL MAHDI gehabt hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12] und dass ihm gegenüber nie persönlich eine Drohung ausgesprochen worden wäre, oder dass er selbst jemals eine Drohung gehört hätte [AS 111]. Der BF selbst soll sich im Herkunftsstaat sowohl in seiner Heimatstadt XXXX, als auch ab Februar 2010 in BAGDAD den Lebensunterhalt als angestellter Taxifahrer verdient haben.
Damit gehörte er keiner nach den Länderinformationen zum Irak als gefährdet eingestuften Berufsgruppe an. Nach eigenen Angaben hatte er, als er in BAGDAD als angestellter Taxifahrer tätig war, keine Probleme. Seine Angaben, dass er jedoch als Taxilenker in XXXX Probleme gehabt habe [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12], sind nicht nachvollziehbar, da - bei Wahrunterstellung einer allfälligen Zusammenarbeit mit der amerikanischen Armee - seine Dienstgeberin (ein kleines Taxiunternehmen) einen Vertrag mit den amerikanischen Streitkräften für die Durchführung von Fuhrdiensten gehabt haben soll [Ebda., S. 12]. Er selbst führte lediglich Fuhrdienste durch. Da er sich nach eigenen - stets gleichlautenden - Angaben im Herkunftsstaat politisch nicht betätigte und auch keiner bewaffneten Gruppierung oder einer oppositionellen politischen Gruppierung angehörte [AS 115f; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. ], zur Mehrheitsbevölkerung der Araber gehört und sich zur muslimischen Religionsgemeinschaft schiitischer Glaubensrichtung bekennt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb er auf Grund der von ihm ausgeübten untergeordneten Dienstleistung der Spionage bezichtigt worden sein könnte. Ein Vorbringen dazu fehlt zur Gänze bzw. war ihm eine Aussage dazu trotz in