TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/29 W240 2176743-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2018
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Entscheidungsdatum

29.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2176739-1/11E

W240 2176743-1/11E

W240 2176735-1/10E

W240 2178563-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerden von XXXX , alle StA. Somalia, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2017, Zlen 1.) 1098703900-151978745, 2.) 1047607800-140267126, 3.) 1050265101-150064192, und vom 14.11.2017 4.) 1172300410-171221827, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2018, zu Recht erkannt:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm

§ 34 Abs. 2 und 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF. sowie XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer sind alle Staatsangehörige Somalias. Die Zweitbeschwerdeführerin (W240 2176743-1) stellte am 10.12.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, die Drittbeschwerdeführerin (W240 2176735-1) kam in Österreich zur Welt, sie ist die minderjährige Tochter der Zweitbeschwerdeführerin, sie ist jedoch nicht die Tochter des Erstbeschwerdeführers, für diese wurde am 19.01.2015 in Österreich ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 11.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben in Österreich im XXXX 2016 nach traditionellem Ritus geheiratet; der Viertbeschwerdeführer (W240 2178563-1) ist deren in Österreich geborener minderjähriger Sohn, für diesen wurde am 30.10.2017 ein Asylantrag gestellt.

Anlässlich der Erstbefragung am 10.12.2014 gab die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie stamme aus Mogadishu, wo ihr erster Ehemann sowie Verwandte von ihr leben würden. Sie habe Somalia aufgrund der derzeit sehr unsicheren Situation verlassen. Es gebe für sie in ihrem Heimatort keine Möglichkeit mit Arbeit angemessenes Geld zu verdienen. Sie habe Schwierigkeiten eine Arbeit zu finden, weil sie nicht hätte in die Schule gehen dürfen. Es gebe Willkür in ihrem Heimatland. Die Al Shabaab Milizen würden es nicht erlauben, dass Frauen einer Arbeit nachgehen.

Anlässlich der Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers am 29.02.2012 gab dieser im Wesentlichen an, er sei in XXXX in Somalia geboren, als Grund für die Ausreise gab er an, die Al Shabaab sei zu ihm nach Hause gekommen und habe seine Schwester mitgenommen. Der Beschwerdeführer habe versucht die Mitnahme seiner Schwester zu verhindern und sei deshalb ebenfalls von den Al Shabaab Männern mitgenommen und eingesperrt worden. Seine Schwester sei umgebracht worden, er sei rund drei Monate lange in der Gefangenschaft der Al Shabaab gewesen. Ihm sei die Flucht gelungen, als seine damalige Frau ihm Essen gebracht hätte. Seine damalige Frau und sein Vater seien ebenfalls mitgenommen und eingesperrt worden, auch sein Geschäft sei zerstört worden.

Der Erstbeschwerdeführer wurde am 07.06.2017 in Beisein eines Dolmetschers der Sprache Somali beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme gab er im Wesentlichen zu seinen Fluchtgründen an:

"(...)

F: Sind Sie einvernahmefähig, d.h. sind Sie psychisch und physisch in der Lage die Befragung durchzuführen?

A: Ja mir geht es gut. Ich war im Krankenhaus. Ich bin stationär im KH XXXX . Ich gehe nach der Einvernahme wieder zurück ins Krankenhaus Ich habe Diabetes. Ich weiß nicht welchen Typ Diabetes ich habe. Das ist auch der Grund warum ich im Krankenhaus bin. Nachgefragt gebe ich an, dass ich zurzeit keine Medikamente bekomme. Ich muss nur Insulin spritzen, zweimal am Tag.

Anmerkung: AW wird aufgefordert Befunde nachzureichen.

F: Wie geht es Ihnen, befinden Sie sich in Therapie, Behandlung oder leiden Sie an einer chronischen Krankheit.

A: Sonst geht es mir gut.

(...)

F: Haben Sie im Verfahren bis dato (Polizei) der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Dreimal ja. Ich wollte nur das Alter meiner Mutter korrigieren. Ich habe damals 40 Jahre angegeben, meine Mutter war aber damals schon 45 Jahre alt.

F: Können sie bitte einen kurzen Lebenslauf bezüglich ihrer Person schildern? Z.B.: Wo sind sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben sie absolviert, welchen Beruf haben sie ausgeübt etc.?

A: Ich wurde am XXXX , Somalia. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Ich habe 2000 die Koranschule besucht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich die Koranschule 2002 beendet habe. 2011 habe ich geheiratet. Nachgefragt gebe ich an, dass es eine traditionelle Hochzeit war. Den genauen Tag oder Monat weiß ich nicht mehr. Der Vater meiner Frau hat mich seiner Tochter übergeben. Die Hochzeit war in meiner Stadt, XXXX . Der Schwiegervater und mein Vater waren anwesend, mein Bruder und ein Bruder meiner Ehefrau waren auch dabei. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Vater uns getraut hat.

Ich war in der Stadt, gelernt habe ich nichts. Als ich geheiratet habe, hat mein Vater für mich ein Geschäft geöffnet. Nachgefragt gebe ich an, dass es ein Lebensmittelgeschäft war. Von 2011 bis 2015 habe ich in diesem Geschäft gearbeitet.

F: Geben Sie chronologisch Ihre Wohnorte an.

A: Somalia, XXXX . Mit meiner Familie war ich immer dort. Nachgefragt gebe ich an, dass es keine Hausnummer gibt.

F: Arbeiteten Sie selbstständig oder waren Sie angestellt?

A: Selbständig. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Vater auch manchmal im Geschäft ausgeholfen hat.

F: Wann war Ihr letzter Arbeitstag?

A: Drei Monate vor meiner Ausreise. Nachgefragt gebe ich an, dass es glaub ich am 2. August 2015 war.

F: Wie viel haben Sie zuletzt monatlich zirka verdient?

A: Ich habe nie gerechnet, was ich verdient habe. Ich musste auch was kaufen. Bei uns gab es eine Jahresabrechnung, was übrig geblieben ist, das waren 1000 USD.

F: Hatten Sie ein Auto?

A: Nein.

F: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

A: Ich bin Moslem und gehöre der Volksgruppe der Hawiye an.

F: Wie heißt Ihr Sub- bzw. Subsub-Clan?

A: XXXX .

(...)

Meine Ehefrau heißt XXXX . Sie ist 29 Jahre alt und wohnt ebenfalls in Somalia, Mogadischu. Adresse habe ich keine. Wir haben zwei Kinder. Als ich meine Heimat verließ war meine Frau schon schwanger. Als ich nach Österreich kam, ist mein zweites Kind auf die Welt gekommen. Mein Sohn heißt XXXX , ca. XXXX Jahre alt. Das zweite Kind ist auch ein Sohn, er heißt XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass er am XXXX auf die Welt kam. Meine Frau war Hausfrau.

Wir haben uns scheiden gelassen.

F: Haben Sie weitere Verwandte im Heimatland?

A: Ich habe eine große Familie, Onkeln und Tanten. Sie leben in XXXX

.

F: Wovon lebt die Familie im Herkunftsland?

A: Mein Bruder, der arbeitet, schickt das Geld.

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund?

A: Nein.

F: Wie hat Ihr Alltag in XXXX ausgesehen, was haben Sie den ganzen Tag gemacht?

A: Ich habe ein Geschäft gehabt, dort habe ich gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass ich jeden Tag gearbeitet habe.

F: Wann haben Sie die Ausreise angetreten?

A: Am 15.11.2015.

(...)

F: Wann haben sie den Entschluss zur Ausreise gefasst?

A: Am 04.11.2015

F: Waren Sie vorher in einem anderen EWR-Staat und wenn ja, wie lange?

A: Nein. Außer die Länder die wir durchgefahren sind.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihren Verwandten im Heimatland? Wann war der letzte Kontakt? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien?

A: Ich telefoniere mit meiner Mutter. Einmal im Monat rufe ich sie an. Ich habe kein Facebook.

Beantworten Sie die Fragen mit ja oder nein, wenn relevant, können Sie selbst oder über Nachfragen dazu etwas Näheres angeben.

F: Sind Sie vorbestraft oder waren sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: Nein.

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, etc.?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie politisch tätig?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres muslimischen Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hawiye irgendwelche Probleme?

A: Nein.

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)

A: Nein.

F: Nahmen Sie in ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

A: Nein.

F: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A: Im Jahr 2015 wurde meine Schwester von der Al Shabaab ermordert. Meine Schwester ist nach Hause mitgenommen worden und die Al Shabaab brachten sie in einen Stützpunkt von Al Shabaab. Ich bin nachgegangen. Ich frage sie, meine Schwester ist mitgenommen worden, wo haben Sie sie inhaftiert. Sie haben mir gesagt, dass meine Schwester nicht hier inhaftiert ist. Ich erzählte ihnen, dass meine Schwester von zuhause mitgenommen worden ist. Ich habe gesagt, wenn sie nicht hier ist, wo soll sie dann sein. Sie haben mir gesagt, ich soll morgen noch einmal kommen, sie werden fragen, wo sie sein könnte. Ich bin dann am zweiten Tag wieder dorthin gegangen. Ich fragte wieder nach meiner Schwester. Die Al Shabaab sagte, dass die XXXX die Schwester festhalten. Sie sagten mir, dass sie irgendetwas abgelehnt hat von XXXX . Ein arabischer Mann war auch Mitglied von Al Shabaab. Er war in meine Schwester verliebt und wollte sie heiraten. Aber meine Schwester lehnte das ab. Aus diesem Grund ist sie in Haft, wurde mir erzählt. Ich habe sie gefragt, dass meine Schwester eine somalische Frau ist und fragte weiters warum ein arabischer Mann eine somalische Frau heiraten will. Wir haben dann gestritten, mit dem Vorsitzenden von diesem Stützpunkt. Sie haben mich dann inhaftiert. Ich war drei Monate in Haft. Eines Tages brachte meine Ehefrau mir etwas zu essen und sie hat Al Shabaab gebeten mich rauszulassen, damit sie mir das Essen geben kann. Das war zu Mittag. Zu dieser Zeit geht man beten. Daneben war eine Moschee. Einer, der den Schlüssel hatte, ist geblieben. Alle anderen gingen in die Moschee beten. Plötzlich sah ich, dass alles offen war. Der Stützpunkt war verzaunt. Es gab ein Tor, wo nur Autos durchfuhren. Das Tor war offen. Ich habe die Gelegenheit genutzt und bin weggelaufen. Dieser Bewacher hat bemerkt, dass ich weggelaufen bin, ist hinter mir her gelaufen und hat auch geschossen. Er hat mich aber nicht getroffen. Ich bin nach Hause gelaufen in die Stadt. Ich habe mich versteckt in einem Haus, das meinem Freund gehörte. Meine Frau wurde dann sofort inhaftiert. Meinen Vater haben sie aus dem Geschäft geholt und auch inhaftiert. Ich bin zu Fuß gegangen und kam zu einer Stelle, wo man Tiertransporte durchführt. Ich bin mit einem Tiertransporter mitgefahren. Dann bin ich nach Mogadischu gekommen. Mein Bruder brachte mich zu einer Familie, die er kannte. 9 Tage war ich in Mogadischu und dann bin ich geflohen.

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Somalia verlassen haben?

A: Ich habe auch gehört, dass meine Schwester umgebracht und mein Geschäft geplündert wurde. So verließ ich das Land. Sie haben meinen Vater aus dem Gefängnis genommen, aber ich weiß nicht wohin sie ihn gebracht haben.-

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich habe Angst. Die Probleme warum ich meine Heimat verlassen habe, sind immer noch dort.

F: Wo leben Ihre Geschwister heute? Wie ist ihre Situation?

A: Ich habe Kontakt mit meiner Mutter, ihnen geht es gut.

F: Wie geht es Ihrer Frau?

A: Wir haben uns scheiden lassen, aber ihr geht es auch gut.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Kindern?

A: Ja ich habe Kontakt mit meiner Ex-Frau und meinen Kindern geht es gut.

F: Wer kümmert sich um Ihre Kinder?

A: Meine Ex-Frau.

F: Sie haben heute zu Protokoll gegeben, dass Ihr Vater Sie beide getraut hat? Wie muss ich mir das vorstellen?

A: Mein Vater ist auch Sheikh.

F: Sie haben heute angegeben, dass Sie geschieden sind. Wann haben Sie sich scheiden lassen?

A: Im XXXX 2016.

F: Wie haben Sie sich scheiden lassen?

A: Ich habe meinen Schwiegervater angerufen und wir haben uns mündlich geschieden.

F: War Ihre Ex-Frau bei diesem Telefonat auch anwesend?

A: Ja.

V: Laut Eintragung in der Grundversorgung sind Sie als ledig angeführt. Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe schon bei der Einvernahme angegeben, dass ich verheiratet bin.

F: Wie geht es Ihrem Vater?

A: Ich weiß es wirklich nicht. Mir geht es nicht gut, weil ich mich verantwortlich fühle, weil er wegen mir in Haft ist.

F: Warum wurde Ihr Vater inhaftiert?

A: Meinetwegen haben sie ihn inhaftiert, weil ich weggelaufen bin.

F: Warum konnte Ihre Frau entkommen?

A: Meine Frau war schwanger. Sie haben sie wegen der Schwangerschaft freigelassen.

F: Sie gaben in der Erstbefragung bei der PI St. Georgen am 12.12.2015 an, dass Sie für die Reise eine große Summe Geld bezahlt haben. Wie viel genau?

A: 5.000 USD

F: Woher hatten Sie soviel Geld?

A: 2000 USD hat mein Vater nach Mogadischu geschickt. Er wollte, dass mein Bruder einen Großeinkauf für das Geschäft macht. Mein Bruder hat das Geld als Bargeld gehabt und weitere 3000 USD hat er mir gegeben.

F: Bei der Erstbefragung am 12.12.2015 haben Sie angegeben, einen somalischen Reisepass besessen zu haben. Heute geben Sie an, keine Dokumente besessen zu haben oder zu besitzen. Was sagen Sie dazu?

A: Das war ein gefälschter Reisepass, das einzige richtige war mein Foto drauf.

F: Warum haben Sie nicht versucht das Land auf offiziellen Weg zu verlassen?

A: Ich hatte nicht die Gelegenheit, ich hatte Angst. Mein Bruder hat alles organisiert.

F: Wann war dieser Vorfall bei Ihnen zuhause?

A: Das war am XXXX 2015.

F: Wie viele Leute kamen zu Ihnen nach Hause?

A: Drei Männer kamen nach Hause. Ich war nicht zuhause. Ich habe es nur gehört. Durch ein Telefonat erfuhr ich, dass meine Schwester mitgenommen wurde.

F: Wer hat Sie angerufen?

A: Meine Mutter.

F: Welche Schwester wurde mitgenommen?

A: Sie hieß XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass Sie 27 Jahre alt war.

F: Wie haben diese Leute ausgesehen, die zu Ihnen nach Hause gekommen sind?

A: Ich habe gehört, dass es maskierte Männer waren.

F: Wer waren diese maskierten Männer?

A: Al Shabaab.

F: Woher wissen Sie, dass es Leute von der Al Shabaab waren?

A: Al Shabaab hat unsere Stadt unter Kontrolle gehabt, bis heute.

F: Als Sie erfuhren, dass Ihre Schwester von Leuten der Al Shabaab mitgenommen wurden, was haben Sie gemacht?

A: Ich ging zum Stützpunkt.

F: Woher wussten Sie, wo der Stützpunkt sich befand?

A: Ich kenne das.

F: Wo befand sich der Stützpunkt?

A: Mitten in der Stadt, in einem Bezirk XXXX

F: Wie weit von Ihrem Wohnort entfernt war dieser Stützpunkt?

A: 400 Meter.

V: Wenn Ihre Schwester von der Al Shabaab mitgenommen wurde, warum wussten die Leute vom Stützpunkt nicht, wo sich Ihre Schwester befand?

A: Ich glaube, dass Sie gewusst haben, wo sie inhaftiert war, nur sie wollten es mir nicht sagen.

F: Wann sind Sie inhaftiert worden?

A: Am zweiten Tag. Nachgefragt gebe ich an, dass es am XXXX 2015 war.

F: Wie hat die Zelle ausgesehen?

A: Ein Raum, kleiner als dieser Raum (ca. 19 m2), mit über 20 Leuten. Nachgefragt gebe ich an, dass es nichts gab, es war leer. Nachgefragt gebe ich an, dass es kein Fenster gab, nur oben eine kleine Belüftung mit einem Gitter.

Anmerkung: AW wird aufgefordert, eine Zeichnung über die Belüftung zu machen.

F: War das Gefängnis durchgehend bewacht?

A: Ja.

F: Von wem wurde es bewacht?

A: Von Al Shabaab.

F: Wie groß war der Stützpunkt?

A: ca. 50 m groß, es ist schwer zu erklären.

F: Wann wurde Ihre Schwester getötet?

A: Am dritten Tag wurde sie ermordet, ich war in Haft. Ich habe gehört, dass sie Misshandlungen am Körper hatte und Schusswunden zu sehen waren. Man hat ihre Leiche auf die Straße gelegt. Nachgefragt gebe ich an, dass es eine große Straße gibt, die zu einem Krankenhaus führt. Den Namen weiß ich nicht, man nennt es die Straße die zum Krankenhaus führt.

F: Wie heißt dieses Krankenhaus?

A: Es heißt XXXX Krankenhaus.

F: Warum wurde Ihre Schwester getötet?

A: Ich weiß es nicht. Als ich mit diesem Mann gestritten habe, hat er mir erzählt, dass sie ihren Befehl befolgen müsse.

F: Wie haben Sie vom Tod Ihrer Schwester erfahren?

A: Während ich in Haft war, hat meine Frau mir davon erzählt.

(...)

V: Man hätte Ihre Frau als Beihilfe zur Flucht bestrafen können?

A: Sie war im Gefängnis. Ihr Glück war, dass sie schwanger war. Nach Ihrer Entlassung ist sie weggegangen von unserem Ort.

(...)

V: Sie gaben bei der Erstbefragung an, dass Ihr Geschäft zerstört wurde. Woher wissen Sie das?

A: Als ich in Mogadischu ankam, hörte ich davon, so habe ich das erfahren.

F: Woher wissen Sie, dass es die Al-Shabaab gewesen ist?

A: Es gibt sonst keine bewaffneten Leute außer die Al Shabaab.

F: Woher sollte Al Shabaab wissen, dass das Geschäft Ihnen gehörte?

A: Während ich drei Monate inhaftiert war, wussten sie, dass mein Vater in dem Geschäft gearbeitet hat. Jeder kennt den anderen.

(...)"

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 07.06.2017 in Beisein eines Dolmetschers der Sprache Somali beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme gab sie im Wesentlichen zu ihren Fluchtgründen an:

"(...)

F: Wie geht es Ihnen, befinden Sie sich in Therapie, Behandlung oder leiden Sie an einer chronischen Krankheit.

A: Mir geht es gut. Ich bin zurzeit schwanger. Ich bin Ende 5. Monat und nehme Vitamine. Errechneter Geburtstermin ist der XXXX .2017.

Anmerkung: AW legt ihren Mutter-Kind-Pass vor.

(...)

F: Haben Sie im Verfahren bis dato (Polizei) der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Dreimal ja. Es war alles richtig.

F: Vertreten Sie im gegenständlichen Verfahren als Mutter Ihr hier in Österreich geborenes Kind XXXX , StA. von Somalia, weiblich, IFA-Zahl 1050265101?

A: Ja.

F: Ist Ihre Tochter gesund?

A: Ja.

F: Wenn Ihr Kind eigene Probleme in Ihrer Heimat hat, dann gibt es den originären, eigenen Antrag auf den Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten. Wenn Ihr Kind keine eigenen Probleme in Ihrer Heimat hat, besteht die Möglichkeit eines Antrags auf Gewährung desselben Schutzes, der Ihnen in Österreich zukommt, bei dem die Entscheidung bzgl. Ihres Antrages auch für Ihre Tochter zutrifft.

Haben Sie die Ausführungen verstanden?

A: Ich habe das verstanden.

F: Hat Ihre minderjähriges Kind nunmehr eigene Fluchtgründe oder stellten Sie als gesetzliche Vertretung den Asylantrag im Zuge eines Familienverfahrens gem. § 34 AsylG 2005?

A: Nein, mein Kind hat keine eigenen Fluchtgründe.

F: Können sie bitte einen kurzen Lebenslauf bezüglich ihrer Person schildern? Z.B.: Wo sind sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben sie absolviert, welchen Beruf haben sie ausgeübt etc.?

A: Ich wurde am XXXX in Mogadischu, im Bezirk XXXX , Somalia geboren. Vier Monate ging ich in eine Privatschule, wo ich lesen und schreiben gelernt habe. Nachgefragt gebe ich an, dass ich 6 Jahre alt war, als ich die Schule besucht habe. Ich habe geheiratet am XXXX .2009. Mein Ehemann heißt XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass es eine traditionelle Hochzeit war, wir haben heimlich geheiratet. Wir fuhren mit einem kleinen Auto in ein anderes Bundesland. Dort waren Sheiks. Mein Mann hat zwei Zeugen mitgebracht, das waren seine Freunde.

Am 30.01.2009 verließ ich dann Mogadischu. Beruf habe ich keinen gelernt, ich habe als Reinigungskraft gearbeitet.

F: Geben Sie chronologisch Ihre Wohnorte an.

A: Mogadischu bis 30.01.2009, von 2009 bis April 2012 lebte ich in Saudi Arabien. Nachgefragt gebe ich an, dass wir in einer Wohnung gelebt haben, genaue Adresse gab es nicht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mit meinem Mann dort gelebt habe. Ich wurde dann abgeschoben, bin nach Somalia zurückgekommen. Mein Kind und mein Ehemann waren in Saudi Arabien. In Saudi Arabien wurde ich auf der Straße von der Polizei angehalten, weil ich illegal dort war. Ich wurde nach Somalia abgeschoben und im selben Jahr, das war 2012, kam ich dann wieder zurück nach Saudi Arabien. Eines Nachts wurden wir überfallen. Nachgefragt gebe ich an, dass wir von der Polizei überfallen worden sind. Es gab Hausdurchsuchungen und kontrolliert ob Leute illegal da waren. Mein Mann, ich und mein Kind wurden von Saudi Arabien nach Somalia abgeschoben. Das war im März 2014. Wir kamen nach Mogadischu zurück.

F: Arbeiteten Sie selbstständig oder waren Sie angestellt?

A: Ich arbeitete selbständig. Ich habe pro Tag für drei Familien gearbeitet als Haushälterin.

F: Wann war Ihr letzter Arbeitstag?

A: März 2014. Es war Mitte März.

F: Wie viel haben Sie zuletzt monatlich zirka verdient?

A: Unterschiedlich, einmal 500 USD, dann 600 USD. Manchmal auch nichts.

F: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

A: Ich bin Moslem, Sunnit und gehöre der Volksgruppe der Hawiye an.

F: Wie heißt Ihr Sub- bzw. Subsub-Clan?

A: Sub Clan ist XXXX .

F: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Dokumente?

A: Nein.

(...)

F: Haben Sie weitere Verwandte im Heimatland?

A: Wir sind eine große Familie. Ich habe viele Tanten und Onkeln mütterlicherseits. Ich habe auch viele Cousins und Cousinen in Mogadischu.

F: Wovon lebt die Familie im Herkunftsland?

A: Sie arbeiten und haben eigene Geschäfte. Nachgefragt gebe ich an, dass sie Lebensmittelgeschäfte haben. Dort kann man Zucker, Reis etc. kaufen.

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund?

A: Ja. Wir haben Häuser in Mogadischu und Plantagen wo mein Bruder aufhältig ist.

F: Wo genau in Mogadischu haben Sie gelebt (Adresse, Wegbeschreibung)?

A: XXXX , der Bezirk ist geteilt und heißt XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass es keine Hausnummern gibt.

F: Wie hat Ihr Alltag in Mogadischu ausgesehen, was haben Sie den ganzen Tag gemacht?

A: Früher lebte ich ganz normal, gearbeitet habe ich nicht. Aber als ich zurückkam, arbeitete ich zwei Wochen in einem Teehaus. Das Teehaus befand sich in der Nähe des XXXX .

F: Wann haben Sie die Ausreise angetreten?

A: Am 16.05.2014.

(...)

F: Wo haben Sie die letzte Nacht vor der Ausreise verbracht?

A: Bei meiner Freundin, XXXX . Mit ihr habe ich mich auf die Reise gemacht.

F: Wann haben sie den Entschluss zur Ausreise gefasst?

A: 2009 habe ich entschlossen Somalia zu verlassen.

F: Waren Sie vorher in einem anderen EWR-Staat und wenn ja, wie lange?

A: Nein.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihren Verwandten im Heimatland? Wann war der letzte Kontakt? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien?

A: Ich habe keinen Kontakt mit meiner Familie und ich benutze auch kein Facebook.

Beantworten Sie die Fragen mit ja oder nein, wenn relevant, können Sie selbst oder über Nachfragen dazu etwas Näheres angeben.

F: Sind Sie vorbestraft oder waren sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: Nein.

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, etc.?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie politisch tätig?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein.

F: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres muslimischen Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hawiye irgendwelche Probleme?

A: Nein.

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)

A: Ja, zwischen mir und meiner Familie gibt es Probleme.

F: Nahmen Sie in ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

A: Nein.

F: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A: Meine Probleme haben begonnen als ich meinen ersten Ehemann geheiratet habe. Mein Mann gehörte einem Minderheitenclan an, nämlich XXXX . Wir haben am XXXX .2009 geheiratet, 5 Tage später sind wir, ich und mein Mann, von meinen Geschwistern überfallen worden. Meine Brüder kamen am XXXX . zu uns nach Hause und sie waren mit Gewehren bewaffnet. Meine Schwiegermutter, ich und mein Schwager waren zu diesem Zeitpunkt zuhause. Sie sprachen mit meinem Schwager und haben sich gestritten. Mein Bruder hat versucht meinen Schwager mit Gewalt mitzunehmen. Er wollte nicht und hat sich geweigert. Danach haben sie ihn erschossen. Meine Brüder haben mich dann mitgenommen. Sie brachten mich wieder nach Hause. Mein Großvater, väterlicherseits, war damals auch da. Ich wurde in ein Zimmer eingesperrt. 3 Tage lang war ich in diesem Raum. Eines Tages waren alle weg und ich habe meine Schwester gebeten die Tür aufzumachen. Das hat sie getan und dann bin ich weggelaufen. Ich habe meinen Mann gesucht und am XXXX . verließen wir das Land. Ich wusste, dass mich meine Familie nicht in Ruhe lassen würde. Das war der Grund warum ich meine Heimat verlassen habe.

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Somalia verlassen haben?

A: Als wir von Saudi Arabien nach Somalia abgeschoben wurden, haben meine Geschwister erfahren, dass wir im Land sind. Sie haben meinen Mann angeschossen, in den Bauch. Sie haben ihn zweimal angeschossen, aber er hat überlebt. 1,5 Monate lag er im Krankenhaus, dann ging es ihm besser. Als es ihm besserging, entschlossen wir das Land zu verlassen. Ich habe Arbeit gefunden, in dem Teehaus. Ich habe Schleier getragen, damit ich meiner Schwester entkomme. Ich arbeitete in diesem Teehaus. Danach bekam ich Drohanrufe von Al Shabaab. Sie behaupteten, dass wir nicht nur Tee sondern auch unseren Körper verkaufen. Ich habe aufgehört zu arbeiten und lebte bei meiner Freundin. Meine Geschwister haben erfahren, dass ich mich bei dieser Freundin aufhalte. Sie kamen zu meiner Freundin und haben nach mir gefragt. Sie sagte, dass sie nichts weiß. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zuhause. Das Schlimmste war, dass meine Familie gegen meine Ehe war. Das ist alles.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass ich mit 16 Jahren die Schule begonnen habe und nicht mit 6 Jahren. Subsub Clan lautet

XXXX .

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich habe Angst vor meiner Familie, dass sie mir etwas antun könnten.

F: Wie geht es Ihren Schwestern?

A: Meine Tante, mütterlicherseits, ruft mich manchmal an. Von ihr erfahre ich, wie es meinen Geschwistern geht. Mit meiner Schwester, die in Saudi Arabien lebt, habe ich auch keinen Kontakt.

F: Wie geht es Ihren anderen Geschwistern?

A: Ich habe keinen Kontakt.

F: Wie oft haben Sie Kontakt mit Ihrer Tante?

A: Alle drei Monate. Sie lebt in Mogadischu. Sie heißt XXXX .

F: Wie geht es Ihrem Mann?

A: Wir haben uns scheiden lassen. Nachgefragt gebe ich an, dass es am XXXX .2015 war.

V: Sie waren zu dem Zeitpunkt schon in Österreich. Wie konnten sie sich da scheiden lassen?

A: Ja das ist richtig. Er hat mich angerufen aus Südafrika. Er hat geheiratet und er sagte, dass wir genug Probleme gehabt haben wegen unserer Ehe. Er möchte nicht das ganze Leben Angst haben vor meiner Familie. Man muss das bei uns aussprechen und Zeugen haben. Normalerweise müssen Familienmitglieder da sind, dann kann man auch andere Leute als Zeugen nehmen, die zuhören. Der Zeuge war ein gemeinsamer Freund von mir und meinen Mann, der ein Geschäft jetzt in Südafrika hat.

F: Was macht Ihr Mann in Südafrika?

A: Er arbeitet in einem Geschäft als Verkäufer.

F: Hat er Kontakt zu Ihrem gemeinsamen Sohn?

A: Ja er hat Kontakt zu unserem Sohn.

F: Haben Sie Kontakt mit Ihrem Sohn?

A: Ja. Nachgefragt gebe ich an, dass ich zweimal pro Monat mit ihm telefoniere. Immer wenn ich Geld bekomme, rufe ich ihn an.

F: Wie geht es Ihrem Sohn?

A: Es geht ihm gut.

(...)

F: Wann ist Ihr Sohn geboren?

A: Im XXXX 2010.

F: Wer hat das Sorgerecht für Ihren Sohn?

A: Mein Ehemann, weil er auch Geld schickt.

F: Warum haben Sie als Clanzugehörigkeit Hawiye einen Mann aus dem Clan XXXX geheiratet?

A: Für mich zählt der Mensch, für mich ist es egal welchem Clan er angehört.

F: Hat es keinen Mann aus Ihrem Clan gegeben?

A: Es gibt genug. Aber ich war nur in diesen Mann verliebt.

F: Wie hat Ihre Familie von der heimlichen Hochzeit erfahren?

A: Nach der Eheschließung bin ich nicht nach Hause gegangen. Ich bin bei meinem Ehemann geblieben. Sie haben schon gewusst, dass ich Kontakt mit meinem Ehemann habe. Aber sie wussten nicht, wo er wohnt. Durch meine Freundin haben sie erfahren, wo er genau wohnt.

F: Haben Sie schon vor der Ehe mit Ihrem Mann zusammengewohnt?

A: Nein.

F: Wie lange haben Sie mit Ihrem Mann zusammengewohnt?

A: 5 Tage.

F: Wie war es Ihnen und Ihrem Mann möglich nach Saudi Arabien zu reisen?

A: Der Familie meines Ehemannes ging es finanziell gut.

F: Woher hatten sie das Geld?

A: Mein Schwiegervater hat uns das Geld gegeben. Ich weiß aber nicht woher das Geld stammt.

F: Wer ist der Vater Ihres zweiten Kindes?

A: XXXX . Nachgefragt gebe ich an, der 24 Jahre alt ist.

F: Wo haben Sie Ihn kennengelernt?

A: In XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass ich ihn im XXXX 2016 kennengelernt habe.

V: Ihre Tochter ist aber am XXXX .2015 hier in Österreich schon auf die Welt gekommen. Wie kann er der Vater des Kindes sein?

A: Ich dachte sie meinen mein ungeborenes Kind.

Anmerkung: In der Geburtsurkunde ihrer Tochter steht der Name des ersten Ehemannes XXXX .

F: Wer hat das Sorgerecht für Ihr zweites Kind, das in Österreich auf die Welt kam?

A: Ich habe das Sorgerecht.

F: Sie gaben in der Erstbefragung bei der PI St. Georgen am 12.12.2015 an, dass Sie für die Reise viel Geld bezahlt haben. Wie viel genau?

A: 2.500 USD. Mit dem Geld kam ich nach Lybien. Den Rest bekam ich von anderen somalischen Leuten, die mir geholfen haben, die Reise zu finanzieren?

F: Woher hatten Sie so viel Geld?

A: Während ich in Saudi Arabien war, habe ich gearbeitet. Das war mein Erspartes.

F: Sie haben heute erwähnt, dass Sie von der Polizei in Saudi Arabien aufgegriffen worden und nach Somalia zurückgeschoben wurden. Warum wurden Ihr Mann und Ihr Kind nicht abgeschoben?

A: Ich wurde auf der Straße aufgegriffen. Mein Mann und mein Sohn waren zuhause. Ich habe den Polizisten erzählt, dass ich Familie hier habe, aber sie haben mir nicht zugehört.

V: Heute gaben Sie zu Protokoll, dass Sie mit einem Flugzeug von Mogadischu nach Hergeysa gereist sind. Bei der Erstbefragung am 12.12.2015 erwähnten Sie keinen Flug. Was sagen sie dazu?

A: Ich habe meine Reise von Nordsomalia begonnen zu erzählen. Genauer wurde ich nicht befragt.

V: Um mit einem Flugzeug reisen zu können, braucht man ein Reisedokument. Sie aber haben ausgesagt, keines besessen zu haben. Was sagen Sie dazu?

A: Von Mogadischu nach Hergeysa braucht man kein Reisedokument. Es ist wichtig, dass man Tickets hat.

V: Sie hätten sich mit diesem Geld woanders in Somalia eine neue Existenz aufbauen können, oder auch in Äthiopien. Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe versucht weit weg von meiner Familie zu wohnen. Zum zweiten Mal wollte ich weit weg.

F: Warum haben Sie nicht schon in Italien um Asyl angesucht?

A: Sie wollten uns nicht die Fingerabdrücke abnehmen, sie wollten, dass wir weiterreisen.

F: Warum ist Ihre Freundin mit Ihnen mitgereist?

A: Sie hat auch Drohanrufe bekommen. Sie hat auch im Teehaus gearbeitet.

F: Wie oft wurden Sie bedroht?

A: Ich kann es nicht sagen, es war viel zu viel. Es war eine unterdrückte Nummer. Es ist mir gesagt worden, dass die Person, mit der ich telefoniert habe, mich sieht.

F: Wie sahen die Bedrohungen aus?

A: Beamte kamen zu uns manchmal Tee trinken. Al Shabaab sagt, dass diese Leute ungläubig sind und dass zwischen uns und den Beamten ein schmutziges Geschäft läuft.

F: Was meinen Sie mit schmutzigem Geschäft?

A: Sie haben uns vorgeworfen, dass wir als Prostituierte arbeiten

F: Woher wussten Sie, dass es Leute von der Al Shabaab waren?

A: Sie haben es mir selbst gesagt.

F: Sind Sie jemals persönlich bedroht worden?

A: Ja, aber ich weiß nicht woher sie meine Telefonnummer hatten.

V: Ihre Fluchtgeschichte ist heute eine andere als bei Ihrer Erstbefragung im Dezember 2014. Sie gaben an, Ihr Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Von Ihrer Familie erwähnten Sie damals nichts. Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe es damals nicht angegeben, weil ich auch Angst hatte vor der Polizei.

V: Laut GVS haben Sie hier in Ö nach islamischen Recht geheiratet. Wann haben Sie geheiratet?

A: Am XXXX .2016.

F: Wo haben Sie geheiratet?

A: In XXXX , in einer türkischen Moschee.

F: Können Sie die Heiratsurkunde nachbringen?

(...)

F: Haben Sie Verwandte in Österreich?

A: Nein.

(...)"

Am 30.10.2017 langte der Antrag auf internationalen Schutz für den minderjährigen Viertbeschwerdeführer ein.

2. Mit nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich betreffend die Beschwerdeführer vom 18.10.2017 bzw. hinsichtlich den Viertbeschwerdeführer vom 14.11.2017 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchteil IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 2 Wochen eingeräumt.

In der Begründung der Bescheide wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer einer individuell gegen ihre Person gerichtete Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, etc. zu befürchten gehabt hätten oder haben. Es hätte keine asylrelevante Gefährdung für die Person der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Somalia festgestellt werden können.

Es konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Somalia in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden. Es würden unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände existieren, welche einer Rückkehrentscheidung nach Somalia entgegenstehen würden.

3. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und wurde insbesondere ausgeführt, die erwachsenen Beschwerdeführer hätten sich in Österreich kennengelernt und nach traditionellem Ritus in Österreich geheiratet. Sie würden ihr gemeinsames Kind erwarten. Der Erstbeschwerdeführer sei von der Al Shabaab gefangen gehalten worden, nachdem er seine Schwester gesucht habe, die von Al Shabaab entführt worden sei. Die Schwester sei von Al Shabaab getötet worden. Der Erstbeschwerdeführer habe vor der Al Shabaab fliehen können. Er habe daraufhin Somalia verlassen und sei nach Österreich geflohen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe in Somalia einen Mann geheiratet, der hierarchisch ihrem eigenen Clan gegenüber unterlegen sei. Sie und ihr damaliger Mann seien daraufhin von der Familie der Zweitbeschwerdeführerin bedroht und tätlich angegriffen worden. Nach einer Flucht nach Saudi Arabien sei die Zweitbeschwerdeführerin wieder nach Somalia abgeschoben worden. Aus Furcht vor der Familie der Zweitbeschwerdeführerin hätten beide abermals das Land verlassen und seien getrennte Wege gegangen. Während der erste Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin nach Südafrika gegangen sei, sei die Zweitbeschwerdeführerin nach Österreich gekommen, um hier einen Antrag zu stellen. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin habe einen eigenen Asylgrund, da sie unter keinen Umständen vor der Genitalverstümmelung geschützt werden könnte. Es wäre deshalb auch der Mutter der Drittbeschwerdeführerin, also der Zweitbeschwerdeführerin, Asyl zuzuerkennen. Der Erstbeschwerdeführerin sei Diabetiker (Typ 2 Diabetes) und in Somalia gebe es unzureichende medizinische Versorgung. Der Erstbeschwerdeführer sei auf die Insulingabe angewiesen. Es sei ein enormer Kostenaufwand den Blutzuckerspiegel laufend zu kontrollieren. Dem Erstbeschwerdeführer sei zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

4. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 24.07.2018 wurde der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zu ihren eigenen Fluchtgründen sowie zu den Fluchtgründen der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer, insbesondere zu einer möglicherweise drohenden Genitalverstümmelung der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin, befragt.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend im Rahmen der Beschwerdeverhandlung Spezialdokumente, insbesondere zu deren Herkunftsregionen, zur weiblichen Genitalverstümmelung und zur Clanstruktur in Somalia zur Kenntnis gebracht.

Im Rahmen der Verhandlung wurde insbesondere ein Konvolut an Integrationsunterlagen, eine Heiratsurkunde betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sowie ein Arztbrief betreffend den Erstbeschwerdeführer vorgelegt. Der Erstbeschwerdeführer gab eingangs der Verhandlung ausdrücklich an, dass er von seiner ersten Frau geschieden sei, die Zweitbeschwerdeführerin gab ebenfalls an, von ihrem ersten Ehemann geschieden zu sein. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, mit ihrem ersten Ehemann einen 2010 geborenen Sohn und die in Österreich geborene Tochter (Drittbeschwerdeführerin) zu haben. Die Zweitbeschwerdeführerin habe das Sorgerecht für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und es sei geplant, dass der Erstbeschwerdeführer die Drittbeschwerdeführerin adoptiere. Der Ex-Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin würde in Südafrika leben, ihr Sohn bei ihrer Schwester in der Umgebung von Mogadishu. Die Ex-Ehefrau des Erstbeschwerdeführers lebe in Mogadishu mit den Kindern des Erstbeschwerdeführers.

Auf Nachfrage wurden eigene Fluchtgründe für den minderjährigen Viertbeschwerdeführer verneint.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben an, gegen eine Beschneidung der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin zu sein. Beiden führten aus, dass bei einer Rückkehr nach Somalia enormer familiärer und sozialer Druck bestehen würden, die Drittbeschwerdeführerin beschneiden zu lassen und dass sich die Zweitbeschwerdeführerin als Mutter und der Erstbeschwerdeführer als Stiefvater nicht gegen eine Beschneidung der Drittbeschwerdeführerin wehren könnten.

5. Mit Schreiben vom 31.07.2018 wurde zusammen mit einer Stellungnahme zu den Länderberichten eine ärztliche Bestätigung vom 30.07.2018 übermittelt, aus welcher sich ergibt, dass an der Drittbeschwerdeführerin keine Beschneidung durchgeführt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Asylanträge der Zweitbeschwerdeführerin (W240 2176743-1) am 10.12.2014, der Drittbeschwerdeführerin (W240 2176735-1) am 19.01.2015, des Erstbeschwerdeführers (W240 2176739-1) am 11.12.2015 und des Viertbeschwerdeführers (W240 2178563-1) am 30.10.2017, der Einvernahmen der erwachsenen Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung und durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verwaltungsakten, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Fremden- sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Somalias. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben in Österreich nach traditionellem Ritus geheiratet; die Drittbeschwerdeführerin ist die in Österreich geborene Tochter der Zweitbeschwerdeführerin und deren ersten Ehemann, der Viertbeschwerdeführer ist deren in Österreich geborener

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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