TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/15 G303 2181515-1

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Veröffentlicht am 15.11.2018
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Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2181515-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, vom 30.10.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Der Grad der Behinderung beträgt 60 (sechzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 14.07.2017 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag war ein medizinischer Befund des Landeskrankenhauses Klagenfurt vom 13.01.2001 angeschlossen.

Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" zum Zeitpunkt der Antragstellung war, gilt dieser Antrag entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme dieser Zusatzeintragung.

1.1. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.08.2017 wurde der BF ersucht, aktuelle Befunde vorzulegen.

1.2. Der BF brachte ein Schreiben des Facharztes für Innere Medizin Dr. XXXX vom 21.08.2017 in Vorlage. Zudem brachte er in weiterer Folge einen ärztlichen Befund von Dr. XXXX, Fachärztin für Neurochirurgie, vom 19.09.2017 in Vorlage.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde in weiterer Folge ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 11.10.2017, wurde nach erfolgter persönlicher Untersuchung des BF am selben Tag, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Lähmungen der peripheren Nerven, Teillähmung des Nervus peronaeus rechts Grad 3-4 Mittlerer Rahmensatzwert des unteren Richtsatzes entsprechend dem Grad der Ausprägung und der fallweisen Stürze, der BF trägt jedoch keine Peroneusschiene um dies zu verhindern

04.05.13

30

2

Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule Unterer Rahmensatzwert da die Beschwerden 2 bis 3 Mal im Jahr auftreten, Behandlungen sind bis jetzt nicht vorgenommen worden

02.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

 

 

 

Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde begründend ausgeführt, dass die Gesundheitsschädigung (GS) 1 führend sei und die GS 2 wegen Geringfügigkeit nicht weiter steigere.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.10.2017 wurde der Grad der Behinderung des BF mit 30 % festgesetzt und festgestellt, dass der BF die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle, weswegen sein Antrag vom 14.07.2017 abgewiesen wurde. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, oben angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten. Das Gutachten wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen. In der rechtlichen Begründung wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes angeführt. Zudem wurde im Bescheid angemerkt, dass über den Antrag des BF auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.

4. Mit am 20.11.2017 bei der belangten Behörde eingelangtem und als "Einspruch gegen die ärztliche Begutachtung vom 30.10.2017" bezeichneten Schreiben erhob der BF binnen offener Frist Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Der BF gab an, dass er mit der ärztlichen Begutachtung der Sachverständigen Dr. XXXX nicht einverstanden sei und auf eine erneute Untersuchung hoffe.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 03.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

6.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 04.06.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hemiparese rechts, beinbetont ICD 10 I 69.4 Es handelt sich beim BF um eine 2001 erlittene Hemiparese rechts, beinbetont, wobei nach wie vor beträchtliche Restsymptome vorliegen: Der Gang ist höhergradig beeinträchtigt, einerseits durch die Paresen im rechten Beim, anderseits durch zentrale vaskuläre Störungen, die auch linksseitig eine Unsicherheit hervorrufen. Der Gang ist deutlich eingeschränkt, wobei jedoch kurze Strecken ohne Hilfsmittel zurückgelegt werden können. Die Einschätzung erfolgt nach der RSP 04.01.02 unterer Rahmensatz mit 50 vH. Ursächlich dürfte die arterielle Hypertonie und ein Vorhofflimmern mit die Ursache des Schlaganfalles gewesen sein. In Summe sind mehrere Muskelgruppen beteiligt, nicht nur der rechte Unterschenkel und Vorfuß, sondern auch rechter Oberschenkel (das rechte Bein kann im Liegen nur mit Mühe von der Unterlage abgehoben werden) und gering findet sich auch eine gestörte Motilität des rechten Armes.

04.01.02

50

2

Rundrücken mit Belastungsminderung Höhergradige degenerative Veränderungen im gesamten Wirbelsäulenbereich führen zu einem deutlichen belastungsmindernden Rundrücken und leichter Kamptokormie, aber auch zu einer Bewegungseinschränkung aller Wirbelsäulenbereiche nach allen Richtungen. Die deutliche Bewegungseinschränkung und Fehlhaltung führt zu einer Funktionseinschränkung, die nach der RSP 02.02.02 mit 30 vH eingeschätzt wird und die den Gesamt-GdB um eine Stufe erhöht.

02.02.02

30

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

 

 

 

Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die Gesundheitsschädigung (GS) 1 durch die GS 2 erhöht werde, da ausgeprägte degenerative Veränderungen bestehen würden, wobei die Wendigkeit höhergradig herabgesetzt und dadurch eine stärkere Funktionsminderung bewirkt werde.

Es liege ein Dauerzustand vor.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 22.06.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

7.1. Die belangte Behörde gab dazu keine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung ab.

7.2. Der BF erstattete eine am 04.07.2018 eingelangte Stellungnahme und gab an, dass er teilweise nur mehr bis zu 300 m gehen könne (Sturzanfälligkeit) und er daher einen "Behindertenparkschein" beantrage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF hat einen Wohnsitz im Inland.

Beim BF liegen folgende behinderungsrelevante Gesundheitsschädigungen vor:

-

Beinbetonte Hemiparese rechts (Grad der Behinderung: 50 %)

-

Rundrücken mit Belastungsminderung (Grad der Behinderung: 30 %)

Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes des BF steht die Hemiparese rechts. Dadurch ist insbesondere die Gehfähigkeit des BF herabgesetzt. Die höhergradigen degenerativen Veränderungen im gesamten Wirbelsäulenbereich bewirken zusätzlich eine stärkere Funktionsminderung und erhöhen den Grad der Behinderung insgesamt um eine Stufe.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit 60 (sechzig) von v.H. (von Hundert).

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zum Wohnsitz des BF ergibt sich aus einem eingeholten Datenauszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben des BF bei der Antragstellung.

Der Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert wurde aufgrund des eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 04.06.2018 festgestellt.

Dieses ist schlüssig, vollständig, weist keine Widersprüche auf und steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen im Einklang. Das Sachverständigengutachten basiert auf einem nach persönlicher Untersuchung des BF erhobenen Befund. Es wurde dabei auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die festgestellten behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen und deren korrekte und nachvollziehbare Einschätzung bezüglich des Grades der Behinderung gemäß der anzuwendenden Einschätzungsverordnung samt Anlage ergeben sich daraus.

Der Inhalt des oben angeführten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Die belangte Behörde nahm das Sachverständigengutachten - ohne dazu Stellung zu nehmen - unbeeinsprucht zur Kenntnis. Auch von Seiten des BF wurden die gutachterlichen Ausführungen von Dr. XXXX nicht bestritten. Die Stellungnahme des BF dazu bezieht sich auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. zielt auf die Ausstellung eines Parkausweises ab; dies ist jedoch nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens. Diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung unter Pkt. II.3.2 verwiesen.

Es wurde somit insgesamt ein Grad der Behinderung von 60 v.H. objektiviert.

Das oben angeführte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 04.06.2018 wird daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der verfahrensrelevante Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970i n der geltenden Fassung, angehören.

Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz,

BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zu Grunde gelegt, welches als nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchfrei gewertet wurde.

Die Gesundheitsschädigungen des BF wurden in dem vorliegenden Sachverständigengutachten berücksichtigt und entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung jeweils mit einem Behinderungsgrad eingeschätzt. Insgesamt wurde ein Grad der Behinderung in Höhe von 60 von Hundert festgestellt.

Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 19.11.1997, Zl. 95/09//0232; 04.09.2006, Zl. 2003/09/0062).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 von Hundert und einem Wohnsitz im Inland sind die Voraussetzungen gemäß § 40 Abs. 1 BBG für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und festzustellen, dass der Grad der Behinderung des BF 60 (sechzig) v.H. (von Hundert) beträgt.

Die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" und der vom BF beantragte Parkausweis gemäß § 29b StVO sind nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens, da der Prüfungsumfang des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß § 27 VwGVG auf den angefochtenen Bescheid beschränkt ist und gegenständlich in diesem lediglich über die Ausstellung eines Behindertenpasses abgesprochen wurde. Die belangte Behörde wird, da nunmehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen, auch über die noch offenen Anträge des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass und auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO zu entscheiden haben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2181515.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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