TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/16 W263 2167645-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2018
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Entscheidungsdatum

16.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W263 2167645-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein ZEIGE, Zentrum für europäische Integration und globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Straße 54/4. Stock, Top 2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2018, Zl. 1080706505/180697375 EAST Ost, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30.07.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.08.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er am XXXX in der Provinz Maidan Wardak geboren worden sei und dort die Grundschule bis zur 5. Klasse besucht habe. Zuletzt habe der Beschwerdeführer in Kabul als Kellner gearbeitet. Er habe bislang keine Ehe geschlossen und sei kinderlos. Sein Vater und sein jüngerer Bruder würden in Afghanistan leben. Seine Mutter sei bereits verstorben. Er habe die Flucht vor ca. acht bis zehn Monaten von Kabul aus begonnen und sich zwei Monate im Iran ( XXXX ) aufgehalten. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass Afghanistan nicht sicher sei und er dort auch nichts lernen habe können. Er habe Angst vor seiner Zukunft; man bekomme auch keine Arbeit.

2. Aufgrund von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) entsprechende Untersuchungen veranlasst. Aus einem Röntgenbefund vom 28.08.2015 geht hervor, dass sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia beim Beschwerdeführer geschlossen seien, am Radius zeige sich eine zarte Epiphysennarbe, das Ergebnis laute GP 31, Schmeling 4.

Daraufhin wurde eine Altersfeststellungsuntersuchung beim Beschwerdeführer durchgeführt. Aus dem darauf basierenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 23.10.2015 geht ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 17,9 Jahren hervor. Das fiktive Geburtsdatum laute XXXX . Von diesem Geburtsdatum ging das BFA in weiterer Folge aus.

3. Anlässlich der am 24.05.2017 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführten Einvernahme vor dem BFA, Regionaldirektion Steiermark, wiederholte der Beschwerdeführer seine Angaben zu Staatsangehörigkeit, Geburtsort (Provinz Maidan Wardak), letztem Aufenthaltsort (Stadt Kabul) und (sechsjährigem) Schulbesuch. Er sei Angehöriger der Volksgruppe Hazara und bekenne sich zum schiitischen Islam. Er gab weiters an, dass er seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen und später in Kabul als Kellner gearbeitet habe. In Kabul habe er ca. ein Jahr gelebt. Afghanistan habe er Ende 2014 verlassen.

Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer zusammenfassend an, dass er über Ersuchen afghanischer Sicherheitskräfte während der Arbeit auf den Feldern Auskunft über in der Nähe des Dorfes lebende Taliban gegeben habe. Sein Vater sei darüber sehr wütend gewesen und habe den Beschwerdeführer geschlagen. Sein Vater habe gesagt, dass die Taliban schon Bescheid wüssten, wer sie verraten habe. Die Taliban würden kommen. Daher habe sein Vater ihn nach Kabul geschickt. Sein Vater und sein Bruder seien dann nach Kabul nachgekommen. Die Nachbarn im Dorf, mit denen sein Vater weiterhin Kontakt gehabt habe, hätten erzählt, dass die Taliban gekommen seien und sie für Spione der Regierung halten würden, weil der Beschwerdeführer sie verraten habe. Wenn sie den Beschwerdeführer erwischen würden, werde er getötet. Daher sei der Beschwerdeführer von seinem Vater alleine in den Iran geschickt worden, wo er sich ca. sechs Monate aufgehalten und in einer Textilfirma gearbeitet habe. Als der Beschwerdeführer vor ca. sechs Monaten zuletzt Kontakt mit seiner Familie gehabt habe, sei diese im Iran gewesen. Es bestehe die Absicht, dass sein Vater und sein Bruder auch nach Europa kommen.

Anlässlich der Einvernahme legte der Beschwerdeführer Teilnahmebestätigungen betreffend Deutschkurse, die Verrichtung gemeinnütziger Arbeit in Form von Straßenreinigung in Graz sowie einen Workshop für Asylwerber vor.

4. Mit dem Bescheid des BFA vom 31.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, mit welcher der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde. Der Beschwerdeführer habe die Umstände der Verfolgung im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA geschildert. Es liege eine aktuelle Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Des Weiteren enthält die Beschwerde Ausführungen zur Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers und in der Stadt Kabul. Dem Beschwerdeführer stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, zumal seine Kernfamilie im Iran lebe. In Afghanistan halte sich nur ein Onkel mütterlicherseits auf, zu dem kein Kontakt bestehe. Es gebe somit kein familiäres oder soziales Netzwerk im Herkunftsstaat. Zudem verfüge der Beschwerdeführer über keine Fachausbildung, die es ihm erleichtern würde, ein sicheres Einkommen zu erwirtschaften.

Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid aufheben und ihm den Status eines Asylberechtigten zuerkennen. In eventu wurde beantragt, dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder die Rückkehrentscheidung bzw. die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben oder dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung gemäß §§ 57, 55 AsylG 2005 zu erteilen oder den Bescheid aufzuheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 16.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 02.10.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari beigezogen wurde. Die belangte Behörde verzichtete anlässlich der Vorlage der Beschwerde auf die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wurde dem BFA im Anschluss an die Verhandlung übermittelt.

Der Beschwerdeführer wurde vom erkennenden Gericht eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt und legte eine Teilnahmebestätigung vor.

Im Zuge der Verhandlung wurden vom erkennenden Gericht auch die Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurden gemeinsam mit der Ladung Länderberichte zur Situation in Afghanistan übermittelt. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers erstattete dazu im Rahmen der Verhandlung eine Stellungnahme.

8. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017 zu GZ W238 2167645-1/11E abgewiesen, welches mit 21.11.2017 zugestellt wurde und in Rechtskraft erwuchs.

9. Am 23.07.2018 stellte der Beschwerdeführer (nach einer "Dublinübernahme aus Deutschland") einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung gab er zusammengefasst an, er sei (weiterhin) schiitischer Moslem. Seine Probleme in Afghanistan seien noch immer aufrecht und würde ihm bei einer Rückkehr der sichere Tod durch die Taliban drohen. Die persönliche Gefährdung sei gleich geblieben.

10. Am 06.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA einvernommen. Der Beschwerdeführer gab im Zuge dessen an, dass er seine Fluchtgründe aufrecht erhalte. In seinem Leben habe sich seit der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren nichts geändert, außer, dass er in eine andere Unterkunft verlegt worden sei. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er das, was er im ersten Verfahren angegeben habe: seine Probleme mit den Taliban. Er sei in den drei Jahren in Österreich anständig gewesen und bitte daher um Schutz und Asyl. Außerhalb seines Dorfes bzw. Distriktes kenne er sich nicht aus und habe auch niemanden dort. Es sei nicht wie in Österreich; man bekomme keine soziale bzw. staatliche Hilfe.

Weiters brachte der Beschwerdeführer Unterlagen (Teilnahmebestätigungen) in Hinblick auf seine Integration in Vorlage.

11. Mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 22.10.2018 wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf das Herkunftsland Afghanistan gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.).

Das BFA traf umfassende herkunftsbezogene Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 19.10.2018).

In seiner Beweiswürdigung führte das BFA u.a. aus, dass sich der Beschwerdeführer im neuen Verfahren nur darauf beziehe, dass seine alten Fluchtgründe noch aufrecht wären. Es hätte sich seit Rechtskraft des Vorverfahren nichts Wesentliches in seinem Leben verändert und die Probleme mit den Taliban wären nach wie vor aufrecht. Der Beschwerdeführer hätte Angst von den Taliban gefunden und umgebracht zu werden. In seinem ersten Verfahren in Österreich seien seine Angaben als nicht glaubhaft erachtet und sein Antrag auf internationalen Schutz negativ entschieden worden.

Der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Verfahren keine neuen Fluchtgründe vorgebracht und die nun dargestellten Angaben seien zu keinem Zeitpunkt genug substantiiert gewesen, um diese als asylrelevant oder glaubhaft zu bezeichnen oder um darin einen neuen Sachverhalt zu erkennen.

Im Hinblick auf die weiteren, gemäß § 8 AsylG 2005 berücksichtigungswürdigen Aspekte sei anzumerken, dass sich im gegenständlichen Verfahren ebenso kein Hinweis auf einen seit Rechtskraft des Erstverfahrens entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt ergeben habe; dies weder in Hinblick auf die persönliche Situation noch in Hinblick auf die allgemeine Lage im Heimatland. Ein neuer Sachverhalt liege im Ergebnis nicht vor.

Weiters würden sich auch keine Hinweise auf eine sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens maßgeblich geänderte Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers ergeben. Kabul und andere Provinzhauptstädte, welche unter staatlichem Einfluss stehen, würden als vergleichsweise sicher beurteilt. Trotz der derzeit vermehrt stattfindenden, öffentlichkeitswirksamen Anschläge sei der dort vorherrschenden Konflikt nicht von einem solchen Ausmaß, dass eine Person bloß aufgrund ihrer Anwesenheit einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 8 AsylG 2005 bzw. Art. 15 Statusrichtlinie erleiden würde.

12. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde vom 05.11.2018, stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und erstattete im Wesentlichen folgendes Vorbringen:

Nach den Entscheidungsgründen wären eine Rückkehr bzw. eine innerstaatliche Schutzalternative in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat für den Beschwerdeführer möglich und zumutbar - dort könne er ein notdürftiges Überleben sichern. Die belangte Behörde habe hier geflissentlich und in willkürlicher Weise übersehen, dass diejenige Berichtslage der Entscheidung zugrunde zu legen sei, welche zum Entscheidungszeitpunkt aktuell sei. Diesen vom Gesetzgeber normierten Verfahrensgrundsatz habe die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren missachtet.

Seit November 2017 seien in Afghanistan signifikante und entscheidungsrelevante Veränderungen - vor allem betreffend die Rückkehrsituation - eingetreten. Aus der Gesamtaktualisierung des LIB vom 29.06.2018 sei ersichtlich, dass die Hauptstadt Kabul - einst als relativ sicher achtet - von dicht aufeinanderfolgenden Angriffen regierungsfeindliche Extremisten betroffen sei, die darauf abzielen würden, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Dadurch zeige sich die Angreifbarkeit bzw. Vulnerabilität der afghanischen Sicherheitskräfte. Dazu werde angemerkt, dass unter solchen Umständen keinesfalls haltbar geblieben sein könne, dass die afghanische Regierung weiterhin die Kontrolle über die Hauptstadt Kabul innehabe. So sei im Jahr 2017 die höchste Anzahl ziviler Opfer in der Provinz Kabul zu verzeichnen gewesen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen gewesen seien.

Aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 ergebe sich, dass aufgrund der gegenwärtigen menschenrechtlichen und humanitären Lage in Kabul eine innerstaatliche Flucht- oder Ansiedlungsalternative in Kabul nicht möglich oder zumutbar sei. Zivilisten, welche am tagtäglichen Wirtschaftsleben und den üblichen täglichen sozialen Aktivitäten teilnehmen würden, seien dem Risiko ausgesetzt, den Gewalttaten zum Opfer zu fallen, von welchen die Stadt gegenwärtig betroffen sei.

Weiters sei aufgrund der derzeitigen militärischen Krise Hilfeleistung im Fall einer Rückkehr bzw. humanitäre Hilfe auszuschließen. Die Kumulation des sich weiter verschärfenden innerstaatlichen Konflikts, dem anhaltenden massenweisen Zustrom von Zuwanderern und der Dürrekatastrophe übersteige alle Hilfskapazitäten. Vielmehr sei es der afghanische Staat, der in dieser humanitären Krise der internationalen Unterstützung bedürfe, um eine Hungersnot hintanzuhalten. Da würden keine Kapazitäten mehr für die Unterstützung von Rückkehrer bleiben. Vielmehr sei aktuell eine Neu- oder Wiederansiedlung in Afghanistan mit großen Problemen verbunden, weil es nicht möglich sei, auch nur die Grundbedürfnisse dieser heimatlosen Menschen zu erfüllen.

Weiters wurden in der Beschwerde die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 sowie Länderberichtsmaterial in Hinblick auf eine anhaltende Dürre auszugsweise wiedergegeben.

Die Lage in Afghanistan habe sich in der letzten Zeit signifikant verschlechtert. Dies aus mehreren Gründen: Zum anhaltenden innerstaatlichen Konflikt und der massenweisen Fluchtbewegung sei auch noch eine anhaltende Dürre hinzugekommen - mit dem Ergebnis einer sich noch weiter zuspitzenden humanitären Krise.

Kabul komme als zumutbare innerstaatliche Flucht- und Ansiedlungsalternative nicht mehr in Betracht und auch die Städte Mazar-e Sharif und Herat seien mittlerweile aufgrund der vorhin genannten kumulierenden Umstände von einer massiven humanitären Notlage erfasst worden. So seien mittlerweile urbane Zentren des Landes hoffnungslos überfordert vom massenweisen Zustrom von flüchtigen Menschen. Die meisten dieser Menschen würden im Elend leben: Es mangle an allem, sogar an Nahrungsmittel. Es gebe keine Perspektiven für diese Menschen, sodass viele davon erneut die Flucht antreten würden.

In der Zusammenschau der persönlichen Lebensumstände des Beschwerdeführers mit der aktuellen Lage in Afghanistan erscheine seine Rückkehr nach Afghanistan derzeit nicht zumutbar. Aufgrund dessen, dass die belangte Behörde zum (im Wesentlichen gleich gebliebenen) Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers die maßgeblich verschärfte aktuelle Lage in Afghanistan ganz außer Acht gelassen habe, habe sie hinsichtlich der entschiedenen Sache der Sachverhalt verkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, führt den Namen XXXX , ist Angehöriger der Volksgruppe Hazara und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er wurde am XXXX in der Provinz Maidan Wardak, Distrikt XXXX , Dorf XXXX geboren, wo er mit seiner Familie ca. bis zu seinem 16. Lebensjahr lebte.

Der Beschwerdeführer stellte am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz bei der Einvernahme vor dem BFA damit, dass er über Ersuchen afghanischer Sicherheitskräfte Auskunft über in der Nähe des Dorfes lebende Taliban gegeben habe. Als sein Vater dies erfahren habe, habe er ihn nach Kabul geschickt. Sein Vater und sein Bruder seien nach Kabul nachgekommen. Die Nachbarn im Dorf, mit denen sein Vater weiterhin Kontakt gehabt habe, hätten erzählt, dass die Taliban gekommen seien und sie für Spione der Regierung halten würden. Daher sei der Beschwerdeführer von seinem Vater alleine in den Iran geschickt worden, wo er sich ca. sechs Monate aufgehalten und in einer Textilfirma gearbeitet habe. Sodann sei er nach Europa geflüchtet. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederholte und ergänzte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen.

Dieser Antrag wurde vom BFA und in weiterer Folge vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Rechtsmittelinstanz mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 17.11.2017 zu GZ W238 2167645-2/11E abgewiesen.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wurde darin seitens des Bundesverwaltungsgerichtes für nicht glaubhaft befunden. Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr, aufgrund eines Gesprächs mit afghanischen Sicherheitskräften von Taliban verfolgt und getötet zu werden, besteht. Weder war der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts vor seiner Flucht einer konkreten individuellen Verfolgung durch Taliban ausgesetzt noch wäre er einer solchen im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet:) durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Hazara), seiner Religion (schiitischer Islam), Nationalität (Afghanistan), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte. Der Beschwerdeführer ist nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes in Afghanistan weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme. Nach den Feststellungen gibt es insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer (asylrelevanten) Verfolgung ausgesetzt wäre.

Weiters stellte das Bundesverwaltungsgericht u.a. folgendes fest:

Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig und gesund und steht nicht in ärztlicher Behandlung. Er besuchte in Afghanistan ca. fünf Jahre die Schule. Er kann lesen und schreiben. Der Beschwerdeführer arbeitete in seiner Herkunftsprovinz in der Landwirtschaft. In Kabul war er ca. ein Jahr als Kellner in einem Hotel tätig. Im Iran arbeitete er ca. sechs Monate in einer Schneiderei. Ein Onkel des Beschwerdeführers mütterlicherseits lebt in der Provinz Balkh. Der Beschwerdeführer hat seinen Onkel nicht mehr gesehen, seit seine Mutter - vor ca. 10 Jahren - verstorben ist.

Am 23.07.2018 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und führte die gleichen Fluchtgründe, nämlich seine Probleme mit den Taliban an.

Der gegenständliche Antrag wurde in der Folge mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.10.2018 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstadt seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den letzten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers liegt ebenso wenig vor, wie eine maßgeblichen Bedrohung des Beschwerdeführers in Afghanistan. Er bezieht sich in seinem (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz auf Umstände, welche er bereits beim ersten Antrag angegeben hat. Neue Umstände, welche eine glaubhaften Kern haben, hat der Beschwerdeführer nicht angeführt. Eine maßgebliche Änderung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers liegt nicht vor.

Der Beschwerdeführer ist unverändert ledig und kinderlos und gehört weiterhin der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Der Beschwerdeführer ist gesund und leidet an keinen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und im Herkunftsstadt nicht behandelbar Erkrankungen, die eine Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und befindet sich im erwerbsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Er hat keine in Österreich lebenden Familienangehörigen oder Verwandten. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er besuchte Kurse (darunter Deutschkurse). Er verrichtete in der Stadt XXXX gemeinnützige Tätigkeiten (Straßenreinigung). Sonst liegen keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer intensiv ausgeprägten Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht vor.

1.2. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Dem Erstverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden insbesondere folgende Quellen zugrunde gelegt:

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan - Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017 inkl. Kurzinformationen (Stand 25.09.2017);

* ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung vom 02.09.2016 (a-9737-V2) zu Afghanistan: "Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konfliktes zwischen Kuchis und Hazara";

http://www.ecoi.net/local_link/329705/470745_de.html (Zugriff am 10.09.2016);

* Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender (deutsche Fassung), 19.04.2016

Weiters wurden auszugsweise folgende Feststellungen getroffen (Fehler im Original):

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 25.09.2017):

"... 2. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1. - 31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o. D.).

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D. nicht darstellbar)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

(Grafik nicht darstellbar)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3. - 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

,Green Zone' in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle ‚Green Zone'; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte ,Blue Zone' soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen: Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

[...]

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.

- 31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

(Grafiken nicht darstellbar)

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016 - 31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

(Grafik nicht darstellbar)

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten - den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher ,Insider-Angriffe¿ [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

[...]

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive ,Operation Mansouri' am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

KI vom 11.5.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q1.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).

(Grafik nicht darstellbar)

INSO berichtet für den Zeitraum Jänner - März 2017 von insgesamt

6.799 sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Afghanistan (INSO o. D.):

(Grafik nicht darstellbar)

Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt - speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

High-profile Angriffe

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten (SIGAR 30.4.2017).

(Grafik nicht darstellbar)

[...]

4. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

(Tabelle nicht darstellbar)

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

(Tabellen nicht darstellbar)

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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