Entscheidungsdatum
10.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W261 2168648-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 18.10.2015 in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am 29.10.2018 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er in Ghazni geboren und Hazara sei, er sei verheiratet und habe zwei minderjährige Töchter, welche in Afghanistan leben würden. Er sei Obst- und Gemüseverkäufer gewesen, wobei er heimlich Alkohol verkauft habe. Die Bewohner aus dem Dorf hätten davon erfahren. Aus diesem Grund sei er mit dem Tod bedroht. Es sei in Afghanistan verboten, Alkohol zu verkaufen.
Am 25.07.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (in der Folge belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Der BF gab an, er habe in seinem Heimatdorf Alkohol verkauft. Bei Hochzeiten seien Jugendliche gekommen, und hätten bei ihm Alkohol eingekauft. Bei einer dieser Feier hätten die Jungs zu viel getrunken und gestritten. Da sei man draufgekommen, dass sie betrunken gewesen seien. Auf die Frage, von wem sie den Alkohol gekauft hätten, hätte diese sein Geschäft angegeben. Der BF habe über diesen Vorfall von seinem Freund erfahren und habe sodann beschlossen, das Land zu verlassen. Seine Frau und seine Kinder würden auch heute noch deswegen belästigt werden. Er habe eine Feindschaft mit dem ganzen Dorf. Er könne auch nicht in einen anderen Teil Afghanistans übersiedeln, weil man dort nicht anonym sei. Man werde ihn finden, zumal er mit seiner Tazkira seine Kinder in der Schule anmelden müsste. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF einer konkreten persönlichen asylrelevanten Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt gewesen sei, bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Zudem bestehe für den BF eine taugliche innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative. Der BF sei volljährig, gesund und arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten.
Der BF erhob mit Eingabe vom 21.08.2017, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass der BF in seinem Heimatdorf für sich und seine Familie den Lebensunterhalt erwirtschaftet habe. Er habe verbotenerweise Alkohol verkauft. Bei einer Hochzeit hätten betrunkene Jugendliche mitgeteilt, dass sie den Alkohol beim BF bezogen hätten, daher habe der BF noch in derselben Nacht flüchten müssen. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geführt worden, insbesondere seien die Länderfeststellungen mangelhaft geblieben. Die belangte Behörde habe außer Acht gelassen, dass es sich beim BF um eine Person handle, die unter die Risikoprofile laut UNHCR Richtlinie zur Feststellung internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender falle. Der BF vereine gleich drei dieser Risikoprofile, er sei Hazara, er habe durch den Verkauf von Alkohol nicht nur gegen die Scharia, sondern auch gegen grundsätzliche gesellschaftliche Normen seines Herkunftsstaates verstoßen. Unter Zitierung von weiteren Länderinformationen führte der BF zum Verkauf von Alkohol in Afghanistan aus. Dem BF würde im Falle seiner Rückkehr eine drakonische Strafe nach der Scharia ebenso drohen, wie eine politische und religiöse Verfolgung. Er habe mit diesem Handel auch eine den religiösen und staatlichen Gesetzen entgegenstehende Gesinnung zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus drohe dem BF auch eine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Hazara. Dem BF stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Die Sicherheitslage habe sich in Afghanistan verschlechtert. Die Lage der Rückkehrer sei prekär, weswegen dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zuzumuten sei. Hätte die belangte Behörde dies alles berücksichtigt, so hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem BF internationaler Schutz, jedenfalls jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren sei.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 24.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
Das BVwG führte am 08.05.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seiner Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.
Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, Drogen- und Alkoholhandel, Drogenhändler und Drogenpreise vom 19.07.2017, und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Konsum, Verkauf, Produktion, Import, Schwarzmarkt, Alkoholismus, Bestrafung, Stigma vom 13.03.2018 vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, führte in seiner Stellungnahme vom 28.05.2018 im Wesentlichen aus, dass die vorgelegten Länderinformationen bestätigen würden, dass der Verkauf von Alkohol in Afghanistan verboten sei, und schwere Strafen nach sich ziehen würde. Unter Zitierung von weiteren Länderinformationen und einem Gutachten von Fredericke Stahlmann vom 28.03.2018 legte der BF dar, weswegen ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan zur Verfügung stehe. Es drohe ihm im Falle einer Rückkehr eine ernsthafte Bedrohung seines Leibes und seines Lebens. Dies würde sich auch aus einer Präsentation von UNHCR ergeben, und auch EASO sehe die Situation in Afghanistan kritisch, die eine weitere Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan festgestellt hätten. Der BF sei eine vulnerable Person, er verfüge in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat über kein soziales Netzwerk. Er könne auch keine finanzielle Unterstützung von seiner Familie erwarten. Er sei ein Hazara, der aus dem westlichen Ausland zurückkehre. Es bestehe die Gefahr, dass er Opfer von Gewalt werde und von sozialer Ausgrenzung bedroht sei. Er habe noch nie in einer der Großstädte gelebt, und sei mit den örtlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten nicht vertraut. Der BF verfüge über keine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung. Vor dem Hintergrund der angespannten Arbeitsmarktlage werde er keine Arbeit finden, um sich und seine Familie ernähren zu können. Der BF wäre bei einer Neuansiedlung in einer der drei Städte von unzumutbaren Härten betroffen. Er verfüge über kein soziales Netzwerk, welches laut EASO erforderlich sei, um einen Job zu finden. Abschließend betonte der BF, dass auch die UNHCR Richtlinien vom April 2016 eine Neuansiedlung von alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter nur dann für möglich hielten, wenn keine spezifische Vulnerabilität vorliege, der Ort für die Neuansiedlung die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der sozialen Grundversorgung biete, und der Ort unter wirksamer staatlicher Kontrolle stehe. Nachdem diese Voraussetzungen beim BF nicht gegeben seien, sei dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan unter keinen Umständen zumutbar. Der Antrag, dem BF internationalen Schutz zu gewähren, bzw. in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, werde jedenfalls aufrechterhalten. Der BF schloss seiner Stellungnahme eine Reihe von Unterlagen an.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Nachdem neue Länderinformationen vorlagen, übermittelte das BVwG den Parteien des Verfahrens das Länderinformationsblatt mit Stand 26.10.2018, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Situation zur Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 13.09.2018 und die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Der BF führte in seiner Stellungnahme vom 30.11.2018, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, umfassend unter Zitierung weiterer Länderinformationen zur Sicherheitslage, zur Versorgungslage und zur Situation aufgrund der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif aus. Er legte dazu auch eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12.10.2018 zur Situation aufgrund der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vor. Es würden daher alle bisher gestellten Anträge vollinhaltlich aufrechterhalten.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Das BVwG führte am 06.12.2018 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.
Aus dem vom BvWG am 06.12.2018 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass der BF im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Ghazni, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF ist Zivilist.
Das Trommelfell des BF ist geplatzt. Er trägt ein Hörgerät. Ansonsten ist der BF gesund.
Der BF wuchs in seinem Heimatdorf auf. Er besuchte sechs Jahre lang unregelmäßig die Schule und hat keine Berufsausbildung absolviert. Im Alter von 16 oder 17 Jahren ging der BF in den Iran, wo er in einer Stoffweberei arbeitete. In der Zeit pendelte er zwischen dem Iran und seinem Heimatdorf. Schließlich kehrte er in sein Heimatdorf zurück und verdiente den Lebensunterhalt für sich und seine Familie indem er einen Laden betrieb, in welchen er Obst, Gemüse und Getränke verkaufte.
Der Vater des BF hieß XXXX , er verstarb bereits. Seine Mutter heißt XXXX . Die Mutter des BF ist erblindet und gehörlos.
Der BF ist seit 2005/2006 mit XXXX traditionell verheiratet. Die Ehefrau des BF ist ca. 33 Jahre alt. Der Ehe entstammen zwei minderjährige Töchter, XXXX , sie ist ca. 12 Jahre alt und XXXX , sie ist ca. 8 Jahre alt.
Die Ehefrau des BF lebt gemeinsam mit den ehelichen Kindern und der Mutter des BF nach wie vor im Heimatdorf des BF im eigenen Haus der Familie. Bis zu seiner Ausreise kam der BF für den Lebensunterhalt seiner Familie auf. Seit seiner Ausreise unterstützt der Bruder der Ehefrau des BF, der im Iran lebt und dort arbeitet, die Familie des BF finanziell.
Der BF hat eine Schwester, XXXX , sie lebt im Iran.
Der BF hat sowohl Tanten mütterlicherseits als auch väterlicherseits, welche in Afghanistan leben. Sie leben aus Erträgen der Landwirtschaft, bzw. von finanziellen Unterstützungen von weiteren Familienangehörigen, die im Iran leben und arbeiten.
Der BF reiste ca. Anfang 2015 aus Afghanistan aus und lebte in weiterer Folge für ca. sieben Monate in Isfahan, im Iran, wo er auch arbeitete. Er reiste sodann schlepperunterstützt zu Fuß in die Türkei, von wo aus er mit einem Schlauchboot nach Griechenland gelangte. Er reiste sodann über die Länder Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn nach Österreich, wo er am 18.10.2018 einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen, betreffend die Gefahr, aufgrund des Verkaufes von Alkohol bedroht und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.
Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.
Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Dem BF droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.
Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügt über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache. Er arbeitete für einen Zeitraum von sechs Monaten in den Herbst- und Wintermonaten für fünf Stunden pro Monat für die Gemeinde. In seiner Freizeit fährt der BF mit dem Rad, läuft oder spielt mit Freunden im Park Volleyball. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er für sich und seine Familie in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er hat eine sechs Jahre die Schule besucht, weiters hat er bereits jahrelange Berufserfahrung als Stoffweber im Iran und als Eigentümer eines Gemüse-, Obst- und Getränkeladens in seinem Heimatdorf gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.
Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.
Der BF ist weitestgehend gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.10.2018, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und der in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, Drogen- und Alkoholhandel, Drogenhändler und Drogenpreise vom 19.07.2017, Afghanistan, Alkohol: Konsum, Verkauf, Produktion, Import, Schwarzmarkt, Alkoholismus, Bestrafung, Stigma vom 13.03.2018, in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Situation zur Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 13.09.2018 und in den notorischen EASO Richtlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
Ghazni, die Herkunftsprovinz des BF, ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind.
Die Provinz Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv, wobei es in der Provinz zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen kommt. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
Sowohl das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein. Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei. Die Provinz Ghazni zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr besteht, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte.
Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar.
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land. In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.
Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keine Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden. Der Zugang zu Schulen ist aber besonders für Kinder von Vertriebenen und Rückkehrern schwierig, zumal die Aufnahmekapazität der Schulen begrenzt ist und oftmals nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die Kinder in die Schule schicken zu können.
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der BF zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.
Gesellschaftliche Spannungen zwischen den Ethnien bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 10-15 % Schiiten, wie es auch der BF ist.
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.
Der Verkauf, Besitz und Konsum alkoholischer Getränke ist in Afghanistan illegal. Die Konsumation wird nach islamischen Recht durch körperliche Bestrafung geahndet. Alkoholschmuggel wird mit Gefängnis bestraft. Das afghanische Gesetz stellt den Konsum, den Handel und den Besitz von Alkohol mit anderen illegalen Drogen gleich. Wer Alkohol verkauft kann mit Haft von 10 Tagen bis 20 Jahren bestraft werden. Das Gesetz wird nicht streng vollzogen, wobei es meist einfache Menschen sind, die bestraft werden, die nicht genug Macht und Einfluss über die Polizei haben. Es gibt nicht viele Verurteilungen wegen Alkoholvergehen. Alkohol kann Schande über die Familie bringen. In Afghanistan werden an vielen Orten, sowohl in Kabul als auch in anderen Provinzen, verschiedene Arten von Alkohol verkauft. Dieser Alkohol stammt aus Schmuggel aus dem Ausland, wurde von Niederlassungen ausländischer Institutionen abgezweigt oder im Inland hergestellt.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen auf dessen Vorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (vgl. S 3 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).
Diese Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager und unplausibler Angaben als unglaubhaft.
Der BF gab im gesamten Asylverfahren an, dass er deshalb habe fliehen müssen, weil er illegal Alkohol verkauft habe. Unter anderem habe er dies an Jugendliche (vgl. AS 49), bzw. wie er bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung übersteigerte, an seine Freunde (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung), verkauft. Während er bei seiner Ersteinvernahme nichts davon ausführte (vgl. AS 49), dass diesen Burschen aufgetragen worden sei, Alkohol zur Hochzeitsfeier mitzubringen, ergänzte der BF sein Vorbringen bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung dahingehend, dass er ausführte:
"Meine Freunde sagten mir, dass sie von mir Alkohol nehmen möchten, das sie auf eine Hochzeit gehen und ihnen aufgetragen wurde, Alkohol mitzunehmen." (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Bei seiner Ersteinvernahme sagte der BF noch aus, dass "Bei der Hochzeit haben die Jungs viel Alkohol getrunken und auch gestritten." (vgl. AS 49), währenddessen er bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausführte, dass "Meine Freunde hatten Alkohol getrunken und sind betrunken auf die Hochzeit gegangen." (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Er betonte dies nochmals, auf die Frage der erkennenden Richterin:
"Woher wissen Sie, wer ihre Freunde gefragt hat, und was Ihre Freunde gesagt haben: Sie waren auf einer Hochzeitszeremonie. Bevor sie zur Hochzeit gefahren sind, haben sie Alkohol getrunken und waren betrunken. Die Personen haben untereinander gestritten. Die Leute der Umgebung haben mitbekommen, dass sie betrunken sind. Sie haben diese betrunkenen Personen bei sich behalten, bis sie wieder nüchtern waren und danach wurden sie befragt." (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Nachdem der BF nie angab, selbst bei der Hochzeit gewesen zu sein, konnte er nicht wissen, wann die jungen Männer Alkohol getrunken haben. Gänzlich unglaubhaft ist der Umstand, dass die "Leute" gewartet hätten, bis die Personen nüchtern gewesen seien, bevor sie diese befragt hätten. All dies spricht dafür, dass der BF bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung sein Vorbringen übersteigern wollte, um es plausibler zu machen, was ihm jedoch aufgrund der dargelegten Widersprüche nicht gelungen ist. Auch über den Umstand, woher die "Leute" auf der Hochzeit erfahren haben sollen und woher diese jungen Männer den Alkohol bekommen haben hätten, liegen unterschiedliche Angaben des BF vor. So gibt er bei seiner Ersteinvernahme nur kurz an, dass "sie sein Geschäft angegeben haben, und so die Leute erfahren haben, dass er (der BF) Alkohol verkaufe" (vgl. AS 49), während er bei seiner Befragung beim BVwG ausführte: "Sie wurden gefragt, von wo sie den Alkohol genau gekauft haben. Sie wurden aufgefordert, genau anzugeben, von wo sie den Alkohol gekauft haben. Sie erzählten, dass sie es auf dem Bazar gekauft haben. Das reichte den Leuten nicht. Sie wollten genaue Angaben. Sie wurden unter Druck gesetzt und geschlagen. Sie waren schließlich gezwungen, ihnen die Wahrheit zu sagen. Mein Freund erzählte mir am Telefon, dass diese Leute mich verraten haben, und deshalb seien einige Personen in mein Haus gegangen." (vgl. S 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Ganz unabhängig davon, dass der BF auch dieses Vorbringen dadurch übersteigerte, dass er bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung behauptete, dass die jungen Männer geschlagen worden seien, bevor sie den BF verraten hätten, ist aus dieser Aussage ersichtlich, dass der BF nicht selbst bei der Hochzeit anwesend war, und er nur von seinem Freund am nächsten Tag erfahren haben will, dass dieser Vorfall stattfand. Auch in diesem Punkt gibt es Widersprüche, so führt der BF bei seiner Ersteinvernahme zuerst aus, dass er von dem Vorfall von seinem Freund erfahren habe (vgl. AS 49) um kurze Zeit später auszusagen, dass er auf der Beerdigung vom Schwager seiner Frau erfahren habe, dass die Leute auf der Suche nach ihm seien (vgl. AS 51). Auch wenn der BF bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu berichtigen versuchte, dass dies falsch protokolliert worden sei (vgl. S 5 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung), so ist dem entgegen zu halten, dass die gesamte Niederschrift der Ersteinvernahme vor der belangten Behörde wortwörtlich rückübersetzt wurde, und der BF die Richtigkeit seiner Angaben mit seiner Unterschrift bestätigte. (vgl. AS 56) Auch dieser Widerspruch bekräftigt den Eindruck, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft und nicht plausibel ist. Vielmehr ist nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens davon auszugehen, dass der BF das Fluchtvorbringen erfand, um damit eine aslyrelevante Verfolgung zu konstruieren. Er selbst kam nach seinen eigenen Angaben nach der Hochzeit nie mit den vorgeblichen Verfolgern in Kontakt, da er gleich von der Beerdigung aus geflohen sein will. Dafür spricht auch, dass der BF bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, dass er über den geschilderten Vorfall hinaus in Afghanistan nie jemals physisch oder psychisch bedroht wurde (vgl. S 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Schließlich trägt zum Gesamtbild, dass das Fluchtvorbringen unglaubhaft ist, auch bei, dass die Familie des BF nach wie vor unbehelligt im Heimatdorf des BF lebt, wiewohl dieser behauptet, dass seine Familie geächtet werde (vgl. S 12 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Hinzu kommt, dass der BF nicht in der Lage ist, seine vorgeblichen Verfolger namentlich zu nennen. Auf die Frage der erkennenden Richterin, wer die "Leute" seien, antworte der BF: "Das sind die Leute aus der Region, die streng religiös sind."
(vgl. S 12 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung) Einen konkreten Verfolger konnte der BF damit nicht benennen. Es kann im Ergebnis aber dahingestellt bleiben, ob die Angaben des BF zu den "Leuten" der Wahrheit entsprechen, zumal auch unter Zugrundelegung dieses Vorbringens nicht davon auszugehen ist, dass die ins Treffen geführten Personen den BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan suchen und töten bzw. sonst verfolgen würden. Auch im Lichte der zitierten Länderinformationen ist nicht davon auszugehen, dass dem BF von staatlicher Seite aufgrund des vorgeblichen Verkaufs von Alkohol nach so langer Zeit noch eine Strafe drohen würde, wie dies der BF in seiner Beschwerde und seinen Stellungnahmen behauptete. Der Verkauf von Alkohol, sofern er stattfand, was bezweifelt wird, ist zwar in Afghanistan strafbar, es gibt jedoch nicht viele Verurteilungen wegen Alkoholvergehen. Aus welchem Grund die staatlichen Behörden den BF nach ca. vier Jahren noch immer verfolgen sollten, konnte der BF nicht schlüssig darlegen.
Es ist richtig, dass der BF, hätte er sein Fluchtvorbringen glaubhaft machen können, allenfalls einem der vom BF in seiner Stellungnahme genannten Risikoprofile laut der UNHCR Richtlinie entsprochen hätte. Nachdem es ihm nicht gelungen ist, seine Fluchtgründe glaubhaft darzustellen, konnte eine weitere inhaltliche Prüfung und Abwägung im Lichte der genannten UNHCR Richtlinien seitens des BVwG unterbleiben.
Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch die "Leute" bzw. durch staatliche Behörden drohen. Ganz abgesehen davon steht dem BF jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Mazar- e Sharif zur Verfügung, wie später noch ausführlich begründet wird.
Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des BF aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde vom BF auch keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert in seinen Einvernahmen vorgebracht. Der BF gab selbst in keiner der Einvernahmen an, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara jemals Probleme gehabt habe. Das diesbezügliche Vorbringen ist ausschließlich seiner Beschwerde und seinen Stellungnahmen zu entnehmen. Es wird als Schutzbehauptung gewertet, um darzutun, dass der BF, abseits der behaupteten Fluchtgründe, in seinem Herkunftsstaat einer zusätzlichen Bedrohung ausgesetzt sei. Im Licht der zitierten Länderinformationen ist davon auszugehen, dass Hazara in Afghanistan Diskriminierungen unterliegen können, welche den BF nach seinen eigenen Angaben, jedoch nicht betrafen. Hätte es derartige Diskriminierungen im Leben des BF tatsächlich gegeben, wie dies in den Stellungnahmen versucht wird darzustellen, so hätte der BF mehrfach die Gelegenheit gehabt, dies auch näher zu präzisieren, was der BF jedoch nicht tat. Daher wird die entsprechende Feststellung getroffen.
2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.
Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.
Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Ghazni zu den relativ instabilen Provinzen im südöstlichen Afghanistans zählt, in der in einigen Distrikten Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen aktiv sind, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.
Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, nach Mazar-e Sharif zurückzukehren. Mazar- e Sharif ist für Zivilisten nach den notorischen EASO Richtlinien zu Afghanistan vom Juni 2016 weitgehen sicher. Die Provinz Balkh zählt nach den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen zu den stabilsten Provinzen Afghanistans. Die Provinz Balkh hat - im Vergleich zu den anderen Provinzen - weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Die Sicherheitslage in der Provinz Balkh hat sich, wie aus den zitierten Länderinformationen zu entnehmen ist, im Vergleich zum Jahr 2016 verbessert. Sowohl EASO als auch UNHCR sehen laut den zitierten Länderinformationen Mazar- e Sharif grundsätzlich als sichere interne Schutz- und Fluchtalternative an.
Der BF verfügt zwar in dieser Stadt über kein soziales Netzwerk, er ist jedoch erwachsen, weitgehend gesund und arbeitsfähig. Er verfügt über eine sechsjährige Schulbildung und hat bereits mehrjährige Berufserfahrung in der Stoffweberei und als Eigentümer eines Ladens auf einem Bazar gesammelt. Er war bisher in der Lage, mit dem daraus erzielten Einkommen sich und seine Familie zu ernähren. Es ist nicht ersichtlich, warum der BF im Falle seiner Rückkehr nicht mehr dazu in der Lage sein sollte.
Die Stadt Mazar-e Sharif entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Im Juni 2017 wurde ein großes Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Das Ermittlungsverfahren ergab hinsichtlich der Stadt Mazar-e Sharif keine Anhaltspunkte dafür, weswegen ausgerechnet der junge, gesunde und arbeitsfähige BF aufgrund seiner persönlichen Situation in der Relation zu den anderen dort lebenden Menschen in einem der Stadteile von Mazar-e Sharif nicht sicher leben könne, wiewohl bei diesen Abwägungen zu berücksichtigen ist, dass der BF in Afghanistan eine Frau und zwei minderjährige Kinder und auch seine Mutter zu versorgen haben wird. Bisher erhält seine Frau finanzielle Unterstützung durch ihren Bruder, und es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieser seine Unterstützungsleistungen fortsetzen wird, bis es dem BF gelungen ist, in Mazar- e Sharif neu Fuß zu fassen. Hinzu kommt, dass der BF in seinem Heimatdorf Eigentümer eines Hauses ist, welches allenfalls auch verkauft werden könnte, um sich in Mazar- e Sharif mit den daraus lukrierten finanziellen Mitteln eine neue Existenz zu schaffen. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht gänzlich ohne finanzielle Mittel sein wird.
Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht ersichtlich, dass der BF bei Rückkehr nach Afghanistan, genauer nach Mazar-e Sharif, in seiner Existenz bedroht wäre. Aufgrund seiner schulischen und beruflichen Kenntnisse sind die Lebensgrundlage und die Existenz des BF im Falle seiner Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz und finanzielle Unterstützung durch seine Familie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausreichend gesichert. Worin die vom BF insbesondere in seiner Beschwerde und der Stellungnahme angeführte reale Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan konkret liegt, vermochte der BF nicht darzutun.
Dass der BF bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich insbesondere auch aus den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Länderfeststellungen, wonach jedenfalls zweifelsfrei feststeht, dass derzeit keine exzeptionellen Umstände in dieser Stadt anzunehmen ist, die annehmen lassen würde, dass der BF dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.
Im Gutachten von Stahlmann, welches der BF in seiner Stellungnahme mehrfach zitiert, wird zwar der Schluss gezogen, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestehe. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in diesem Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und Quelleninterpretation vorgenommen wird. Von regionalen Einzelfällen werden Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen. Die Gutachterin trifft zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen, die im Übrigen einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen, und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Insbesondere weist das Gutachten von Stahlmann nicht denselben Beweiswert für das erkennende Gericht auf, wie länderkundliche Informationen (z.B. Länderinformationsblatt, UNHCR-Richtlinien, EASO Leitlinien zu Afghanistan), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, und vermag daher die auf objektiven und für jedermann nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderinformationen nicht zu entkräften. Seitens des BVwG wird eine individuelle Analyse vorgenommen, und es kommt zu dem Schluss, dass entgegen dem Vorbringen des BF in seinem Fall eine Rückkehr möglich und zumutbar ist.
Der BF ist nach seinen eigenen glaubhaften Angaben weitgehend gesund. Er trägt nach einer Verletzung des Trommelfells ein Hörgerät. Dass der BF dadurch in seiner Arbeitsfähigkeit behindert wäre, brachte dieser nicht vor. Ausgehend von diesen Ermittlungsergebnissen wird keine Feststellung getroffen, dass der BF auch im Falle seiner Rückkehr aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustand geraten wird bzw. dass keine Gründe gesundheitlicher Natur einer Rückführung des BF in seinen Heimatstaat entgegenstehen.
2.5 Zu den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht. Die vom BF in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichungen zu den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen gibt, wird dem entgegengehalten, dass diese Länderinformationen der Staatendokumentation auf dem aktuellen Stand sind, und alle, für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aspekte berücksichtigen. Insoweit in der Beschwerde und den Stellungnahmen des BF auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul Bezug genommen wird, ist festzuhalten, dass der BF, folgend der Empfehlung der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mazar-e Sharif, nicht jedoch nach Kabul verwiesen wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet.
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).
Wie oben ausgeführt ist es dem BF nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Eine Prüfung des Flichtvorbringens mit einem Konventionsgrund erübrigt sich daher und kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Da sich weder aus dem Vorbringen des BF noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des BF ergeben haben, ist kein unter Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.
Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abz