TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/10 W156 2205337-1

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Veröffentlicht am 10.12.2018
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Entscheidungsdatum

10.12.2018

Norm

ASVG §18a
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W156 2205337-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von B XXXX A XXXX , S XXXX gasse XXXX , XXXX M XXXX , vertreten durch Arbeiterkammer Tirol, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 10.07.2018, HVBA- XXXX , betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung wegen Pflege eines behinderten Kindes zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird im Umfang vom 12.09.1994 bis 15.07.1995

stattgegeben und es wird in Abänderung des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass B XXXX A XXXX von 12.09.1994 bis 15.07.1995 zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG berechtigt war.

beschlossen:

B) Im Umfang von 01.09.1995 bis 31.12.1997 wird der angefochten

Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) vom 10.07.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) vom 18.01.2018 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG für den Sohn der BF, D XXXX A XXXX , geboren am

XXXX , zurückgewiesen.

Die belangte Behörde führt in der Begründung ihrer Entscheidung zusammengefasst an, dass Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes

1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird sich bei Vorliegen der übrigen Voraussetzung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes versichern können.

Der Antrag der Beschwerdeführerin wurde abgelehnt, da die BF der Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung unterlegen sei und ab 01.08.1999 kein Bezug einer Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BG BI. Nr. 376, vorgelegen sei. Damit sei eine Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG nicht gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass sich der Antrag der BF vom 18.01.2018 auf Zeiträume beziehe, die vor dem 01.08.1999 lägen und in denen die BF teilzeitbeschäftigt gewesen sei. Seither dem Bescheid vom 21.12.2015 habe sich zudem eine Änderung der Rechtslage ergeben.

3. Die gegenständliche Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 10.09.2018 vorgelegt und am selben Tag der zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF beantragte am 30.07.2014 ihre Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes D XXXX A XXXX , geboren XXXX . Dem Antrag wurde mit Bescheid der PVA vom 21.12.2015 für den Zeitraum vom 01.01.1988 bis 31.08.1995 für insgesamt 81 Monate stattgegeben. Für die Zeit vom 12.09.1994 bis 15.07.1995 und ab 01.09.1995 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die BF der Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung unterlägen sei.

Mit beschwerdegegenständlichem Antrag vom 18.01.2018 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Zeiten der Pflege des Kindes D XXXX A XXXX stellte die BF erneut den Antrag gemäß § 18a ASVG für die Zeiten ab dem 12.09.1994, welcher mit Bescheid vom 10.07.2018 wegen abgewiesen wurde.

Im Zeitraum vom 12.09.1994 bis 15.07.1995 sowie ab 01.09.1995 war die BF in Teilzeit bei der Gemeinde Mieders als Kindergärtnerin beschäftigt.

Für das Kind D XXXX A XXXX wurde bis zu 31.07.1999 erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG bezogen und bedurften dieser im verfahrensgegenständlichen Zeitraum der ständigen.

Für den Zeitraum vom 12.09.1994 bis 15.07.1995 bedurfte D XXXX A XXXX ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege durch die BF.

Für den Zeitraum vom 01.09.1995 bis 31.12.1997 wurde von der belangten Behörde keine Ermittlungsschritte betreffend ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des D XXXX A XXXX durch die BF erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen betreffend die Dienstverhältnisse der BF.

Dass D XXXX A XXXX für den Zeitraum vom 12.09.1994 bis 15.07.1995 ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege durch die BF bedurfte, erschließt sich dem erkennenden Gericht aus der Tatsache, dass dem Antrag der BF im Zeitraum davor und im Anschluss bis zu 31.08.1995 durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 21.12.2015 stattgegeben wurde.

Dass die belangte Behörde keine Ermittlungen zur ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege des D XXXX A XXXX durch die BF für den Zeitraum ab dem 01.09.1995 durchgeführt hat, ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem nicht zu entnehmen ist, dass diesbezüglich ein Ermittlungsschritt gesetzt wurde. Weder erliegt diesem eine gutachterliche Stellungnahme noch ist eine diesbezügliche Begründung dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zu Spruchpunkt A): Stattgebung der Beschwerde für den Zeitraum vom 12.09.1994 bis 15.07.1995:

3.1.1. Maßgebliche Rechtslage:

§ 18 a Abs. 1 - 3 ASVG i.d.F BGBl. Nr. BGBl. Nr. 2/2015 lautet:

"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der

1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)

2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder

3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.

(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind

1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

§ 669 Abs. 3 ASVG, idF BGBl I Nr 125/2017 lautet:

"Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden."

§ 68 Abs. 1 AVG lautet:

"§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

3.1.2. Identität der Rechtslage als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn seit der Erlassung des formell rechtskräftigen Bescheides, dessen Abänderung begeht wird, in den die Entscheidung tragenden Normen, in der Rechtslage, auf welche die Behörde den Bescheid gestützt hat (VwGH 29.11.1988, 87/12/0004) keine wesentliche, die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Modifikation eingetreten ist (VwGH 18.05. 2004, 2001/05/1152; 12.09.2006, 2003/03/0279; 21.06 2007, 2006/10/0093).

Von einer geänderten Rechtslage kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für die Entscheidung waren, nachträglich so geändert haben, dass sie, wären sie schon vorher existent gewesen, eine andere Entscheidung aufgetragen oder ermöglicht hätten (VwGH 30.10.1991, 91/09/0069; 29.06.1998, 98/10/0100, 22.02.2006, 2006/17/0015).

Bedeutsam kann nur eine Änderung einer maßgeblichen Rechtsnorm sein (VwGH 15.06.1988, 88/01/0056).

3.1.3. Im vorliegenden Fall kam es durch BGBI. I Nr. 2/2015 zu einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage, in dem - neben Bestehen der übrigen Voraussetzungen -als Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anspruches auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht mehr die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der BF, sondern lediglich die überwiegende vorliegen muss.

Mit BGBI. I Nr. 125/2017 wurde § 669 Absatz 3 ASVG dahingehend geändert, dass die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden kann, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen.

Mit Abänderungsantrag vom 30.06.2017 zum Gesetzesentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1698 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1613 betreffend ein Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz wurde die derzeit geltende Bestimmung des § 669 Abs. 3 ASVG angenommen und heißt es in den erläuternden Bemerkungen:

"Im Jahr 2015 wurden die Voraussetzungen für die beitragsfreie Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG für Personen, die ein behindertes Kind pflegen, insofern geändert, als insbesondere die Anspruchsvoraussetzung "vollständige Beanspruchung der Arbeitskraft" durch "überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft" ersetzt wurde. Um pensionsrechtliche Härten für Personen zu vermeiden, die während der Pflege eines behinderten Kindes teilzeitbeschäftigt waren, soll auch die rückwirkende Anrechnung von - wie bisher - bis zu zehn Jahren ermöglicht werden, wenn die zum Zeitpunkt der AntragsteIlung geltenden Voraussetzungen während der Pflegezeiten erfüllt waren.

Mit dieser Regelung soll ein Zeichen der Solidarität gegenüber dem Engagement von Personen gesetzt werden, die im Familienkreis und außerhalb von stationären Einrichtungen behindert Kinder oder Angehörige pflegen und betreuen.

Die Kosten dieser Maßnahme werden als äußerst gering eingeschätzt, weil vermutlich sehr wenige Personen betroffen sind und weil keine Auswirkungen auf das Pensionsantrittsalter zu erwarten sind."

Der Bescheid vom 21.12.2015 stützte sich auf die alte Rechtslage, wonach der Antrag für die Zeit vom 12.09.1994 bis 15.07.1995 und ab 01.19.1995 lediglich mit der Begründung abgelehnt wurde, da die BF der Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung unterlag. Dies waren somit die tragenden Entscheidungsgründe, die zur Ablehnung des Antrages der BF seinerzeit führten. Nunmehr ist eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die, wenn sie schon vorher existent gewesen wäre, eine andere Entscheidung aufgetragen oder ermöglicht hätte. Es handelt sich bei der Änderung des Wortlautes "die irgendwann in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 31. Dezember 2012 die Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben " in "die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben" um eine maßgebliche Rechtsvorschrift, die zur tragenden Norm des seinerzeit in Rechtskraft erwachsenen negativen Bescheides zählt.

Es ist somit eine maßgebliche geänderte Rechtslage vorliegend und ergeben sich aus dem vorgelegten Akt und Ermittlungsverfahren der belangten Behörde keine sonstigen Ausschlussgründe, sodass der Beschwerde der BF für den Zeitraum vom 12.09.1994 bis 15.07.1995 jedenfalls stattzugeben und dem Antrag der BF zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG stattzugeben war.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Zurückverweisung:

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG.

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat oder, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat oder, wenn die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich im Umfang vom 01.109.1995 bis 31.12.1997 aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die belangte Behörde hat es unterlassen, zu erheben, ob D XXXX A XXXX in diesem Zeitraum der ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege durch die BF bedurfte. Die Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid betreffend die Ablehnung des Antrages Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG gründet sich lediglich darin, dass die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im genannten Zeitraum nicht vorliege. Ob die weiteren Voraussetzungen zutreffen, ist der Begründung der Entscheidung zu diesem Punkt nicht zu entnehmen.

Da - wie bereits unter Punkt 3.1. ausgeführt, ist eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die nunmehr lediglich auf die überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft für den Zeitraum vom 01.09.1995 bis 31.12.1997 abstellt.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Anspruchs auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht einmal ansatzweise ermittelt erweist, sodass grundlegende und geeignete Ermittlungen und darauf aufbauende Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde den oben getroffenen Ausführungen folgend zu erheben haben, ob D XXXX A XXXX im Zeitraum vom 01.09.1995 bis 31.12.1997 der ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege durch die BF bedurfte und in einem neuen Bescheid entsprechende Feststellungen dazu zu treffen haben.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher den angefochtenen Bescheid im genannten Umfang mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien zurückzuverweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat ein Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Die BF hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung in der Beschwerde gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von Amts wegen aber gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG), zumal es sich im gegenständlichen Verfahren ausschließlich um die rechtliche Frage der Beurteilung der neuen Rechtslage geht, die aus der Aktenlage geklärt werden konnte. Der Sachverhalt erschien daher zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Rechtslage, Selbstversicherung, Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W156.2205337.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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