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L82307 Abwasser Kanalisation Tirol;Norm
KanalisationsG Tir 1985 §10 Abs1 litd;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/06/0031Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerden 1. des P und 2. des PU, beide in H, beide vertreten durch D und M, Rechtsanwälte in W, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung vom 22. Oktober 1998, Zl. Ib-1417/2 (protokolliert zu Zl. 99/06/0030 betreffend den Erstbeschwerdeführer), und Zl. Ib-1416/2 (protokolliert zu Zl. 99/06/0031 betreffend den Zweitbeschwerdeführer), betreffend Ausnahme von der Kanalanschlusspflicht (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Matrai i. O., vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aufgrund der nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 1999, B 2297/98-6, B 2298/98-6, zur Entscheidung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden, die nach Aufforderung durch die Beschwerdeführer ergänzt wurden, und aufgrund der den Beschwerden angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Erstbeschwerdeführer hat im Herbst 1998 mit seinem Sohn einen Übergabsvertrag abgeschlossen, der grundbücherlich noch nicht durchgeführt ist. Zum Zeitpunkt des Verfahrens sei der Erstbeschwerdeführer noch grundbücherlicher Eigentümer der fraglichen Objekte auf den näher angeführten Grundstücken gewesen. Auf dem einen Grundstück besteht ein 100 Jahre alter Bauernhof, der nun von seinem Sohn mit seiner Frau und seinen drei Kindern bewohnt wird. Daneben hat der Erstbeschwerdeführer ein Wohnhaus als Auszugshaus errichtet. Die Abwässer des alten Bauernhauses werden in eine Dreikammerfaulanlage geleitet und die mechanisch geklärten Abwässer gemeinsam mit den gereinigten Abwässern des Wohnhauses des Erstbeschwerdeführers auf eigenem Grund und Boden zur Versickerung gebracht. Auch die Abwässer des Auszugshauses werden ebenfalls in eine Dreikammerkläranlage geführt und anschließend zur Versickerung gebracht. Die Versickerung erfolgt über steiles Gelände und anschließend auf eigenem landwirtschaftlichem Grund und Boden.
Der Zweitbeschwerdeführer ist Landwirt. Der vom Zweitbeschwerdeführer bewirtschaftete Hof besteht aus einem Wirtschaftsgebäude und einem Wohngebäude. Im Wohngebäude ist der Zweitbeschwerdeführer mit seiner Frau, seinen vier Kindern im Alter von 1 bis 6 Jahren, seinem Vater und seinem Onkel wohnhaft. Die Beseitigung der Abwässer erfolgt über eine Zweikammerfaulgrube im Ausmaß von ca. 6 m3, wobei der flüssige Teil versickert und der dichte Teil regelmäßig auf die Felder mit dem landwirtschaftlichen Dung aufgebracht wird.
Die Beschwerdeführer beantragten im Oktober 1997 die Befreiung von der Anschlusspflicht gemäß § 10 Tiroler Kanalisationsgesetz. Mit Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Juli 1998 wurden diese Anträge abgewiesen.
Den dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer wurde mit Bescheiden des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juli 1998 keine Folge gegeben.
Die dagegen erhobenen Vorstellungen der Beschwerdeführer wurden mit den angefochtenen Bescheiden als unbegründet abgewiesen.
Der erstangefochtene Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Abwässer des Bauernhofes in keiner flüssigkeitsdichten Anlage gesammelt würden, sondern über eine wasserrechtlich nicht bewilligte Kläranlage zur oberflächlichen Versickerung gebracht würden. Die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmetatbestände seien daher nicht gegeben. Das näher angeführte Wohnobjekt liege unbestritten 23 m vom Schmutzwasserkanal entfernt. Die Errichtung eines Anschlusskanales in einem solchen Umfang in einen zum anschließenden Objekt tiefer gelegenen Kanalstrang könne nicht einen im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg unvertretbaren Aufwand erfordern. Die Herstellungskosten seien mit S 23.000,-- für die Verlegung der Leitung und ca. S 3.200,-- für die Stilllegung der bestehenden Dreikammeranlage geschätzt worden. Der Gesamtbetrag von S 26.000,-- sei nicht als besonders hoch anzusehen. Das Kriterium des Aufwandes in § 10 Abs. 1 lit. d leg. cit. beziehe sich nur auf jenen Aufwand, den der Anschluss einer Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage verursache. Die Abwasserbeseitigungsanlage des Erstbeschwerdeführers sei im derzeitigen Zustand absolut unzureichend. Die anfallenden Abwässer würden nur einer mechanischen Reinigung unterliegen, andererseits würden sie einfach in die Natur ausgeleitet. Für diese Anlage bestehe keine wasserrechtliche Bewilligung. Der Erstbeschwerdeführer habe auch nicht um eine solche bei der zuständigen Behörde angesucht. Die Befreiung könne nur erteilt werden, wenn eine sonstige unschädliche und hygienisch einwandfreie Beseitigung der Abwässer sichergestellt sei. Dies bedeute, dass eine solche Anlage im Zeitpunkt der Entscheidung hätte bestehen müssen.
Der den Zweitbeschwerdeführer betreffende angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei der Überprüfung, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 lit. a Tiroler Kanalisationsgesetz beim landwirtschaftlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude im Freiland gegeben seien, festgestellt worden sei, dass die Abwässer des separat stehenden Wohngebäudes in einer Grube gesammelt würden, wobei ein Großteil der Abwässer im Untergrund versickere. Die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen einer flüssigkeitsdichten Anlage seien somit nicht gegeben. Bei der Frage, ob der Anschluss nur mit einem zum erzielbaren Erfolg unvertretbaren Aufwand hergestellt werden könnte, sei festgestellt worden, dass der Gemeindekanal direkt vor dem Haus des Zweitbeschwerdeführers vorbeiführe. Es müsse lediglich eine Hausanschlussleiter von 23 m Länge und einer Tiefe von 1,30 m bis 1,50 m geführt werden. Die Kosten für die Herstellung des Anschlusses würden sich auf S 18.000,-- belaufen. Dem gegenüber stehe der Erfolg, dass die Abwässer von 8 Bewohnern ordnungsgemäß entsorgt würden. Unter Aufwand im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz sei nicht nur die technische Schwierigkeit bei der Errichtung des Anschlusskanales, sondern vor allem die finanzielle Belastung der betroffenen Person zu verstehen. Der Anschluss an die öffentliche Kanalanlage sei vom bautechnischen Standpunkt aus gesehen unproblematisch, selbst der Zweitbeschwerdeführer behaupte nicht, dass für die Errichtung des Anschlusskanales ein unvertretbarer hoher Aufwand betrieben werden müsste. Im Gegensatz zur Auffassung des Zweitbeschwerdeführers beziehe sich dieses Kriterium nur auf jenen Aufwand, den der Anschluss einer Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage vorsehe, nicht jedoch auch auf die im Falle des Anschlusses gegebene Anschlussgebühr. Im Rahmen des Kriteriums des unvertretbar hohen Aufwandes könne allerdings der Aufwand der für die Errichtung der eigenen Kläranlage als Vergleichsmaßstab mit zur Beurteilung herangezogen werden. Die Errichtung einer Pflanzenkläranlage würde S 100.000,-- ausmachen. Im Vergleich zu den angeführten Kosten des Anschlusskanales sei die Errichtung einer Pflanzenkläranlage sicherlich unwirtschaftlich.
In den nach Aufforderung vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerden wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. a Tiroler Kanalisationsgesetz, LGBl. Nr. 40/1985, sind Gebäude sowie private Straßen und befestigte Stellplätze mit einer Fläche von mehr als 50 m2 auf Grundstücken, die ganz oder teilweise im Anschlussbereich liegen, anschlusspflichtig. Gemäß § 8 Abs. 1 Tiroler Kanalisationsgesetz ist für jede öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit der Anschlussbereich durch Verordnung des Gemeinderates in der Weise festzulegen, dass der Abstand zwischen der Achse des jeweiligen Sammelkanals und der Grenze des Anschlussbereiches festgesetzt wird. Dieser Abstand ist für den gesamten Anschlussbereich einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage einheitlich festzusetzen. Er darf 200 m nicht übersteigen und ist nach der horizontalen Entfernung zu messen.
Die Tatbestände der Befreiung von der Kanalanschlusspflicht gemäß § 10 Abs. 1 lit. b und d Tiroler Kanalisationsgesetz lauten:
"(1) Die Behörde hat
a)
...
b)
landwirtschaftliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude im Freiland, bei denen häusliche Abwässer im Verhältnis zu den landwirtschaftlichen Abwässern nur in untergeordneter Menge anfallen und sämtliche häusliche und landwirtschaftliche Abwässer in flüssigkeitsdichten Anlagen gesammelt und einer privaten Beseitigung oder Verwertung, insbesondere für Düngezwecke, zugeführt werden können und bei denen keine Niederschlagswässer anfallen, deren Beseitigung zum Schutz der in § 2 Abs. 1 angeführten öffentlichen Interessen dringend geboten ist,
c)
...
d)
Anlagen, deren Anschluss an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage nur mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg unvertretbar hohen Aufwand hergestellt werden könnte,
auf Antrag des Eigentümers der Anlage von der Anschlusspflicht nach § 9 Abs. 1 mit schriftlichem Bescheid zu befreien."
Die Befreiung einer Anlage von der Anschlusspflicht darf gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. nur erteilt werden, wenn eine sonstige unschädliche und hygienisch einwandfreie Beseitigung der bei dieser Anlage anfallenden Abwässer, die auch keine unzumutbare Geruchsbelästigung hervorruft, sichergestellt ist und die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage nicht gefährdet wird.
Wenn die Beschwerdeführer meinen, dass im Rahmen des Kriteriums des unvertretbar hohen Aufwandes gemäß § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz nicht nur jener Aufwand zu berücksichtigen sei, der für die Errichtung des Anschlusskanales erforderlich sei, sondern auch jener, der sich in der Folge bei Inanspruchnahme des Kanals aufgrund der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde ergeben würde, sind sie nicht im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. September 1998, Zl. 98/06/0133, ausgesprochen hat, bezieht sich das Kriterium des Aufwandes in § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz nur auf jenen Aufwand, den der Anschluss einer Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage verursacht. Es kann im Rahmen dieses Kriteriums allerdings der Aufwand, der für die Errichtung einer eigenen Kläranlage erforderlich ist, als Vergleichsmaßstab mit zur Beurteilung herangezogen werden. Auch die Kosten der Gemeinde für die Errichtung der öffentlichen Kanalanlage selbst spielen im Zusammenhang mit der Ausnahme des § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz keine Rolle. Es ist unbestritten, dass der vom Sohn des Erstbeschwerdeführers betriebene Bauernhof 30 m, das Wohnhaus des Erstbeschwerdeführers ca. 23 m bzw. das Wohngebäude des Zweitbeschwerdeführers 23 m von der öffentlichen Kanalanlage entfernt gelegen sind. Die Beschwerdeführer bestreiten auch nicht, dass die von der belangten Behörde angenommenen Kosten für die Errichtung der Hausanschlussleitung (in Bezug auf den Erstbeschwerdeführer S 35.200,-- bzw. 26.200,-- und in Bezug auf den Zweitbeschwerdeführer S 18.000,--) unvertretbar hoch seien. Der jeweils angenommene Kostenaufwand kann auch aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht als unvertretbar hoher Aufwand im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz qualifiziert werden.
Eine allfällige Berücksichtigung einer Ausnahme vom Gebot, dass eine Abwasserbeseitigungsanlage dem Stand der Technik entsprechen muss, gemäß § 12a Abs. 2 Wasserrechtsgesetz im Rahmen der Ausnahmetatbestände des § 10 Tiroler Kanalisationsgesetz kann - wenn überhaupt - immer nur dann von Bedeutung sein, wenn eine solche Ausnahme für eine Anlage im Zeitpunkt der Entscheidung der Kanalanschlusspflicht gewährt wurde. Dies ist nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführer nicht der Fall.
Was das Vorbringen in den Beschwerden betreffend die Ausnahme für landwirtschaftliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude gemäß § 10 Abs. 1 lit. b Tiroler Kanalisationsgesetz betrifft, bestreiten die Beschwerdeführer die für die Behörde in diesem Zusammenhang maßgebliche Annahme nicht, dass sämtliche häuslichen und landwirtschaftlichen Abwässer nicht in einer flüssigkeitsdichten Anlage im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. b Tiroler Kanalisationsgesetz gesammelt werden. Es muss daher auf die weitere Frage, ob im Sinne des § 10 Abs. 3 leg. cit. eine sonstige unschädliche und hygienisch einwandfreie Beseitigung der bei dieser Anlage anfallenden Abwässer sichergestellt ist, nicht näher eingegangen werden. Im Hinblick darauf, dass die Abwässer unbestritten nicht in flüssigkeitsdichten Anlagen gesammelt werden, war die Behörde im Zusammenhang mit diesem Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 1 lit. b leg. cit. nicht gehalten, weitere Feststellungen über die Art und Weise der Verwertung der Abwässer zu treffen.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Es erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 25. Juni 1999
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 ErrichtungsaufwandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999060030.X00Im RIS seit
12.11.2001