Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §1332;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/09/0003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über I. den Antrag 1. des F B in S und 2. des P R in K, beide vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 3. Oktober 2016, Zlen. 405-7/167/1/6-2016 und 405-7/168/1/6-2016, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), sowie II. die außerordentliche Revision gegen das genannte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 3. Oktober 2016, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg wurden die Revisionswerber nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung schuldig erkannt, sie hätten es als handelsrechtliche Geschäftsführer der A s.r.o. in B, Slowakei, zu verantworten, dass diese Gesellschaft 32 näher bezeichnete kroatische Staatsangehörige zu jeweils konkret angeführten zwischen 20. November 2012 und 29. Juli 2013 liegenden Zeiträumen (als ausländischer Arbeitgeber und Überlasser) entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) mit Tunnelbauarbeiten beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Wegen der dadurch in 32 Fällen begangenen Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a und § 3 Abs. 1 AuslBG wurden über die Revisionswerber jeweils nach der Beschäftigungsdauer 32 Geldstrafen zwischen 2.000,-- und 4.000,-- Euro (im Nichteinbringungsfall dazu korrespondierende Ersatzfreiheitsstrafen zwischen zwei und vier Tagen) verhängt. Zudem wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2016, E 2884/2016-5, die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerden abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter der Revisionswerber ihren eigenen Angaben zufolge am 28. Dezember 2016 zugestellt.
3 Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2018 stellten die Revisionswerber den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis vom 3. Oktober 2016 und führten die Revision zugleich aus.
4 Zum Wiedereinsetzungsantrag brachten sie vor, dass die Eintragung und die Verwaltung sämtlicher Termine und Fristen in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Revisionswerber der mit der Kanzleileitung betrauten Frau X obliege. Diese sei eine sehr zuverlässige Sekretärin, die die Eintragung stets korrekt und zuverlässig vornehme. Zusätzlich hinterfrage der Rechtsvertreter regelmäßig stichprobenweise die erfolgte Eintragung der Fristen und es bestehe auf diese Weise eine mehrfache Kontrolle. Entgegen der Regelung und Vereinbarung, sämtliche Fristen sofort in das zentrale Fristenbuch im Sekretariat einzutragen, sei dies im vorliegenden Fall aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht vorgenommen worden. Anfang Jänner 2017 habe der Rechtsanwaltsanwärter Y aufgrund eines Auftrages des Rechtsvertreters vom 2. Jänner 2017 einen Entwurf für eine Revision verfasst, aus unerfindlichen Gründen sei der Handakt dann nach den Feiertagen aber abgelegt und nicht dem Rechtsvertreter zur Durchsicht des Entwurfs erneut vorgelegt worden. Infolge der von der belangten Behörde übermittelten Zahlungsaufforderungen sei seitens der Kanzlei in der Annahme eines ohnehin anhängigen Verfahrens routinemäßig ein "neuerlicher" Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an den Verwaltungsgerichtshof gestellt worden. Mit dessen am 4. Dezember 2018 zugestellten Antwortschreiben, worin die Aufforderung erfolgt sei, dem Verwaltungsgerichtshof binnen vierzehn Tagen bekannt zu geben, ob und gegebenenfalls wann beim Verwaltungsgericht in dieser Sache Revision erhoben worden sei, habe der Rechtsvertreter festgestellt, dass tatsächlich eine solche noch nicht eingebracht worden sei. Die Versäumung der Revisionsfrist sei auf ein unglückliches Aufeinandertreffen mehrerer unvorhergesehener und unabwendbarer Ereignisse zurückzuführen. Wenn auch die fehlende Rechtsbelehrung im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2016 per se keinen Wiedereinsetzungsgrund darzustellen vermöge, sei doch das Verschulden aus diesem Grund als geringfügig einzustufen.
5 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
6 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/06/0027). Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098; 29.5.2015, Ra 2015/08/0013; 27.5.2014, 2014/16/0001).
7 Für die richtige Beachtung einer Rechtsmittel- oder Beschwerdefrist ist grundsätzlich immer der Parteienvertreter selbst verantwortlich, der die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Angestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen hat. Ein Parteienvertreter, der sich aus welchen Gründen immer auf die Richtigkeit der Fristvormerkungen von Angestellten verlässt, tut dies auf die Gefahr, dass das als ein die Wiedereinsetzung ausschließendes und der von ihm vertretenen Partei zuzurechnendes Verschulden qualifiziert wird. Wohl ist eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Rechtsanwalt nicht zuzumuten, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Um einen solchen rein manipulativen Vorgang handelt es sich jedoch nicht bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist. Wenn der Parteienvertreter die Rechtmittelfrist damit nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmt, sondern diese Bestimmung der Frist seinen Kanzleiangestellten überlässt, so obliegt es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren (vgl. VwGH 24.9.2003, 2003/13/0076).
8 Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtsprechung ist der Parteienvertreter sohin für die richtige Beachtung einer Rechtsmittelfrist grundsätzlich immer selbst verantwortlich. Der Parteienvertreter stützt sich im vorliegenden Fall auf seine "sehr zuverlässige" Kanzleileiterin X, die "die Eintragung von Fristen stets korrekt und zuverlässig" vornehme. Der Parteienvertreter
selbst "hinterfrag(e) ... regelmäßig stichprobenweise die erfolgte
Eintragung von Fristen". Auf diese Art bestehe eine "mehrfache Kontrolle". Der Parteienvertreter bringt nicht vor, dass er die kalendermäßige Bestimmung der Rechtsmittelfristen vornehme bzw. eine solche überwache. Die kalendarische Vormerkung einer Rechtsmittelfrist ist jedoch, wie bereits oben ausgeführt, kein manipulativer Vorgang, (selbst) stichprobenartige Überprüfungen sind im Allgemeinen nicht ausreichend (vgl. VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098; 24.9.2003, 2003/13/0076). Worin bei dem vom Parteienvertreter beschriebenen System außerdem die "mehrfache Kontrolle" bestehen soll, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus wird vom Parteienvertreter auch nicht aufgezeigt, welche allfälligen (Kontroll-)Maßnahmen in seiner Kanzleiorganisation zur Entsprechung der Erstellung von Erledigungsentwürfen durch den beauftragten Rechtsanwaltsanwärter und deren Vorlage an den Rechtsanwalt bestanden haben (wodurch ihm auch die fehlende Fristsetzung bzw. das drohende Fristende auffallen hätte müssen).
9 Angesichts dieser Umstände, die für das Vorliegen mehrerer Versäumnisse sprechen, kann der Parteienvertreter somit insgesamt die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems in seiner Kanzleiorganisation im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerade nicht dartun, wodurch er seinen Sorgfaltspflichten nicht ausreichend Genüge getan hat.
10 Aus diesen Gründen fällt dem Parteienvertreter ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Revisionserhebung zur Last, das einen minderen Grad des Versehens gemäß § 46 Abs. 1 VwGG übersteigt, weshalb dem Antrag nicht stattzugeben war. Im Hinblick darauf kann auch dahingestellt bleiben, ob nicht bereits die Frist zur Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt war, weil dem Parteienvertreter bereits bei Stellung des mit 26. November 2018 datierten "neuerlichen" Antrages auf aufschiebende Wirkung, hg. eingelangt am 28. November 2018, auffallen hätte müssen, dass ursprünglich gar keine Revision erhoben worden ist (der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde dann nach einem zwei Wochen übersteigenden Zeitraum nach dem Antrag auf aufschiebende Wirkung eingebracht; vgl. dazu, dass von der Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen ist, zu dem die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste, VwGH 24.9.2015, Ra 2015/07/0113; 21.4.2006, 2006/02/0073).
11 Soweit der Parteienvertreter im Übrigen meint, aufgrund der fehlenden Rechtsbelehrung im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2016, mit dem die Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurden, sei das Verschulden als geringfügig einzustufen, ist ihm die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach der Umstand, dass der Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes keinen Hinweis auf die nach § 26 Abs. 4 VwGG gebotene Vorgangsweise enthält, keinen Wiedereinsetzungsfall nach § 46 Abs. 2 VwGG zu begründen vermag (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/06/0027; 24.2.2016, Ra 2015/09/0145). Die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter stellt auch keinen minderen Grad des Versehens (iSd § 46 Abs. 1 VwGG) dar, weil vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient. Im vorliegenden Fall ist die Änderung der Rechtslage bereits mit 1. Jänner 2014 und sohin beinahe drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Abtretung der gegenständlichen Beschwerde seitens des Verfassungsgerichtshofes in Kraft getreten. Zur Frage der Einbringung einer Revision nach vorher erfolgter Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG bestand zum Zeitpunkt der Abtretung der gegenständlichen Beschwerde außerdem bereits eine ständige hg. Rechtsprechung (vgl. noch einmal VwGH 23.3.2017, Ra 2017/06/0027, mwN).
12 Demzufolge war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 24. Jänner 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090002.L00Im RIS seit
18.02.2019Zuletzt aktualisiert am
19.02.2019