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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung nachträglicher AbtretungsanträgeSpruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der zweiwöchigen Frist gemäß §87 Abs3 VerfGG zur Stellung nachträglicher Anträge auf Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wird bewilligt.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Beschluß vom 26. November 1996 hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von den jetzigen Antragstellern eingebrachten Beschwerden gegen Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland abgelehnt. Dieser Beschluß wurde dem Rechtsvertreter der Antragsteller am 31. Jänner 1997 zugestellt.
2. Mit Schriftsatz vom 13. März 1997 beantragten die Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der zweiwöchigen Frist gemäß §87 Abs3 VerfGG zur Stellung eines Antrages auf Abtretung der jeweiligen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung, sie seien durch ein unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden an der Wahrung der Antragsfrist gehindert gewesen.
Die Anträge seien am letzten Tag vom Rechtsvertreter unterfertigt, von der Kanzleileiterin in einem Briefumschlag kuvertiert und zur Post vorbereitet worden. Vor Aufgabe des Kuverts bei der Post habe die Kanzleileiterin bei der Schlichtungsstelle für den 1. und 8. Bezirk Einsicht in einen ein anderes Verfahren betreffenden Akt genommen. Als die Kanzleileiterin anläßlich dieser Akteneinsicht Unterlagen wieder in ihrer Aktentasche verstaute, müsse das betreffende Poststück irrtümlich zu anderen Unterlagen gerutscht sein. Die Kanzleileiterin habe daher, als sie daraufhin die zur Versendung vorbereiteten Poststücke aufgab, nicht bemerkt, daß die an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Abtretungsanträge sich nicht mehr unter diesen vorbereiteten Poststücken befanden. Nach Rückkehr in die Kanzlei habe die Kanzleileiterin die Unterlagen, ohne sie zu öffnen, jedoch mit dem Bemerken, eine vollständige Aktenabschrift besorgt zu haben, auf den Schreibtisch des Rechtsvertreters der Antragsteller gelegt. Dieser öffnete die Unterlagen erst am 3. März 1997 und stellte dabei fest, daß sich unter diesen das Kuvert mit den an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Abtretungsanträgen befand. Ein derartiger Fehler sei der Kanzleileiterin bisher noch nicht unterlaufen. Dieses Versehen könne daher - wenn überhaupt - nur als minderer Grad des Versehens angesehen werden.
II. 1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der ZPO sinngemäß anzuwenden: Gemäß §148 Abs2 ZPO muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses, welches die Versäumung verursachte, gestellt werden.
Die rechtzeitige Einbringung der Abtretungsanträge wurde durch das Versehen der Kanzleileiterin verhindert. Dieses Hindernis gelangte dem Rechtsvertreter der Antragsteller am 3. März 1997 zur Kenntnis und fiel damit zu diesem Zeitpunkt weg. Die Frist des §148 Abs2 ZPO hat daher mit diesem Tag zu laufen begonnen.
Da der Wiedereinsetzungsantrag am 14. März 1997 persönlich eingebracht wurde, ist er rechtzeitig.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch begründet.
Gemäß §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1981, 11706/1988).
Nach dem vom Verfassungsgerichtshof als glaubhaft angenommenen Vorbringen der Antragsteller kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, daß der unterlaufene Fehler einen minderen Grad des Versehens übersteigt und der Fristversäumung mehr als leichte Fahrlässigkeit zugrundeliegt (vgl. VfSlg. 12372/1990).
3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher zu bewilligen.
Dieser Beschluß konnte gemäß §33 zweiter Satz VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden. Über den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird vom Referenten gesondert zu entscheiden sein (§87 Abs3 VerfGG).
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B3039.1996Dokumentnummer
JFT_10029390_96B03039_00