TE Vwgh Beschluss 1999/6/25 99/19/0107

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Veröffentlicht am 25.06.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §113 Abs6;
FrG 1997 §115 Abs1;
FrG 1997 §115 Abs2;
FrG 1997 §115;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, in der Beschwerdesache des am 12. März 1966 geborenen NM in P, Jugoslawien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bundesminister für Inneres, wegen Verletzung der Entscheidungpsflicht i.A.

Niederlassungsbewilligung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit seiner am 7. Juni 1999 überreichten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde. Er habe am 4. April 1995 beim Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Verlängerung der ihm bis dahin erteilten Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet gestellt. Dieser Antrag sei mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. September 1995 abgewiesen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 28. November 1995 abgelehnt und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten habe.

Das in Rede stehende Beschwerdeverfahren war beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 96/19/0306, anhängig. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1998 wurde die Beschwerde in Anwendung der §§ 113 Abs. 6 und 115 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt. Die Zustellung dieses Beschlusses an die belangte Behörde erfolgte am 7. August 1998. Der Beschwerdeführer vertritt nun die Aufassung, die belangte Behörde sei daher ab diesem Zeitpunkt zur Erlassung eines Ersatzbescheides verpflichtet gewesen. Da ein solcher innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 27 VwGG nicht ergangen sei, erweise sich die vorliegende Säumnisbeschwerde als zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 113 Abs. 6 und § 115 Abs. 1 und 2 FrG 1997 lauten:

"§ 113. ...

(6) Rechtskräftige Bescheide, mit denen eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt wurde oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde, treten mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der Betroffene sie beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof angefochten und dieser die Entscheidung noch nicht getroffen hat. In diesen Fällen ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen. Mit dem Beschluss über die Gegenstandslosigkeit der Bescheide tritt auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft.

...

§ 115. (1) § 113 Abs. 6 und § 114 Abs. 4 und 5 gelten für Beschwerden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängig und nicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG oder § 19 Abs. 3 Z. 2 lit. a, b, d oder e VfGG zurückzuweisen sind. Die Parteien eines solchen höchstgerichtlichen Verfahrens haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen.

(2) Der Verwaltungsgerichtshof kann die Beschlüsse über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerden in Fällen, die

1. seit dem Jahr 1995 anhängig sind, erst nach dem 1. April 1998,

2. seit dem ersten Halbjahr 1996 anhängig sind, erst nach dem 1. Juli 1998,

3. seit dem zweiten Halbjahr 1996 anhängig sind, erst nach dem 1. Jänner 1999,

4. seit dem ersten Halbjahr 1997 anhängig sind, erst nach dem 1. Juli 1999,

fassen; dies gilt jedoch nicht, wenn die Behörde erster Instanz dem Verwaltungsgerichtshof mitteilt, dass gewichtige öffentliche Interessen an einer unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung der betroffenen Fremden bestehen oder dass dem Fremden nunmehr ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Die Frist des § 73 AVG beginnt in diesen Fällen mit dem Einlangen des Beschlusses bei der Behörde zu laufen."

In den Materialien zu dieser Gesetzesbestimmung (AB 755 BlgNR 20. GP, zu §§ 111 bis 117) heißt es (auszugsweise):

"Bestimmte Arten von beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden werden mit Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 am 1. Jänner 1998 außer Kraft treten, und das Verfahren wird in den Stand vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zurückversetzt. Die Behörde erster Instanz hat dann - sobald der Verwaltungsgerichtshof einen Beschluss über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerden gefasst hat - das Verfahren nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 durchzuführen. Die Beschlussfassung über die Gegenstandslosigkeit einer Beschwerde wird zeitlich versetzt - je nach dem Einbringungsdatum der Beschwerde - erfolgen (§ 115 Abs. 2)."

Der Beschwerdeführer vertritt nun die Auffassung, mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1998 sei eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde ausgelöst worden. Damit verkennt er jedoch den Regelungsgehalt des § 113 Abs. 6 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 FrG 1997:

Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. den hg. Beschluss vom 3. April 1998, Zl. 95/19/1771) ausgeführt hat, bezwecken die zitierten Gesetzesbestimmungen insbesondere durch die in § 115 FrG 1997 vorgesehene zeitlich gestaffelte Abfolge der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Einstellungen, die Steuerung des mit der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes verbundenen - neuerlichen - Anfalls von Bewilligungsanträgen bei den Verwaltungsbehörden. Dabei ist es im Sinne eines "Gesamtkonzepts" beabsichtigt, diese Akten der in § 115 Abs. 2 FrG 1997 vorgesehenen Abfolge entsprechend, nach dem Außerkrafttreten des erstinstanzlichen Bescheides der Behörde erster Instanz zur neuerlichen Prüfung zuzuweisen.

Entsprechend diesem "Gesamtkonzept" ist § 115 Abs. 2 letzter Satz FrG 1997 jedenfalls dahin zu verstehen, dass das Außerkrafttreten des angefochtenen Bescheides am 1. Jänner 1998 keine Entscheidungspflicht der letztinstanzlichen Aufenthaltsbehörde auslöst, solange der Verwaltungsgerichtshof einen Beschluss über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde noch nicht gefasst hat.

Mit der Beschlussfassung über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde aber tritt aus dem Grunde des § 113 Abs. 6 letzter Satz FrG 1997 auch - was der Beschwerdeführer übersieht - der erstinstanzliche Bescheid außer Kraft. Dies bewirkt aber - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - die neuerliche Anhängigkeit des Verfahrens über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bei der erstinstanzlichen Behörde. Für die Erlassung eines Berufungsbescheides "in der Sache" durch die zweitinstanzliche Behörde besteht daher nach Fassung des Beschlusses über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kein Raum.

Wie sich aus den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien ergibt, soll das Verfahren durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes über die Gegenstandslosigkeit "in den Stand vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zurückversetzt" werden. Mit dieser Formulierung in den Gesetzesmaterialien ist nun zum Ausdruck gebracht, dass durch das Außerkrafttreten des erstinstanzlichen Bescheides auch die Berufung als erledigt gilt, weil das Verfahren ja in ein Stadium vor Berufungserhebung zurücktritt. Die Berufungsbehörde war daher nicht etwa verpflichtet, die Berufung des Beschwerdeführers auf Grund des mittlerweiligen Außerkrafttretens des mit dieser Berufung angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides zurückzuweisen.

Für diese hier vertretene Interpretation spricht neben der wiedergegebenen Formulierung in den Erläuterungen auch der Gesetzeszweck der §§ 113 Abs. 6, 115 FrG 1997, welche darauf abzielen, unter Vermeidung jedweden Formalismus eine neuerliche Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde über den Antrag des Fremden nach Maßgabe der Bestimmungen des FrG 1997 herbeizuführen.

Bestand nach dem Vorgesagten aber nach Erlassung des Einstellungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofes keine Entscheidungspflicht der belangten Behörde (sondern eine solche der erstinstanzlichen Behörde), lag auch im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde eine Verletzung derselben durch die belangte Behörde nicht vor.

Die Säumnisbeschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 1999

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999190107.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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