TE Vwgh Beschluss 2019/2/1 Ra 2019/01/0027

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Veröffentlicht am 01.02.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs1;
BFA-VG 2014 §9 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision des A B C, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Dezember 2018, Zl. I406 1317049- 2/25E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Ergebnis den Antrag des Revisionswerbers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz in der Sache vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria fest und setzte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise. Weiters sprach das BVwG aus, eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG sei nicht zulässig.

2 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, die gegenständlich durch das BVwG vorgenommene Beweiswürdigung sei aus näher angeführten Gründen unschlüssig und das BVwG hätte die Ex-Lebensgefährtin des Revisionswerbers einvernehmen müssen; weiters sei das BVwG bei der gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Soweit sich der Revisionswerber gegen die durch das BVwG im Hinblick auf seinen vorgebrachten Fluchtgrund (Homosexualität) durchgeführte Beweiswürdigung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig ist; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. für viele etwa VwGH 21.12.2018, Ra 2018/01/0324, mwN). Darüberhinaus unterliegt die Frage, ob eine Beweisaufnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig ist, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 21.6.2018, Ra 2017/01/0381, mwN). Einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Fehler in der durch das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - vorgenommenen Beurteilung zeigt das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision fallbezogen weder im Zusammenhang mit der durchgeführten Beweiswürdigung noch im Zusammenhang mit der unterlassenen zeugenschaftlichen Einvernahme der Ex-Lebensgefährtin des Revisionswerbers auf.

7 Weiters ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Unter den genannten Voraussetzungen hängt eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG ab (vgl. nochmals VwGH 21.12.2018, Ra 2018/01/0324, mwN).

8 Es trifft zwar zu, dass - worauf die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung zutreffend hinweist - im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden in der Regel von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Fallbezogen setzte sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis jedoch mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auseinander und gelangte - unter Bedachtnahme auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalles - unter gewichtender Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers in Form einer Gesamtbetrachtung auf jedenfalls nicht unvertretbare Weise zum Überwiegen des öffentlichen Interesses und damit zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (vgl. dazu z.B. VwGH 4.10.2018, Ro 2018/22/0011, 29.8.2018, Ra 2018/22/0180, 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, 19.11.2014, Ra 2014/22/0001, oder vergleichbar auch VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0072).

9 Dass die im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK bzw. § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG durch das BVwG vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar sei, zeigt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nicht auf. Insbesondere tritt sie den Feststellungen des BVwG, der Revisionswerber habe trotz seines ca. 11-jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ein sehr schwach ausgeprägtes Privatleben und mit Ausnahme von telefonischem Kontakt zu seinem in der Zwischenzeit zusammen mit seiner Ex-Lebensgefährtin im Ausland lebenden Sohn kein Familienleben, nicht substantiiert entgegen.

10 Angesichts der jedenfalls nicht unvertretbaren Entscheidung des BVwG im Einzelfall liegt daher im Hinblick auf die angefochtene Rückkehrentscheidung entgegen der Ansicht des Revisionswerbers gegenständlich kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

11 In der Revision wurde damit insgesamt keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. Februar 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010027.L00

Im RIS seit

18.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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