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20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1974 geborenen G M in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Dezember 1996, Zl. 303.453/4-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte durch einen Rechtsvertreter einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 17. Mai 1996 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft, und zwar mit ihrem Ehegatten, einem österreichischen Staatsbürger, an. Anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme beim Magistrat der Stadt Wien am 26. August 1996 gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin an, es handle sich bei gegenständlicher Ehe mit der Antragstellerin um keine echte Ehegemeinschaft. Er sei von einem Bekannten im Sommer 1993 in einem Gasthaus in Wien zur Eheschließung mit der Antragstellerin überredet worden. Er habe selbst keine Heiratsabsicht gehabt, sondern lediglich der Antragstellerin durch die Eheschließung zu Aufenthaltsbewilligung und Arbeit in Österreich verhelfen wollen. Für die Eheschließung sei ihm kein Geld angeboten worden, er habe ein solches auch nicht erhalten. Anlässlich des Treffens im Gasthaus habe der Ehegatte die Antragstellerin das erste Mal gesehen, die Trauung sei nicht von ihm eingereicht worden. Bei der Eheschließung am Standesamt Wien-Hietzing am 3. August 1993 habe er die Antragstellerin zum zweiten Mal gesehen. Er habe mit der Antragstellerin nie einen gemeinsamen Ehe-Haushalt gegründet, weil dies nicht beabsichtigt gewesen sei. Er habe zu ihr auch keinen Kontakt gepflegt und habe sie nur dann getroffen, wenn sie Dokumente für Ämter benötigt habe. Er habe zur Antragstellerin auch keinerlei intime Beziehungen aufgenommen und mit ihr nie eine Lebensgemeinschaft gehabt. Die Ehe bestehe "in Wirklichkeit" nur auf dem Papier.
Mit Bescheid vom 26. August 1996 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Begründend wurde ausgeführt, der österreichische Ehegatte der Antragstellerin habe am 26. August 1996 niederschriftlich angegeben, dass er am 3. August 1993 mit der Antragstellerin eine Scheinehe geschlossen habe. Die Antragstellerin habe durch dieses Verhalten gezeigt, dass sie durchaus bereit sei, eine Scheinehe einzugehen, um fremdenrechtliche Vorschriften zu umgehen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe weder die Gelegenheit gehabt, zu der "hinter ihrem Rücken" durchgeführten Einvernahme ihres Ehegatten in irgendeiner Form Stellung zu nehmen, noch sei ihr der genaue Inhalt der Aussagen des Ehegatten vorgehalten worden. Dies sei eine eklatante Verletzung ihrer Parteirechte im Hinblick auf § 45 Abs. 3 AVG. Es stehe vielmehr fest, dass ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger bereits seit drei Jahren andauere und diese Ehe gut geführt werde. Sie habe ihre Ehe in der Absicht geschlossen, eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft einzugehen, die Führung der Lebensgemeinschaft sei aber auf Grund der bisherigen Vorgangsweise der Behörde erster Instanz nicht möglich gewesen, weil diese bislang keine Aufenthaltsbewilligung erteilt habe, weshalb die Lebensgemeinschaft nur besuchsweise habe aufrechterhalten werden können. Von ihrer Seite sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Eheschließung keine Mentalreservation vorgelegen, Sie habe ihren Ehegatten aus Liebe geheiratet. Der lapidare Hinweis auf eine angebliche Aussage des österreichischen Ehepartners genüge ohne weitere Überprüfungshandlungen keinesfalls, um die Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zu rechtfertigen. Es gebe zahlreiche Zeugen, die bestätigen würden, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und dem österreichischen Ehegatten keinesfalls eine Scheinehe sei, sondern dass diese sehr wohl aufrecht sei und auch vollzogen wurde. Sie beantrage u.a. ihre persönliche Einvernahme.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 12. Dezember 1996 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung zum Vorwurf der Scheinehe Stellung genommen und ausgeführt, ihre Ehe sei nach wie vor aufrecht und ein gemeinsamer Wohnsitz liege vor, sie habe die Ehe jedenfalls in der Absicht geschlossen, eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft einzugehen. Wenn ihr Ehegatte angebe, die Ehe auflösen zu wollen, so sei ihr dieser Umstand nicht bekannt. Sie jedenfalls sei bereit, die Ehe weiterzuführen.
Auf Grund der dem Antrag beigelegten Heiratsurkunde sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin am 3. August 1993 einen österreichischen Staatsbürger geehelicht habe. Der Ehegatte habe jedoch auf Befragung niederschriftlich angegeben, dass die Ehe mit der Beschwerdeführerin nur eingegangen worden sei, um ihr die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung zu vereinfachen. Die Eheschließung sei nach Vermittlung erfolgt, ihr Ehegatte habe sie bei der Hochzeit zum zweiten Mal gesehen. Es habe kein Kontakt bestanden, ausgenommen Treffen, wenn sie Dokumente "von den Ämtern" gebraucht habe. Ein gemeinsamer Wohnsitz oder eine intime Beziehung habe nicht bestanden. Mit den in der Berufung gemachten Angaben der Beschwerdeführerin habe sie die niederschriftlich festgehaltenen Angaben ihres Ehegatten nicht entkräften können. Für die Behörde stehe daher fest, dass sie die Ehe nur geschlossen habe, um sich fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen. Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, dass die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten dar, welches dazu führe, dass die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre. Auf Grund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzulehnen und sie somit von weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 10. Jänner 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:
"§ 10 (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen,
wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenzen ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).
Nach dem gemäß § 67 AVG von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0027).
In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde in Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe ausschließlich von dem Sachverhalt aus, der sich aus der Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin ergibt. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit einem Wort aus, weshalb die Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin glaubhafter seien als diejenigen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren, die im Übrigen nur in verkürzter Weise wiedergegeben werden. Welche Überlegungen die belangte Behörde dazu veranlasst haben, den Aussagen des Ehegatten höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen als der in der Berufung erfolgten Darstellung der Beschwerdeführerin, geht aus dem angefochtenen Bescheid somit nicht hervor und entzieht sich daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.
Der angefochtene Bescheid, der, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, jegliche Beweiswürdigung und Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vermissen lässt, entspricht folglich nicht den obgenannten Erfordernissen einer Bescheidbegründung.
Da - wie auch das Beschwerdevorbringen zeigt - nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Ersatz von Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 25. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190454.X00Im RIS seit
02.05.2001