Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker und Helmut Purker (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI H*****, vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang, Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Kontoerstgutschrift, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. April 2018, GZ 11 Rs 23/18h-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Jänner 2018, GZ 56 Cgs 72/17a-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Antrag des Klägers, „den gegenständlichen Fall bzw insbesondere die §§ 20 ff FSVG einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen“, wird zurückgewiesen.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 7. 2. 1955 geborene Kläger erwarb
– vorwiegend als selbständiger Künstler – von März 1970 bis März 2017 gesamt 523 Versicherungsmonate bei der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nach dem GSVG (davon 115 Versicherungsmonate nach dem ASVG sowie einen Monat an Ersatzzeit).
Im Zeitraum von 1. 4. 1991 bis 30. 6. 1998 erwarb der Kläger aufgrund einer Beitragsverpflichtung als Architekt 87 Versicherungsmonate im „Altersklassensystem“ in den Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten (in der Folge: Wohlfahrtseinrichtungen bzw WE). Dafür leistete er 27.055,44 EUR an Beitragszahlungen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die vom Kläger begehrte Berücksichtigung dieser Zeiten und der von ihm dafür geleisteten Beiträge bei der Bemessung der Kontoerstgutschrift durch die Beklagte zum 1. 1. 2014.
Das Kuratorium der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten stellte gemäß § 33 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten (Statut der Wohlfahrtseinrichtungen WE 2004, 179. Verordnung der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten Zl 176/04, idF der 211. Verordnung vom 25. 10. 2012, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundes-Architekten- und Ingenieurskonsulentenkammer Nr II/2012; in weiterer Folge: Statut-WE) mit Bescheid vom 19. 9. 2014 den Erwerb der oben genannten Versicherungszeiten durch den Kläger im Altersklassensystem fest. Es stellte fest, dass der Kläger im Pensionskontensystem keine Versicherungsmonate erworben hat. Schließlich stellte es fest, dass keine Anwartschaften aus dem Pensionsfonds vorliegen, weil der Kläger zum Stichtag 31. 12. 2012 die Wartezeit gemäß § 11 Abs 2 Statut-WE nicht erfüllte.
Der Kläger stellte keinen Antrag auf Nachkauf von Versicherungsmonaten. Er nahm nicht am Pensionskontensystem (nach dem Statut-WE) teil.
Seit März 2017 bezieht der Kläger von der beklagten Partei eine Alterspension (Korridorpension).
Mit Bescheid vom 16. 2. 2017 stellte die Beklagte die Kontoerstgutschrift für den Kläger zum 1. 1. 2014 mit 25.295,48 EUR fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch (§ 367a ASVG).
Mit dem nunmehr angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 6. 6. 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16. 2. 2017 ab. Sie stellte die Kontoerstgutschrift zum 1. 1. 2014 mit 25.295,48 EUR fest und wies den Antrag des Klägers, Beitragszeiten bei den in die Beklagte übergeleiteten Wohlfahrtseinrichtungen der Architekten und Ingenieurskonsulenten für die Kontoerstgutschrift zu berücksichtigen, ab. Die Überleitung der Beitragszeiten werde in § 33 Abs 3 FSVG abschließend geregelt: Demnach gelten diese Zeiten als Beitragszeiten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit nach § 4 Abs 1 APG und einigen anderen in dieser Bestimmung genannten Anspruchsvoraussetzungen. Eine Berücksichtigung der Beitragszeiten bei den Wohlfahrtseinrichtungen für die Feststellung der Kontoerstgutschrift gemäß § 15 APG sei in § 33 Abs 3 FSVG nicht vorgesehen. Eine solche ergebe sich auch nicht aus der die Überleitung der Anwartschaften in den Wohlfahrtseinrichtungen regelnden Bestimmung des § 20d FSVG.
Mit seiner gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Klage begehrt der Kläger die Berücksichtigung der vom 1. 4. 1991 bis 30. 6. 1998 bei den – in die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft übergeleiteten – Wohlfahrtseinrichtungen erworbenen Beitragszeiten für die Kontoerstgutschrift auf seinem Pensionskonto. Hilfsweise begehrt er (nach Modifikation), die im Zeitraum von 1. 4. 1991 bis 30. 6. 1998 in die Wohlfahrtseinrichtungen eingezahlten Beträge von 27.055,44 EUR im Sinn einer freiwilligen Höherversicherung seinem Pensionskonto gutzuschreiben. Der Kläger stellt nicht in Frage, dass die bei den Wohlfahrtseinrichtungen zurückgelegten Zeiten 120 Monate nicht erreichten, sodass die Wartezeit für eine Leistung des Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen nicht erfüllt sei. Dies könne aber nicht dazu führen, dass die von ihm erworbenen Zeiten vollständig verloren gingen. Dies wäre auch nicht der Fall gewesen, wenn der Kläger in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union tätig gewesen wäre, sodass die Rechtsansicht der Beklagten unionsrechtswidrig sei. Sie sei auch verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber willkürlich in die Grundrechte des Klägers eingreife, indem er für die vom Pensionsfonds-Überleitungsgesetz Betroffenen keine dem § 20a FSVG vergleichbaren Übergangsregeln für die Erstattung von Beiträgen geschaffen habe. Da der Kläger am 1. 3. 2017 eine Korridorpension in Anspruch genommen habe, sei ihm auch kein weiterer Erwerb von Zeiten im Pensionskontensystem der Wohlfahrtseinrichtungen möglich.
Die Beklagte hielt dem die bereits im Bescheid herangezogene und oben wiedergegebene Argumentation entgegen.
Das Erstgericht sprach – entsprechend dem angefochtenen Bescheid – aus, dass die Kontoerstgutschrift zum 1. 1. 2014 25.295,48 EUR beträgt und wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es folgte rechtlich der Argumentation der Beklagten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Zu den Bestimmungen der §§ 20d, 33 Abs 3 FSVG folgte es ebenfalls den dargestellten Argumenten der Beklagten. Die behauptete Unionsrechtswidrigkeit liege mangels eines grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht vor. Der Verfassungsgerichtshof erachte es als zulässig, dass entrichtete Beiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung nicht zwingend zu einer Leistung führen müssen. Der Gesetzgeber könne auch dem Umstand, dass eine Berufsgruppe nicht in die Pflichtversicherung einbezogen werden wolle, Bedeutung zumessen. Die behauptete Verfassungswidrigkeit der hier anzuwendenden Regelungen liege daher ebenfalls nicht vor.
Das Berufungsgericht ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei den Wohlfahrtseinrichtungen der Ziviltechniker erworbene Beitragszeiten bei der Kontoerstgutschrift gemäß § 15 APG zu berücksichtigen seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der dieser die Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
Auch in der Revision hält der Kläger an seinem Argument fest, dass die von ihm an die Wohlfahrtseinrichtungen entrichteten Beiträge nicht verloren gehen könnten, ohne dass er eine Leistung dafür erhalte. Die Regelungen der §§ 20d und 33 FSVG seien unzureichend, verfassungswidrig und unionsrechtswidrig. Dass eine Auszahlung bereits erworbener Anwartschaften nur bei Vorliegen entsprechender Versicherungszeiten möglich sei, stelle einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Eigentum dar. Der Kläger könne keine weiteren Zeiten im Pensionskontensystem der Wohlfahrtseinrichtungen erwerben, weil er pensioniert sei. Auch der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz sei verletzt, weil eine vollständige Harmonisierung der Pensionssysteme, wie sie der Gesetzgeber anstrebe, mit den Überleitungsregelungen im vorliegenden Fall nicht erreicht werde. Der Kläger beantragt daher die verfassungsrechtliche Überprüfung insbesondere der §§ 20 ff FSVG. Der Umstand, dass die Kammer vom „Opting-out“ aus dem GSVG Gebrauch gemacht habe, binde den Kläger, der eine solche Erklärung nicht abgegeben habe, nicht.
Dazu wurde erwogen:
1.1 Die Pensionsversorgung von Ziviltechnikern war vor dem ASRÄG 1997, BGBl I 1997/139, im Bundesgesetz über die Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten (Ziviltechnikerkammergesetz 1993, BGBl 1994/157 – ZTKG) geregelt. Die maßgeblichen Bestimmungen lauteten auszugsweise:
„Wohlfahrtseinrichtungen
§ 29. (1) Als gemeinsame Wohlfahrtseinrichtungen für die Ziviltechniker und deren Hinterbliebene sind ein Versorgungsfonds und ein Sterbekassenfonds zu errichten und zu betreiben. Diese Fonds besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit, sie bilden zweckgebundene Sondervermögen der Bundeskammer.
(2) Nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen haben Anspruch auf einmalige oder wiederkehrende Geldleistungen aus dem Versorgungsfonds:
1. Ziviltechniker und ehemalige Ziviltechniker für den Fall des Alters oder der dauernden Berufsunfähigkeit,
2. Hinterbliebene der in Z l genannten Personen. …
Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen
§ 30. (1) Die Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen ist von jener des übrigen Vermögens der Bundeskammer getrennt zu führen und obliegt einem Kuratorium.
…
Statut der Wohlfahrtseinrichtungen
§ 31. (1) Nähere Bestimmungen über die Aufgaben des Versorgungs- und des Sterbekassenfonds, die Aufbringung und Verwaltung der Mittel, die Geschäftsführung des Kuratoriums, die Beitragspflicht, die Gewährung und Höhe der Zuwendungen, die Art der Auszahlung, allfällige Beschränkungen der Auszahlung und die Pflichten des Leistungsempfängers sind unter Bedachtnahme auf die in den §§ 29, 30 und 31 Abs 2 bis 7 festgelegten Grundsätze in einem Statut festzusetzen. …“
1.2 Mit der Begründung, dass der Gesetzgeber keine Höchstbetragsgrenze normiert habe, hob der Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 23. 6. 2003, G 8/03, V 7/03, § 29 Abs 4 zweiter Satz und § 31 ZTKG 1993 als verfassungswidrig und das Statut der Wohlfahrtseinrichtungen 2000 mit Ablauf des 30. 6. 2004 als gesetzwidrig auf. Dem trug der Gesetzgeber mit der Neuformulierung der §§ 29 ff ZTKG im Bundesgesetz BGBl I 2004/44 Rechnung. Der Versorgungsfonds trug seitdem die Bezeichnung „Pensionsfonds“. Die Beitragspflicht der Ziviltechniker regelte der neu geschaffene § 29a ZTKG. Darauf, dass sich durch diese Novellierung keine wesentliche Änderung des Systems ergab, hat bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen.
2.1 Mit dem ASRÄG 1997 wurde für die selbständig Erwerbstätigen eine Pflichtversicherung in allen Zweigen der Sozialversicherung normiert (§ 2 Abs 1 Z 4 GSVG; für die Mitglieder der kammervertretenen freien Berufe mit 1. 1. 2000, § 273 Abs 3 GSVG). Zum Teil verfügten jedoch die Kammern der freien Berufe – wie insbesondere auch die Ziviltechniker – schon über Einrichtungen zur Kranken- und Pensionsversicherung. Um für die Mitglieder dieser Berufsgruppen das Entstehen einer doppelten Pflichtversicherung zu vermeiden, wurde für die freien Berufe mit § 5 GSVG (siehe auch die in weiterer Folge geschaffenen begleitenden Bestimmungen der §§ 14a–14g GSVG) die Möglichkeit des Opting-out geschaffen: Die Kammern der freien Berufe konnten die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und/oder
– insbesondere auch die Ziviltechniker betreffend – von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG mit Wirkung für jeweils alle ihre selbständig erwerbstätigen Mitglieder – und schon daher entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers auch mit Wirkung für ihn – beantragen (Sedlacek/Koch in Neumann, GSVG für Steuerberater² § 5 GSVG Rz 1).
2.2 Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker sind hinsichtlich einer Erwerbstätigkeit, die die Teilnahme am Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten begründet, rückwirkend mit 1. 1. 2000 (§ 5 Abs 2 GSVG) von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG ausgenommen (Verordnung des BMSGK vom 30. 12. 2004, BGBl II 2004/534, Rosenmayr-Khoshideh in Sonntag, GSVG6 § 5 Rz 2 und 3; Neumann in SV-Komm [210. Lfg] § 2 GSVG Rz 76).
3.1 Im Pensionsfonds der Wohlfahrts-einrichtungen gab es aufgrund einer Reform zum Stichtag 1. 7. 2000 zwei unterschiedliche Systeme zur Berechnung der Pensionen. Die Anwartschaften aus dem Altersklassensystem (Anwendung von 1951 bis 30. 6. 2000) und aus dem Pensionskontensystem (Anwendung ab 1. 7. 2000, Kowaschitz/Wisleitner, Zur Einbeziehung der Ziviltechniker in das FSVG, ASoK 2013, 132 [136 f]).
3.2 Die vom Kläger erworbenen Versicherungszeiten gehören aufgrund ihrer zeitlichen Lagerung vor dem 1. 7. 2000 unstrittig nicht dem Pensionskontensystem, sondern dem Altersklassensystem an. Beiträge, die vor dem 1. 7. 2000 in das Altersklassensystem geleistet wurden, führen nur dann zu Leistungsansprüchen, wenn insgesamt 120 Beitragsmonate im Pensionssystem der Wohlfahrtseinrichtungen erworben wurden (§ 11 Abs 2 Statut-WE; Kowaschitz/Wisleitner, ASoK 2013, 135 f). Diese Voraussetzung ist beim Kläger unstrittig nicht erfüllt.
3.3 Die Möglichkeit einer Rückzahlung von Beiträgen regelt § 9 Statut-WE. Diese Bestimmung lautet, soweit sie vor dem 1. 7. 2000 geleistete Beiträge betrifft, auszugsweise:
„Scheidet ein Beitragspflichtiger nach mindestens zehnjähriger Beitragsleistung durch Verzicht auf die Befugnis aus einer Länderkammer aus, ohne in eine andere einzutreten, sind ihm über Antrag 20 % der bis 1. 7. 2000 fälligen und einbezahlten Beiträge weder aufgewertet noch verzinst rückzuerstatten. …“
4.1 Mit dem Pensionsfonds-Überleitungsgesetz, BGBl I 2013/4 (PF-ÜG), wurden die Wohlfahrtseinrichtungen der Ziviltechniker in das Sozialversicherungssystem der freiberuflich selbständig Erwerbstätigen mit dem Ziel einer weiteren Harmonisierung des Pensionsversicherungssystems übergeführt. In den Gesetzesmaterialien heißt es dazu auszugsweise (ErläutRV 1992 BlgNR 24. GP 5):
„Damit sollen folgende Probleme gelöst werden:
- Die durch die Wohlfahrtseinrichtungen pensionsversicherten Ziviltechniker erhalten im Gegensatz zu den im staatlichen Pensionssystem Versicherten keinen Bundeszuschuss. Diese Ungleichbehandlung soll durch die Überführung in das Sozialversicherungssystem der selbständig Erwerbstätigen beseitigt werden.
- Der aus der unterschiedlichen Pensionsversicherung resultierende Wettbewerbsnachteil zwischen den Ziviltechnikern und den nach den Bestimmungen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes pflichtversicherten Planern (Ingenieurbüros, Baumeister) wird beseitigt.
- Schließlich wird das Problem der verlorenen Anwartschaften aus dem gesetzlichen Pensionsversicherungssystem, die sich aus den Zeiten als Angestellter für den Zeitraum der Pflichtpraxis ergeben, gelöst.“
4.2 Seit 1. 1. 2013 sind Ziviltechniker grundsätzlich in der Pensionsversicherung nach dem FSVG pflichtversichert (§ 2 Abs 1 Z 3 FSVG). Der Pensionsfonds der Ziviltechniker wurde nach vollständiger Realisierung und Übertragung seines Vermögens an die Beklagte zum 31. 12. 2013 aufgelöst (§§ 78, 79 ZTKG idF PF-ÜG). Mit der Abwicklung endete die Leistungspflicht des Pensionsfonds für die entstandenen Leistungsansprüche und Anwartschaften (Neumann/Seidenberger, Das neue Pensionsrecht der Ziviltechniker, ASoK 2013, 67 [68]; Rath, Pensionsfonds-Überleitungsgesetz – Überführung der Wohlfahrtseinrichtung der Ziviltechniker in das FSVG, ASoK 2012, 473 [474]).
5.1 Zur Überleitung des Pensionsfonds in das FSVG wurde eine Änderung des Statuts-WE mit dem Überleitungsstatut der Wohlfahrtseinrichtungen (211. Verordnung der Bundes-Architekten- und Ingenieurskonsulentenkammer betreffend die Änderungen im Statut der Wohlfahrtseinrichtungen 2004, Zl 80/2012, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten Nr II/2012 der Kammer) beschlossen. Mit diesem Überleitungsstatut wurden die §§ 27–37 Statut-WE geschaffen. Diese Bestimmungen gelten gemäß § 78 Abs 5 ZTKG ab dem 1. 1. 2013 (§ 77 Abs 4d ZTKG idF PF-ÜG) als Bundesgesetz weiter.
5.2 Gemäß § 33 Abs 1 Statut-WE hat das Kuratorium mittels Bescheids mit Stichtag 31. 12. 2012 die erworbenen Anwartschaften festzustellen (wie dies im Fall des Klägers mit dem oben wiedergegebenen Bescheid vom 19. 9. 2014 geschah; zu den im Einzelnen zu treffenden Feststellungen siehe § 33 Abs 4 Statut-WE). Das im Bescheid gemäß § 33 Statut-WE festgestellte Bestehen einer Anwartschaft auf eine Leistung aus dem Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen ist wiederum gemäß § 20d Z 1 FSVG Voraussetzung für eine Überleitung dieser Anwartschaft auf die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. § 20d FSVG lautet auszugsweise:
„Besondere Pensionsleistung bei Anwartschaften auf eine Leistung des Pensionsfonds
§ 20d. Personen, die am 31. Dezember 2012 eine Anwartschaft auf eine Leistung des Pensionsfonds haben, gebührt ab 1. Februar 2014 anstelle dieser Anwartschaft auf Alterspension oder Berufsunfähigkeitspension im Leistungsfall eine Besondere Pensionsleistung nach diesem Bundesgesetz, die von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nach den Bestimmungen des GSVG zu ermitteln und zu erbringen ist, und zwar nach folgenden Maßgaben:
1. Das Bestehen einer Anwartschaft und die Höhe der Besonderen Pensionsleistung ergeben sich aus dem Feststellungsbescheid nach § 33 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen unter Bedachtnahme auf
a) …“
Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat daher die rechtskräftigen Feststellungsbescheide des Kuratoriums der Wohlfahrtseinrichtungen ihrer Entscheidung über Pensionsanträge zugrunde zu legen und die laufenden Pensionsleistungen danach auszuzahlen (Kowaschitz/Wisleitner, ASoK 2013, 136).
5.3 Nach den Verfahrensergebnissen hat der Kläger im Rahmen des Feststellungsverfahrens gemäß § 33 Statut-WE keine Anwartschaften auf eine Leistung aus dem Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen erworben, weil er nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Versicherungsmonaten im Altersklassensystem bis zum 1. 1. 2000 erworben hatte; daran hat die Überführung der Wohlfahrtseinrichtungen auch nichts zu Lasten des Klägers geändert. Von der (ab 1. 1. 2013 gesetzlichen) Möglichkeit des Nachkaufs von Versicherungsmonaten gemäß § 31 Abs 3 Statut-WE bis spätestens 30. 6. 2013 hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Auch von der gemäß § 31 Abs 5 Statut-WE bestehenden Möglichkeit des für die Erfüllung der Wartezeit wirksamen Erwerbs von im FSVG erworbenen Beitragszeiten ab dem 1. 1. 2013 bis längstens 31. 12. 2022 machte der Kläger keinen Gebrauch.
Daraus folgt:
6.1 Personen, die am 31. 1. 2014 Anspruch auf eine Leistung des Pensionsfonds nach dem Statut der Wohlfahrtseinrichtungen haben, gebührt diese Leistung gemäß § 20c FSVG ab 1. 2. 2014 als Besondere Pensionsleistung nach dem FSVG, die von der Beklagten zu erbringen ist. Einen solchen Leistungsanspruch macht der Kläger nicht geltend.
6.2 Personen, die am 31. 12. 2012 eine Anwartschaft auf eine Leistung des Pensionsfonds haben, gebührt ab 1. 2. 2014 anstelle dieser Anwartschaft auf Alterspension oder Berufsunfähigkeitspension im Leistungsfall gemäß § 20d FSVG eine Besondere Pensionsleistung nach dem FSVG, die von der Beklagten nach den Bestimmungen des GSVG zu ermitteln und zu erbringen ist. Nach den Verfahrensergebnissen verfügt der Kläger nicht über eine solche Anwartschaft.
7.1 Die Überleitung und Berücksichtigung der in § 31 Statut-WE geregelten Versicherungszeiten regelt § 33 Abs 3 FSVG idF PF-ÜG. Diese Bestimmung lautet:
„(3) Mit Ausnahme für Personen, die ausschließlich eine Alterspension als Besondere Pensionsleistung nach § 20c beziehen, gelten Zeiten, die im Feststellungsbescheid nach § 33 in Verbindung mit § 31 des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen als Versicherungszeiten auf Grund einer Beitragsverpflichtung festgestellt wurden, als Beitragszeiten der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit nach diesem Bundesgesetz und Zeiten, die im Feststellungsbescheid als Versicherungszeiten auf Grund freiwilliger Beitragsleistung festgestellt wurden, als Beitragszeiten einer freiwilligen Versicherung nach diesem Bundesgesetz
1. für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit nach § 4 Abs 1 APG,
2. für die Erfüllung der Wartezeit nach § 120 Abs 3 bis 6 GSVG (§ 236 Abs 1 bis 4 ASVG, § 111 Abs 3 bis 6 BSVG),
3. für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Korridor- und Schwerarbeitspension nach § 4 Abs 2 Z 1 und Abs 3 Z 1 APG,
4. für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 131 Abs 1 Z 2 GSVG (§ 253b Abs 1 Z 2 ASVG, § 122 Abs 1 Z 2 BSVG) in der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung in Verbindung mit § 298 Abs 10 GSVG (§ 607 Abs 10 ASVG, § 287 Abs 10 BSVG) sowie nach § 298 Abs 12 Z 1 oder 2 und § 306 Abs 10 GSVG (§ 607 Abs 12 Z 1 oder 2 und § 607 Abs 13 ASVG, § 287 Abs 12 Z 1 oder 2 und § 295 Abs 11 BSVG),
5. für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitspension nach den §§ 132 Abs 3 und 133 Abs 2, 2a, 3 und 6 GSVG sowie nach Art III Abs 4 der 10. Novelle zum GSVG, BGBl Nr 112/1986, und
6. für die Feststellung der Leistungszugehörigkeit nach § 129 GSVG (§ 251a ASVG, § 120 BSVG).
Die §§ 119 und 119a Abs 2 GSVG (§ 233 Abs 2 ASVG, § 110a Abs 2 BSVG) sind anzuwenden.“
7.2 Die im Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen erworbenen Versicherungszeiten werden daher nur für die Erfüllung bestimmter in § 33 Abs 3 FSVG taxativ aufgezählter Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der allgemeinen gesetzlichen Pensionsversicherung berücksichtigt (Neumann/Seidenberger, ASoK 2013, 71; Kowaschitz/Wisleitner, ASoK 2013, 135). Zutreffend sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Berücksichtigung dieser Zeiten für die Höhe der Leistung bzw die Pensionskontoerstgutschrift gemäß § 15 APG (vgl dazu näher 10 ObS 155/16s) nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht vorgesehen ist (Neumann/Seidenberger, ASoK 2013, 71).
7.3 Zum Eventualbegehren macht der Revisionswerber lediglich geltend, dass der zwischenzeitig aufgehobene § 13 FSVG Beiträge aus der Pflichtversicherung nach dem ASVG als Beiträge zur Höherversicherung im Rahmen der Bestimmungen des § 33 Abs 7 GSVG angerechnet habe. Gegenstand des Verfahrens ist jedoch ausschließlich die im Widerspruchsverfahren (§ 367a ASVG) von der Beklagten bestätigte Feststellung der Kontoerstgutschrift gemäß § 15 APG. Für Beiträge zur Höherversicherung, die für Versicherungszeiten geleistet wurden oder gemäß den §§ 127b, 142 und 143 GSVG als geleistet gelten, ist gemäß § 141 Abs 1 GSVG ein besonderer Steigerungsbetrag zur Alters-(Erwerbsunfähigkeits-)pension zu gewähren. Ein solcher besonderer Steigerungsbetrag ist jedoch für die Berechnung der Kontoerstgutschrift gemäß § 15 Abs 2 Z 6 APG nicht zu berücksichtigen (Rainer/Pöltner, SV-Komm [168. Lfg] § 15 APG Rz 30/4).
8.1 Die vom Kläger behauptete Verfassungswidrigkeit der §§ 20d, 33 Abs 3 FSVG liegt nicht vor, wozu auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist in der Sozialversicherung, im Besonderen in der Pensionsversicherung, der Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückgedrängt. Es gilt in der gesetzlichen Sozialversicherung innerhalb einer Solidargemeinschaft nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung, sondern es sind die Grundsätze der Einkommens- und Risikosolidarität bestimmend. Daraus folgt, dass es in manchen Fällen trotz Leistung von (höheren) Pflichtbeiträgen zu keiner (höheren) Versicherungsleistung kommt (VfGH B 111/09 mwH; RIS-Justiz RS0116064; RS0102041; 10 ObS 69/16v, SSV-NF 30/46).
8.2 Eine Prozesspartei hat kein subjektives Recht darauf, dass der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit stellt, sodass der ausdrücklich dahingehende Antrag des Revisionswerbers zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0058452).
8.3 Die in § 15 APG aF normierte Parallelrechnung wurde mit dem 2. StabG 2012, BGBl I 2012/35, ausgegeben am 24. 4. 2012, mit Wirkung zum 1. 1. 2014 durch eine Kontoerstgutschrift ersetzt (Rainer/Pöltner, SV-Komm [168. Lfg] § 15 APG Rz 19). Diese Regelung war daher im Zeitpunkt der Schaffung des PF-ÜG bereits Bestand der Rechtsordnung, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber sie bei Schaffung des § 33 Abs 3 FSVG nicht bedacht hätte. Darüber hinaus ist den Argumenten des Revisionswerbers entgegenzuhalten, dass er auch im Fall des Weiterbestehens des Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen mangels Erfüllung der Wartezeit nach § 11 Abs 2 Statut-WE nicht nur keine Leistungen daraus erhalten hätte, sondern auch keine Rückzahlung der von ihm geleisteten Beiträge hätte fordern können, weil er die Voraussetzungen des § 9 Statut-WE nicht erfüllte („mindestens zehnjährige Beitragsleistung“, bezogen auf die bis 1. 7. 2000 fälligen und gezahlten Beiträge).
9.1 Dem Anlassfall liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt zugrunde, sodass weder die Vertragsbestimmungen des Unionsrechts über die Freizügigkeit noch die zu ihrer Durchführung erlassenen Maßnahmen zur Anwendung gelangen (10 ObS 164/17s mwH).
9.2 Soweit der Revisionswerber eine Unionsrechtswidrigkeit des § 20 FSVG behauptet (nachträglicher Einkauf von Versicherungszeiten), ist ihm entgegenzuhalten, dass die (zeitlich befristete) Möglichkeit des Nachkaufs von für die Erfüllung der Wartezeit nach dem Statut-WE relevanten Versicherungsmonaten in § 31 Abs 3 Statut-WE (seit 1. 1. 2013 im Gesetzesrang) geregelt ist.
10. Die nur unsubstantiiert behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
Textnummer
E124061European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00071.18S.1219.000Im RIS seit
18.02.2019Zuletzt aktualisiert am
22.06.2020