TE OGH 2018/12/19 10Ob102/18z

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Veröffentlicht am 19.12.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* AG, *, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Knirsch – Braun – Fellner Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 5. September 2018, GZ 40 R 39/18h-23, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte warf in alkoholisiertem Zustand mit großer Wucht Hausmüll und diverse Gegenstände aus dem Fenster seiner im Hochparterre gelegenen Wohnung, darunter mehrere Glas- und Keramikflaschen. Diese prallten gegen die Fassade des etwa drei Meter entfernt liegenden Innenhofgebäudes und gegen das im Erdgeschoß des Hofgebäudes gelegene Küchenfenster der Wohnung Top Nr 1. Die Fassade wurde beschädigt, das Küchenfenster zerbarst. Gegenüber den herbeigerufenen Polizeibeamten verhielt sich der Beklagte so aggressiv, dass er vorläufig festgenommen wurde. Die Mieterin der Wohnung Top Nr 1 befand sich zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht zu Hause. Als sie sah, mit welcher Wucht die Flaschen gegen ihr Fenster geworfen worden waren, und sie auch noch danach immer wieder auf Glassplitter in ihrer Küche stieß, war sie verängstigt. Zu einem derartigen Vorfall kam es weder davor oder danach. Der Beklagte hat den Schaden bisher nicht gut gemacht.

Die Vorinstanzen erachteten die Aufkündigung wegen § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG übereinstimmend für rechtswirksam. Der Beklagte habe sich bei dem Vorfall offenbar nicht unter Kontrolle gehabt. Es könne nicht gesagt werden, dass ein derartiges Verhalten in Zukunft zuverlässig auszuschließen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist mangels einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3, 2. Fall MRG setzt erhebliche Störungen des friedlichen Zusammenlebens voraus (RIS-Justiz RS0070437). Die Störungen müssen entweder durch längere Zeit fortgesetzt werden oder sich in häufigen Wiederholungen äußern und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigen. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind (RIS-Justiz RS0070303). Schwerwiegend ist ein Vorfall, wenn er das Maß des Zumutbaren überschreitet und objektiv geeignet erscheint, auch nur einem Mitbewohner das Zusammenleben zu verleiden (RIS-Justiz RS0070303 [T5], RIS-Justiz RS0067641 [T1, T6]).

2. Grundsätzlich sind für die Beurteilung von Kündigungsgründen die Umstände im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgeblich. Wenn allerdings der gekündigte Mieter nach Zustellung der Aufkündigung sein unleidliches Verhalten einstellt, ist die Verhaltensänderung bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens mitzuberücksichtigen (RIS-Justiz RS0067519 [T3]; RS0067534 [T2]) und kann bei Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose zur Klageabweisung führen, sofern die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0070340; RS0070378 [T2]).

2. Der Rechtsfrage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten gemäß § 30 Abs 2 Z 3 MRG handelt, kommt keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 ZPO zu (RIS-Justiz RS0042984), sofern das Berufungsgericht sich im Rahmen der von der Rechtsprechung herausgearbeiten Grundsätze gehalten hat. Ebenso kann die Frage, ob bei einer Verhaltensänderung nach Einbringung der Aufkündigung der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist, nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0042790; RS0070340 [T3]).

3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses sei auch bei dem nur einmaligem, aber schwerwiegenden Verhalten des Beklagten unzumutbar, weicht von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht ab. Der Beklagte hat sein Verhalten mit dem – ihm ungewohnten – Alkoholkonsum und einem Gefühl der Frustration begründet. Die Vorinstanzen haben eine günstige Zukunftsprognose ausgehend von der Einschätzung verneint, dass das Auftreten vergleichbarer Bedingungen, die beim Beklagten zu einem neuerlichen Kontrollverlust führen könnten, nicht auszuschließen sei. Auch diese Beurteilung hält sich im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.

Die außerordentliche Revision war daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Textnummer

E124060

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:E124060

Im RIS seit

18.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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