TE Lvwg Beschluss 2019/1/10 VGW-123/077/14687/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2019
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Entscheidungsdatum

10.01.2019

Index

E3L E06300000
97 Öffentliches Auftragswesen
L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Norm

32014L0023 Konzessionsvergabe-RL Art. 5 Z1 lita
32014L0023 Konzessionsvergabe-RL Art. 5 Z1 litb
BVergG 2006 §2
BVergG 2006 §7
BVergG 2006 §177 Abs1
BVergG 2006 §169 Abs1
WVRG 2014 §1 Abs1
WVRG 2014 §7 Abs2

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr.in Lettner als Vorsitzende, den Richter Dr. Oppel und die Richterin Mag.a Mandl über den Antrag der A., vertreten durch Rechtsanwalt, auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung betreffend Vergabeverfahren "Errichtung und Betreuung der WC Anlagen", Kennwort C., der Wiener Linien GmbH & Co KG, vertreten durch Rechtsanwälte, am 10.1.2019 durch mündliche Verkündung folgenden

BESCHLUSS

gefasst:

I. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 29.10.2018 wird gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 WVRG 2014 in Verbindung mit § 177 Abs. 1 BVergG 2006 als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen.

III. Die ordentliche Revision ist zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Vergabeverfahren

Die Wiener Linien GmbH & Co KG (in der Folge: Antragsgegnerin) betreibt das U-Bahn-Netz in Wien. Sie führt ein Vergabeverfahren sui generis zur Vergabe einer Baukonzession mit einer Laufzeit von 180 Monaten mit einer Verlängerungsoption um weitere 60 Monate nach dem Bestbieterprinzip. Leistungsgegenstand ist die bauliche Erneuerung und der anschließende Betrieb von sechs bestehenden WC-Anlagen in den U-Bahn-Stationen D., E., F., G., H. und K.

Im Vergabeverfahren haben drei Bieter Angebote abgegeben. Bei der Angebotsprüfung wurden alle drei Angebote als ausschreibungskonform gewertet. Bei der Reihung wurde das Angebot der A. (in der Folge: Antragstellerin) an zweiter Stelle gereiht.

Am 29.10.2018 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, den Zuschlag an die B. (im Folgenden: Präsumtive Zuschlagsempfängerin) zu erteilen.

Nachprüfungsantrag vom 8.11.2018:

Die Antragstellerin brachte gegen diese Zuschlagsentscheidung am 8.11.2018 einen Antrag auf Nichtigerklärung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein.

Inhaltlich brachte die Antragstellerin in ihrem Nichtigerklärungsantrag im Wesentlichen – kurz zusammengefasst – vor:

Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens sei nicht ersichtlich, dass der Betrieb von WC-Anlagen auch in den Sektor falle. Die Konzessionsvergabe habe daher nicht nach dem Sektorenregime des BVergG 2006, sondern nach dem Regime für klassische Auftraggeber zu erfolgen. Außerdem sei die Konzessionsrichtlinie 2014/23/EU im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens bereits abgelaufene Umsetzungsfrist unmittelbar anwendbar.

Die Kalkulation der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei nicht plausibel und nicht solide nachvollziehbar. Insbesondere würde die präsumtive Zuschlagsempfängerin von nicht plausiblen und viel zu hohen Nutzerzahlen der zu betreibenden WC-Anlagen ausgehen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge auch nicht über die erforderlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Betreiben von WC-Anlagen in U-Bahn-Stationen und habe deshalb die Nutzerzahlen viel zu hoch angesetzt.

Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin könne auch nicht die Bestimmtheitserfordernisse des § 869 ABGB erfüllen und komme auch deswegen für eine Zuschlagserteilung nicht in Betracht.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin würde die Eignungsanforderungen nicht erfüllen und habe kein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben.

Die Antragsgegnerin hätte die Bieter noch zur Abgabe eines Last-and-Best-Offers auffordern müssen. Die Erstangebote seien noch nicht vergleichbar gewesen, weshalb die Antragsgegnerin von ihrem in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Ermessen, mit den Bietern Verhandlungen führen zu können, hätte Gebrauch machen müssen.

Die Antragsgegnerin habe mit den Nutzerzahlen eine wesentliche Kalkulationsgrundlage offen gelassen.

Die Zuschlagsentscheidung sei unzureichend begründet.

Einstweilige Verfügung 15.11.2018:

Das Verwaltungsgericht hat der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 15.11.2018, 123/V/077/14688/2018, für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags untersagt.

Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 19.11.2018:

Die Antragsgegnerin replizierte auf den Antrag mit Schriftsatz vom 19.11.2018 und brachte im Wesentlichen Folgendes vor:

Zur Frage des Rechtsrahmens brachte die Antragsgegnerin vor, dass die WC-Anlagen an sich sowie auch deren Betrieb ein notwendiger Bestandteil des Transportnetzes der Wiener Linien seien. Die gegenständliche Baukonzession diene daher der Ausübung der Sektorentätigkeit der Antragsgegnerin. Weiters sei das BVergG Konzessionen 2018 gemäß dessen § 118 Abs. 4 nicht anwendbar und könne die Frage einer etwaigen unmittelbaren Anwendbarkeit von Bestimmungen der Konzessionsrichtlinie nur mittels Einzelfallabwägung beantwortet werden.

Die Antragstellerin würde übersehen, dass bei Konzessionen das Betriebsrisiko wirtschaftlicher Art auf den Konzessionsnehmer übergehe. Aus diesen Gründen würden die Bestimmungen über die Angebotsprüfung und über die Prüfung der Preisangemessenheit keine Anwendung finden.

Die derzeitigen Nutzerzahlen der WC-Anlagen seien für die Kalkulation nicht relevant. Die Antragsgegnerin habe den Bietern die Fahrgastzahlen zur Verfügung gestellt.

Das Vorbringen der Antragstellerin, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin die Eignungsanforderungen nicht erfülle und ihr Angebot nicht ausschreibungskonform sowie für eine Zuschlagserteilung zu unbestimmt sei, sei nicht ausreichend substantiiert.

Die Antragsgegnerin habe das Vergabeverfahren als einstufiges Verfahren sui generis festgelegt und sich lediglich vorbehalten, mit den Bietern, die ein Angebot abgegeben haben, verhandeln zu können. Die Antragstellerin habe daher nicht damit rechnen dürfen, dass jedenfalls noch verhandelt werde, sondern damit rechnen müssen, dass bereits auf Grund der ersten Angebote eine Zuschlagsentscheidung erfolgt.

Schließlich sei die Zuschlagsentscheidung ausreichend begründet.

Stellungnahme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 21.11.2018:

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin brachte mit Schriftsatz vom 21.11.2018 im Wesentlichen Folgendes vor:

Aus den Ausschreibungsunterlagen gehe klar hervor, dass bereits auf das erste Angebot zugeschlagen werden könne und sich die Antragsgegnerin lediglich die Möglichkeit vorbehalten habe, nach Abgabe der Angebote in Verhandlungen treten zu können.

Die derzeitigen Nutzerzahlen seien keine relevante Kalkulationsgrundlage. Vielmehr sei es notwendig, das Nutzerpotential zu kennen, das wären die Fahrgastzahlen.

Schließlich liege es im wirtschaftlichen Risiko der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, dass ihre Leistungen von den Nutzern angenommen und von den Nutzern ausreichend viel bezahlt werden würde.

Replik der Antragstellerin vom 4.12.2018:

Die Antragstellerin hielt der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 4.12.2018 im Wesentlichen Folgendes entgegen:

Für das etwaige Vorliegen einer Sektorentätigkeit sei die Antragsgegnerin beweispflichtig. Tatsächlich seien die WC-Anlagen Teil der Infrastruktur der Stadt und könnten von der Bevölkerung auch genutzt werden, ohne die Sperre für Fahrgäste der U-Bahn zu durchschreiten und damit, ohne Fahrgast zu sein. Auch seien die WC-Anlagen bis vor wenigen Jahren im Einflussbereich der Stadt Wien (MA 48) und nicht im Einflussbereich der Antragsgegnerin gelegen. Die Ausnahmen für das Sektorenregime seien restriktiv auszulegen und es obliege der Antragsgegnerin, einen ausreichenden Zusammenhang des Betriebes der WC-Anlagen mit der Sektorentätigkeit darzulegen.

Aus der Stellungnahme der Antragsgegnerin gehe hervor, dass die Antragsgegnerin keinerlei Preisprüfung vorgenommen habe. Der Grundsatz der Vergabe zu angemessenen Preisen gelte jedoch auch für die Vergabe von Konzessionen.

Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin in den Ausschreibungsunterlagen (WStW 9310 Teil 2, Punkt 1.9.3 „Überprüfung der Preisangemessenheit“) auch ausdrücklich festgelegt, dass eine Überprüfung der Preisangemessenheit zu erfolgen habe.

Das Erfordernis der Preisprüfung dürfe nicht mit dem Wesen der Konzession vermengt werden. Die Übertragung des Betriebsrisikos auf den Konzessionsnehmer sei kein Argument dafür, dass eine Preisprüfung entfallen könne.

Die Zuschlagsentscheidung sei schon deswegen aufzuheben, weil keinerlei zielgerichtete Preisprüfung stattgefunden habe.

Begründete Zweifel an der Angemessenheit der Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hätte die Antragsgegnerin aus mehreren Gründen haben müssen.

Die Angebotsbewertung sei rechtswidrig.

Der Antragstellerin seien die Kommissionsmitglieder nicht bekannt. Es sei aber erforderlich, dass die Mitglieder auch über einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen in Fachbereichen wie Verkehrsplanung, öffentlicher Verkehr, Verkehrsströme und Nutzerverhalten für WC-Anlagen verfügten. Diese Kompetenzen hätten auch im Vergabeakt dokumentiert zu sein. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass in der Jurygesamtheit nicht alle erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen umfassend abgedeckt gewesen seien und derartiges zumindest auch nicht dokumentiert sei.

Betreffend die erforderliche Bestimmtheit der Angebote ergänzte die Antragstellerin, da sie keine Kenntnis vom Inhalt des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin habe, handle es sich hier um ein Prüfersuchen an das VGW, falls diesbezügliche Auffälligkeiten im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorhanden wären.

Auch betreffend die Eignungsanforderungen handle es sich um ein Prüfersuchen an das VGW, falls diesbezügliche Auffälligkeiten im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorhanden wären.

Stellungnahme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 20.12.2018:

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hielt der Replik der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20.12.2018 im Wesentlichen – kurz zusammengefasst – Folgendes entgegen:

Die Ausführungen der Antragstellerin zur richtigen Wahl als Vergabe im Sektorenbereich seien nicht relevant.

Das mit Abstand wichtigste Argument der Antragstellerin sei, dass nur mit den Nutzerzahlen ein zulässiges Angebot kalkulierbar sei. Offensichtlich versuche die Antragstellerin, aus der einzigen Information, die ihr exklusive zur Verfügung stehe, das zentrale Element der gesamten Konzession zu machen. Die Nutzerzahlen, auf welche die Antragstellerin verweise, seien jedoch mindestens fünf Jahre alt und angesichts ständig steigender Fahrgastzahlen der Wiener Linien und des erst durch den Bieter zu entwickelnden Konzeptes für den Betrieb der nächsten 15 Jahre wenig aussagekräftig.

Eine Übertragung von Bestimmungen der vertieften Angebotsprüfung auf Konzessionen sei weder rechtlich geboten noch sachgerecht.

Die Antragstellerin bringe weiters vor, dass keine Vergleichbarkeit der Angebote gegeben sei. Dabei übersehe sie, dass die Ausschreibung detaillierte Vorgaben für die Kalkulation der Angebote enthalte.

Die Vorgaben in der Ausschreibung sowie die von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Unterlagen seien - unter Berücksichtigung des mit einer Konzession einhergehenden Risikos - nach Ansicht der mitbeteiligten Partei jedenfalls ausreichend, um die Vergleichbarkeit der Angebote sicherzustellen.

Aber auch in diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin aufgrund der Präklusionsregelungen im Vergaberecht, wenn sie Bedenken gegen die Ausschreibung gehabt hätte, bereits die Ausschreibung hätte anfechten müssen. Dies habe sie jedoch augenscheinlich nicht getan.

Die Antragstellerin bringt in ihrer Stellungnahme vor, dass die Heranziehung der derzeitigen Nutzerzahlen eine geeignete Grundlage für die Kalkulation des Angebotes sei, nicht hingegen die Fahrgastzahlen. Dieser Annahme stünde bereits die bestandsfeste Ausschreibung entgegen, wonach zunächst eine wesentliche Umgestaltung der WC-Anlagen und damit eine Attraktivierung derselben durch den Konzessionsnehmer erfolgen müsse.

Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 20.12.2018:

Die Antragsgegnerin hielt der Replik der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20.12.2018 im Wesentlichen – kurz zusammengefasst – Folgendes entgegen:

Das BVwG habe zum gegenständlich anwendbaren § 177 BVergG 2006 mit Erkenntnis vom 24.8.2018, W 134 2202937-1, entschieden, dass das BVwG bei Baukonzessionen im Sektor nicht für den Vergaberechtsschutz zuständig sei. Für den Anlassfall bedeute das, dass auch das VGW für das Nachprüfungsverfahren nicht zuständig sei. § 177 BVergG 2006 lege für Bau- und für Dienstleistungskonzessionen in gleicher Weise keine gesondert anfechtbaren Entscheidungen fest. Auch im klassischen Bereich habe das BVergG 2006 für Konzessionen keine gesondert anfechtbaren Entscheidungen festgelegt.

Das WVRG 2014 knüpfe im § 7 Abs. 2 leg.cit. an das Vorliegen einer gesondert anfechtbaren Entscheidung an. Darüber hinausgehende Zuständigkeiten bestünden nicht. Daraus ergebe sich, dass mangels Vorliegens einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei Konzessionen eine Zuständigkeit des VGW nicht bestehe. Gemäß § 1 JN bestünde die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Es werde daher beantragt, die Anträge der Antragstellerin schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Nur aus anwaltlicher Vorsicht gehe die Antragsgegnerin auf die einzelnen Behauptungen der Antragstellerin näher ein. In der Folge stellt die Antragsgegnerin die diesbezügliche Argumentation dar.

Stellungnahme der Antragstellerin vom 20.12.2018:

Die Antragstellerin hat beim Verwaltungsgericht in die erfolgte Prüfung ihres Angebotes Einsicht genommen und auf der Grundlage dieser Akteneinsicht ihr Vorbringen näher ausgeführt, warum ihrer Ansicht nach keine ausreichende Preisprüfung und keine ausreichende Angebotsbewertung erfolgt sei.

Stellungnahme der Teilnahmeberechtigten vom 7.1.2019:

Die Teilnahmeberechtigte hat mit Schriftsatz vom 7.1.2019 repliziert und sich dabei mit dem inhaltlichen Vorbringen der Antragstellerin weiter auseinandergesetzt.

Stellungnahme der Antragstellerin vom 7.1.2019:

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 7.1.2019 repliziert.

Zur Frage der Zuständigkeit des VGW hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgebracht, Das WVRG 2014 definiere im § 1 leg. cit. eindeutig die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes für Nachprüfungsverfahren bei Baukonzessionen. Diese Zuständigkeit sei bereits seit der Stammfassung des WVRG 2014, LGBl. 37/2013, gegeben.

Die europäischen Richtlinien und insbesondere die Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie seien „selbstverständlich unmittelbar anwendbar“.

Die von der AG zit. Entscheidung des BVwG sei nicht einschlägig, weil gegenständlich das WVRG heranzuziehen sei. Außerdem sei dieses Erkenntnis des BVwG „sehr hinterfragungswürdig“.

Außerdem würde die Frage der Zuständigkeit nicht in der Disposition der Parteien liegen und sei die Antragsgegnerin für das allfällige Vorliegen einer Sektorentätigkeit beweispflichtig.

Mündliche Verhandlung vom 10.1.2019:

Am 10.1.2019 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Verhandlung hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt und Verlauf:

„Auf Frage aus dem Senat, welche Relevanz die Einnahmen aus der WC-Benutzung für die Finanzierung des Auftrages haben, gibt die Antragstellerin an, dass das Entgelt aus den WC-Einnahmen aus ihrer Sicht den Hauptteil der Finanzierung ausmache.

Die Teilnahmeberechtigte und die Antragsgegnerin geben übereinstimmend an, dass auch aus ihrer Sicht das Entgelt für die Nutzung der WC-Anlagen den Hauptaspekt der Finanzierung darstellen soll bzw. darstellt.

Auf Frage aus dem Senat zur Situierung der WC-Anlagen führt die Antragsgegnerin aus, dass sämtliche ausschreibungsgegenständliche WC-Anlagen innerhalb einer U-Bahnstation, aber außerhalb der Fahrgastschranke gelegen sind. Die WC-Anlagen befinden sich nicht auf dem Geschoßniveau der U-Bahnschienen, sondern aus technischen Gründen jeweils in einem anderen Geschoß des U-Bahnstationsgebäudes.

Die Teilnahmeberechtigte ergänzt, dass es sich bei den ausgeschriebenen WC-Anlagen um die WC-Anlagen in einigen der größten U-Bahnstationen Wiens handle. Es handle sich jeweils um Verkehrsknotenpunkte, bei denen sich mehrere U-Bahnlinien kreuzen und bei denen die Stationsgebäude jeweils mehrere Geschoße aufweisen.

Die Antragsgegnerin ergänzt dazu, dass es sich aus ihrer Sicht um die sechs aus strategischer Sicht bedeutsamsten U-Bahnstationen des Wiener U-Bahnnetzes handeln würde.

Festgehalten wird, dass die Bieter sich im Rahmen des Vergabeverfahrens bzw. ihrer Angebotslegung mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt haben und die Situierung der U-Bahnstationen daher den Verfahrensparteien bekannt ist.

Die Antragstellerin ergänzt, dass auf den Ebenen, auf denen die WC-Anlagen vorgesehen sind, auch etwaige Geschäftsflächen wie beispielsweise Bäckereien vorgesehen sind.

Auf Frage aus dem Senat zu den Betriebszeiten der WC-Anlagen gibt die Antragsgegnerin an, dass die vorgesehenen Betriebszeiten der WC-Anlagen mit den Betriebszeiten der U-Bahnlinien dahingehend übereinstimmen, dass die WC-Anlagen während der gesamten Betriebszeiten der U-Bahn nutzbar sein müssen. Eine Einschränkung sei lediglich dahingehend vorgesehen, dass in den nutzungsschwachen Zeiten zu Betriebsbeginn und zu Betriebsende der U-Bahn die Anwesenheit von WC-Personal nicht vorgeschrieben ist und in diesen Randzeiten bloß die Nutzbarkeit der WC-Anlagen sichergestellt sein muss. Außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn ist eine Nutzbarkeit der WC-Anlagen nicht vorgesehen. Eine Nutzung der WC-Anlagen außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahnlinien ist nach Angaben der Antragsgegnerin zumindest bei einigen der ausgeschriebenen WC-Anlagen auch aus technischen Gründen nicht möglich, weil die U-Bahnstationen außerhalb der Betriebszeiten gesperrt werden und die WC-Anlagen innerhalb des Sperrbereiches liegen.

Auf weitere Frage aus dem Senat gibt die Antragsgegnerin an, dass sämtliche WC-Anlagen Teil der Eisenbahnanlage sind. Außerdem würde es sich um einen für den Betrieb der U-Bahn betriebsnotwendigen Teil des Stationsgebäudes und nicht etwa um eine für den Betrieb nicht erforderliche Etage handeln.

Zum Zweck der WC-Anlagen führt die Antragsgegnerin aus, der primäre Zweck des Betriebes der WC-Anlagen liege eindeutig bei der Versorgung der Fahrgäste. Dies ergebe sich bereits aus den Betriebszeiten der WC-Anlagen und aus der Rollsperre außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn. Außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn sollten die WC-Anlagen für niemanden zugänglich sein. Außerdem sei im Baukonzessionsvertrag in der Präambel als Ziel vorgesehen, den Fahrgästen die WC-Anlagen zur Verfügung zu stellen.

Auf Frage aus dem Senat, wovon es abhänge, ob eine Linie für den Personennahverkehr mit WC-Anlagen ausgestattet werde führt die Antragsgegnerin aus:

Bei Straßenbahnen und bei Buslinien sei die Antragsgegnerin für das Umfeld nicht zuständig und sehe bereits aus diesem Grunde bei solchen Linien keine WC-Anlagen vor. Etwaige WC-Anlagen im Einzugsbereich solcher Linien seien gegebenenfalls öffentliche WC-Anlagen insbesondere der Stadt Wien.

Im Gegensatz dazu seien die Wiener Linien im Zusammenhang mit dem Betrieb der U-Bahn auch für die WC-Anlagen zuständig und statten daher die U-Bahnstationen regelmäßig mit WC-Anlagen aus. Es befinden sich daher im Zusammenhang mit U-Bahnlinien die WC-Anlagen jeweils im Stationsgebäude und handele es sich im Zusammenhang mit U-Bahnen regelmäßig nicht um öffentliche Toiletten außerhalb von U-Bahnstationen.

Auf Frage des Antragstellervertreters gibt die Antragsgegnerin an, dass sie keine Zahlen darüber habe, wie sich die Zahl der WC-Nutzer aus Fahrgästen und aus Nicht-Fahrgästen im Verhältnis zusammensetze.

Die Antragstellerin bringt dazu vor, dass die Nutzung der WC-Anlagen durch Nichtfahrgäste zumindest bei solchen U-Bahnstationen, die in touristisch stark frequentierten Stadtteilen liegen, einen durchaus relevanten Anteil haben könne.

Die AG hält dem entgegen, sie ginge davon aus, dass auch in touristisch stark frequentierten Stadtteilen die Mehrzahl der Touristen, welche die WC-Anlagen benutze werde, auch die U-Bahn benutzen werde.

Die Teilnahmeberechtigte ergänzt, dass nur innerhalb der U-Bahnstationen auf die WC-Anlagen hingewiesen werden dürfe.

Festgehalten wird, dass es eine Rechtsfrage ist, ob und gegebenenfalls in wie weit das Verhältnis von Fahrgästen zu Nichtfahrgästen bei der WC-Nutzung relevant ist. Festgehalten wird weiters, dass dieses Verhältnis auch maßgeblich davon abhängt, welche Nutzerkreise der Konzessionsnehmer mit seinem Konzept jeweils wie gut anzusprechen vermag.

Der Antragsgegnervertreter repliziert zum letzten Schriftsatz der Antragstellerin wie folgt:

Die von der Antragstellerin argumentierte unmittelbare Anwendbarkeit der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie könne nicht die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien begründen. Aus der unmittelbaren Anwendbarkeit einer Richtlinie ließe sich nämlich keine Zuständigkeit ableiten (VfGH 12.06.2001, B1035/99).

Die von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 07.01.2019 angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sei nicht einschlägig, weil sie nichtprioritäre Dienstleistungen betreffe, es darin um die Frage der Begründungserfordernisse der Zuschlagsentscheidung gehe und der Rechtsschutzteil des BVergG 2006 anwendbar gewesen sei und das BVergG 2006 auch gesondert anfechtbare Entscheidungen zu nichtprioritären Dienstleistungen festgelegt habe. Dies sei gegenständlich nicht der Fall.

Die Antragstellerin repliziert darauf, dass sie die Zuständigkeit nicht über die unmittelbare Anwendbarkeit der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie argumentiere, sondern ihrer Ansicht nach die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien unmittelbar im WVRG 2014 geregelt sei.

Der Senat legt dar, dass für die Beurteilung der Rechtsfrage das rezente Erkenntnis des VfGH vom 11.12.2018, G205/2018-19, voraussichtlich zu berücksichtigen sein wird. Diesem Erkenntnis ist, kurz zusammengefasst, zu entnehmen, dass der Landesgesetzgeber im Rahmen des Artikel 14b BVG nach der Kompetenzverteilung nicht zuständig ist, im Vergaberechtsschutz zu regeln, welche Entscheidungen gesondert anfechtbar sind. Eine etwaige Auslegung des WVRG dahingehend, dass diesem eine Festlegung von gesondert anfechtbaren Entscheidungen bei Baukonzessionen im Sektor entnommen würde, würde offensichtlich in einem Spannungsverhältnis zu diesem Erkenntnis des VfGH stehen. Den Parteien wird ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem VfGH-Erkenntnis und zur Frage, worin die Festlegung von gesondert anfechtbaren Entscheidungen bei Baukonzessionen im Sektor liegen soll, Rechtsausführungen vorzutragen.

Die Antragstellerin bringt dazu vor, die Festlegung, dass bei Baukonzessionen im Sektor zumindest die Zuschlagsentscheidung eine gesondert anfechtbare Entscheidung ist, sei bereits durch die europäische Richtlinie erfolgt. Die Antragstellerin entnimmt der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie in der Fassung der erfolgten Änderung durch die Konzessionsrichtlinie, dass bei der Vergabe von Baukonzessionen zumindest die Zuschlagsentscheidung gesondert anfechtbar sein müsse. Die Antragstellerin verweise auf Artikel 1, Abs. 1, 4. Unterabsatz sowie auf Artikel 2A, Abs. 1 der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie.

Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, der Bundesgesetzgeber habe im § 177 BVergG 2006 keine gesondert anfechtbaren Entscheidungen für Baukonzessionen im Sektor festgelegt. Es bestehe daher gemäß § 1 JN die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Eine Interpretation der Richtlinien dahingehend, dass aus diesen gesondert anfechtbaren Entscheidungen und damit eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte abgeleitet werde, sei verfassungswidrig.

Die Teilnahmeberechtigte führt aus, sie verweise auf § 20 Abs. 1 WVRG 2014 wonach das Verwaltungsgericht Wien nur zur Nachprüfung von gesondert anfechtbaren Entscheidungen für zuständig erklärt worden sei. Dies stünde durchaus im Einklang mit dem vorhin genannten Erkenntnis des VfGH. Es bestünde auch kein Widerspruch zu § 1 Abs. 1 WVRG, weil der Bundesgesetzgeber für Baukonzessionen im klassischen Bereich durchaus gesondert anfechtbare Entscheidungen festgelegt habe und insoweit eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien gemäß § 20 Abs. 1 WVRG auch bestünde, soweit der Bundesgesetzgeber für Baukonzessionen gesondert anfechtbare Entscheidungen festgelegt habe.

Ein Umsetzungsverzug hinsichtlich der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinien könne nur dort vorliegen, wo die Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie durch die Konzessionsrichtlinie geändert worden sei. Dies sei in dem von der Antragstellerin angeführten Artikel 2 nicht der Fall. Außerdem seien die von der Antragstellerin angeführten Bestimmungen der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie für eine etwaige unmittelbare Anwendbarkeit im Hinblick auf den Umsetzungsspielraum des innerstaatlichen Gesetzgebers nicht hinreichend konkret. Die Teilnahmeberechtigte verweist dazu auf VwGH, Zl. 2000/04/0033, sowie Stalzer, ecolex 2016, Seite 552.

Die Antragstellerin repliziert darauf, die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien sei im WVRG 2014 eindeutig geregelt. Dies sei auch verfassungskonform. Die Regelungslücke bestehe im materiellen Vergaberecht. Diese Regelungslücke sei durch die unmittelbare Anwendbarkeit der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie zu schließen. Da sich diese Regelungslücke erst durch die Änderung der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie aufgrund der Konzessionsrichtlinie ergeben habe, seien auch die Bestimmungen der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie unmittelbar anwendbar, die durch die letzte Änderung der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie selbst nicht abgeändert worden sind. Die maßgeblichen Bestimmungen der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie seien für eine unmittelbare Anwendbarkeit auch ausreichend bestimmt, weil eindeutig festgelegt sei, dass zumindest die Zuschlagsentscheidung gesondert anfechtbar sein muss und für den innerstaatlichen Gesetzgeber diesbezüglich kein Umsetzungsspielraum besteht. Auch die Antragsgegnerin habe die Richtlinie unmittelbar angewendet, indem sie eine Stillhaltefrist vorgesehen und eingehalten habe.

Die Antragsgegnerin bringt dazu vor, es liege keine Lücke des materiellen Rechtes vor und den Anforderungen der Richtlinien könne auch durch eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte Rechnung getragen werden bzw. werde auf diese Weise Rechnung getragen. Auch eine Interpretation des materiellen Rechtes könne keine innerstaatliche Zuständigkeit begründen.“

Folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde festgestellt:

Die Ausschreibung wurde EU-weit bekannt gemacht und liegt im Oberschwellenbereich.

In den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen wurde unter anderem Folgendes festgelegt:

Verfahrensordnung Punkt A1.1 Art des Vergabeverfahrens, Anwendbarkeit des Bundesvergabegesetzes, Bekanntmachung:

„Es handelt sich um ein einstufiges Verfahren sui generis zur Vergabe einer Baukonzession. Der KG behält sich vor, mit den Bietern, die ein Angebot abgegeben haben, zu verhandeln.“.

Verfahrensordnung Punkt A2.2. Zielsetzung des KG, Aufgabenstellung des Konzessionsnehmers:

„Ziel des KG ist es, den Fahrgästen des KG zeitgemäße, betreute WC-Anlagen zur Verfügung zu stellen, die den derzeitigen Standard der WC-Anlagen weit übertreffen sollen. Um einen kontinuierlichen Betrieb der Anlagen zu gewährleisten ist es erforderlich, dass die Umbauarbeiten bis Mitte 2020 abgeschlossen werden.

Zu diesem Zweck beabsichtigt der KG, im Zuge des vorliegenden Verfahrens einen privaten Partner („Konzessionsnehmer“ oder „KN“) zu gewinnen, der

?    bestehende Anlagen - es sind dies die Anlagen D., E., F., G., H., K. - vom KG im Wege eines Pachtverhältnisses übernimmt;

?    diese 6 Anlagen durch Sanierung und Neubau („Umbau“) auf eigene Rechnung und eigenes Risiko attraktiviert, und der eine Eröffnung aller Anlagen bis 2020 zusichert;

?    diese 6 Anlagen im Anschluss selbst im Rahmen eines langfristigen Vertrages (ca. 15 Jahre) betreibt. Dies beinhaltet die Instandsetzung, die laufende Instandsetzung und Entstörung sowie den technischen und wirtschaftlichen Betrieb der gesamten Anlagen auf eigene Rechnung und eigenes Risiko;

?    sodass dem KG nach Ablauf der Vertragsbeziehung funktionstüchtige, für den zweckmäßigen Gebrauch taugliche Anlagen übergeben werden.

Weitere WC-Anlagen (über die oben angeführten 6 WC-Anlagen hinaus) sind nicht Gegenstand des Vergabeverfahrens.

Zu den Aufgaben des KN zählen damit die Planung, Finanzierung, der Umbau und der Betrieb des 6 Anlagen. Diese Aufgaben hat der KN umfassend in eigener Verantwortung wahrzunehmen: er führt den Umbau als Bauherr im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durch. Nach Abschluss des Umbaus betreibt er die WC-Anlagen ebenfalls im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Er hat dabei insbesondere die Errichtung- und/oder Betriebskonzepte, die er als Bieter im gegenständlichen Vergabeverfahren angeboten hat, umzusetzen.

Der KG konzentriert sich auf die Festlegung und Kontrolle der Ziele und der Qualität der Leistungen. Er wird keine planerischen, sondern lediglich funktionale Vorgaben für den Umbau und den Betrieb der Anlagen zur Verfügung stellen. Voraussichtlich werden Vorgaben bzw Mechanismen zur Festlegung der Benutzerpreise vereinbart werden.

Im Falle einer Beendigung des Vertrages fallen die Anlagen in einem funktionstüchtigen, für den zweckmäßigen Gebrauch tauglichen Zustand wieder an den KG zurück. Kommt es aus Gründen, die der KN nicht zu vertreten hat, zu einer vorzeitigen Beendigung der Vertragsbeziehung, leistet der KG - je nach vereinbart Risikotragung - eine Abgeltung in Höhe eines Teils oder der Gesamtsumme der im jeweiligen Zeitpunkt noch nicht getilgten Investitionskosten. (…)“

Die Antragsgegnerin hat den Bietern Fahrgastzählungen für die betroffenen U-Bahn-Linien für Schultage bekannt gegeben, die stationsweise nach aussteigenden Fahrgästen, einsteigenden Fahrgästen und Belegung aufgegliedert waren.

Das Risiko, seine Investitionen zu refinanzieren und allenfalls einen Gewinn zu erwirtschaften, liegt beim Konzessionsnehmer. Die Einnahmen durch die künftigen Nutzer der WC-Anlagen stellen einen wesentlichen Teil des Entgeltes der Einnahmen des Konzessionsnehmers dar.

Die sechs zu betreibenden WC-Anlagen befinden sich in den Bereichen der U-Bahn-Stationen D., E., F., G., H. und K. jeweils außerhalb des Bereiches, der nur mit gültigem Fahrausweis betreten werden darf (vgl. Baukonzessionsvertrag, Fassung vom 2.4.2018, RNr. 21 und 22) und sollen von der Antragsgegnerin an die Konzessionsnehmerin verpachtet werden. Diese WC-Anlagen befinden sich jedoch jeweils innerhalb des Stationsgebäudes. Die WC-Anlagen sind jeweils Teil der Eisenbahnanlage im Sinne des Eisenbahngesetzes und befinden sich insoweit in einem für den Betrieb der jeweiligen U-Bahn-Linie eisenbahnrechtlich zugehörigen Gebäudeteil der jeweiligen Station.

Die Leistungen des Konzessionsnehmers sollen in der Sanierung und Erweiterung der WC-Anlagen gemäß Punkt 3 des Baukonzessionsvertrages bestehen. Die WC-Anlagen stehen im Eigentum der Antragsgegnerin. Die Sanierung und Erweiterung umfasst insbesondere Bauleistungen, für die der Konzessionsnehmer Baupläne auszuarbeiten und die erforderlichen behördlichen Baubewilligungen bzw. (eisenbahnrechtlichen) Genehmigungen einzuholen hat. Der Konzessionsnehmer soll sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit der Sanierung und Errichtung der WC-Anlagen auf eigene Kosten und eigenes Risiko erbringen (Pkt. 3.16 Baukonzessionsvertrag).

Gegenstand des Vertrages ist auch die Betriebsführung dieser WC-Anlagen (Pkt. 4 des Baukonzessionsvertrages). Der Konzessionsnehmer ist dabei zum Betrieb der WC-Anlagen verpflichtet (Pkt. 4.1.4 Baukonzessionsvertrag). Die Betriebszeiten der WC-Anlagen sind im Baukonzessionsvertrag vorgegeben und lauten: Montag bis Donnerstag (werktags) von 4:30 Uhr bis 0:30 Uhr des darauffolgenden Tages, Freitag (werktags) von 4:30 Uhr bis 24:00 Uhr, Samstag (werktags von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr sowie Sonn- und Feiertags von 00:00 Uhr bis 00:30 Uhr des darauffolgenden Tages (Pkt. 4.1.4 des Baukonzessionsvertrages). Diese Zeiten decken die Betriebszeiten der U-Bahn-Linien ab, wohingegen außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn-Linien ein Betrieb der WC-Anlagen nicht vorgesehen ist.

Die Stationsgebäude werden außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn gesperrt. Zumindest ein Teil der WC-Anlagen befindet sich innerhalb des Bereiches, der nach Betriebsende der U-Bahn gesperrt wird, und ist damit bereits auf Grund der Sperre außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn nicht zugänglich.

Das Entgelt ist im Pkt. 5 des Baukonzessionsvertrages im Wesentlichen wie folgt geregelt:

Für die Nutzung der WC-Anlagen ist der Konzessionsnehmer berechtigt und verpflichtet, ein Nutzungsentgelt in der Höhe von 0,50 € von jedem Nutzer der WC-Anlage einzuheben. Die Nutzung der WC-Anlagen ist für Kinder bis 14 Jahre und für Besitzer eines EURO-Keys unentgeltlich. Die Einnahmen werden jeweils durch den Konzessionsnehmer in eigenem Namen und auf eigene Rechnung einkassiert, soweit dies rechtlich möglich ist. Der Konzessionsnehmer wird den Konzessionsgeber jeweils monatlich im Nachhinein detailliert über die Höhe der Einnahmen über die Betriebsführungstätigkeit (Nutzungsentgelt und Nutzungszahlen) informieren.

Gemäß Pkt. 5.2 des Baukonzessionsvertrages ist der Konzessionsnehmer berechtigt, neben der Einhebung des Nutzungsentgeltes gemäß Pkt. 5.1 einen jährlichen Pauschalbetrag in der in seinem Letztangebot vorgesehenen Höhe in Rechnung zu stellen. Der Konzessionsnehmer trägt alle unternehmerischen Risiken aus dem Betrieb der WC-Anlagen. Er kann bei etwaigem negativem Betriebsgewinn keine über den oben angeführten Zuschuss hinausgehenden Forderungen an den Konzessionsgeber stellen.

Pkt. 5.3 des Baukonzessionsvertrages sieht eine Anpassung des jährlichen Pauschalbetrages auf Grund einer gemeinsamen Evaluierung der tatsächlichen Nutzungen und der Einnahmen aus Werbeflächen vor. Inhalt der Evaluierung ist, dass von etwaigen Mehreinnahmen, wenn diese 10 % der kalkulierten Nutzerzahlen übersteigen, 50 % an die Konzessionsgeberin abzuführen sind. Eine Abnahme des Betriebsrisikos ist in dieser Evaluierung nicht vorgesehen, zumal diese Evaluierung keine Erhöhung des Zuschusses wegen Nichterreichung der kalkulierten Nutzerzahlen vorsieht.

Pkt. 5.4 des Baukonzessionsvertrages sieht weiters einen Baukostenzuschuss für die ersten drei Jahre nach Vertragsschluss vor. Der Baukostenzuschuss ist ein Festpreis, der keiner Wertanpassung unterliegt. Die Höhe des Baukostenzuschusses entspricht dem Letztangebot, auf das der Zuschlag erteilt wird.

Gemäß Pkt. 5.7 des Baukonzessionsvertrages ist der Konzessionsnehmer verpflichtet, dem Konzessionsgeber einen symbolischen Pachtzins von 100,00 € jährlich zu zahlen. Dieser Pachtzins ist nach dem Verbraucherpreisindex 2015 wertgesichert.

Gemäß Pkt. 6 des Baukonzessionsvertrages beginnt das Pachtverhältnis mit dem Datum des Vertragsabschlusses und endet nach einer Dauer von 15 Jahren durch Zeitablauf. Im Pkt. 6.2. des Baukonzessionsvertrages ist eine optionale Verlängerungsmöglichkeit des Vertrages um bis zu maximal fünf weiteren Jahren vorgesehen.

Bei der Beweiswürdigung wurde erwogen:

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen beruhen im Wesentlichen auf dem Vergabeakt, wobei jedoch auch das Parteivorbringen und die mündliche Verhandlung berücksichtigt wurden. Einzelne ergänzende Aspekte wie z.B. nähere Details zur Situierung der verfahrensgegenständlichen WC-Anlagen waren für die Verfahrensparteien auf Grund der Angebotserstellung bzw. der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen bekannt und unstrittig und wurden vom Senat in der mündlichen Verhandlung als ergänzende Grundlageninformationen eingeholt. Auch die Tatsache, dass das vorgesehene, von Dritten einzuhebende Nutzungsentgelt für die WC-Anlagen eine nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten relevante Größe darstellt und einen wesentlichen Teil der Finanzierung ausmachen soll, stand für die Verfahrensparteien übereinstimmend und eindeutig fest.

In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:

Die Antragsgegnerin ist unstrittig öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 und im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 VWRG 2014 und übt mit dem Betrieb der Wiener Linien unstrittig eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 169 BVergG 2006 (Verkehrsleistungen) aus. Sie führt ein Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe einer Baukonzession für die Errichtung und den Betrieb von WC-Anlagen. Sie hat in diesem Verfahren eine Zuschlagsentscheidung erlassen. Die Antragstellerin hat rechtzeitig einen Antrag auf Nichtigerklärung dieses Antrages gestellt.

Baukonzessionen unterscheiden sich von Bauaufträgen dadurch, dass die Gegenleistung des Auftraggebers entweder allein in der Einräumung des Rechtes zur Nutzung des Bauwerkes oder in der Einräumung dieses Rechtes zuzüglich der Zahlung eines Entgeltes (Zuschuss) besteht (vgl. Art 5 Z 1 lit. a der Richtlinie 2014/23/EU). Das wirtschaftliche Risiko der Refinanzierung der Bauführung muss jedoch beim Konzessionsnehmer liegen. Dienstleistungskonzessionen unterscheiden sich von Dienstleistungsaufträgen dadurch, dass die Gegenleistung des Auftraggebers entweder allein in der Einräumung des Rechtes zur Nutzung der Dienstleistung oder in der Einräumung dieses Rechtes zuzüglich der Zahlung eines Entgeltes (Zuschuss) besteht (vgl. Art 5 Z 1 lit. b der Richtlinie 2014/23/EU).

Die oben angeführten Elemente des Vorliegens einer Konzession liegen gegenständlich insoweit vor, als dem Konzessionsnehmer neben der Zahlung eines Zuschusses zu den Baukosten und eines Zuschusses zu den Betriebskosten das Recht eingeräumt wird, von den Nutzern der WC-Anlagen ein Entgelt einzuheben und die Leistung des Konzessionsnehmers größtenteils durch die Einhebung dieses Entgeltes finanziert werden muss. Es ist nicht vorgesehen, dass der Konzessionsgeber ein die Bau- und Betriebskosten jeweils vollständig deckendes Entgelt bezahlt, bzw., dass er einen etwaigen Verlust des Konzessionsnehmers wegen Nichterreichen der kalkulierten Einnahmen durch die Nutzung der WC-Anlagen abdeckt. Eine Anpassung der Zuschüsse ist lediglich insoweit vorgesehen, als sich die Zuschüsse entsprechend verringern bzw. 50 % der zusätzlichen Einnahmen abgeführt werden müssen, wenn die Einnahmen das kalkulierte Ausmaß um mehr als 10 % überschreiten. Das wirtschaftliche Risiko verbleibt daher beim Konzessionsnehmer. Die Einnahmen von dritten Personen für die Nutzung der WC-Anlagen stellen einen wesentlichen Anteil an der Finanzierung der Leistungen des Konzessionsnehmers dar. Es liegt insoweit eine Konzession vor.

Zur Abgrenzung zwischen Bau- und Dienstleistungskonzession ist auszuführen, dass der Leistungsgegenstand insoweit in erheblichem Umfang Bauleistungen enthält, als die WC-Anlagen baulich instand gesetzt und erweitert werden sollen. Das anschließende Betreiben der WC-Anlagen stellt zugleich eine Nutzung des vorher instand gesetzten und erweiterten Bauwerkes dar. Die Konzession ist dem Hauptzweck des Vertrages zu Folge als Baukonzession einzustufen. Dies entspricht auch der in den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen erfolgten Einstufung.

Es liegt daher gegenständlich ein Vergabeverfahren sui generis zum Abschluss eines Baukonzessionsvertrages vor.

Strittig ist jedoch, ob die Vergabe dieser Baukonzession nach dem klassischen Regime oder nach dem Sektorenregime zu erfolgen hat.

Gemäß § 169 Abs. 1 BVergG sind Sektorentätigkeiten im Bereich des Verkehrs die Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsdienstleistungen auf der Schiene, mit automatischen Systemen, mit der Straßenbahn, mit Bus, mit Oberleitungsbussen oder mit Kabel. Das Betreiben von U-Bahn-Linien durch die Antragsgegnerin ist zweifellos eine solche Sektorentätigkeit.

Strittig ist jedoch, ob der Betrieb der gegenständlichen WC-Anlagen zum Betreiben dieser U-Bahn-Linien und damit zu der in Rede stehenden Sektorentätigkeit der Verkehrsdienstleistungen (§ 169 BVergG 2006) zählt.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes ist diesbezüglich auf den Zweck des Betriebes der WC-Anlagen abzustellen. Aus diesem Grund ist die in den Schriftsätzen relevierte Frage der früheren organisatorischen Eingliederung der Betreuung der WC-Anlagen nicht relevant. Die Frage, ob die WC-Anlagen früher von der Antragsgegnerin gereinigt wurden oder die Reinigung durch die MA 48 erfolgt ist, hat keine Relevanz für die Frage, ob der Betrieb der WC-Anlagen für Zwecke des Betriebes der U-Bahn oder für andere Zwecke erfolgt. Darüber hinaus wäre es der Antragsgegnerin auch nicht verwehrt gewesen, für den Betrieb der WC-Anlagen eine horizontale Zusammenarbeit mit anderen Sektorenauftraggebern oder öffentlichen Auftraggebern und somit eben auch mit der Stadt Wien einzugehen.

Näher einzugehen ist jedoch auf das Argument der Antragstellerin, dass der Betrieb der WC-Anlagen auch zum Zweck der Versorgung der städtischen Infrastruktur mit öffentlichen WC-Anlagen erfolgt und aus diesem Grund auch von Personen aufgesucht werden kann, die keine Fahrgäste der Antragsgegnerin sind. Die WC-Anlagen liegen jeweils außerhalb der Schranke, die nur mit gültigem Fahrausweis durchschritten werden darf. Dieses Vorbringen trifft sachverhaltsmäßig zu. Die WC-Anlagen liegen jedoch jeweils im Bereich der U-Bahn-Station und die Betriebspflicht der WC-Anlagen ist zeitlich an die Betriebszeiten der U-Bahn gebunden. Außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn sind die U-Bahn-Stationen geschlossen und sind die darin befindlichen WC-Anlagen nicht zugänglich.

Der Betrieb der WC-Anlagen hat daher unterschiedliche Zwecke. Die Versorgung der Fahrgäste mit WC-Anlagen ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nach seinem Zweck dem Betrieb der U-Bahn-Linie und damit gemäß § 169 BVergG 2006 einer Sektorentätigkeit zuzurechnen. Die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen WC-Anlagen ist jedoch, soweit es sich dabei nicht um Fahrgäste handelt, einer solchen Sektorentätigkeit nicht zuzurechnen. Es liegt insoweit eine Mischtätigkeit vor, die jedoch nur insgesamt entweder eine Sektorentätigkeit oder keine Sektorentätigkeit darstellen kann.

Die Abgrenzung derartiger Mischtätigkeiten ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes nach dem Hauptzweck („main purpose“) der Tätigkeit zu treffen. Die im § 9 Abs. 1 BVergG 2006 vorgesehene Abgrenzung nach dem wertmäßigen Überwiegen betrifft lediglich den spezifischen Fall der Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen und ist auf Mischtätigkeiten der hier vorliegenden Art nicht übertragbar.

Sachverhaltsmäßig sollen die gegenständlichen WC-Anlagen deswegen an den vorgesehenen Stellen errichtet und betrieben werden, weil sie zur Versorgung der Fahrgäste vorgesehen sind. WC-Anlagen auf öffentlichen Plätzen, die sich nicht im U-Bahn-Bereich befinden, sind vom gegenständlichen Vergabeverfahren nicht umfasst. Die WC-Anlagen befinden sich auch jeweils im Bereich der U-Bahn-Station und die Betriebszeiten der WC-Anlagen sind zeitlich mit den Betriebszeiten der U-Bahn abgestimmt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes kann daher davon ausgegangen werden, dass bei den gegenständlichen WC-Anlagen die Versorgung der Fahrgäste als Hauptzweck im Vordergrund steht und die Versorgung auch anderer Personen lediglich ein nachgeordneter Zweck ist. Es liegt daher auf Grund des Hauptzweckes der Versorgung der Fahrgäste eine Sektorentätigkeit vor. Auf die Frage, wie sich die künftigen Nutzerzahlen in Fahrgäste und andere Personen aufteilen, kommt es dabei nicht an.

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sich die WC-Anlagen zumindest zum Teil in solchen Etagen der U-Bahn-Stationen befinden, in denen sich auch Geschäftslokale wie z.B. Bäckereien befinden. Auch wenn der Betrieb der WC-Anlagen die Funktion miterfüllen sollte, die Kunden bzw. Gäste dieser Geschäfte zu versorgen, würde dies nach Ansicht des Senates nichts daran ändern, dass die Versorgung der Fahrgäste als Hauptzweck des Betriebs der WC-Anlagen im Vordergrund verbleibt. Dies geht auch aus den vorgesehenen Betriebszeiten der WC-Anlagen hervor, die einen etwaigen Betrieb außerhalb der Betriebszeiten der U-Bahn nicht vorsehen. Auch die Betriebszeiten der von der Antragstellerin angesprochenen Geschäfte sind durch die Betriebszeiten der U-Bahn und die vorgesehene Schließung der U-Bahn-Stationen außerhalb der Betriebszeiten eingeschränkt.

Die Zurechnung des Betriebes der WC-Anlagen zum Betrieb der U-Bahn wird auch mittelbar durch die Tatsache verstärkt, dass die WC-Anlagen jeweils Teil der Eisenbahnanlagen im eisenbahnrechtlichen Sinne sind. Dabei wird nicht verkannt, dass die vergaberechtliche Beurteilung nach dem Hauptzweck des Vertrages, die ihren Ursprung im europäischen Vergaberecht hat, nicht nach der eisenbahnrechtlichen Beurteilung, die innerstaatlichen Ursprungs ist, zu erfolgen hat. Vielmehr verdeutlicht dieser eisenbahnrechtliche Aspekt, dass die gegenständlichen WC-Anlagen auch räumlich in einem engen Zusammenhang mit dem Betrieb der U-Bahn stehen, was zusätzlich bestärkt, dass der Betrieb der U-Bahn der Hauptzweck des Konzessionsvertrages ist.

Weiters ist das Vorbringen der Antragstellerin zumindest plausibel, dass der Betrieb der WC-Anlagen auch den Zweck verfolgen mag, für die Dauer der Betriebszeiten der U-Bahn die Funktion einer öffentlich zugänglichen WC-Anlage mit zu übernehmen. Dieser Zweck ist vor allem deshalb nachvollziehbar, weil die WC-Anlagen außerhalb der Fahrgastschranken liegen und somit auch für Nicht-Fahrgäste zugänglich sind. Außerdem steht es im Ermessen des Konzessionsnehmers, sein Betriebskonzept so auszugestalten, dass die Nutzung der WC-Anlagen durch Nicht-Fahrgäste gegebenenfalls auch überwiegen und der überwiegende Teil der Einnahmen aus der Nutzung durch Nicht-Fahrgäste stammen kann.

Das von der Antragstellerin bestrittene Vorbringen der Antragsgegnerin, dass Hinweise auf die WC-Anlagen nur innerhalb der U-Bahn-Anlage erfolgen dürften, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Es steht der Konzessionsnehmerin vielmehr frei, die von ihr betriebenen WC-Anlagen gegebenenfalls auch außerhalb der U-Bahn-Stationen bewerben zu dürfen und auf diese Weise gegebenenfalls ihre Einnahmen aus der Nutzung der WC-Anlagen zu erhöhen. Die Nutzung durch Nicht-Fahrgäste stellt jedoch nicht den Grund dafür dar, warum die Antragsgegnerin die gegenständliche Baukonzession vergibt. Sie stellt vielmehr lediglich eine Möglichkeit für die Konzessionsnehmerin dar, ihre Leistung über die Einnahmen der Nutzungsentgelte von diesem Personenkreis zu finanzieren, und ist somit ein untergeordneter Zweck für den Betrieb der ausschreibungsgegenständlichen WC-Anlagen.

Für Bau- und Dienstleistungskonzessionen im Sektor bestimmt § 177 Abs. 1 BVergG 2006, dass nur die in der zit. Gesetzesstelle angeführten Paragraphen des BVergG 2006 auf das Vergabeverfahren anwendbar sind. § 2 BVergG 2006 ist im § 177 Abs. 1 BVergG 2006 nicht angeführt.

Mangels Anwendbarkeit des § 2 BVergG 2006 bestehen daher nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen des BVergG 2006 bei Baukonzessionen im Sektor keine gesondert anfechtbaren Entscheidungen. Damit besteht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes ein wesentlicher Unterschied zur Vergabe von Baukonzessionen im klassischen Bereich, zumal im klassischen Bereich gemäß § 7 BVergG 2006 die Anwendbarkeit des § 2 BVergG 2006 nicht ausgeschlossen wird.

Der VfGH hat im Erkenntnis vom 11.12.2018, G 205/2018-19, klargestellt, dass es gemäß Art 14b B-VG nicht in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fällt, im Rahmen der Regelung des Vergaberechtsschutzes des jeweiligen Landes festzulegen, welche Entscheidungen gesondert anfechtbar sind. Im zit. Erkenntnis hat der VfGH eine Bestimmung des Kärntner Vergaberechtsschutzgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben, weil in dieser Bestimmung eine Festlegung, welche Entscheidungen gesondert anfechtbar sind, enthalten war.

Vor dem Hintergrund dieses Erkenntnisses ist daher Versuchen, dem WVRG 2014 im Auslegungsweg etwaige gesondert anfechtbare Entscheidungen bei der Vergabe von Baukonzessionen im Sektor entnehmen zu wollen, von vornherein der Boden entzogen. Eine ausdrückliche Regelung, welche Entscheidungen bei Baukonzessionen im Sektor gesondert anfechtbar sind, enthält das WVRG nicht. Von einer Regelungslücke im WVRG 2014, die allenfalls durch Analogie zu schließen wäre, ist im Hinblick auf das zit. VfGH-Erkenntnis nicht auszugehen, weil eine solche Regelung diesem VfGH-Erkenntnis zu Folge verfassungswidrig wäre und eine solche Analogie daher am Gebot der verfassungsgemäßen Interpretation scheitert. Es kann daher dem WVRG keine gesondert anfechtbare Entscheidung bei der Vergabe von Baukonzessionen im Sektor entnommen werden.

Wenn die Antragstellerin darauf hinweist, dass § 1 Abs. 1 WVRG 2014 eine Zuständigkeit des VGW für die Nachprüfung der Vergabe von Baukonzessionen begründe und dabei nicht zwischen klassischen Bereich und Sektor differenziere, so ist damit für die Antragstellerin nichts gewonnen. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 WVRG ist in Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 WVRG zu lesen, welcher an das Vorliegen einer gesondert anfechtbaren Entscheidung anknüpft. Die Festlegung, welche Entscheidungen gesondert anfechtbar sind, fällt dem zit. Erkenntnis des VfGH zu Folge in die Zuständigkeit des Bundes. Die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung des Vergaberechtsschutzes knüpft an die Entscheidungen an, die der Bundesgesetzgeber als gesondert anfechtbar festgelegt hat. Die Regelung des § 1 Abs. 1 WVRG 2014 ist insoweit verfassungskonform – sowie im textlichen Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 WVRG 2014 – dahingehend auszulegen, dass Vergaberechtsschutz nur gegen vom Bundesgesetzgeber im materiellen Vergaberecht als gesondert anfechtbar festgelegte Entscheidungen zusteht.

Wenn die Antragstellerin vorbringt, dass die Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie unmittelbar anwendbar sei, so ist für sie im gegenständlichen Verfahren ebenfalls nichts gewonnen. Es obliegt dem Organisationsgesetzgeber des jeweiligen Mitgliedstaates, ob er den europarechtlich vorgesehenen Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte, durch ordentliche Gerichte oder auf andere europarechtskonforme Weise einräumt. Dadurch, dass der Bundesgesetzgeber im § 177 BVergG 2006 für Bau- und für Dienstleistungskonzessionen im Sektor die Anwendung des § 2 BVergG 2006 und damit etwaige gesondert anfechtbare Entscheidungen ausgeschlossen hat, hat er nicht etwa eine Rechtsschutzlücke geschaffen, sondern den Rechtsschutz in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte verwiesen (vgl. z.B. Schramm/Öhler in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG, 2. Auflage, § 177, Rz. 30 mwN).

Zum Vorbringen, dass die Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie im Art 1 Abs. 1 vierter Unterabsatz und im Art 2a Abs. 1 unter anderem für Baukonzessionen im Sektor zumindest die Zuschlagsentscheidung als gesondert anfechtbare Entscheidung vorsehe und die erforderliche Festlegung der Zuschlagsentscheidung für Baukonzessionen im Sektor daher bereits in diesen Bestimmungen der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie erfolgt sei, ist zunächst festzuhalten, dass die beiden Bestimmungen vorsehen, dass die Mitgliedstaaten die „erforderlichen Maßnahmen ergreifen“ bzw. „die erforderlichen Maßnahmen festlegen“, um den nach dieser Richtlinie gebotenen effektiven Rechtsschutz sicherzustellen. Bereits dieser Wortlaut spricht dagegen, dass die von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung angeführten Bestimmungen der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie die von ihr argumentierte unmittelbare Wirkung aufweisen.

Vor allem aber lassen die von der Antragstellerin zitierten Bestimmungen der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie die Kompetenz des Mitgliedstaates unberührt, den nach der Sektoren-Re

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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