Entscheidungsdatum
16.10.2018Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I405 2206213-2/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2018, Zl. 1047467808-180904974, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. Nigeria, beschlossen:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 07.12.2014 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte als liberianischer Staatsangehöriger am 08.12.2014 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass sein Stiefvater vor zwei Monaten an Ebola verstorben sei und er keine Familie mehr gehabt hätte, weshalb er dann das Land verlassen habe.
2. Aufgrund bestehender Zweifel an der vom BF angegebenen Staatsangehörigkeit wurde eine Untersuchung seiner Sprachkompetenzen durch einen Gutachter veranlasst, welche ergab, dass der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Nigeria und nicht in Liberia hauptsozialisiert wurde.
3. Mit Bescheid vom 13.09.2016, Zl. 1047467808-140259247, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II) ab. Zugleich wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, über den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und des Weiteren festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III).
Diese Entscheidung erwuchs mit ihrer Zustellung am 30.09.2016 in Rechtskraft. Seiner Ausreiseverpflichtung kam der BF nicht nach und entzog sich dem Verfahren zu seiner Außerlandesbringung.
4. Am 15.09.2018 wurde der BF bei einer Zufallskontrolle angehalten und nach einem Fluchtversuch festgenommen.
5. Mit Mandatsbescheid vom 16.09.2018 wurde gem. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung des BF verhängt.
6. Der BF stellte in weiterer Folge am 24.09.2018 im Stande der Schubhaft den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.
7. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der BF an, dass er seit seinem Asylantrag das Bundesgebiet nicht verlassen habe. Nach den Gründen für den neuen Antrag befragt, führte er an, dass er seine damaligen Gründe vollinhaltlich aufrechthalte. Sein Stiefvater sei an Ebola verstorben. Er habe niemanden mehr in seiner Heimat.
8. Mit Mitteilung vom 26.09.2018 wurde dem BF schriftlich zur Kenntnis gebracht, dass gemäß §§ 29 Abs. 3 Z 6 iVm § 12a Abs. 2 AsylG beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sowie seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.
9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2018, W197 2206213-1/6E, wurde die Beschwerde des BF gegen den Schubhaftbescheid vom 16.09.2018 als unbegründet abgewiesen
10. Am 28.09.2018 wurde der BF vor dem BFA, XXXX, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren noch aufrecht seien und es sich nichts geändert habe. Ergänzend führte der BF erstmals an, dass jemand ihn töten habe wollen und ihn überall am Körper verwundet habe. Es sei wegen seiner Volksgruppe gewesen bzw. wegen des Umstandes, dass er nicht von Liberia sei.
Den Vorhalt, dass entsprechend der im Vorverfahren eingeholten Sprachanalyse er aus Nigeria stamme, bestritt der BF. Er wisse aber nicht, woher er komme.
Er habe weder in der EU bzw. in Österreich aufhältige Eltern, Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet) bzw. sonstige Verwandte.
Auf Vorhalt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, entgegnete der BF, dass er dazu nichts sagen könne. Er sei gegenüber der Behörde machtlos.
Auf die Möglichkeit der Rückübersetzung der Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat Nigeria durch den anwesenden Dolmetscher verzichtete der BF.
Der anwesende Rechtsberater stellte keine Fragen und Anträge.
11. Mit dem verfahrensgegenständlichen, mündlich verkündeten Bescheid vom 28.09.2018 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.
12. Mit Schreiben vom 08.10.2018, eingelangt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts I405 am 05.10.2018, informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht über die erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und übermittelte zugleich den Akt zur Beurteilung der Aufhebung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF ist ein Staatsangehöriger Nigerias, und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20 b AsylG. Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF versucht weiter seine wahre Identität zu verschleiern.
Der BF ist gesund, jung und in einem arbeitsfähigen Alter.
Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.12.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz und brachte dabei vor, Staatsangehöriger von Liberia zu sein und sein Land verlassen zu haben, da sein Stiefvater an Ebola verstorben sei und er niemanden mehr gehabt hätte.
Dieser erste Antrag wurde mangels Asylrelevanz mit Bescheid des BFA vom 13.09.2016, Zl. 1047467808-140259247, abgewiesen.
Diese Entscheidung erwuchs mit ihrer Zustellung am 30.09.2016 in Rechtskraft.
Es liegt eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und befindet sich aktuell in Schubhaft.
Der BF stellte am 24.09.2018 seinen gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
In Österreich verfügt der BF über keine maßgeblichen familiären Anknüpfungspunkte. Auch weist der BF keine tiefgreifende und nennenswerte Verfestigung in sprachlicher, sozialer und integrativer Hinsicht auf. Der BF spricht nicht Deutsch und hat bislang keinen Deutschkurs absolviert. Er geht keiner regelmäßigen Arbeit nach und bezieht keinerlei Leistung aus der Grundversorgung. Es besteht der Verdacht, dass er seinen Lebensunterhalt durch Suchtgifthandel sicherzustellen sucht.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des BF:
Im gegenständlichen Asylverfahren bringt der BF keine neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor.
Der BF brachte in seinem vorherigen Verfahren vor, dass er aus Liberia stammen würde. Er habe sein Land verlassen, da sein Stiefvater an Ebola verstorben sei und er niemanden mehr dort habe. Das Fluchtvorbringen des BF wurde vom BFA nicht als asylrelevant qualifiziert. Zudem wurde vom BFA festgehalten, dass auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage hervorgekommen seien, aus denen das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden könne.
Im nunmehrigen Verfahren wiederholt der BF dieselben Fluchtgründe, wobei er nunmehr ergänzend ausführt, dass er aufgrund seiner Volksgruppe bzw. seiner Nicht-Abstammung aus Liberia verfolgt worden sei. Dieses Vorbringen war jedoch auch bereits Gegenstand seines ersten Antrages auf internationalen Schutz.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des BF in seinem Folgeantrag und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existenziellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des BF nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der BF verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Nigeria ist nicht eingetreten.
Der Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.1. Zur Person des BF:
Die Feststellungen zu seiner Identität ergeben sich aus einer Bestätigung der Österreichischen Botschaft in Abuja.
Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, sowie zu den Lebensumständen gründen sich auf seinen diesbezüglichen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und aus dem Akt.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 24.07.2018.
2.2. Zu den Fluchtmotiven des BF:
Im gegenständlichen Asylverfahren bringt der BF keine neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor. Seinem Fluchtvorbringen wurde bereits in seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz vom BFA die Asylrelevanz versagt.
Im gegenständlichen Verfahren wiederholt der BF sein bisheriges Fluchtvorbringen und führt ergänzend aus, dass er in Liberia aufgrund seiner Nicht-Abstammung von dort verfolgt worden sei. Dieses Vorbringen ist jedoch bereits von der Rechtskraft der Entscheidung über den ersten Antrag mitumfasst. Wie das BFA richtig darauf hinweist, vermochte der BF damit keinen neuen asylrelevanten Sachverhalt zu begründen. Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Begründung des BFA dazu. So wurde das Fluchtvorbringen des BF bereits im ersten Verfahren als nicht asylrelevant beurteilt. Vor diesem Hintergrund ist auch das Vorbringen im nunmehrigen Verfahren nicht asylrelevant bzw. konnte keine glaubhafte Verfolgung geltend gemacht werden.
Somit hat der BF im zweiten Rechtsgang anlässlich seiner niederschriftlichen Befragung beziehungsweise Einvernahme vor dem Bundesamt keine seit rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens neu hervorgetreten Fluchtgründe geltend gemacht.
Angesichts der im Vorverfahren festgestellten mangelnden Asylrelevanz sowie der persönlichen Unglaubwürdigkeit des BF, liegt insbesondere auch aufgrund seiner Anhaltung in Schubhaft vielmehr nahe, dass er diesen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz nur gestellt hat, um seine Abschiebung zu vereiteln.
Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen des vorherigen Asylverfahrens und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria im gegenständlichen Verfahren ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Nigeria. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremden auch nicht behauptet. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
Es wurden auch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgebracht, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte. Im Übrigen hat nicht einmal der BF selbst vorgebracht, dass ihm im Falle einer Abschiebung nach Nigeria eine reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand drohen würde.
Aus den Angaben des BF kann nicht auf ein Privat- oder Familienleben derart hoher Intensität geschlossen werden, dass eine Rückkehrentscheidung einen Eingriff in die durch die EMRK geschützten Rechte bedeuten würde.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des BF in Österreich beruhen auf den Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und den entsprechenden Feststellungen im Bescheid.
Die Feststellung zu der Anhaltung des BF in Schubhaft ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Auskunft aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
§ 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lauten:
Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1.-gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2.-kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3.-im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4.-eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1.
gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2.
der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3.
die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) ...
Entscheidungen
§ 22. ...
(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
...".
§ 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 84/2017, lautet:
Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
3.2. Zunächst ist festzuhalten, dass der BF einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 Asylgesetz 2005 gestellt hat und dass kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vorliegt.
Auch die übrigen Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z 1 bis 3 Asylgesetz 2005 liegen vor:
3.2.1. Gegen den BF besteht nach Rechtskraft des Bescheides vom 13.09.2016, Zl. 1047467808-140259247, eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG.
3.2.2. Der Folgeantrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.
Laut Aussage des BF bestanden die neuen Fluchtgründe bereits bei seiner Einreise ins Bundesgebiet, somit deutlich vor Rechtskraft des per 30.09.2016 abgeschlossenen Vorverfahrens und hat der BF diese Fluchtgründe aus eigenem Verschulden nicht vor dem Bundesamt bzw. dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht.
3.2.3. Auch dafür, dass dem BF im Fall einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt, zumal der BF gesund und erwerbsfähig ist. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der BF seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte. Außerdem besteht in Nigeria derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK oder Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 und 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Anlass zur Annahme, dass die Beurteilung durch die belangte Behörde, wonach es zwischenzeitig nicht zu einer wesentlichen Sachverhaltsänderung in Nigeria in Bezug auf eine Person mit dem Profil des BF gekommen sei, unzutreffend wäre. Vielmehr ist der belangten Behörde dahingehend beizupflichten, dass im Verfahren vor der belangten Behörde nichts hervorgekommen ist, was gegen eine Abschiebung des BF in den Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmung spricht.
Dass der BF über relevante familiäre Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK im Bundesgebiet verfügen würde, ist nicht erkennbar und wird von diesem auch gar nicht behauptet.
Zur Frage eines schützenswerten Privatlebens des BF ist auszuführen, dass dieser illegal in das Bundesgebiet einreiste und nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb der Asylverfahren verfügte, sondern sich bisher nur aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz in Österreich aufhalten durfte, der jedoch zu keinem Zeitpunkt berechtigt war. Der BF ging in Österreich keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach, spricht kein Deutsch und verfügt hier über keine familiären oder maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte und ist keine soziale und integrative Verfestigung vorhanden.
Es ist somit der Ansicht der belangten Behörde beizupflichten, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des BF in Österreich feststellbar ist.
Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass (auch) im Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der notwendigen Einräumung von rechtlichem Gehör (§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt; es wurde dem BF Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 28.09.2018 durch die belangte Behörde einvernommen und es wurden ihm Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.
3.2.4. Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 28.09.2018 rechtmäßig.
3.3. Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Unbeschadet dieser gesetzlichen Bestimmung hat der Fremde (der von der belangten Behörde zeitnah befragt wurde und im gegenständlichen Verfahren von einem Rechtsberater unterstützt war, der auch bei der Einvernahme vom 28.09.2018 anwesend war) nicht dargelegt, welche zusätzlichen Ausführungen er in einer solchen Verhandlung hätte tätigen können, die eine andere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu bewirken in der Lage gewesen wären.
Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist; da § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I405.2206213.2.00Zuletzt aktualisiert am
15.02.2019