TE Bvwg Beschluss 2018/12/19 I403 2185495-2

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Veröffentlicht am 19.12.2018
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Entscheidungsdatum

19.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I403 2185495-2/5Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2018, Zl. 1123656710/181055155, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA - VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsbürgerin, stellte am 21.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass sie in Nigeria wegen ihrer Homosexualität verfolgt worden sei.

Die Beschwerdeführerin wurde am 29.08.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Sie wiederholte ihr bisheriges Vorbringen und erklärte, in Österreich freiwillig der Prostitution nachzugehen, da sie ihrem Vater €

15.000.- für ihre Flucht zurückzahlen müsse. Sie sei nicht Opfer von Menschenhandel.

Die Landespolizeidirektion XXXX verständigte die Staatsanwaltschaft von dem Verdacht des Menschenhandels. Die Staatsanwaltschaft sah aufgrund fehlenden Anfangsverdachts von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab (Verständigung vom 12.12.2017).

Mit Bescheid des BFA vom 15.01.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen. Zugleich wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde für nicht glaubhaft befunden. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.09.2018, Zl. I420 2185495-1/5E, als unbegründet ab. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Am 06.11.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte sie nunmehr, sie sei Opfer von Menschenhandel und in Österreich zur Prostitution gezwungen worden.

Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 22.11.2018 gab die Beschwerdeführerin an, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von Nigeria nach Europa gelockt worden zu sein; man habe ihr versprochen, sie könne hier als Kindermädchen arbeiten. Sie habe vor ihrer Ausreise ein Voodoo-Ritual durchlaufen. Ihre Angaben im Erstverfahren habe sie auf Druck der Menschenhändlerin getätigt. Seit März 2018 habe sie aber den Kontakt zu dieser Frau und auch zu ihrem Vater abgebrochen; aktuell gehe sie gelegentlich freiwillig der Prostitution nach.

Mit Bescheid vom 23.11.2018 wies die belangte Behörde den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 06.11.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt I.). Der Antrag wurde auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht.

Dagegen wurde im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung am 06.12.2018 Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Abänderung des angefochtenen Bescheids der Beschwerdeführerin Asyl, in eventu subsidiären Schutz zuerkennen; in eventu die Angelegenheit an die erste Instanz zurückverweisen; feststellen, dass die Rückkehrentscheidung bzw. die Abschiebung unzulässig sind; eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

§ 17 Abs. 1 BFA-VG lautet:

"Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und

1. diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder

2. eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht

sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt."

Im gegenständlichen Fall wurde eine Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und die mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, erhoben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher zu prüfen, ob die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zu einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK führen könnte. Die Beschwerdeführerin behauptet, Opfer von Frauenhandel zu sein. Entsprechend wurde bereits im Vorverfahren sowohl im Bescheid des BFA vom 15.01.2018 als auch im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2018 festgehalten, dass es Indikatoren für das Vorliegen von Menschenhandel geben würde. Aufgrund ihrer Weigerung dies zuzugeben und dem Umstand, dass von der Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, wurde dies im Vorverfahren nicht weiter verfolgt. Im gegenständlichen Verfahren gibt die Beschwerdeführerin nunmehr an, Opfer von Menschenhandel zu sein. Das BFA kam im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass dem kein glaubhafter Kern zukommen könne, da sie im Erstverfahren verneint hatte, ein Opfer von Menschenhandel zu sein. Dabei wird aber übersehen, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Opfer von Menschenhandel aus Furcht zunächst falsche Angaben machen.

Selbst wenn davon auszugehen ist, dass einer neuen inhaltlichen Entscheidung über Asyl bzw. subsidiären Schutz die Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2018 entgegensteht, so ist eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um ein Opfer von Menschenhandel handelt, notwendig, da dies sowohl in Bezug auf eine mögliche Verletzung des Art 8 EMRK (VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0038-11) wie auch des Art 3 EMRK entscheidungsrelevant ist.

Das Bundesverwaltungsgericht wird daher eine mündliche Verhandlung anberaumen müssen, um der Frage nachzugehen, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um ein Opfer von Menschenhandel dreht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, aufenthaltsbeendende Maßnahme,
aufschiebende Wirkung, Homosexualität, Menschenhandel, mündliche
Verhandlung, sexuelle Orientierung, Verdachtslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I403.2185495.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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