Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1956 geborenen N S in Wien, vertreten durch Dr. W und Dr. P, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Dezember 1995, Zl. 114.130/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 21. November 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. In dem von ihm beigeschlossenen Antragsunterlagen ist als Wohnadresse eine Adresse im 15. Wiener Gemeindebezirk angegeben.
Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 23. Dezember 1994 gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ab. Der Bescheid wurde an die erwähnte Adresse des Beschwerdeführers im
15. Wiener Gemeindebezirk adressiert. Auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein ist ein Zustellversuch am 29. Dezember 1994 beurkundet, ebenso, dass eine Verständigung über die Hinterlegung in den Briefkasten eingelegt und das Schriftstück beim Postamt 1153 Wien hinterlegt wurde. Als Beginn der Abholfrist ist der 30. Dezember 1994 genannt. Aus einem vom 3. Februar 1995 stammenden Aktenvermerk der Behörde ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer am selben Tag eine Bescheidkopie übernommen habe.
Mit einem als "Berufung" überschriebenen Schreiben vom 3. Februar 1995, eingelangt bei der Behörde erster Instanz am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer Berufung. Auf seinem Schreiben gab er die bereits erwähnte Adresse im
15. Wiener Gemeindebezirk an. In einer "Anmerkung" führte er aus, er habe leider erst fünf Wochen nach Bescheidausstellung berufen können, da ihm von der Post kein Bescheid zugestellt worden sei und auch keine Abholbescheinigung hinterlassen worden sei.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 12. Dezember 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 29. Dezember 1994 erfolgt sei und die Berufung erst am 3. Februar 1995 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die §§ 63 Abs. 5 und 66 Abs. 4 AVG lauteten in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 22. Dezember 1995) maßgeblichen Fassung (auszugsweise):
"§ 63.
...
(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. ...
...
§ 66.
...
(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ..."
Die belangte Behörde stützt ihren angefochtenen Bescheid offenkundig auf den Umstand, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz am 29. Dezember 1994 durch Hinterlegung zugestellt worden ist (die Wirksamkeit der Zustellung ergäbe sich bei Hinterlegung am 29. Dezember 1994 allerdings gemäß § 17 Abs. 3 zweiter Satz des Zustellgesetzes mit 30. Dezember 1994).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, insbesondere ob die auf dem Rückschein vermerkten Daten den Tatsachen entsprechen. Die Behörde hat die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist dem Rechtsmittelwerber zur Stellungnahme vorzuhalten. Unterlässt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1995, E 61 zu § 17 des Zustellgesetzes angegebene hg. Rechtsprechung). Einen derartigen Vorhalt hat die belangte Behörde ungeachtet des Hinweises des Beschwerdeführers in seiner Berufung, es sei ihm von der Post kein Bescheid zugestellt worden und auch keine Abholbescheinigung hinterlassen worden, unterlassen. Das Beschwerdevorbringen unterläge daher nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist allerdings nicht geeignet aufzuzeigen, wie die belangte Behörde bei Vermeidung des ihr anzulastenden Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Zwar führt der Beschwerdeführer aus, der Bescheid der Behörde erster Instanz sei ihm "nicht zugestellt" worden, er habe ihn erst am 3. Februar 1995 ausgefolgt erhalten, dieses Vorbringen enthält allerdings keine konkreten Angaben dazu, weshalb der Beschwerdeführer davon ausgehe, dass ungeachtet der unbestrittenen Beurkundung des Zustellvorganges auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein keine wirksame Zustellung (durch Hinterlegung am 29. Dezember 1995, wirksam mit 30. Dezember 1994) erfolgt sein soll. Das Beschwerdevorbringen enthält vielmehr eine Rüge dahingehend, die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer über die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrages belehren müssen und seine Anmerkung im Berufungsschriftsatz als in eventu gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung rechtlich zu werten gehabt. Auch dieses Vorbringen ist aber nicht geeignet, die Relevanz des der Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels aufzuzeigen, weil nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Zurückweisung einer Berufung als verspätet, falls die Voraussetzungen dafür vorliegen, auch dann rechtmäßig ist, wenn über einen in eventu gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist noch nicht entschieden ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1998), 1260 f, E 91 zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Zur Klarstellung sei allerdings gesagt, dass dem Vorbringen in der zitierten "Anmerkung" kein Wiedereinsetzungsantrag zu entnehmen ist, zumal behauptete Zustellmängel keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund bilden können (vgl. die bei Hauer-Leukauf5, S. 672 zu Z. 9b zitierte hg. Rechtsprechung).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996190079.X00Im RIS seit
20.11.2000