TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/10 B321/97

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Veröffentlicht am 10.06.1997
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der teilweisen Aufhebung der Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Mariastein mit E v 25.02.97, V123/96.

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. Jänner 1997, ZVe1-550-2500/1-1, wurde die Vorstellung der beschwerdeführenden Nachbarin gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Mariastein betreffend die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf der GP 196/19, KG Mariastein, als unbegründet abgewiesen.

2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Erwerbstätigkeit und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in ihren Rechten durch die Anwendung gesetzwidriger Verordnungen als verletzt.

3. Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

4. Die Gemeinde Mariastein verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung.

5. Mit Erkenntnis vom 25. Februar 1997, V123/96, hob der Verfassungsgerichtshof die Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Mariastein vom 27. November 1992, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung am 7. Jänner 1994, ZVe1-546-516/3-6, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 4. Februar 1994 bis 21. Februar 1994, insoweit darin die GP 196/1 (Teilfläche), KG Mariastein, als Wohngebiet ausgewiesen ist, als gesetzwidrig auf.

II. 1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren zu V123/96 begann am 25. Februar 1997. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 5. Februar 1997 eingelangt.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an, da die als gesetzwidrig aufgehobene Teilfläche GP 196/1 die neugebildete, hier gegenständliche GP 196/19 mitumfaßt. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß dadurch die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin nachteilig beeinflußt wurde. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-

enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B321.1997

Dokumentnummer

JFT_10029390_97B00321_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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