TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/25 96/19/0008

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Veröffentlicht am 25.06.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1964 geborenen A D in Cesme, Türkei, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. November 1995, Zl. 111.388/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte auf dem Postweg am 29. April 1994 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 11. Mai 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Auf dem Briefkuvert, mit dem der Antrag eingebracht wurde, war eine Adresse in Bratislava, auf dem Antragsformular als gesicherte Unterkunft eine Adresse im 3. Wiener Gemeindebezirk angegeben.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 6. September 1994 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus ab. Begründend wurde ausgeführt, der gegenständliche Antrag sei offenbar von einer dritten Person von Preßburg aus der österreichischen Botschaft in Preßburg übermittelt worden, wobei das Kuvert in genau der gleichen Weise wie bei einer Mehrzahl von Anträgen ausgefüllt worden sei. Auch im Akt scheine lediglich ein Wohnsitz in Wien auf. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, dass sich die antragstellende Partei zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe. Adressiert war der abweisende Bescheid an die im Antragsformular angegebene Adresse im 3. Wiener Gemeindebezirk. Nach dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein wurde am 12. September 1994 ein Zustellversuch unternommen, eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt und das Schriftstück am 12. September 1994 hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist war der 12. September 1994 angegeben.

Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 28. September 1994, eingelangt beim Magistrat der Stadt Wien am 29. September 1994, beantragte der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG (gegen die Versäumung der Berufungsfrist) und erhob unter einem gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz Berufung "innerhalb sanierter Frist". Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde ausgeführt, der Bescheid der Behörde erster Instanz sei am 12. September 1994 hinterlegt worden. In weiterer Folge habe die Ehefrau des Beschwerdeführers den bekämpften Bescheid abholen wollen, habe dies aber infolge Erkrankung erst am 20. September 1994 erledigen können und erst am 27. September 1994 den Rechtsvertreter aufsuchen können. Es liege somit ein unübersteigbares und unvorhersehbares Ereignis vor, das den Beschwerdeführer an der fristgerechten Einbringung der Berufung gehindert habe.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 7. November 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 12. September 1994 erfolgt sei und die Berufung erst am 28. September 1994 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die §§ 63 Abs. 5 und 66 Abs. 4 AVG lauteten in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 17. November 1995) maßgeblichen Fassung (auszugsweise):

"§ 63.

...

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. ...

...

§ 66.

...

(4) Außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden ..."

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist brachte der Beschwerdeführer vor, der Bescheid der Behörde erster Instanz sei am 12.September 1994 hinterlegt worden, und stellte anschließend ausführlich dar, weshalb seine Frau daran gehindert gewesen sei, rechtzeitig den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aufzusuchen, damit dieser einen Berufungsschriftsatz einbringe. Mit keinem Wort erwähnte der Beschwerdeführer hingegen, er würde an der Adresse, an der der Zustellversuch unternommen wurde, gar nicht wohnen oder verfüge dort über keine Abgabestelle. Entgegen seinem nunmehrigen Beschwerdevorbringen behauptete der Beschwerdeführer auch in demjenigen Teil seines Schriftsatzes, der der Berufung gewidmet war, weder, dass er sich nicht in Wien aufhalte, noch gab er konkret zur Bestreitung des Vorhalts der Behörde erster Instanz, er habe seinen Antrag vom Inland aus gestellt, an, wo er sich aufhalte. Er warf der Behörde erster Instanz nur vor, ein ungenügendes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben und insbesondere nicht erforscht zu haben, ob er sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wurde auch offenkundig nicht eventualiter, also (nur) für den Fall gestellt, dass die Berufung als verspätet eingebracht erachtet würde; vielmehr ging der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz selbst klar davon aus, die Berufungsfrist, die, da der erstinstanzliche Bescheid am 12. September 1994 hinterlegt worden war, mit Ablauf des 26. September 1994 geendet hätte, versäumt zu haben.

Angesichts dieses Vorbringens im Verwaltungsverfahren durfte die belangte Behörde - ohne dass ein weiterer Vorhalt zur Annahme der Verspätung des Rechtsmittels erforderlich gewesen wäre - davon ausgehen, dass die Berufungsfrist nach wirksamer Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides im Zeitpunkt der Berufungserhebung bereits abgelaufen war. Das nunmehrige Vorbringen, der Beschwerdeführer lebe in der Türkei, ist für die Prüfung des angefochtenen Bescheides als (verspätete) Neuerung nicht heranzuziehen. Die Zurückweisung der Berufung als verspätet kann auf der Grundlage des geschilderten Verfahrensablaufes daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte mit der Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung zuwarten müssen, bis über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden war, übersieht er, dass ein solches Zuwarten nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht geboten ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1260, E 91 zu § 66 AVG, angegebene hg. Rechtsprechung).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996190008.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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