Entscheidungsdatum
07.12.2018Norm
BBG §40Spruch
L517 2188373-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den RichterXXXX als Vorsitzenden und den Richter XXXX und den fachkundigen Laienrichter XXXX als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice,XXXX vom 23.10.2017, XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 45 Abs. 1 bis 3, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, stattgegeben, ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt und festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
02.06.2017 - Antrag der beschwerdeführenden Partei (bP) auf Ausstellung eines Behindertenpasses, Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass und Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO (Parkausweis) beim Sozialministeriumservice, XXXX (belangte Behörde bzw. bB)
07.10.2017 - Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens / GdB 50 v.H. / Dauerzustand / Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
20.10.2017 - Versand des Behindertenpasses mit einem GdB von 50 v.H.
23.10.2017 - Bescheid der bB / Abweisung des Antrages auf Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
27.11.2017 - Beschwerde der bP und Befundvorlage
05.01.2018 - Erstellung eines chirurgischen Sachverständigengutachtens / keine Änderung des Gesundheitszustandes / Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
16.01.2018 - Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme
06.03.2018 - Stellungnahme der bP und Befundvorlage
07.03.2018 - Beschwerdevorlage am BVwG
27.08.2018 - Ersuchen um Gutachtensergänzung an chirurgischen Sachverständigen
02.09.2018 - Gutachtensergänzung / GdB 70 v.H. / Dauerzustand / Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Die bP ist österreichische Staatsbürgerin, an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft und seit 29.11.2001 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80%, der zuletzt bescheidmäßig bis 31.08.2017 befristet wurde, sowie eines bis 31.08.2017 befristeten Parkausweises.
Am 02.06.2017 stellte die bP unter Vorlage von Befunden einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass und Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO (Parkausweis).
Das am 07.10.2017 erstellte Sachverständigengutachten einer Allgemeinmedizinerin stellte im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung fest:
"1 Wirbelsäulenbeschwerden
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit mäßiger funktioneller Einschränkung in HWS und LWS; keine radikuläre Symptomatik; keine aktuelle Fachdokumentation
Pos.Nr. 02.01.02 GdB 30%
2 Zustand nach Prostatakrebs
Zustand nach Prostata-CA 2012, operiert; kein Rezidiv nach Ablauf der
Heilungsbewährungszeit; deutliche Harnhalteschwäche mit
Einlagenversorgung; erektili Dysfunktion
Pos.Nr. 13.01.02 GdB 30%
3 Beschwerden in mehrere Gelenke
Schmerzhaftigkeit und funktionelle Einschränkung beide Schulter,
beide Knie und Finger rechts
Pos.Nr. 02.02.02 GdB 30%
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das Hauptleiden unter Pkt. 1, wird von Pkt. 2 und 3 um je Stufe angehoben wegen zusätzlicher Einschränkung im täglichen Leben
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
andere Leiden ohne Krankheitswert
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Beurteilung aktuell nach EVO
Prostata-CA und Melanom herabgesetzt nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit WS um 2 Stufen niedriger, entsprechend der Klinik
Gelenksbeschwerden wurden zusammen mit 20 % beurteilt
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
gesamt GdB um 3 Stufen herabgesetzt entsprechend der Einzeleinschätzung
[X] Dauerzustand
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Eine Strecke von mindestens 500 m kann ohne Pause zurückgelegt werden, übliche Niveauunterschiede können bewältigt werden, die Standhaftigkeit ist gegeben."
Am 20.10.2017 erfolgte der Versand des Behindertenpasses mit einem GdB von 50 v.H.
Mit Bescheid vom 23.10.2017 wies die bB den Antrag der bP auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" ab.
Aufgrund ihrer dagegen am 27.11.2017 erhobenen Beschwerde erfolgte im Auftrag der bB im Beschwerdevorentscheidungsverfahren die Begutachtung der bP durch einen Chirurgen, dessen Sachverständigengutachten vom 05.01.2018 folgenden Inhalt aufweist:
"Anamnese:
Es liegt ein Antrag zur Ausstellung eines Parkausweises bzw. Eintragung der Unzumutbarkeit vor. Die Untersuchung findet am 03.01.2018 in der Zeit von 11:30- 12:00 statt. Das Gutachten wird nach den Richtlinien der EVO, den vorliegenden Befunden und einer eingehenden klinischen Untersuchung erstellt. Es liegt ein Gutachten (EVO) vom 17.08.2017 vor- Ärztin für Allgemeinmedizin - 50 %, Unzumutbarkeit bzw. Parkausweis wurde nicht gewährt. Die im Vorgutachten eingestuften Erkrankungen:
1.) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (HWS/LWS) - 30 %.
2.) Zust.n. Prostatakarzinom, ED: 2012, Harnhalteschwäche- 30 %.
3.) Beschwerden in mehreren Gelenken (Schulter- Knie- und Fingergelenke rechte Hand) - 30%.
Am 02.10.2013 wurde in einer Stellungnahme - Facharzt für Chirurgie - die Unzumutbarkeit bis zum Ablauf der Heilsbewährung 2017 gewährt.
Vorgutachten (RVO), 03.07.2013, Arzt für Allgemeinmedizin, 80 % -
NU: 2017.
Die im Gutachten eingestuften Erkrankungen:
1.) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule - 50 %.
2.) Rotatorenmanschetteneinrisse rechts mit mittelgradiger Funktionseinschränkung der rechten Schulter - 30 %.
3.) Schulterarthrose links - 10 %.
4.) Reizloser Zeigefingerstumpf rechts - 10 %.
5.) Zustand nach Prostataoperation - 50 %.
6.) Melanom- 50 %.
7.) Degenerative Veränderungen in beiden Kniegelenken - 20 %.
2012: Prostatakarzinom, OP.
2012: Melanom- OP.
2005: WS- OP, L2/3.
Derzeitige Beschwerden:
Im Vordergrund der Beschwerden steht die Inkontinenz- wenn er ein "Rauschen" hört, muss er die Toilette aufsuchen. Er trage Einlagen. Den Harndrang spüre er- muss aber dann schnell auf die Toilette gehen. Einlagenwechsel 3- 5x/Tag. Außerdem berichtet er über Schmerzen im Bereich der LWS (Mieder) und schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk. Ebenso werden Schmerzen bei Belastung in beiden Kniegelenken angegeben.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Thrombo ASS, Simvastatin, Seractil, Pantoloc, Mieder, keine Gehbehelfe,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorgutachten, 03.07.2013, Arzt für Allgemeinmedizin, 80 %.
Stellungnahme, 2013/10, Facharzt für Chirurgie,
Auszug: vor allem die Dranginkontinenz mache ihm sehr zu schaffen. Er muss beim Verspüren des Harndranges sofort eine Toilette aufsuchen. Aus diesem Gründen ist ihm die Unzumutbarkeit zu gewähren- Nachuntersuchung 2017 nach Ablauf der Heilsbewährung. Vorgutachten, 2017/08, Ärztin für Allgemeinmedizin, 50 %.
Arztbrief, Krankenhaus XXXX, Abteilung für Unfallchirugie, 2015/01.
Diagnosen:
1.) SSP- Ruptur rechts.
2.) Labrumruptur rechts.
3.) Omarthrose rechts.
Arztbrief, Facharzt für Lungenheilkunde, 2016/12.
Diagnosen:
1.) Aorta ascendens mit 43 mm ektatisch.
2.) Beträchtliche Osteochondrose mit hyperostotischer Verkalkung des vorderen Längsbandes an der Brustwirbelsäule- CT 12/2016.
3.) Asbestexposition.
Normale Lungenbefunde.
Arztbrief, Facharzt für Urologie, 2017/02.
Auszug: Miktion ist soweit gut möglich. Unverändert besteht eine deutliche Inkontinenz. Laut Patient werden mindestens 5 Einlagen pro Tag benötigt, wobei hier der Bedarf immer wieder abwechselnd ist. Zusätzlich wird eine deutlich erhöhte Drangkomponente beobachtetmit einer Inkontinenz.
MRT der LWS, 2007 18/12.
Ergebnis: Rezente Deckplattenimpression des 1. LWK mit geringer Höhenabnahme des Wirbelkörpers. Degenerative Discusprotrusionen ohne Bedrängung der regionären Nervenwurzeln von L3 bis S1. Geringe Spondyloosteochondrose und gering- bis mittelgradige Spondylarthrose von L1 bis S1. Konsekutive Fornixstenose L4/5 und geringe bilaterale Neuroforamenstenosen von L3 bis L5.
MRT/HWS, 2017/12.
Ergebnis: Im Segment C4/5 Discusprolaps links mediolateral ohne regionäre Myelopathiezeichen. Degenerative Discusprotrusionen in den Segmenten C3/4, C5/6 und Th1/Th2. Mittel- bis hochgradige Spondyloosteochondrose und gering- bis mittelgradige Spondylarthrose und Uncovertebralarthrose von C3 bis Th2. Konsekutive relative knöcherne Spinalkanalstenosen und bilaterale Neuroforamenstenosen von C3 bis C6. Keine cervicalen Myelopathiezeichen.
Beschwerde (Einspruch), 2017/11.
Auszug: "An meiner Erkrankung (Inkontinenz) hat sich seit meiner letzten Einstufung nichts geändert. Wenn ich ein Wasserrauschen höre, kann ich meinen Harndrang nicht stoppen. Weiters habe ich starke Kreuzschmerzen, die mich beim Gehen stark beeinträchtigen.
Durch meine starken Schulterschmerzen kann ich mich in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht halten. Von der HWS und LWS bekomme ich am 6. Dezember ein MRT, ich werde dann den neuen Befund anschließend nachreichen".
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Altersgemäßer, guter Allgemeinzustand.
Ernährungszustand:
Normaler Ernährungszustand.
Größe: 183,00 cm Gewicht: 86,00 kg Blutdruck: -
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf/ Hals: HNAP: frei, nicht druckschmerzhaft, SD: tastbar, frei verschieblich, LK: keine pathologischen Lymphknoten tastbar, Sehen/Hören: altersgemäß, Zahnstatus: saniert, Thorax/ Lunge:
knöcherner Thorax seitengleich, VA, Lungenbasen frei verschieblich, keine pathologischen RG's auskultierbar,
Herz: HT rein, rhythmisch, normofrequent,
Abdomen: Bauchdecke weich, über dem Thoraxniveau gelegen, keine pathologischen Resistenzen tastbar, Bruchpforten geschlossen, Leber und Milz nicht tastbar,
Wirbelsäule: achsengerechte Stellung, FBA: 40 cm, Lasegue: bds. negativ, Dreh- und Kippbewegung in der LWS endlagig eingeschränkt, aktives Abheben beider unteren Extremitäten von der Unterlage bis 60° möglich,
Obere Extremitäten:
Schultergelenk rechts: Anteversion/Abduktion bis 45° möglich, deutlicher Druckschmerz im Bereich des M.deltoideus lateral, Nackengriff und Schürzengriff rechts nur andeutungsweise möglich, alle übrigen großen Gelenke an beiden oberen Extremitäten sind im Bewegungsumfang frei, grobe Kraft altersgemäß vorhanden,
Untere Extremitäten:
Kniegelenke beiderseits: keine Bewegungseinschränkungen, Druckschmerz im Bereich der Patella links (medial), alle übrigen großen Gelenke an beiden unteren Extremitäten sind im Bewegungsumfang frei, grobe Kraft altersgemäß vorhanden,
Neurologischer Status: derzeit keine sensiblen und motorischen
Ausfälle vorhanden, Gefäßstatus: periphere Gefäße beiderseits gut tastbar,
Haut: altersgemäße Hautstruktur,
Nikotin: 0,
Alkohol: gelegentlich,
Gesamtmobilität - Gangbild:
Die Gesamtmobilität ist nicht eingeschränkt- Gehstrecke von 300- 400 m ist möglich, Einbeinstand beiderseits gegeben, Zehen-und Fersengang beiderseits durchführbar, das Gangbild ist normalschrittig und sicher,
Status Psychicus:
Patient allseits orientiert, Antrieb normal, Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich gegeben, Duktus kohärent, keine pathologischen Denkinhalte verifizierbar,
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (HWS/LWS), Zust.n. Diskusoperation, 2005 (L2/L3).
2 Zust.n. Prostatakarzinom- OP: 2012, Harnhalteschwäche mit Einlagenversorgung- Erektile Dysfunktion.
3 Degenerative Veränderungen in rechten Schultergelenk mit Bewegungseinschränkung und Belastungsschmerz in beiden Kniegelenken.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten hat sich keine Änderung des Gesundheitszustandes ergeben. Im Vordergrund der Beschwerden steht nach wie vor die Harnhalteschwäche (Inkontinenz) bei Zustand nach Prostataoperation (2012). Die Bewegungseinschränkungen und die Schmerzsymptomatik in rechten Schultergelenk, in beiden Kniegelenken und in der Wirbelsäule sind unverändert- im Gegensatz zum Vorgutachten kann im linken Schultergelenk keine Bewegungseinschränkung eruiert werden.
Aortenelongation/ Ektasie im Bereich der Aorta ascendens- keine klinische Symptomatik. Fehlende Endphalanx Dig.II dext- keine Beschwerdesymptomatik.
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Die derzeit bestehenden Erkrankungen schränken die Mobilität zwar ein, jedoch nicht in einem erheblichen Ausmaß. Kurze Wegstrecken von 300- 400 m können ohne erhebliche Einschränkungen zu Fuß zurückgelegt werden. Niveauunterschiede von 20- 30 cm können ohne erhebliche Einschränkungen überwunden werden. Das Gehen und Stehen in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist bei ausreichender Kraft und Standsicherheit möglich, Haltegriffe können benützt werden. Erheblich vermehrte Schmerzen sind bei Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zu erwarten. Ebenso bestehen derzeit keine kardio- pulmonalen Funktionseinschränkungen, die zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Leistungsbreite führen und die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels verunmöglichen.
Stellungnahme: Bzgl. der Harninkontinenz bzw. Harnhalteschwäche, ist es dem Patienten unter Verwendung von Einlagen möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Am Markt befindliche Inkontinenzprodukte sind dem Patienten zumutbar- eine komplette Inkontinenz liegt nicht vor, da der Patient den Harndrang verspürt.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Derzeit liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor, die laut den Richtlinien der EVO zu einer Ausstellung eines Parkausweises führt.
Gutachterliche Stellungnahme:
Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels ist dem Patienten von Seiten des Achsenskelettes zumutbar - keine Gehstreckeneinschränkung - Überwinden von Stufen möglich - Anhalten (Standfestigkeit) zur sicheren Beförderung ist gegeben. Auch von Seiten der Harnhalteschwäche ist es dem Patienten zumutbar, am Markt befindliche Inkontinenz- Produkte bzw. Einlagen zu verwenden. Eine erhebliche Inkontinenz liegt nicht vor, da der Patient den Harndrang verspürt."
Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der bP mit Schreiben der bB vom 16.01.2018 zur Kenntnis gebracht, zu welchem die bP am 06.03.2018 Stellung nahm und einen Befund vom 05.02.2018 vorlegte.
Nach Beschwerdevorlage erfolgte im Auftrag des BVwG eine Gutachtensergänzung durch den chirurgischen Sachverständigen, welcher am 02.09.2018 wie folgt Stellung nahm:
"Im Gutachten vom 03.01.2018 wurden folgende Diagnosen bzw. Erkrankungen im Gutachten bewertet um die Eintragung der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises zu rechtfertigen
1.) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (HWS/LWS), Zust.n. Diskusoperation L2/L3 (2005).
2.) Zust.n. Prostatakarzinom-OP: 2012, HarnhaIteschwache mit Einlagenversorgung-erektile Dysfunktion.
3.) Degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk mit Bewegungseinschränkung und Belastungsschmerz in beiden Kniegelenken.
Neuer Befund:
Knochenszintigraphie vom 05.02.2018.
Beurteilung:
1.) Rezente Fraktur von LWKI bei inadäquatem Trauma. Mehrere frische Rippenfrakturen (2., 3., 4. Rippe rechts), sowie auch linksseitige Rippenfrakturen (non recens).
2.) Höhergradige Spondylose der BWS. Inzipiente Varusgonarthrose links-gering.
3.) Degenerative Veränderungen am lumbosakralen Übergang links-höhergradige Omarthrose rechts.
Stellungnahme:
Es besteht nunmehr eine LWK-Fraktur des Lendenwirbelkörpers I. Weiters wurden in der Knochenszintigraphie noch rezente Rippenfrakturen rechts (2, 3,4) diagnostiziert, sowie ältere Frakturen links. Die Fraktur des Lendenwirbelkörpers I führt zu einer Aggravierung der Schmerzsymptomatik bei unterschiedlichen Beschleunigungen in einem öffentlichen Verkehrsmittel (Anfahren/Bremsen), daher ist die Standfestigkeit zur gefahrlosen Beförderung bei XXXX derzeit nicht mehr gegeben. Der neue Befunde-Knochenszintigraphie-vom 05.02.2018 ergibt nunmehr eine erhebliche Verschlechterung der gesundheitlichen Gesamtsituation gegenüber dem Vorgutachten vom 03.01.2018 ergeben. Die erheblichen Veränderungen im Achsenskelett und die Harnhalteschwäche ergeben die Indikation, das vorliegende Gutachten bzgl. der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises zu revidieren. Ebenso kann eine Nachuntersuchung, zur Evaluierung der Unzumutbarkeit unterbleiben - aufgrund der vorliegenden Osteoporose ist eine Besserung nicht mehr zu erwarten. Im Vorgutachten (Facharzt für Orthopädie) von 2017 - wurde die Einstufung mit 50% festgesetzt. Aufgrund der derzeit vorliegenden klinischen Beschwerden und der bildgebenden Diagnostik, ist der Gesamtgrad Behinderung mit 70 % zu bewerten."
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)". Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg. Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036).
Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das Sachverständigengutachten vom 05.01.2018 sowie die Gutachtensergänzung vom 02.09.2018 welches aufgrund der Stellungnahme der bP vom 06.03.2018 und des dabei vorgelegten Befundes vom 05.02.2018 eingeholt wurde, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Im Gutachten und der Gutachtensergänzung wurden alle relevanten von der bP vorgebrachten Leiden sowie die beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.
Im angeführten Gutachten wurde von der Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen.
Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
Im angeführten Gutachten und insbesondere der Gutachtensergänzung, welche aufgrund der Stellungnahme und Befundvorlage durch die bP eingeholt wurde, wurde vom Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen, das Ergebnis der durchgeführten Begutachtung - insbesondere im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - umfassend dargelegt, sowie die daraus resultierende Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erörtert und schlüssig und nachvollziehbar begründet.
Die Frage der Auswirkung der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde in der Gutachtensergänzung folgendermaßen dargelegt:
"Neuer Befund:
Knochenszintigraphie vom 05.02.2018.
Beurteilung:
1.) Rezente Fraktur von LWKI bei inadäquatem Trauma. Mehrere frische Rippenfrakturen (2., 3., 4. Rippe rechts), sowie auch linksseitige Rippenfrakturen (non recens).
2.) Höhergradige Spondylose der BWS. Inzipiente Varusgonarthrose links-gering.
3.) Degenerative Veränderungen am lumbosakralen Übergang links-höhergradige Omarthrose rechts.
Stellungnahme:
Es besteht nunmehr eine LWK-Fraktur des Lendenwirbelkörpers I. Weiters wurden in der Knochenszintigraphie noch rezente Rippenfrakturen rechts (2, 3,4) diagnostiziert, sowie ältere Frakturen links. Die Fraktur des Lendenwirbelkörpers I führt zu einer Aggravierung der Schmerzsymptomatik bei unterschiedlichen Beschleunigungen in einem öffentlichen Verkehrsmittel (Anfahren/Bremsen), daher ist die Standfestigkeit zur gefahrlosen Beförderung bei XXXX derzeit nicht mehr gegeben. Der neue Befunde-Knochenszintigraphie-vom 05.02.2018, ergibt nunmehr eine erhebliche Verschlechterung der gesundheitlichen Gesamtsituation gegenüber dem Vorgutachten vom 03.01.2018 ergeben. Die erheblichen Veränderungen im Achsenskelett und die Harnhalteschwäche, ergeben die Indikation das vorliegende Gutachten bzgl. der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises zu revidieren. Ebenso kann eine Nachuntersuchung, zur Evaluierung der Unzumutbarkeit unterbleiben-aufgrund der vorliegenden Osteoporose ist eine Besserung nicht mehr zu erwarten. Im Vorgutachten (Facharzt für Orthopädie) von 2017-wurde die Einstufung mit 50% festgesetzt. Aufgrund der derzeit vorliegenden klinischen Beschwerden und der bildgebenden Diagnostik, ist der Gesamtgrad Behinderung mit 70 % zu bewerten."
Das Sachverständigengutachten des Chirurgen wurde, in Zusammenschau mit dessen Gutachtensergänzung, im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.
Aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegung durch den Gutachter ist der Einschätzung des Arztes in dessen Gutachtensergänzung folgend von einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. und der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen, weshalb der Beschwerde stattzugeben war.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
-
Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
-
Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
-
Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
-
Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
-
Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen
Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.
Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a) überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 1 bis 3 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten jedoch dieselben Voraussetzungen ab dem vollendeten 36. Lebensmonat.
b) blind oder hochgradig sehbehindert ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 oder 5 BPGG vorliegen.
c) gehörlos oder schwer hörbehindert ist;
die Eintragung gehörlos ist bei einem Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, bzw. einem Grad der Behinderung von 70% aufgrund der Position 643 nach der Richtsatzverordnung BGBl. Nr. 150/1965, vorzunehmen.
Die Eintragung schwer hörbehindert ist ab einem Grad der Behinderung von 50% auf der Grundlage der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, bzw. der Position 643 nach der Richtsatzverordnung, vorzunehmen.
Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 10. Lebensjahr muss ein Grad der Behinderung von 90%, vom 11. Lebensjahr bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ein Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungs-verordnung vorliegen.
d) taubblind ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 6 BPGG vorliegen.
e) Träger/Trägerin eines Cochlear-Implantates ist;
f) Epileptiker/Epileptikerin ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn eine Diagnose entsprechend Abschnitt 04.10.02 oder 04.10.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bzw. der Positionsnummern 573 oder 574 nach der Richtsatzverordnung vorliegt.
g) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen,