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20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1961 geborenen A H in Brcko, Bosnien-Herzegowina, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. März 1997, Zl. 306.858/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte bei der österreichischen Botschaft in Belgrad einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 24. Juli 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft", und zwar mit ihrem Ehegatten, einem österreichischen Staatsbürger, mit dem sie seit 9. November 1993 verheiratet sei, an.
Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 27. Juni 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Begründend wurde ausgeführt, die Staatsanwaltschaft Wien habe am 1. März 1996 Ehenichtigkeitsklage beim Bezirksgericht Innere Stadt gemäß § 23 des Ehegesetzes gegen die antragstellende Partei erhoben. Es sei daher anzunehmen, dass die Ehe nur deshalb geschlossen wurde, um der Antragstellerin problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu beschaffen. Die Antragstellerin habe dadurch gezeigt, dass sie durchaus bereit sei, eine Scheinehe einzugehen, um fremdenrechtliche Vorschriften zu umgehen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe erstmals im Bescheid der Behörde erster Instanz erfahren, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft eine Ehenichtigkeitsklage erhoben worden sei. Über diese Klage sei bisher nicht verhandelt worden. Die von der Behörde angenommene "Scheinehe" sei keinesfalls erwiesen. Allein die Erhebung einer Ehenichtigkeitsklage reiche für die Annahme, der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet stelle eine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, nicht aus. Zur Vermutung der Behörde, die Ehe sei nur deshalb geschlossen worden, um der Beschwerdeführerin problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen, werde ausgeführt, dass der Ehegatte wohl keinesfalls in derart umfassendem Ausmaß um die Berufungswerberin und die Ordnung ihrer Angelegenheiten bemüht hätte, wenn eine Scheinehe vorgelegen wäre. So habe er eine Kurzreiseversicherung für sich und die Berufungswerberin abgeschlossen und eingezahlt und ihr im Übrigen noch am 30. Juni 1995 ein Schmuckstück gekauft.
In einer niederschriftlichen Einvernahme vor der Behörde erster Instanz gab nach Ausweis des Verwaltungsaktes der Ehegatte der Beschwerdeführerin am 2. Dezember 1996 an, er habe die Beschwerdeführerin Mitte 1993 kennen gelernt, und zwar in einem Lokal, das direkt unter seiner Wohnung liege. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens sei er auf Grund des Todes seiner Mutter in einer schwierigen psychischen Lage gewesen, welche die Antragstellerin ausgenutzt habe. Die Bekanntschaft sei nicht vermittelt worden. Behördenwege seien sowohl von ihm als auch von der Beschwerdeführerin erledigt worden. Eine Entschädigung oder Ähnliches sei für eine allfällige Vermittlertätigkeit nicht bezahlt worden. Der Ehegatte habe auch keine Geschenke von der Antragstellerin erhalten. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens habe die Beschwerdeführerin etwas, aber nur gebrochen, Deutsch gesprochen, der Ehegatte seinerseits habe "etwas jugoslawisch" gekonnt. Die Beschwerdeführerin habe ihm die Ehe versprochen, und er hatte auch ursprünglich die Absicht gehabt, mit ihr eine Ehe zu führen. Nach der Eheschließung habe sich die Beschwerdeführerin aber geweigert, mit ihm zusammen zu leben und sich bereits nach der Trauung geweigert, zu ihm "zu gehen". Eine Hochzeitsnacht habe es nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin habe ihm unmittelbar nach der Trauung gesagt, sie müsse sich noch überlegen, ob sie bei ihm leben wolle. Er habe ihr nach der Trauung Zeit gegeben, da er gedacht habe, sie würde doch zu ihm ziehen. Er habe sie aber in der Folge immer nur in Lokalen im Beisein ihrer Trauzeugin gesehen. Aus diesem Grunde sei die Beschwerdeführerin nie bei ihm wohnhaft gewesen. Er habe zwar am 25. November 1993 den Meldezettel der Beschwerdeführerin für die Adresse seiner Wohnung unterschrieben, seine Ehegattin habe aber in dieser Wohnung nie gelebt. Nachdem er gemerkt habe, dass die Beschwerdeführerin nicht beabsichtige, mit ihm zu leben, und sie ihm auch gesagt habe, dass sie die Ehe mit ihm nur geschlossen habe, um ihren Aufenthalt in Österreich zu sichern und in der Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben, habe er selbst am 6. Dezember 1995 bei der Staatsanwaltschaft Wien Selbstanzeige wegen Ehenichtigkeit gemacht. Im Juni 1995 habe er mit der Beschwerdeführerin gesprochen und ihr seine Scheidungsabsicht bekundet. Seine Ehegattin habe darauf gemeint, dass "sie das auch wollte", aber zu diesem Zweck noch eine Aufenthaltsbewilligung benötige. Er habe ihr daraufhin die nötigen Papiere gegeben. Danach sei sie nach Belgrad ausgereist und habe sich danach bei ihm nicht mehr gemeldet. Somit habe er gewusst, dass sie nicht beabsichtige, in die Scheidung einzuwilligen, worauf er sich bei der Fremdenpolizei erkundigt habe und von dort den Rat bekommen habe, mit einer Vertreterin der Staatsanwaltschaft Wien zu sprechen. Schmuck habe er seiner Ehegattin im Juni 1995 nicht geschenkt, da er zu diesem Zeitpunkt Scheidungsabsichten gehabt habe.
Mit am 7. Februar 1997 eingelangtem Schreiben teilte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertreterin der Berufungsbehörde mit, dass im Rahmen des beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien anhängigen Verfahrens wegen angeblicher Ehenichtigkeit gemäß § 23 des Ehegesetzes am 29. Jänner 1997 eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, "bei der sich herausstellte, dass die angezogene Ehenichtigkeit ganz offensichtlich nicht vorliegt". Es sei davon auszugehen, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft die diesbezügliche Klage zurückgezogen werden wird. Die Entscheidung darüber werde aller Voraussicht nach noch im Februar 1997 erfolgen. Als Beweis bot die Beschwerdeführerin die Einsichtnahme in den gerichtlichen Akt an.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 11. März 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, auf Grund der dem Antrag beigelegten Heiratsurkunde sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin am 9. November 1993 einen österreichischen Staatsbürger geehelicht habe. Ausführliche Erhebungen der Behörde erster Instanz hätten Folgendes ergeben:
Auf Grund einer am 2. Dezember 1996 beim Magistrat der Stadt Wien aufgenommenen Niederschrift mit dem Ehegatten der Beschwerdeführerin habe dieser zu Protokoll gegeben, dass er am 6. Dezember 1995 bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Selbstanzeige wegen Ehenichtigkeit eingebracht habe. Kennen gelernt habe er die Beschwerdeführerin Mitte 1993 in einem Lokal in Wien, das direkt unter der Wohnung des Ehegatten liege. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens sei er auf Grund des Todes seiner Mutter in einer schwierigen psychischen Lage gewesen. Die Bekanntschaft sei nicht vermittelt worden. Nach der Eheschließung habe sich die Beschwerdeführerin geweigert, zu ihm zu ziehen. Er habe ihr daraufhin noch Zeit gegeben, weil er dachte, sie würde noch zu ihm kommen. Er habe sie jedoch immer nur in Lokalen im Beisein ihrer Trauzeugin getroffen. Zwar habe er sie an seiner Adresse angemeldet, doch habe sie nie dort gewohnt. Nachdem er bemerkt habe, dass sie nie beabsichtigt hätte, mit ihm zu leben und die Ehe nur geschlossen habe, um ihren Aufenthalt in Österreich zu sichern und in der Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben, habe er bei der Staatsanwaltschaft Wien Selbstanzeige wegen Ehenichtigkeit eingebracht. Seinen Aussagen zufolge habe es niemals einen gemeinsamen Haushalt gegeben und sei die Ehe auch nicht vollzogen worden. Die Beschwerdeführerin habe die Ehe nur geschlossen, um ihren Aufenthalt in Österreich zu sichern und in der Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben.
Auf Grund des eindeutigen Sachverhaltes sei der Tatbestand der Scheinverehelichung als erwiesen angesehen. Bereits kurz nach der Verehelichung habe die Beschwerdeführerin einen Befreiungsschein mit Gültigkeit vom 1. Dezember 1993 bis zum 30. November 1998 ausgestellt erhalten und sei bald danach einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Auch ihrer in der Berufung getroffenen Aussagen zur gegenständlichen Ehe hätten den "Tatbestand" der Scheinverehelichung nicht entkräften können.
Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Die Annahme, dass der Aufenthalt eines derartigen Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, habe auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bestätigt.
Auf Grund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzulehnen gewesen und sie vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 28. April 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:"
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Die belangte Behörde wertete den Antrag der Beschwerdeführerin daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601, mwN). Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenz ist allerdings die eindeutige (vgl. das eben zitierte hg. Erkenntnis) und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern. Für die Entscheidung der Aufenthaltsbehörde über das Vorliegen des dargestellten Grundes für die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung ist die Frage, ob ein derartiges Verhalten eines Fremden vorliegt, entgegen dem Beschwerdevorbringen als Vorfrage zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 96/19/1651). Anders als die Behörde erster Instanz, die ihrer rechtlichen Beurteilung ausschließlich den Umstand zu Grunde gelegt hatte, dass die Staatsanwaltschaft Wien am 1. März 1996 Ehenichtigkeitsklage gegen die Beschwerdeführerin erhoben habe, stützt die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf die Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin anlässlich seiner am 2. Dezember 1996 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme. Diese Einvernahme hätte die belangte Behörde freilich der Beschwerdeführerin vorzuhalten gehabt. Ein solcher Vorhalt ist, wie die Beschwerdeführerin zutreffend rügt, unterblieben. Ihr Beschwerdevorbringen unterliegt daher nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen zu fassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0027).
Liegen einander widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die Behörde dazu in der Begründung, soll diese dem Gesetz entsprechen, im Einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was sie veranlasst hat, dem einen mehr Vertrauen entgegen zu bringen als dem anderen (vgl. auch hiezu das soeben erwähnte hg. Erkenntnis vom 12. März 1999).
Hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Gelegenheit geboten, zu den Aussagen ihres Ehegatten Stellung zu nehmen, so hätte sie, der wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend, im Falle widersprechender Beweisergebnisse in der Begründung ihres Bescheides zu den Beweisergebnissen Stellung nehmen müssen und schlüssig darzulegen gehabt, weshalb sie dem Ehegatten des Beschwerdeführers mehr Vertrauen entgegen bringt als der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, den von ihr in ihrer Bekanntgabe vom 6. Februar 1997 zitierten Akt des Bezirksgerichts Innere Stadt zum laufenden Ehenichtigkeitsverfahren einzusehen. Daraus hätte sich ergeben, dass die Ehe keineswegs eine Scheinehe gewesen sei, die nur zu dem Zweck geschlossen wurde, um der Beschwerdeführerin die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Es hätte sich vor allem der Grund für die so genannte Selbstanzeige des Ehegatten, die zur Einleitung des Ehenichtigkeitsverfahrens geführt habe, eindeutig ergeben. Der Ehegatte habe nämlich zu einem der Beschwerdeführerin nicht bekannten Zeitpunkt eine andere Frau kennen gelernt, die zwischenzeitig auch ein Kind von ihm habe. Diese Frau befinde sich mitsamt ihrem Kind in Jugoslawien, weshalb er bestrebt sei, so rasch wie möglich seine Ehe mit der Beschwerdeführerin zu beenden, um die Mutter seines Kindes heiraten und gemeinsam mit dem Kind nach Österreich bringen zu können. Da dem Ehegatten bereits bewusst geworden sei, dass die von ihm wahrheitswidrig vom Zaun gebrochene Ehenichtigkeitsklage nicht das von ihm gewünschte Ergebnis bringen würde, habe er nunmehr eine einvernehmliche Scheidung der Ehe vorgeschlagen; die zuständige Richterin im Ehenichtigkeitsverfahren vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien würde versuchen, die Staatsanwaltschaft Wien von einem Ruhen des Ehenichtigkeitsverfahrens zu überzeugen. Es werde diesbezüglich der Beschwerde in Fotokopie ein bei der Vertreterin der Beschwerdeführerin am 14. Mai 1997 eingelangtes Schreiben des Rechtsvertreters des Ehegatten beigelegt (ein entsprechendes Schriftstück war der Beschwerde angeschlossen). Aus diesen dargestellten Momenten heraus sei die Angabe des Ehegatten anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme einer anderen Beweiswürdigung zu unterziehen. Die Angaben des Ehegatten anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme seien auch in anderen Punkten unzutreffend. Sie sei ihrem Ehemann schon bei der Eheschließung zugetan gewesen und für seine Zuwendung dankbar gewesen. Bei Eingehen der Ehe habe sie sich jedoch selbst in einer schweren psychischen Krise befunden, die ihren Anlass in dem noch unbewältigten Gräuel des von ihr erlebten Krieges im damaligen Jugoslawien gehabt habe. Alle ihre Verwandten seien mit Ausnahme eines bereits seit Jahren in Wien mit seiner Familie lebenden Bruders und ihres Vaters anlässlich der Kriegswirren ums Leben gekommen. Ihr Vater habe wegen seiner Krebserkrankung das Land nicht verlassen. Sie habe ihre Ehe aus der ehrlichen Überzeugung geschlossen, in Österreich einen Menschen gefunden zu haben, der ihr zugetan sei und der ihr in ihrer damaligen schwierigen psychischen Situation helfen würde. Die dargestellte psychische Belastung der Beschwerdeführerin habe zu Beginn der Ehe wohl gewisse Beziehungsprobleme mit sich gebracht, welche zweifellos auf die von der Beschwerdeführerin erlebten Vergewaltigungen im Kriegsgebiet zurückzuführen gewesen seien. Durch die Ehe habe sie jedoch wieder langsam Boden unter den Füssen gewonnen und sei wieder in der Lage gewesen, sich ihrem Mann voll zuzuwenden, was jedoch einige Zeit in Anspruch genommen habe. Als sie endlich soweit gewesen sei, sei sie von ihrem Mann abgewiesen worden, weil dieser, wie bereits ausgeführt, sich einer anderen Frau zugewendet habe und die Scheidung von ihr begehrt habe. Diese Mitteilung des Ehegatten sei für die Beschwerdeführerin derart erschütternd gewesen, dass sie einen Selbstmordversuch unternommen habe, sich in spitalsärztliche Pflege begeben habe müssen und monatelang unter schweren Depressionen gelitten habe. Als Diagnose sei reaktive Depression im Rahmen eines Partnerschaftskonfliktes festgestellt worden. Die Beschwerdeführerin sei auf Grund ihrer neuerlich aufgetretenen Depressionen nicht bereit und auch nicht in der Lage gewesen, dem Ansinnen ihres Mannes auf Scheidung näher zu treten. Dieser habe letztlich den aufgezeigten Weg der Selbstanzeige wegen Ehenichtigkeit gewählt.
Wäre es der Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren möglich gewesen, ein derartiges Vorbringen als Antwort auf die Angaben ihres Ehegatten zu erstatten, so wäre es nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde, hätte sie eine Beweiswürdigung im Sinne der oben wiedergegebenen
hg. Rechtsprechung vorgenommen, zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Ersatz von Stempelgebühren war insoweit abzuweisen, als die Einbringung der Beschwerde in zweifacher, die des angefochtenen Bescheides in einfacher und die in Kopie erfolgte Vorlage der Bekanntgabe vom 6. Februar 1997, des Schreibens des Rechtsvertreters des Ehegatten vom 6. Mai 1997 sowie der Entlassungsdiagnose eines Wiener Krankenhauses vom 16. August 1995 für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung ausreichend gewesen wäre.
Wien, am 25. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997191133.X00Im RIS seit
02.05.2001