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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1965 geborenen C F in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. März 1997, Zl. 307.415/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage über eine vom 29. Juli 1993 bis zum 29. Juli 1995 gültige Aufenthaltsbewilligung.
Ihr am 16. Juni 1995 gestellter Antrag auf Verlängerung dieser Bewilligung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Oktober 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) wegen Eingehens einer "Scheinehe" abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Am 3. Juli 1996 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, und zwar zum Zweck der Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit bzw. der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehegatten.
Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 14. Oktober 1996 gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Begründend wurde ausgeführt, der Ehegatte der Beschwerdeführerin habe am 11. Juli 1995 niederschriftlich angegeben, dass die Ehe mit der Beschwerdeführerin für Geld geschlossen worden sei und nur dem Zweck der Erlangung einer Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung gedient habe.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 27. März 1997, ebenfalls gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, aus der dem Antrag beigelegten Heiratsurkunde sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin am 15. Juni 1993 einen österreichischen Staatsbürger geehelicht habe. Ihr Ehegatte habe jedoch auf Befragung niederschriftlich angegeben, dass die Ehe mit ihr nur eingegangen worden sei, um ihr die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung zu vereinfachen, und dass die Beschwerdeführerin dafür Geld bezahlt habe. Mit Urteil vom 17. Dezember 1996 sei die Ehe vom Bezirksgericht Hernals für nichtig erklärt worden. Das Urteil sei in Rechtskraft erwachsen. Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Die Annahme, dass der Aufenthalt eines derartigen Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, bestätige auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechigungen ein Verhalten darstelle, welches dazu führe, dass die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre. Auf Grund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzulehnen und die Beschwerdeführerin somit vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG finde durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung.
Nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin lebten eine Schwester und eine Tante in Österreich. Sie selbst gehe seit Jahren einer Beschäftigung nach. In ihrer Berufung habe sie jedoch keine Gründe vorbringen können, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten hätte herbeiführen können. Im Hinblick auf die erwiesene rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe könne sie sich nicht auf das Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses berufen. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und ihrer privaten Interessen im Rahmen des Art. 8 MRK sei auf Grund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 29. September 1997, B 1374/97-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 25. April 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete auszugsweise:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Da ein rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin zur Verlängerung ihrer zuletzt bis 29. Juli 1995 erteilten Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen worden ist, wertete die belangte Behörde den nunmehrigen verfahrensgegenständlichen Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
In der Beschwerde bleibt die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde unbestritten, dass die von der Beschwerdeführerin am 15. Juni 1993 mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossene Ehe mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 17. Dezember 1996 für nichtig erklärt wurde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die auch von der Beschwerdeführerin, die in der Beschwerde selbst das Eingehen einer Staatsbürgerschaftsehe einräumt, nicht in Frage gestellt wird, ist die Eingehung einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Aus diesem Grund liegt eine beträchtliche Gefährdung der Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor, die zur Versagung einer Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG führt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 96/19/0752 mwN).
Die Beschwerdeführerin führt zu Recht aus, dass im Rahmen einer auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützten Entscheidung grundsätzlich zu prüfen ist, ob ein Eingriff in die gemäß Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten privaten und familiären Interessen eines Fremden durch die in Art. 8 Abs. 2 MRK angeführten Gründe gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0321, ua.).
Sofern sie unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens erkennbar rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihre besonderen Lebensumstände in Österreich festzustellen, legt sie mit ihren diesbezüglichen Ausführungen die Relevanz des behaupteten Mangels nicht dar. Die infolge des von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Rechtsmissbrauchs entstandenen privaten Bindungen in Österreich können schon deshalb keine zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausfallende Interessenabwägung gemäß Art. 8 MRK bewirken, weil es dem Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zuwiderliefe, wenn sich ein Fremder auf eine solche Weise den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte. Im Übrigen stellt die Eingehung einer Ehe zum Schein zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen einen Rechtsmissbrauch dar, welcher als Gefährdung der Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK zu qualifizieren ist, sodass jedenfalls in Ansehung der Beschwerdeführerin, deren Eheschließung ca. vier Jahre zurücklag, ein durch Versagung der Aufenthaltsbewilligung bewirkter Eingriff in das Privat- und Familienleben eines Fremden gerechtfertigt ist (vgl. auch hiezu das oben erwähnte hg. Erkenntnis vom 3. April 1998 mwN).
Auf Grund dieser Darlegungen hätte die belangte Behörde auch bei Berücksichtigung der in der Beschwerde vorgebrachten Umstände zu keinem anderen Ergebnis ihrer - wenn auch in äußerst knapper Form - vorgenommenen Erforderlichkeitsprüfung im Hinblick auf Art. 8 MRK gelangen können.
Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina zu sein, vermag sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ebenfalls nicht aufzuzeigen. Sollte sie, wie sie vorbringt, über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach § 12 AufG verfügt haben, so würde in ein solches, unmittelbar auf einer Verordnung der Bundesregierung beruhendes Recht durch den angefochtenen Bescheid, mit dem (nur) der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen wurde, nicht eingegriffen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0104, und vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/0278). Soweit die Beschwerdeführerin aber darauf hinweist, auf Grund der Situation in Bosnien-Herzegowina nicht dorthin zurückreisen zu können, verkennt sie, dass derartige Umstände nur in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, nicht aber in einem Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung maßgeblich sein können.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997191755.X00Im RIS seit
02.05.2001