TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/18 W196 2013020-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2018
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Entscheidungsdatum

18.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W196 2013034-2/9E

W196 2013018-2/6E

W196 2013031-2/6E

W196 2013019-2/6E

W196 2013020-2/6E

W196 2013032-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. am XXXX , 2. XXXX , geb. am XXXX , 3. XXXX , geb. am XXXX , 4. XXXX , geb. am XXXX , 5. XXXX , geb. am XXXX 6. XXXX geb. am XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 07.07.2018, Zl. 830593805-180264959 (ad 1.), Zl. 830593903-1650607 (ad 2.), Zl. 830594007-180264967 (ad. 3.), Zl. 830594105-180264975 (ad. 4.), Zl. 831218210-180264983 (ad. 5.), Zl. 1027621302-14860093 (ad. 6) zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 68 Abs. 1 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstes Verfahren:

Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer, Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe muslimischen Glaubens, stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 07.05.2013 Anträge auf internationalen Schutz. Zum Nachweis ihrer Identität legten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ihren russischen Inlandspass sowie die Geburtsurkunden der minderjährigen Dritt- bis Viertbeschwerdeführer vor.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.05.2013 gab die Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, dass eine Woche vor ihrer Ausreise mindestens drei maskierte Männer in Uniform zu ihnen nach Hause gekommen seien. Sie hätten dem Erstbeschwerdeführer einen Sack über den Kopf gestülpt und hätten ihn mitgenommen. Nach einer Woche sei er freigelassen worden und sie hätten sofort den Herkunftsstaat verlassen. Seit fünf Jahren gebe es nunmehr Probleme mit diesen Leuten. Im Fall einer Rückkehr fürchte sie um ihr Leben. Für die minderjährigen Beschwerdeführer gelten dieselben Fluchtgründe. Im Herkunftsstaat leben noch ihre Eltern und drei Brüder; eine Schwester sei unbekannten Aufenthaltes. Sie habe die Grundschule absolviert und sich zuletzt um die Kinder und den Haushalt gekümmert.

Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.05.2013 gab der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er einen Schulfreund habe, der vor über zehn Jahren als Kämpfer im Dienst des Präsidenten gestanden sei. Danach habe der Freund etwa drei Jahre als Leibwächter eines Ministers gearbeitet. Er habe auch gehört, dass sein Freund in XXXX in einer Schießerei zwischen Russen und Tschetschenen verwickelt gewesen sei. Seit etwa dem Jahr 2004 sei sein Freund verschwunden, wobei er nicht wisse, ob dieser überhaupt noch am Leben sei. Nach diesem Vorfall hätten die Behörden bei einer Hausdurchsuchung seines Freundes Fotos gefunden, worauf auch er abgebildet gewesen sei. Daraufhin sei er mehrmals von Unbekannten mitgenommen, geschlagen und verhört worden, ob er Informationen zum Aufenthalt seines Freundes habe. Obwohl er nichts darüber gewusst habe, habe man ihm nicht geglaubt. Er sei jeweils nach einigen Tagen bzw. einer Woche freigelassen worden. Das letzte Mal sei er eine Woche vor seiner Ausreise mitgenommen worden, wobei er so stark geschlagen worden sei, dass seine Rippen auf der linken Seite geprellt worden seien; er habe sich auch Tuberkulose zugezogen. Die Drittbeschwerdeführerin sei durch den Stress psychisch erkrankt. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, entführt und gefoltert zu werden. Im Herkunftsstaat leben noch seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester; sein Vater sei bereits verstorben. Er habe die Grundschule absolviert und zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet. Zum Nachweis der Ehe mit der Zweitbeschwerdeführerin legte er die russische Heiratsurkunde vor.

Am XXXX wurde die Fünftbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren und die Zweitbeschwerdeführerin stellte für sie am 20.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Nachweis ihrer Identität wurde die österreichische Geburtsurkunde der Fünftbeschwerdeführerin vorgelegt. In der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.08.2013 gab die Zweitbeschwerdeführerin zu den Fluchtgründen an, sie würden alle in Österreich bleiben und hier leben wollen; sie könnten nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren. Ein weiterer Grund sei die Tuberkuloseerkrankung der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte, dass ihre Schwester in Österreich lebe. Zudem stehe sie derzeit wegen Tuberkulose in medizinischer Behandlung. Diesbezüglich legten die Beschwerdeführer diverse Befunde vor.

Nach dem Konsultationsverfahren mit Polen, wies das Bundesasylamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit Bescheiden vom 06.11.2013 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d Dublin II-VO Polen zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurden die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen; die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen wurde gemäß § 10 Abs. 4 AsylG unter einem für zulässig erklärt.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerden, denen mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.12.2013 gemäß § 41 Abs. 3 AsylG wegen Ablauf der Überstellungsfrist stattgegeben wurde; unter einem wurden die bekämpfte Bescheide behoben.

Mit Eingabe vom 11.12.2013 wurde ein Arztbrief betreffend die Fünftbeschwerdeführerin vom 09.12.2013 mit den Diagnosen Kuhmilchproteinunverträglichkeit sowie Laryngitis (Kehlkopfentzündung) vorgelegt.

Nach Zulassung des Verfahrens erklärte die Zweitbeschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 04.06.2014 zu ihrem Gesundheitszustand, sie sei im achten Monat schwanger und nehme Medikamente ein. Diesbezüglich legte sie diverse Arztbriefe mit den Diagnosen respiratorischer Infekt bei bekannter nicht infektiöser Tuberkulose sowie posttraumatische Belastungsstörung vor. Auch die Zweit- und Drittbeschwerdeführer seien an Tuberkulose erkrankt und würden derzeit noch beobachtet. Zu ihren persönlichen Verhältnissen brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, sie habe zuletzt an verschiedenen Adressen gelebt, da sie seit 2012 ständig umziehen habe müssen. Bis zu ihrer Heirat im Jahr 2010 habe sie bei ihren Eltern gelebt. Diese lebten immer noch im Herkunftsstaat und sie habe etwa einmal im Monat Kontakt zu ihnen. Sie sei zuletzt keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. In Österreich leben ihre Schwester und eine Tante, wobei sie nur in Kontakt mit ihrer Schwester stehe. Sie lebe von der Grundversorgung und besuche keinen Deutschkurs. Die Viertbeschwerdeführerin gehe in den Kindergarten. Zu ihren Ausreisegründen befragt, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, sie seien wegen der Probleme des Erstbeschwerdeführers geflüchtet. Er sei oft mitgenommen und geschlagen worden, da er jemanden gekannt habe und die Leute haben wissen wollen, wo sich diese Person aufhalte. Der Erstbeschwerdeführer habe es allerdings nicht gewusst. Wenn er mitgenommen worden sei, habe sie es auch "abbekommen". Die Vorfälle seien unterschiedlich oft passiert; manchmal sei ein Jahr nichts passiert und dann wieder alle Monate. Sie sei immer dabei gewesen, wenn er mitgenommen worden sei; auch die Dritt- und Viertbeschwerdeführer seien anwesend gewesen. Sie habe sich einmischen wollen, doch sie sei einmal sehr stark geschlagen worden.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am selben Tag gab der Erstbeschwerdeführer im Beisein seines Vertreters zu seinem Gesundheitszustand an, wegen Tuberkulose unter medizinischer Beobachtung zu stehen und wegen seiner chronischen Prostataerkrankung behandelt zu werden. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe mit den übrigen Beschwerdeführern zuletzt in XXXX gelebt. Seinen Lebensunterhalt habe er durch diverse Hilfsarbeiten bestritten und er sei gelegentlich durch seine Familie unterstützt worden. Im Falle einer Rückkehr könne er allerdings keine Unterstützung mehr erwarten, da seine Mutter und sein Bruder lediglich Rente beziehen würden. Da er mit seinen Angehörigen im Herkunftsstaat telefoniere, habe er erfahren, dass Leute nach ihm gefragt hätten; er nehme an, dass es sich dabei um die Leute handle, die ihn ständig mitgenommen haben. In Österreich lebe er von der Grundversorgung und habe bislang noch keinen Deutschkurs besucht. Die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin lebe in Österreich. Befragt, ob er im Herkunftsstaat Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt habe, antwortete er, er wisse nicht genau, wer diese Leute gewesen seien. Manche seien maskiert, manche in Zivilkleidung gewesen. Er sei nie offiziell festgenommen worden, allerdings sei er über Jahre hinweg immer wieder mitgenommen worden. Zu seinen Ausreisegründen befragt, brachte der Erstbeschwerdeführer vor, Ende der 1990iger Jahre habe er einen guten Schulfreund gehabt, welcher an den Kriegshandlungen teilgenommen habe. Im Jahr 2004 sei der Freund Leibwächter von einem Minister gewesen. Bei einer Schießerei beim Blockposten XXXX sei sein Freund verwundet worden, er habe jedoch flüchten können. Danach seien bei seinem Freund Hausdurchsuchungen durchgeführt und dabei Fotos gefunden worden, worauf er und sein Freund mit Waffen abgebildet gewesen seien. So habe man ihn mit seinem Freund in Zusammenhang gebracht und man habe ihn deshalb mitgenommen, um zu erfahren, wo sich sein Freund verstecke. Er sei in nassen Kellern festgehalten und geschlagen worden, weshalb er an Tuberkulose und Prostatitis erkrankt sei. Sie seien immer wieder gekommen und seine Familie habe alles mitbekommen. Die Drohungen seien schlimmer geworden und begannen, sich gegen seine Familie zu richten. Sein Vater habe es nicht mehr ertragen und sei im Jahr 2011 an einem Herzinfarkt verstorben. Etwa eine Woche vor seiner Ausreise, als sie ihn das letzte Mal mitgenommen hätten, hätten sie ihm die Rippe gebrochen.

Am XXXX wurde die Sechstbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren; die Zweitbeschwerdeführerin stellte für sie am 07.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Nachweis ihrer Identität wurde die österreichische Geburtsurkunde vorgelegt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2014, Zlen.: 13-830593805-1650615, 13-830593903-1650607, 13-830594007-1650593, 13-830594105-1650585,13-831218210-2371395, 14-1027621302-14860093, zugestellt am 22.09.2014, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Zudem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist; unter einem wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt begründete im Bescheid, der im Verfahren des Erstbeschwerdeführers erlassen wurde, die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, es habe nicht festgestellt werden können, dass er von tschetschenischen Sicherheitsbehörden angehalten und misshandelt worden sei. Sein Vorbringen hinsichtlich der Fluchtgründe sei insgesamt betrachtet nicht glaubwürdig und es liegen Widersprüche zum Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin vor. Zudem habe er keinerlei Details über seinen Schulfreund oder den fluchtauslösenden Vorfall nennen können. Die abweisende Entscheidung betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde damit begründet, dass hinsichtlich ihrer Person keine eigenen Ausreisegründe vorlägen, sondern sie sich auf das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers stütze. Das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers sei jedoch als unglaubhaft zu werten. Die abweisende Entscheidung betreffend die minderjährigen Beschwerdeführer wurde damit begründet, dass für diese keine eigenen Ausreisegründe geltend gemacht worden seien, sondern sich die Zweitbeschwerdeführerin ausschließlich auf die - behauptete - Verfolgung des Erstbeschwerdeführers berufen haben. Das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zu den Fluchtgründen sei allerdings nicht glaubhaft. Zur Situation im Falle einer Rückkehr führte das Bundesamt aus, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat weder Verfolgung noch andere Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen. Abschließend begründete das Bundesamt seine Rückkehrentscheidung.

Gegen die Bescheide des Bundesamtes erhoben die Beschwerdeführer am 02.10.2014 Beschwerde und führten darin hinsichtlich der getroffenen Beweiswürdigung aus, dass der Erstbeschwerdeführer sehr wohl detaillierte Angaben gemacht habe. Die Widersprüche zu den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich daraus, dass diese nicht alles über ihn gewusst habe und er seit den Misshandlungen unter Gedächtnisproblemen leide. Im Übrigen sei der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer nicht ausreichend gewürdigt worden und die medizinische Behandlung in Russland nicht ausreichend gewährleistet. Diesbezüglich und hinsichtlich der angeführten Fluchtgründe wurden diverse (allgemeine) Berichte zitiert.

Am 13.09.2016 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt.

Mit Schreiben vom 13.09.2017, den Beschwerdeführern zugestellt am 18.09.2017, räumte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien Parteiengehör zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation, Stand 21.07.2017, ein.

Mit Schreiben vom 03.10.2017 erstatteten die Beschwerdeführer durch ihren Rechtsberater als gewillkürten Vertreter eine Stellungnahme, in der sie ausführen, dass Kadyrow im September 2016 laut offiziellen Angaben wiedergewählt worden sei. Oppositionelle seien entführt, misshandelt und mit dem Tod bedroht worden. Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen sei weiterhin verbreitet. Die strafgerichtliche Verfolgung sei in Tschetschenien völlig unzureichend. Die Beschwerdeführer können daher weiterhin keinen effektiven Schutz vor Verfolgung erwarten. Die Zweitbeschwerdeführerin leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schwerer Depression und Angststörung. Ihre Fachärztin für Psychiatrie sehe es aus psychiatrischer Sicht notwendig, dass die Zweitbeschwerdeführer und ihre Familie insbesondere zur Therapie in Österreich bleiben. Ihr psychischer Zustand lasse sich gemäß den ärztlichen Befunden auf ihre Gewalterlebnisse im Herkunftsstaat zurückführen. Es gehe auch hervor, dass die Zweitbeschwerdeführerin wegen ihres Gesundheitszustandes an Vergesslichkeit leide. Aus dem Länderinformationsblatt ergebe sich, dass mentale Krankheiten nur selten mit Therapie behandelt werden und stark eingeschränkt seien. Für posttraumatische Belastungsstörung gebe es keine spezialisierten Institutionen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin die notwendige medizinische Behandlung erhalten werde. Außerdem würde allein die Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, in dem sie jahrelang Gewalt und Unsicherheit erlebt habe, sie aus ihrem Leben in Österreich herausreißen und ihren gesundheitlichen Zustand maßgeblich verschlimmern. Die Rückkehr in die Russische Föderation würde daher eine unmenschliche Behandlung der Zweitbeschwerdeführerin darstellen.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.10.2017, Zlen.: W112 2013034-1/20E, W112 2013018-1/22E, W112 2013031-1/15E, W112 2013019-1/15E, W112 2013020-1/9E, W112 2013032-1/9E wurden die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes vom 10.09.2014 gemäß §§ 3, 8 AsylG, § 57 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1-3 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III der angefochtenen Bescheide jeweils zu lauten hat: "III. Ihnen wird gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen angab, er sei wegen eines Schulfreundes, der im Dienst des Präsidenten gestanden habe und etwa seit dem Jahr 2004 verschwunden sei, mehrmals von Unbekannten mitgenommen, geschlagen und verhört worden zu sein. Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen an, wegen der Verfolgung ihres Gatten den Herkunftsstaat verlassen zu haben; die Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe. Auf Grund des in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vermittelten persönlichen Eindrucks sei das Vorbringen der Beschwerdeführer zu den Fluchtgründen unglaubwürdig. Die Angaben wären unsubstantiiert, detailarm und emotionslos. Die erwachsenen Beschwerdeführer hätten sich bei Nachfragen durchgehend auf Erinnerungslücken berufen. Davon abgesehen sei das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers aufgrund weiterer Unplausibilitäten nicht glaubhaft und hätten sich weitere Widersprüche ergeben. Daraufhin wurde festgestellt, dass das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers nicht zutreffe und wurde des Weiteren festgestellt, dass die Familie der Zweitbeschwerdeführerin nicht wegen des Erstbeschwerdeführers verfolgt werde. Auch die behauptete Verfolgung der Familie wegen der Teilnahme der Zeitbeschwerdeführerin an einer Demonstration gegen Kadyrow in Wien, sei, auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, unsubstantiiert, zumal keiner der Beschwerdeführer in irgendeinem Kontakt zu dieser Demonstration gestanden sei oder sich in Österreich politisch engagiert hätten und das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers nicht glaubhaft sei. Zudem stünde den Beschwerdeführern letztlich auch eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da auch Tschetschenen die freie Wahl des Wohnsitzes in der Russischen Föderation zustehe. Die früher problematische Registrierung, die die Voraussetzung für den Zugang zu medizinischer Versorgung und sozialen Rechten sei, sei vereinfacht worden und im Endeffekt werde nun jeder registriert. Tschetschenische Volksgruppenangehörige hätten es zwar schwerer, einen Vermieter zu finden, nutzen hiezu aber ihre Netzwerke und mittlerweile gebe es eine starke tschetschenische Diaspora in vielen Städten der Russischen Föderation. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin in XXXX lebe, ebenso eine Tante und ein Cousin, und dass der Erstbeschwerdeführer teilweise in XXXX gelebt habe. Die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative vermochte auch der Erstbeschwerdeführer mit dem Vorbringen, außerhalb Tschetscheniens sei wiederholt sein Pass kontrolliert worden, nicht zu entkräften. Es könne daher nicht erkannt werden, dass eine Übersiedlung in einen anderen Landesteil und die Registrierung vor Ort den Beschwerdeführern nicht zumutbar wäre. Auch sonst könne eine Verfolgung wegen des Lebensstils der Zweitbeschwerdeführerin keine Verfolgung der Zweitbeschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erkannt werden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe im Herkunftsstaat die Grundschule zur Gänze absolviert, habe auf ihren Wunsch hin und entgegen dem Willen ihrer Mutter geheiratet. Sie sei in Österreich nicht erwerbstätig, führe den Haushalt und kümmere sich um die Kinder. Sie besuche nur einen Deutschkurs, lerne im Übrigen aber Deutsch nur in einer Frauen-WHATS-APP-Gruppe per Mobiltelefon. Sie besuche die Psychotherapie sowie die weiteren Therapien der psychosozialen Beratungsstelle und nehme in diesem Rahmen am (Nordic-)Walking in Sportbekleidung teil. Sie trage Kopftuch. Es sei nicht ersichtlich, warum die Zweitbeschwerdeführerin diesen Lebensstil in der Russischen Föderation nicht fortführen könnte, wobei es den Beschwerdeführern freistehe, sich nicht in Tschetschenien anzusiedeln, sondern, wie bereits ausgeführt, in anderen Landesteilen. Im Hinblick auf die minderjährigen Beschwerdeführer seien keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden und seien auch nicht ersichtlich. Da weder eine asylrelevante Gefährdung des Erstbeschwerdeführers noch der Zweitbeschwerdeführerin festgestellt werden habe können, ergebe sich aus dem Fluchtvorbringen der erwachsenen Beschwerdeführer keine Gefährdung für die minderjährigen Beschwerdeführer.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, wegen der behaupteten Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisten Rechtengemäß Art. 3 und 8 EMRK.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13.12.2017, Zl. E 4180-4185/2017-5, wurde die Beschwerde abgelehnt. Dazu wurde ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch grobe Verfahrensfehler, die eine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung des genannten Grundrechtes (Art. 3 und 8 EMRK) darstellen würde, unterlaufen seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit der Frage der Gefährdung der Beschwerdeführer in ihren Rechten auseinandergesetzt. Dem Bundesverwaltungsgericht könne unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründe des Art 8 EMRK überwiege.

Gegenständliches Verfahren:

Am 17.03.2018 stellten die Beschwerdeführe die gegenständlichen (zweiten) Anträge auf internationalen Schutz.

Im Zuge der durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie zu Hause von den Männern des Präsidenten Kadyrow erwartet werde. Sie würden bereits wissen, dass sie zurückgeschickt würden. Sie sei ein wichtiger Zeuge eines Mordes. Von diesem Mord sei von ihrem früheren Verlobten namens XXXX ein Video aufgenommen worden, dieses Video habe sie gesehen, und die Kassette habe sie in ihrem Gemüsegarten ihres Hauses vergraben. Sie kenne zwei der Mörder persönlich. Den Ermordeten kenne sie nicht, ihm sei der Kopf abgerissen worden. Er sei mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf dem Waldboden gesessen, um ihn herum seien vier Männer gestanden. Die Männer hätten ihn fotografiert und ein Video aufgenommen, dann hätten sie ihn getötet. Kadyrows Leute würden nicht genau wissen, ob sie diese Kassette habe oder nicht, im März des Jahres 2008 sei sie von diesen Männern mitgenommen worden, weil sie ein Zeuge der Ermordung dieses Mannes sei. Sie sei in einen Bunker gebracht und dort vergewaltigt worden. Wie viele Männer dort gewesen seien, wisse sie nicht. Diese Männer hätten dort verschiedene Tiere wie Tiger, es seien auch sehr viele Leute dort eingesperrt. Sie habe immer Schreie der Leute gehört. Sie könne nicht vergessen, wie sie einen alten Mann dort getötet hätten. Sie habe dieses Geschehen beim ersten Interview deswegen verheimlicht, weil sie Angst gehabt habe, dass sie zurückgeschickt werde. Sie habe nicht einmal ihrem Mann das Ganze erzählt. Sie kenne eine tschetschenische Frau namens XXXX , sie stamme aus demselben Dorf, sie seien einmal beste Freundinnen. Sie sei eine Informantin von Kadyrow. Sie sei von zu Hause angerufen und vor dieser Frau gewarnt worden. Sie gelte in Tschetschenien als verschwunden, das stimme aber nicht, sie sei eine Informantin. Sie lebe irgendwo in Europa, wo genau, wisse ich nicht. Sie habe sie nie in Österreich gesehen, sie habe nur einmal das Gefühl, dass sie hier in XXXX verfolgt werde. Sie habe niemandem gesagt, dass ihr Asylverfahren negativ entschieden worden sei und dass sie nach Tschetschenien zurückkehren sollte. Trotzdem hätten sie zu Hause bereits gewusst, dass sie zurückgeschickt werde. Am 13.03.2018 habe sie ihrem Bruder namens XXXX in Moskau via WhatsApp kontaktiert. Ihr Bruder lebe in Moskau und habe früher beim russischen Militär gearbeitet. Sie habe ihren Bruder gefragt, was sie machen solle, ob sie nach Tschetschenien zurückkehren könne oder nicht. Er habe ihr geantwortet, dass, wenn sie zurückkehre, sie Probleme kriege und vor Gericht kommen werde. Er habe versprochen genauer nachzuforschen. Sie habe diese Unterhaltung, es seien Sprachnachrichten, gespeichert. Sie habe niemandem erzählt, dass sie beabsichtigt habe, nach Hause kommen zu wollen. Am 14.03.2018 sei sie nochmals von ihrem Bruder kontaktiert worden. Er habe gesagt, er wisse ganz genau, dass sie und ihre ganze Familie in Tschetschenien verfolgt werde. Sie habe große Angst, im Oktober 2017 habe sie einen Suizidversuch unternommen. Sie wolle in Ruhe sterben. Sie sei einen Monat im Krankenhaus gelegen. Vor ihrer Flucht aus Tschetschenien seien sie immer gequält worden. Jeden Monat seien diese Männer bei ihnen gewesen, sie hätten auf der Straße gewartet und sie habe nie Ruhe vor ihnen. Sie wolle noch etwas erzählen, was sie im Bunker erlebt habe: Als sie sie dorthin mitgenommen hätten, sei sie geschlagen, mehrmals vergewaltigt worden und hätten sie an ihren Haaren gezerrt und sie misshandelt. Sie hätten sie gezwungen, zuzusehen, wie sie einen Mann zu den wilden Löwen und Tigern vorgeworfen hätten und er getötet worden sei. Sie könne das alles nicht vergessen. Dann hätten sie ihr gesagt, sie werde beschützt, aber irgendwann werde sie auch so enden. Sehr viele Leute, die verschwunden seien, wären in diesem Bunker. Sie könne das ihrem Mann nicht erzählen, wenn er Alkohol trinke, tratsche er viel weiter. Ihre Brüder in Tschetschenien würden auch gequält, vor allem ihr Bruder XXXX werde verfolgt, er habe sich irgendwo versteckt. Auch ihr Cousin XXXX werde verfolgt. Ihre Mutter habe noch viele Beweise zu Hause in Tschetschenien, aber sie gebe diese jetzt nicht mehr her, weil sie glaube, dass sie zurückkehren müsse und sie auch für ihre Brüder eine Gefahr darstellen würden. Sie sage, dass sie nur wegen der Zweitbeschwerdeführerin solche Probleme hätten und ihretwegen alle gequält würden. Wenn sie nach Tschetschenien zurückkehren müsse, werde sie sie zwingen, die Kassette herzugeben. Sie sei nach den Misshandlungen im Bunker im Krankenhaus, es gebe dazu auch einen Befund, aber den gebe ihre Mutter nicht heraus. Sie werde weiterhin versuchen, diese Beweise zu bekommen, damit ihr geglaubt werde. Wenn sie ihre Mutter anrufe, werde das Telefonat abgehört. Sie sterbe lieber, als dass sie wieder in die Hände dieser Männer von Kadyrow komme. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie, dass sie diese Männer wieder mitnehmen, misshandeln oder sogar töten würden. Sie würden sie schon in Moskau empfangen und mitnehmen. Sie habe auch in Österreich Angst, weil sie auch hier Verbindungsleute hätten.

Der Erstbeschwerdeführer brachte im Zuge seiner Erstbefragung am 17.03.2018 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen vor, dass er seiner Ehefrau schon früher gesagt habe, dass sie die ganze Wahrheit über die Flucht sagen solle. Ihre Angaben würden auch der Wahrheit entsprechen. Damals wäre die Gefahr nicht so groß gewesen. Seine Ehefrau hätte mit ihrem Bruder in Moskau Kontakt aufgenommen. Sein Schwager wäre früher beim Militär gewesen. Er hätte über seine Kontaktpersonen herausgefunden, dass seine Frau und der Erstbeschwerdeführer auf einer Liste stehen würden. Dies bedeute, dass sie bei einer Rückkehr in die Heimat von den Männern des Präsidenten verfolgt werden würden. Es drohe ihnen mit Sicherheit eine Gefängnisstrafe und im schlimmsten Fall würden sie umgebracht werden. Seine Ehefrau wäre in der Heimat in irgendetwas verwickelt gewesen, sie würden aber dazu nichts genaues wissen. Sie würde ihnen nichts erzählen. Sie hätte immer vor etwas Angst und fühle sich verfolgt. Sie hätte ihnen von der Vorgeschichte nie etwas erzählt. Sie hätte drei Cousins, sie würden für Kadyrov arbeiten, vermutlich hätte sie ihnen deshalb ihre Geschichte nicht erzählt. Ein Cousin würde bei einer Spezialeinheit des Militärs arbeiten. Er befürchte, dass auch sie bei einer Rückkehr bedroht wären. Nachdem er seine Ehefrau geheiratet habe, wären sie in Tschetschenien bedroht worden. Ihre Cousins würden ihnen aber nicht helfen können. Sie hätten keine Familie und machen das, was ihnen befohlen werde. Sie hätten die Zweitbeschwerdeführerin wegen eines Streites auch verprügelt. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, inhaftiert oder getötet zu werden.

Am 25.06.2018 wurden der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie auch einmal entführt worden sei. Am 28.03.2008 sei sie bei "ihnen" im Bunker gewesen. Nachgefragt, im Bunker der Machthaber. Sie sei gemeinsam mit einer Frau namens XXXX , die derzeit zur Fahndung ausgeschrieben sei, im Bunker gewesen. Sie habe gesehen, dass sie tot gewesen sei, als sie aus dem Bunker weggebracht wurde. Sie habe eine Videokassette, die sich in Russland befinde, als Beweismittel. Auf der Videokassette sehe man, wie ein Mensch umgebracht werde. Sie wolle diese Kassette zurück. Sie habe immer gesagt, dass sie die Kassette nicht habe. Sie habe dort im Bunker sehr viel mitgemacht. Folterungen und Vergewaltigungen. Sie habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein Löwe einen Menschen fresse. Sie habe das im Erstverfahren nicht erzählt, weil sie gewusst habe, dass man ihr nicht glauben würde und habe sie Angst gehabt. Sie hätte Angst, dass "die" daheim in der Heimat erfahren könnten, dass sie das hier erzählt habe. Es sei so, dass ihr einer zur Flucht verholfen habe. Einer habe ihr geholfen, von dort wegzukommen. Dem habe sie versprochen, dass sie über das, was sie im Bunker erlebt habe, mit niemanden sprechen werde. Sie habe den Bunker gesehen. Dort seien viele Leute. Sie habe gesehen, wie sie gequält würden. Sie habe so Angst, dass sie sogar ihrem Mann nichts davon erzählt habe, was sie erlebt habe. Sie wisse, wenn man sie nach Hause zurückschicke, dass man sie holen würde. Sie werde nicht nach Russland zurückkehren. Da bringe sie sich lieber hier um. Sie habe keine Angst vor dem Tod. Niemand gebe ihr irgendwelche Chancen. Zu Hause werde sie gequält, hier glaube ihr niemand. Sie habe sich nicht zum äußersten entschlossen und dann gedacht, sie gehe doch lieber zur Einvernahme.

Der Erstbeschwerdeführer brachte im Zug der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch bestehen würden und habe er auch neue Fluchtgründe. Seine Frau dürfe nicht in die Heimat zurückkehren. Sie habe Probleme mit den Kadyrow-Leuten. Er habe alle seine Gründe bereits im Erstverfahren angegeben. Seine Frau habe damals Angst, diese Gründe anzugeben. Sie habe auch jetzt Angst, darüber zu sprechen. Sie sorge sich, weil schon mehrere Dolmetscher das gehört hätten. Er wisse auch nicht viel über die neuen Gründe seiner Frau. Sie habe sich auch ihm nicht richtig anvertraut. Über Nachfrage, gab er an, dass er selbst keine neuen Fluchtgründe habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Unter den Spruchpunkten III. wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte V.). Ferner wurde unter den Spruchpunkten VI. ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass das erste Asylverfahren der Beschwerdeführer am 20.10.2017 rechtskräftig abgeschlossen worden sei und seien in diesem Verfahren alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden. Das Asylverfahren des Erst- bis Zweitbeschwerdeführerin würden insgesamt auf einem nicht glaubhaften Vorbringen beruhen. Auch im Fall der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer wurde festgestellt, dass deren gesetzlichen Vertretung im gegenständlichen Verfahren zwar neue Fluchtgründe vorgebracht hätten, diese jedoch bereits bei der Erstantragstellung bestanden hätten und schuldhaft nicht vorgebracht worden seien. Vom Bundesamt könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages reiche nicht aus, einen neuen gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Zum Privat- und Familienleben wurde ausgeführt, dass eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer in Österreich nicht festgestellt werden könne. Die maßgebliche und die Beschwerdeführer betreffende allgemeine Lage im Herkunftsland habe sich seit rechtskräftigem Abschluss ihres Erstverfahrens nicht geändert. Im entscheidungsrelevanten Zeitraum seien keine wesentlichen Änderungen in der Lage in ihrem Heimatland eingetreten. Auch die Beschwerdeführer betreffende maßgebliche Lage im Herkunftsland habe sich seit dem rechtkräftigen Abschluss ihres Vorverfahrens nicht geändert. Beweiswürdigend folgerte die Behörde, dass der nunmehr geltend gemachte Sachverhalt eine neu entstandene Tatsache aufweisen müsse. Diese neu entstandenen Tatsachen müssten asylrelevant sein und einen glaubhaften Kern aufweisen. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes betreffend die Zweitbeschwerdeführerin folgerte die Behörde, dass eine seitens des Bundesamtes veranlasste ärztliche Untersuchung bei einer Ärztin der Psychotherapeutischen Medizin ergeben habe, dass bei der Zweitbeschwerdeführerin aus aktueller Sicht keine belastungsabhängige, krankheitswertige psychische Störung vorliege, die bei einer Ausweisung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes (Art. 3 EMRK) aus ärztlicher Sicht bewirken würde. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe die Zweitbeschwerdeführerin weitere medizinische Befunde in Vorlage gebracht. Demnach leide sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit flash back und sei ein chronisches, depressives Zustandsbild mit schwerer Angststörung diagnostiziert worden. Der Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin wurde bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahren miteinbezogen. Seit Rechtskraft des Erstverfahrens habe sich der Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin nicht wesentlich geändert. Es könne daher im gegenständlichen Fall zusammenfassend nicht gesagt werden, dass durch eine Rückverbringung in die Russische Föderation eine bloße Möglichkeit hinausgehende Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde. Unter Einbeziehung des psychischen und physischen Zustandes der Zweitbeschwerdeführerin stelle ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation keine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dar, nachdem in der Russischen Föderation die für ihre Bedürfnisse erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten grundsätzlich bestünden und nachdem es bei der Zweitbeschwerdeführerin auch keine schwerwiegenden und einem Transport in die Russische Föderation entgegenstehenden Beeinträchtigungen ergeben hätten. Zu den Gründen für die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz führte die Behörde aus, dass im gegenständlichen Verfahren keine nach rechtskräftigen Abschluss der Erstverfahren neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalte vorgebracht worden seien. Dies ergebe sich aus den Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer - als gesetzliche Vertreter der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer - bei der Erstbefragung am 16.03.2018 und bei der Einvernahme am 25.06.2018 zum gegenständlichen Verfahren. Dabei habe der Erstbeschwerdeführer selbst angegeben keine persönlichen Fluchtgründe zu haben. Seine Ehefrau, die Zweitbeschwerdeführerin, hätte im Erstverfahren jedoch nicht alle Fluchtgründe vorgebracht. Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens im Zuge des Vorverfahrens setze sich nunmehr fort. Die Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführer würden sich auf keinen Sachverhalt, welcher nach Rechtskraft des Erstverfahrens am 16.10.2017 neu entstanden wäre, stützen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe bereits im ersten Verfahren die Möglichkeit gehabt, ihre Fluchtgründe zur Gänze anzuführen, dies habe sie jedoch nicht getan und unterliege der gegenständliche Sachverhalt keiner neuerlichen inhaltlichen Überprüfung bzw. Entscheidung. Der von der Zweitbeschwerdeführerin behauptete Sachverhalt sei schon zum Zeitpunkt ihrer ersten Asylantragstellung vorgelegen.

Gegen die oben angeführten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters am 31.07.2018 fristgerecht Beschwerde. Im Wesentlichen wurde nach Wiederholung des Verfahrensganges und angeführten Auszügen aus der Erstbefragung vorgebracht, dass die tschetschenischen Sicherheitskräfte, von welchem die Zweitbeschwerdeführerin verfolgt werde, ohne jede föderale Aufsicht aus Russland agieren würden. Zudem wurde auf die psychische Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin hingewiesen und auf die diesbezüglichen Länderinformationen verwiesen und ausgeführt, dass vor diesem Hintergrund eine Weiterbehandlung der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich dringend geboten erscheine. Zudem seien die Beschwerdeführer seit 07.05.2013 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Die Kinder der Familie seien bereits außerhalb ihrer Heimat sozialisiert und hätten ein soziales Netzwerk in Österreich aufgebaut und würden gut Deutsch sprechen. Zudem seien Minderjährige besonders schutzbedürftig im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention. Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in die Russische Föderation einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären, welche unter Berücksichtigung ihrer Verhältnisse und der derzeit im Land vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würden.

Folgende Unterlagen wurden im Zuge des gegenständlichen Verfahrens in Vorlage gebracht:

* Unterstützungsschreiben vom 20.09.2017;

* Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters vom 15.11.2017;

* Unterstützungsschreiben vom 16.11.2017;

* Unterschriftenliste (8 Seiten)

Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:

* Psychologische und psychotherapeutische Stellungnahme vom 21.09.2017,

* Integrationsspezifische Informationen des psychosozialen Zentrums vom 22.11.2017 und vom 21.09.2017;

* Bestätigung betreffend außerordentlichen Sprachmaßnahme vom 27.09.2017;

* Befundbericht vom 25.10.2017;

* Empfehlungsschreiben vom 15.11.2017;

* ÖSD Zertifikat A2 vom 21.11.2017;

* Teilnahmebestätigung Walkinggruppe vom 23.11.2017;

* Bestätigung betreffend ehrenamtliche Tätigkeit vom 23.11.2017;

* Ärztlicher Entlassungsbericht vom 24.11.2017;

* Aufenthaltsbestätigung betreffend stationäre Pflege vom 24.11.2017;

* Attest - Befundbericht vom 30.11.2017;

* Teilnahmebestätigung an einem "Begegnungsangebot; Zwischen Ängsten und Chancen" vom 03.02.2018;

* Ärztlicher Entlassungsbericht vom 11.04.2018;

* Befundbericht vom 12.04.2018;

* Abschiedsbrief in russischer Sprache;

* Absichtserklärung betreffend bedingte Arbeitszusage ohne Datumsangabe

Die Drittbeschwerdeführerin betreffend:

* Teilnahmebestätigung an einer außerschulischen Kindergruppe vom 23.11.2017;

* Stellungnahme der Schulleitung vom 20.09.2017;

* Unterstützungsschreiben der Mitschüler

Den Viertbeschwerdeführer betreffend:

* Wahrnehmungsprotokoll der Kindergartenpädagogin vom 30.10.2017

Die Fünftbeschwerdeführerin betreffend:

* Bestätigung über die Nachmittagsbetreuung vom 09.11.2017;

* Wahrnehmungsprotokoll der Kindergartenpädagogin vom 30.10.2017

Die Sechstbeschwerdeführerin betreffend:

* Bestätigung über die Nachmittagsbetreuung vom 09.11.2017

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem moslemischen Glauben zugehörig. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer. Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer lebten bis vor ihrer Ausreise im Herkunftsstaat. Die Fünft- bis Sechstbeschwerdeführer sind im österreichischen Bundesgebiet geboren. Die Beschwerdeführer verfügen über Verwandte und familiäre Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsland. In Österreich ist die Schwester sowie eine Tante der Zweitbeschwerdeführerin aufhältig.

Die Erst-bis Viertbeschwerdeführer halten sich seit Mai 2013, die Fünftbeschwerdeführerin seit ihrer Geburt im August 2013 und die Sechstbeschwerdeführerin seit ihrer Geburt im Juli 2014 im österreichischen Bundesgebiet auf. Seit Zulassung ihres Verfahrens verfügen sie über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Rahmen des Asylverfahrens.

Die nach illegaler Einreise am 07.05.2013 gestellten ersten Anträge auf internationalen Schutz im Fall der Erst- bis Viertbeschwerdeführer und der am 20.08.2013 im Fall der Fünftbeschwerdeführerin und der am 07.08.2014 im Fall der Sechstbeschwerdeführerin wurden - nach Führung eines Konsultationsverfahrens - mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und wurde betreffend die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Die dagegen erhobene Beschwerde im Familienverfahren wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.10.2017 in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen und erwuchs am 20.10.2017 in Rechtskraft. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13.12.2017 abgelehnt.

Die Beschwerdeführer reisten nicht aus, sondern verblieben unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet und stellte am 16.03.2018 ihren zweiten - gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über die ersten Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer kann nicht festgestellt werden.

Das Vorbringen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer betreffend ihre Folgeanträge weist keinen glaubwürdigen Kern auf. Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung (sohin seit 20.10.2017) über ihre Anträge auf internationalen Schutz ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnten. Für die minderjährigen Beschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Für die Zweitbeschwerdeführerin wurden medizinische Unterlagen vorgelegt. Aus den aktuellen Befundbericht vom 12.04.2018 geht hervor, dass die Zweitbeschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit flash back leidet und einer Depression. Somit kann keine Änderung des Gesundheitszustandes der Zweitbeschwerdeführerin seit Rechtskraft der letzten Entscheidung erkannt werden. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden psychischen oder physischen Krankheit leiden.

Die unbescholtenen Beschwerdeführer halten sich seit ihrer Antragstellung durchgehend in Österreich auf und verfügen sie seit Zulassung ihrer Verfahren über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Rahmen des Asylverfahrens. Sie verfügten nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens und mussten sich ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst sein. Sie beziehen seit ihrer Einreise im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Die Erst- bis Zweitbeschwerdeführer sind in Österreich bislang keiner legalen Beschäftigung nachgegangen und haben nie versucht, ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen. Die Beschwerdeführer gehören keinem Verein und keiner sonstigen Verbindung an. Eine nachhaltige Integration der Beschwerdeführer im Sinne einer tiefgreifenden Verwurzelung im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden.

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Person drohen würde oder, dass ihm im Fall einer Rückkehr in der Russischen Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Im gegenständlichen Verfahren können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung in die Russische Föderation einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe oder sonst einer konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt sein würden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

Zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation wurde in den angefochtenen Bescheiden umfangreiche Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für das gegenständliche Erkenntnis herangezogen werden. Diesen Feststellungen ist insbesondere zu entnehmen, dass in der Russischen Föderation nicht eine solche Situation herrscht, in der praktisch jedermann ein reales Risiko einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK oder nach dem 6. oder 13. ZPEMRK droht. Insbesondere ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass im gesamten Staatsgebiet der Russischen Föderation nicht jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, die die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt. Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, wird eine in die Russische Föderation abgeschobene Person durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt und herrscht jedenfalls nicht eine solche Situation, die praktisch für jede Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Ferner ist den Länderberichten zu entnehmen, dass es in der Russischen Föderation ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem gibt. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird. Zudem ist das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger in der Verfassung verankert. Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Auch in Tschetschenien ist die primäre als auch spezialisierte Gesundheitsversorgung verfügbar. Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es - wie für alle Bürger der Russischen Föderation - auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien [oder anderen Teilrepubliken] nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität und Staatsangehörigkeit der erwachsenen Beschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers steht aufgrund der beigeschafften, kriminaltechnisch untersuchten Reisepässe der Beschwerdeführer fest; die Identität der in Österreich geborenen Beschwerdeführer auf Grund ihrer Geburtsurkunden. Die Ehe der erwachsenen Beschwerdeführer steht auf Grund der im Erstverfahren vorgelegten Heiratsurkunde fest. Die Angaben zur Volksgruppenzugehörigkeit und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Dass die Beschwerdeführer über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügen, ergibt sich aus deren im gegenständlichen als auch im Zuge des Vorverfahrens getätigten eigenen Angaben.

Die Feststellungen zu dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren der Beschwerdeführerin, einschließlich zu den darin vorgebrachten Fluchtgründen, ergeben sich aus der Einsicht in den diesbezüglichen Verwaltungsakten, insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.10.2017, zu den Zlen.: W112 2013034-1/20E, W112 2013018-1/22E, W112 2013031-1/15E, W112 2013019-1/15E, W112 2013020-1/9E, W112 2013032-1/9E. Darüber hinaus ergeben sich die Feststellungen zur illegalen Einreise nach Österreich, zur Stellung der Anträge auf internationalen Schutz der Erst- bis Viertbeschwerdeführer sowie vom 20.08.2013 im Fall der Fünftbeschwerdeführerin und vom 07.08.2014 im Fall der Sechstbeschwerdeführerin zweifelsfrei aus dem Akteninhalt und wurden diese Umstände auch von Seiten der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Rechtskraft der letztinstanzlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus der Verständigung der Hinterlegung im jeweiligen Akt der Beschwerdeführer, aus denen das Übernahmedatum: 20.10.2017 hervorgeht.

Die vom BFA getroffene, Würdigung der Angaben der Beschwerdeführer steht im Wesentlichen im Einklang mit dem Erstbefragungsprotokoll sowie den Einvernahmen der Erst- bis Zweitbeschwerdeführer, ist hinreichend nachvollziehbar und erweist sich in Zusammenschau mit den im erstinstanzlichen Verfahren protokollierten Angaben der Beschwerdeführer im Ergebnis als zutreffend. Hierzu ist ergänzend anzumerken, dass sich aus den erstinstanzlichen Akten keine Hinweise auf Verfahrensmängel im Verfahren beim Bundesamt ergeben haben. Weder die Protokollierung noch der Dolmetscher wurde in der Einvernahme in irgendeiner Form konkret bemängelt, im Gegenteil wurde von der Zweitbeschwerdeführerin auf Nachfragen noch ausdrücklich angegeben, dass sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden habe (vgl. S 253 Akt der Zweitbeschwerdeführerin). Es wurden auch keine Befunde oder sonstige medizinische Unterlagen vorgelegt, die auf eine psychische Ausnahmesituation der Beschwerdeführer infolge einer Traumatisierung oder einer ähnlichen Erkrankung hinweisen würden (vgl. S 153 Akt des Erstbeschwerdeführers, S 243 Akt der Zweitbeschwerdeführerin), aufgrund welcher sie allenfalls gehindert gewesen wären, ihre diesbezüglichen Vorbringen zu erstatten. Auch wurde derartiges von den Beschwerdeführern auch zu keinem Zeitpunkt behauptet. Das Protokoll wurde zudem von den Beschwerdeführern (nach Rückübersetzung) durch ihre Unterschriften hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit bestätigt.

Soweit die Zweitbeschwerdeführerin (sowie die restlichen BF) ihren Folgeantrag im Wesentlichen damit begründet von den Männern von Kadyrow verfolgt zu werden, weil sie einen Mord (auf einer Videokassette ihres früheren Verlobten) gesehen habe und deswegen im Jahr 2008 in einen Bunker entführt worden sei, ist dem Bundesamt beizupflichten, dass dieses Vorbringen bereits von der Rechtskraft des Erkanntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes (Zl.: W112 2013018-1/22E) erfasst ist. So ging das Bundesverwaltungsgericht bereits im damaligen Erkenntnis von der Unglaubwürdigkeit der Erstbis Zweitbeschwerdeführer aus. Wenngleich sich im vorhergehenden Verfahren die Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer auf das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers bezogen habe, so beziehen sich nunmehr alle Beschwerdeführer auf das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin. So gab der Erstbeschwerdeführer selbst an:

"Nein, ich persönlich habe keine neuen Fluchtgründe" (vgl. Seite 155 Akt des Erstbeschwerdeführers).

Zudem konnte das Bundesamt im bekämpften Bescheid nachvollziehbar und im Einklang mit den Einvernahmeprotokolle aufzeigen, dass das sich festgestellte Unglaubwürdigkeit im gegenständlichen Verfahren fortsetzt.

Zudem schilderte die Zweitbeschwerdeführerin einen Vorfall der sich im Jahr 2008 ereignet haben will, demnach fünf Jahre bevor sie ihr Herkunftsland verlassen hat. Wie das BFA richtigerweise ausführte, war es nicht nachvollziehbar, dass die Zweitbeschwerdeführerin ihre Fluchtgründe nicht zum Zeitpunkt der Asylantragstellung vorbrachte. Dies begründete sie damit, dass sie dieses Geschehen beim ersten Interview deswegen verheimlicht habe, weil sie Angst gehabt habe, dass sie zurückgeschickt werde. Sie habe nicht einmal ihrem Mann das Ganze erzählt, was wiederum im Widerspruch zu den Angaben des Erstbeschwerdeführer steht, der angab: "ich habe früher schon gesagt, dass meine Frau die ganze Wahrheit wegen ihrer Flucht erzählen soll", was nicht nachvollziehbar ist, wenn dieser von nichts gewusst haben soll. Ferner spricht die Zweitbeschwerdeführerin von einer Videokassette, die sie in ihrem Gemüsegarten ihres Hauses vergraben habe und gab im Zuge derselben Befragung an, dass ihre Mutter die Kassette habe.

Wenn das Bundesamt nunmehr ausführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin einen Sachverhalt vorbringt, welcher bereits vor ihrer Ausreise bestanden hat und von ihr schuldhaft nicht vorgebracht wurde, obwohl sie dazu mehrmals aufgefordert worden ist und auch dazu verpflichtet gewesen wären, schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser Ansicht an. So wurde die Zweitbeschwerdeführerin bereits im Zuge ihrer Erstbefragung im Erstverfahren am 08.05.2013 darauf hingewiesen, dass ihre Angaben einen wesentlichen Einfluss auf ihr Asylverfahren haben und ihrer Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Behörde bilde (vgl. S. 13 Erstverfahren der Zweitbeschwerdeführerin). Zudem bejahte die Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 04.06.2014 darauf hingewiesen, dass es unumgänglich sei, dass sie die Wahrheit sage, nichts verschweige und alle zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutzens erforderliche Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlege. Ferner wurde sie auf die Folgen wahrheitswidriger Aussagen und der damit verbundenen allenfalls für sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung ausdrücklich erneut hingewiesen sowie auf ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 15 ASylG hingewiesen (vgl. S. 2 des Protokolls der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA am 04.06.2014). Des Weiteren wurden die Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.09.2016 von der erkennenden Richterin auf die Bedeutung der Verhandlung hingewiesen und aufgefordert die Wahrheit anzugeben. Die Beschwerdeführer wurden aufgefordert nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Dabei wurden die Beschwerdeführer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch bei untergeordneten Fragen (zB nach Ausbildung, Wohnsitz, Berufstätigkeit, Fluchtweg und Ähnliches) ausdrücklich die Wahrheitspflicht bestehe und das unwahre oder unglaubwürdige Angaben zu Lasten der Glaubwürdigkeit gewertet würden. Ebenso wurde auf die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen und dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist (vgl. Verhandlungsschrift vom 13.09.2016 zu den Zlen.: W112 2013018-1/17Z, W112 2013034-1/15Z, W 112 2013031-1/11Z, W 112 2013019-1/11Z, W 112 2013020-1/5Z, W 112 2013032-1/5Z). Daraus folgt, dass die Zweitbeschwerdeführerin mehrmals dezidiert und ausdrücklich auf ihre Mitwirkungspflichten und die Wichtigkeit ihrer wahrheits- und vollständigen Angaben zu machen, hingewiesen wurde. Demnach begründete die Zweitbeschwerdeführerin - auf die sich auch die anderen Beschwerdeführer berufen - ihren neuerlichen Asylantrag mit Fluchtgründen, welche bereits vor der Erstantragstellung bestanden haben und von ihr schuldhaft nicht vorgebracht wurden. Demnach ist sie ihrer Mitwirkungsplicht gemäß § 15 AsylG nicht nachgekommen.

Da es sich beim Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin um einschneidende Erlebnisse handelt, ist es auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht plausibel, dass sie diese nicht bereits im Zuge des Erstverfahrens vorbrachte. Demnach ist auch der Rechtfertigungsversuch der Zweitbeschwerdeführerin, sie habe ihre Erlebnisse verheimlicht, da sie Angst gehabt habe zurückgeschickt zu werden, insofern nicht plausibel, zumal davon auszugehen ist, dass eine Person die um Asyl ansucht alles vo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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