TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/18 I414 2168380-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2018
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Entscheidungsdatum

18.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2168380-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste am 03.06.2015 legal per Schengenvisum nach Griechenland. Von dort gelangte er seinen Ausführungen zufolge via Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo der Beschwerdeführer am 18.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, den er mit Verfolgung durch einen homosexuellen Priester und seinen Männern begründete.

Am 24.05.2017 führte die belangte Behörde eine niederschriftliche Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durch, wobei dieser neuerlich befragt nach seinen Fluchtmotiven angab, dass er nach dem Tod seiner Mutter von deren Onkel aus dem Haus vertrieben worden und dann obdachlos gewesen sei. Dann habe ihm ein Pastor in XXXX eine Unterkunft gegeben. Dort habe er auch arbeiten können. Am Anfang sei alles OK gewesen, aber dann habe sich der Pastor immer mehr angenähert. Er habe nicht gewusst, dass der Pastor homosexuell sei, aber eines Tages habe der Pastor Sex mit ihm haben wollen. Er habe dies zwar nicht gewollt, aber er habe keinen anderen Ort gehabt an den er gehen hätte können und darum habe er es geschehen lassen. Es habe ihm zwar nicht gefallen, aber er habe vorerst damit leben müssen. Aber es sei dann jeden Tag dazu gekommen, er habe schon nicht mehr schlafen können. Es sei ihm einfach zu viel geworden. Deshalb sei er dann davongelaufen und habe sich an einen anderen Pastor gewandt. Dieser Pastor habe nicht glauben können, dass der andere Pastor homosexuell sei. Der neue Pastor habe dann wohl mit dem alten Pastor darüber gesprochen, jedenfalls seien Leute zum neuen Pastor gekommen und habe ihm dieser gesagt, dass er hier nicht mehr sicher sei und XXXX und den Imo State sofort verlassen müsse. Er sei nach Abuja gefahren, um ein Visum zu bekommen, mit dem er dann nach Griechenland habe fliegen können.

Mit Bescheid vom 27.07.2017, Zl. XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Als Frist für seine freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde einen Zeitraum von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 11.08.2017 erhob der Beschwerdeführer vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 12.06.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und in Abwesenheit seiner Rechtsvertretung und der belangten Behörde eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.08.2018, Zl. I415 268380-1/9E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mangels Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden konnte, dass er in Nigeria von einem homosexuellen Pastor mit dem Leben bedroht wird und es auch keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers gibt.

Dieses Erkenntnis erwuchs am 23.08.2018 in Rechtskraft.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer ein außerordentliches Rechtsmittel.

Mit Schreiben vom 10.10.2018 wurde eine Vollmacht für die Vertretung des Beschwerdeführers durch den MigrantInnenverein St. Marx übermittelt.

Am 11.10.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen (Folge-) Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er befragt nach seinen Gründen für seine neuerliche Asylantragstellung an, dass die im ersten Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe weiterhin bestehen würden. Er habe jedoch im ersten Verfahren nicht erwähnt, dass er in Nigeria als Koordinator der Indigenous People of Biafra kurz IPOB fungiert habe. Ferner habe er in Wien an einer Veranstaltung der IPOB teilgenommen. Aufgrund dieser Teilnahme werde er in Nigeria gesucht, weil es bekannt sei, dass er in Österreich für diese Bewegung aktiv sei. Sollte er in seine Heimat zurückkehren, würde er festgenommen werden. Diese nunmehr vorgebrachten Gründe seien ihm seit seiner Ankunft in Österreich bekannt, jedoch seine Teilnahme an der Veranstaltung der IPOB in Österreich seien neu.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichthofes vom 19.10.2018, Zl. E 3872/2018-4, wurde dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge gegeben.

Am 30.10.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Begründend gab er an, seine Rechtsberatung habe ihm mitgeteilt, dass sein Asylverfahren abgeschlossen sei. Da er nicht illegal in Österreich leben wolle und er in seiner Heimat einer Gefahr ausgesetzt sei, habe er den gegenständlichen Asylantrag gestellt.

Auszugsweise gestaltete sich die Einvernahme wörtlich wie folgt:

"[...]

Feststellung: Sind sämtliche Angaben, die Sie im Zuge der Erstbefragung durch die Polizei gemacht haben richtig und halten Sie aufrecht?

A: Die Angaben, die ich dort gemacht habe, sind richtig.

F: Sie stellten bereits am 18.06.2015 in Österreich einen Asylantrag. Anm. VZ: XXXX. Dieser Antrag wurde gem. § 3, 8 AsylG 2005 abgewiesen. Gegen Sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und es wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Der Asylantrag erwuchs mit 22.08.2018 in II Instanz in Rechtskraft. Warum stellen Sie jetzt neuerlich einen Asylantrag?

A: Ich stelle deshalb einen neuen Antrag, weil man mir bei ¿Human Rights gesagt hat, dass mein Asylverfahren abgeschlossen ist. So habe ich mir gesagt, dass ich nicht als IIllegaler hier bleiben will. Außerdem sehe ich das Risiko, dass man mich nach Nigeria zurückbringt. Sollte man mich nach Nigeria zuzubringen, würde ich im Gefängnis landen, da ich Mitglied der IPOB bin. So würde man mich ins Gefängnis bringen, denn die IPOB kämpfen für ihre Freiheit, sie möchten unabhängig von Nigeria werden. Die nigerianische Regierung hat uns letztes Jahr als terroristische Organisation eingestuft. Vor 2 Wochen hat der Führer der IPOB ein Statement im Nigerianischen Radio abgegeben, er heißt ¿Mnandi Kanu¿ er sagte, er würde nach Nigeria mit der Hölle kommen, das heißt, dass die Kämpfe in Nigeria wieder aufflammen werden, sollte die nigerianische Regierung nicht akzeptieren, dass Biafra unabhängig wird. Buhari, der Präsident von Nigeria erklärte, dass die Regierung bereit für die IPOB wäre.

Anmerkung: Der AW legt 2 Seiten in Englischer Sprache vor.

F: Von wem haben Sie diese Schriftstücke?

A: Im Internet, hier in Österreich.

F: Welche Quelle haben Sie geöffnet?

A: Vanguard news

F: Werden Sie persönlich erwähnt?

A: Nein.

F: Sie wurden bereits zu Ihrem ersten Asylantrag niederschriftlich einvernommen. Können Sie sich noch an diese Einvernahmen erinnern?

A: Ja.

F: Stimmen die damals von Ihnen gemachten Angaben und halten Sie diese auch weiterhin aufrecht?

A: Ja.

Vorhalt: Recherchen haben ergeben, dass es sich am 5. und 6. Oktober um private Veranstaltungen des Vereines ¿Indigenous People of Biafra¿ gehandelt hat, wie sollten Namen der Teilnehmer an dieser Veranstaltung nach Nigeria übermittelt werden und warum sollten Sie jetzt gesucht werden?

(Anmerkung Aktenvermerk vom 29.10.2018 im Akt)

A: Aus jenem Grund, weil ich Mitglied von IPOBN bin. Jeden 30. Mai gehen wir in Wien zu nigerianischen Botschaft zu dort zu protestieren. Wir gehen auch zur britischen Botschaft und bitten, dass sie ihnen sagen, sie sollen uns alleine lassen sollen.

F: Wann waren Sie das letzte Mal vor der britischen Botschaft?

A: Am 30. Mai 2018

F: Haben Sie das im Vorverfahren angeführt?

A: Nein, das habe ich nicht. Ich wollte das, aber sie sagten, wenn du zur Einvernahme gehst, kannst du die ganze Geschichte erzählen.

F: Die Frage war, haben Sie den Umstand, dass Sie an Protesten vor der nigerianischen und britischen Botschaft teilgenommen haben, im ersten Verfahren je angeführt?

A: Nein, das habe ich nicht. Beim ersten Asylverfahren war ich gerade erst aus Nigeria gekommen, wie hätte ich das angeben sollen.

Vorhalt: Ihr Asylverfahren wurde mit 23.08.2018 abgeschlossen, Sie hätten ausreichend Zeit gehabt?

A: Ich sehe das Risiko, dass ich zurückgebracht werden, auch das Risiko, dass ich hier als Illegaler aufhält bin, so hatte ich keine Wahl, dies mitzuteilen. Wenn die IPOB vor der nigerianischen Botschaft protestieren, dann schicken die Agenten mit Kameras und die fotografieren uns.

F: Wann waren Sie das letzte Mal vor der nigerianischen Botschaft?

A: Am 30.05. 2018

Sie gaben bei der Polizei an, dass Sie am 5. und 6. Oktober an einer Veranstaltung der IPOB teilgenommen hat und deshalb in Nigeria gesucht werden?

A: Bei den Veranstaltungen handelte es sich nicht um Proteste, sondern wir haben über den Genozid an den Biafra diskutiert. Sowohl wegen meiner Teilnahme an Protesten und der Zusammenkünfte, ich habe bei der Polizei gesagt, dass sie Agenten schicken mit Kameras.

Vorhalt: Laut Recherchen handelte es sich bei den Veranstaltungen am

5. Und 6. Oktober jeweils um eine private Veranstaltung, wie konnten da Agenten mit Kameras herumlaufen?

A: Die Agenten mit den Kameras waren nicht bei den beiden Veranstaltungen sondern bei den Protesten vor den Botschaften.

Vorhalt: Sie haben nie erwähnt, dass Sie an solchen Veranstaltungen teilgenommen hätten, obwohl Sie schon seit Juni 2015 in Österreich leben und ihren Angaben zufolge dadurch einer Gefahr ausgesetzt wären?

A: Können sie das wiederholen?

Anmerkung; Die Frage wird wiederholt

A: Weil mein Asylverfahren noch im Laufen war. Als ich herausfand, dass es abgeschlossen ist, was hätte ich tun sollen. Ich kann nicht illegal hier aufhältig sein. Es gibt auch das Risiko, dass ich nach einer Rückkehr ins Gefängnis komme.

F: Welches Beweismittel haben Sie auf dem ¿handy¿

Anmerkung: Der AW zeigt auf seinem Handy einen Mann, offensichtlich Afrikaner, der bei einer Zusammenkunft von anderen Afrikanern fotografiert.

F: Wo und wann wurde das aufgenommen?

A: Das war in Wien vor dem UN-Hauptquartier am 30. Mai 2017.

F: Warum sagen Sie jetzt sie wären ein Mitglied, und bei der Polizei gaben Sie noch an, dass Sie Koordinator der IPOB wären?

A: Koordinierer war ich 2014 in Nigeria in XXXX.

Vorhalt: Sie haben das aber nie erwähnt?

A: Das war nicht der Grund, warum ich Nigeria verlassen habe.

F: Gibt es noch weitere Gründe, die eine neuerliche Asylantragstellung rechtfertigen würden?

A: Es ist diese Sache mit IPOB und auch der Umstand, dass das erste Asylverfahren negativ ist. Der Asylgrund aus dem ersten Asylverfahren ist noch immer aufrecht.

F: Gibt es eine nachweisliche persönliche Bedrohung gegen Sie durch die nigerianische Regierung?

A: (AW zögert) Ich bin Mitglied von IPOB. Buhari hat ja gesagt, dass ja die Regierung für uns bereit ist. Sie werden uns töten. Ich stamme der Volksgruppe der IBO ab, ich stamme aus dem Südosten, wenn ich in Nigeria lande und werde ich angehalten und man wird feststellen, und Nachforschungen anstellen, ob ich IPOB bin,

F: Sie waren doch ihren Angaben zufolge schon zuvor Mitglied oder Koordinator der IPOB, und wären somit schon vorher der gleichen Gefahr ausgesetzt gewesen?

A: Damals haben wir noch keine offiziellen Kleider getragen und haben das an einem geheimen Orten gemacht.

F: Haben Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

A: Nein.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, neuerlich einen Asylantrag zu stellen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Haben sich mittlerweile ihre privaten Interessen bzw. ihre familiäre Situation geändert?

A: Seitdem bin ich deprimiert. Ich esse nicht einmal mehr, ich habe keine Heimat, ich bin nichts, ich bin ein Biafra.

[...]".

Am 12.11.2018 wurde der Beschwerdeführer im Beisein der Rechtsberatung neuerlich von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Begründend gab er im Wesentlichen an, dass er in Wien an mehreren Demonstrationen teilgenommen habe und dabei sei er fotografiert worden. Auf Vorhalt der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer im Mai 2018 an einer Demonstration teilgenommen hat, jedoch diesen Umstand niemals erwähnte, gab er wörtlich an:

"Keiner sagte es zu mir". Des Weiteren gab er an, nicht illegal in Österreich leben zu wollen, sein Anwalt habe ihn geraten einen neuen Asylantrag zu stellen.

Mit gegenständlich bekämpften Bescheid vom 16.11.2018, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 11.10.2018 hinsichtlich des Status des Beschwerdeführers (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurück. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 (zwei) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Mit Verfahrensanordnung vom 16.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit fristgerecht eingebrachtem Beschwerdeschriftsatz erhob der Beschwerdeführer vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Schriftsatz 23.11.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 03.12.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig und Staatsangehöriger Nigerias.

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig und ist daher auch erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer hat in Nigeria eine Schulausbildung absolviert.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte und über keine maßgeblichen sozialen oder integrativen Verfestigungen.

Der Beschwerdeführer spricht nicht qualifiziert Deutsch.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.06.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit dem Bescheid vom 27.07.2014, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft beträgt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.08.2018, Zl. I415 2168380-1/9E wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.06.2018 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 23.08.2018 in Rechtskraft. Dagegen erhob der Beschwerdeführer ein außerordentliches Rechtsmittel.

Der Beschwerdeführer kam seiner Rückkehrverpflichtung nicht nach.

Am 11.10.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 19.10.2018, Zl. E 3872/2018-4 wurde dem Antrag, der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.08.2018, Zl. I415 2168380-1/9E, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, er geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in seinem gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz keine neu entstandenen Fluchtgründe vorgebracht hat.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 16.11.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung eingetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 21.11.2016). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta (SBM 17.1.2017). Laut SBM Intel war Boko Haram im Jahr 2016 für 71 Vorfälle mit 1.240 Toten verantwortlich. Den Fulani-Hirten werden für das Jahr 2016 47 Vorfälle mit 1425 Toten zugeschrieben. Viehdiebstahl, welcher für viele Jahre an Bedeutung verloren hat, ist inzwischen für Hirten, die hauptsächlich von Fulani abstammen, ein Grund für Konflikte und Angriffe geworden. Bei zwölf Vorfällen von Viehdiebstahl sind 470 Menschen getötet worden. Die Ölkonflikte, die sich im Jahr 2016 im Nigerdelta zugetragen haben, haben sich auf die ölproduzierenden Bundesstaaten im Südwesten und Südosten verbreitet. Bei 32 Vorfällen wurden 97 Menschen getötet (SBM 17.1.2017).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 24.7.2017).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi und Gombe. Darüber hinaus wird auch von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten. Wegen des besonders hohen Entführungsrisikos wird außerdem von Reisen in die Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insb. Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom abgeraten (AA 24.7.2017). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie an die Grenze zu Niger im Bundesstaat Zamfara (UKFCO 24.7.2017).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia sowie an die Grenze zu Niger in Sokoto und Kebbi und die Trockengebiete von Delta, Bayelesa und Rivers (UKFCO 24.7.2017). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 24.7.2017).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 24.7.2017) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 21.11.2016).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2016 bis Juni 2017 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.097), Benue (754), Rivers (360), Zamfara (308) und Adamawa (201). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (3), Kebbi (7) und Sokoto (8) (CFR 2017). Laut OSAC besteht eine erhebliche terroristische Bedrohung vor allem in Nordnigeria. Boko Haram hat für die meisten terroristischen Aktivitäten die Verantwortung übernommen. In der gesamten Nigerdelta-Region greifen mehrere aufständische Gruppen gezielt die Infrastruktur und Mitarbeiter von internationalen Ölgesellschaften an. Viele Gebiete im südlichen Nigeria erleben aufgrund großer Armut, mangelnder Bildung, Jugendarbeitslosigkeit und bedeutender Inflation Unruhen verursacht durch Zivilisten (OSAC 4.7.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

CFR - Council on Foreign Relations (2017): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 25.7.2017

-

OSAC - Overseas Security Advisory Council (4.7.2017): Nigeria 2017 Crime and Safety Report - Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=21604, Zugriff 25.7.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

-

UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (24.7.2017): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 24.7.2017

Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. OP 22.6.2017).

Die Lage im Nigerdelta hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, ist aber noch nicht voll-ständig stabil und bleibt volatil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko, ebenso wie die Verschlechterung der ökologischen Grundlagen der Region (AA 4.2017c). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016). Die Delta Avengers haben mit ihren Angriffen aufgehört, um den Friedensgesprächen eine Chance zu geben. Allerdings hat sich eine neue Gruppe, die sich die "New Delta Avengers" nennen, gebildet (Reuters 14.6.2017; vgl. NW 29.6.2017). Der Vizepräsident, Yemi Osinbajo, hat dem Nigerdelta bereits mehrere Besuche abgestattet und sich dabei mit traditionellen Führern und lokalen Politikern getroffen, um die Lage zu besprechen (FT 9.4.2017).

Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 1.2017).

Von 2000 bis 2010 agierten im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Ölein-nahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen (AA 21.11.2016).

2009 gelang dem damaligen Präsidenten Yar'Adua mit dem Amnestieangebot für die Militan-ten im Niger-Delta eine Beruhigung des Konflikts. Unter Buhari lief das Programm am 15.12.2015 aus. Damit begannen wieder die Angriffe auf die Ölinfrastruktur und die Produkti-on brach ein. Die Regierung scheint vornehmlich auf eine militärische Lösung zu setzen (AA 21.11.2016). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt in letzter Zeit wieder an. Deshalb hat die Regierung Buhari im Februar 2016 beschlossen, das Ende 2015 ausgelaufene Am-nestieprogramm um weitere zwei Jahre bis 2017 zu verlängern (AA 4.2017a).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitä-ten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 21.11.2016). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta angegangen werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 24.8.2016

-

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FT - Financial Times (9.4.2017): Talks help crude and peace flow in the Niger Delta,

https://www.ft.com/content/8fc6b24c-152a-11e7-80f4-13e067d5072c, Zugriff 26.7.2017

-

N24 - News 24 (29.5.2016): Buhari to keep Delta amnesty programme, http://www.news24.com/Africa/News/buhari-to-keep-delta-amnesty-programme-20160529-2, Zugriff 26.7.2017

-

NT - Nigerian Tribune (9.7.2016): Operation Delta Safe gets new Coordinator,

http://tribuneonlineng.com/operation-delta-safe-gets-new-coordinator/, Zugriff 26.7.2017

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NW - Newsweek (29.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.newsweek.com/nigeria-oil-yemi-osinbajo-niger-delta-629964, Zugriff 26.7.2017

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NW - Newsweek (30.8.2016): Niger Delta Avengers say 'Hostilities ceased' against Nigerian Government, http://europe.newsweek.com/niger-delta-avengers-say-hostilities-ceased-against-nigerian-government-494387?rm=eu, Zugriff 2.8.2017

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OP - Oilprice.com (22.6.2017): Once Again, Tensions Are Rising In Nigeria's Oil Sector,

http://oilprice.com/Energy/Crude-Oil/Once-Again-Tensions-Are-Rising-In-Nigerias-Oil-Sector.html, Zugriff 25.7.2017

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PT - Premium Times (22.6.2016): Nigerian military scraps Niger Delta 'Operation Pulo Shield',

http://www.premiumtimesng.com/news/top-news/205761-nigerian-military-scraps-niger-delta-operation-pulo-shield.html, Zugriff 26.7.2017

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Reuters (14.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.reuters.com/article/nigeria-security-avengers-idUSL8N1J94QB, Zugriff 26.7.2017

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UKHO - UK Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection, and internal relocation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 26.7.2017

Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien ver-stärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel kompli-zierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen über-wiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiö-sen Gruppen, wie insbesondere zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria (AA 4.2017a). Während diese Gewalt gewöhnlich nicht als religiöser Konflikt beginnt, nimmt es häufig religi-öse Untertöne an und wird so von vielen Beteiligten als religiöser Konflikt wahrgenommen (USCIRF 26.4.2017). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015, IRIN 13.6.2017). Die Gründe, die für die Gewalt genannt werden, sind unter anderem Landstreitigkeiten, da Hirten Weideland für ihre Rinder suchen; bewaffnete Hirten, die sich vor Viehdiebstahl schützen wollen; und Fulani, die im Süden von Kaduna Rache für 500 Muslime, die bei Gewalt nach den Wahlen getötet wurden, ausüben (USCIRF 26.4.2017).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkom-men, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Einheimische" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwie-gend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimi-schen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015; IRIN 13.6.2017).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch (CWI 6.2016). Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zu Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016; vgl. IRIN 27.7.2017).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten ist im Jahr 2016 und Anfang 2017 angestiegen und hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt. Solche Angriffe wurden für Kaduna, Plateau, Bauchi, Taraba und Benue vermeldet. So wurden im März 2016 in Agatu Local Government Area, Benue zwischen 100-300 Menschen getötet und laut Berichten zu-folge mindestens sechs Dörfer zerstört (USCIRF 26.4.2017). Eine andere Quelle spricht von über 500 Toten. Insgesamt sind im Jahr 2016 bei 59 Vorfällen 1.895 Menschen getötet wor-den (SBM 7.1.2017).

Die Regierung hat es lange nicht geschafft auf diese Gewalt adäquat zu reagieren. Die Bun-despolizei wird selten eingesetzt, geschweige denn rechtzeitig. Die Regierung hat Polizei und Militär ins südliche Kaduna entsandt, um die Gewalt dort in den Griff zu bekommen. Jedoch gibt es Berichte, dass die Truppen sich nur bei den Hauptstraßen aufhielten und nicht weiter in die ländlichen Gebiete, wo es auch zu Gewalt kommt, vorgedrungen sind (USCIRF 26.4.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 26.7.2017

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CWI - 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Discrimination And Violence Along Religious Fault Lines,

http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 27.7.2017

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DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

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IRIN - IRIN News (13.7.2017): The deadly conflict tearing Nigeria apart (and it's not Boko Haram), https://www.irinnews.org/analysis/2017/06/13/deadly-conflict-tearing-nigeria-apart-and-it%E2%80%99s-not-boko-haram, Zugriff 27.7.2017

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KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria,

http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 27.7.2017

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SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

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USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

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WWR - World Watch Research (30.3.2015): Migration and Violent Conflict in Divided Societies, Non-Boko Haram violence against Christians in the Middle Belt region of Nigeria, https://www.worldwatchmonitor.org/wp-content/uploads/2015/07/Migration-and-Violent-Conflict-in-Divided-Societies-March-2015-1.pdf, Zugriff 27.7.2017

Nordnigeria - Boko Haram

In den ersten eineinhalb Jahren Amtszeit hat es Buhari geschafft, die Bedrohung durch Boko Haram (Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (USDOS 2.6.2016) weitgehend einzu-dämmen (AA 4.2017a). Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 4.2017a).

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Terri-torien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 19.7.2017). In den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yo-be und Adamawa kommt es weiterhin zu tödlichen Anschlägen der Islamisten; nur die Dis-triktzentren gelten als sicher (AA 21.11.2016).

Die von Boko Haram betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur gemeinsamen Be-kämpfung von Boko Haram verständigt (AA 4.2017a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 21.11.2016). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusi-chern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen, bleiben die Is-lamisten weiterhin aktiv (AA 4.2017). In den Bundesstaaten Adamawa und Borno gab es die meisten Anschläge (USDOS 19.6.2017). Boko Haram übte weiterhin Morde, Bombenan-schläge, Selbstmordanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus (USDOS 19.7.2017). Beim verheerendsten Angriff der Boko Haram seit Monaten sind in Nigeria min-destens 50 Menschen ums Leben gekommen, als ein Konvoi mit Mitarbeitern des staatlichen Ölkonzerns NNPC am 25.7.2017 im Nordosten des Landes in einen Hinterhalt geriet. Auch Soldaten und Mitarbeiter der Universität Maiduguri waren unter den Opfern. Der Konvoi wur-de nahe Magumeri im Bundess

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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