Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des RS in F, vertreten durch Dr. Walter Fleissner, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 22, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 17. Jänner 1997, Zl. Senat-WU-96-250, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom 11. Juli 1996 wurde der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung (kurz: BH) für schuldig befunden, er habe als Zulassungsbesitzer eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges trotz nachweislicher schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha, zugestellt am 19. Dezember 1995, keine Auskunft darüber erteilt, welche Person am 29. Dezember 1995 um 21.15 Uhr auf näher bezeichneten Straßenabschnitten das Fahrzeug gelenkt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 134 Abs. 1 in Verbindung mit § 103 Abs. 2 KFG 1967 begangen und es wurde über ihn eine Verwaltungsstrafe von S 30.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 720 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit einer mit 7. Oktober 1996 datierten Eingabe Berufung, in welcher er u.a. behauptete, ihm sei vom Postboten die Hinterlegungsanzeige für das betreffende Straferkenntnis am 23. September 1996 persönlich mit dem Vermerk in die Hand gegeben worden, der Postbote habe das Poststück nicht bei sich. Am selben Tag sei der Beschwerdeführer zum Postamt gegangen und habe die Sendung behoben. Es sei somit der 23. September 1996 der Tag, an dem der Beschwerdeführer zum ersten Mal Kenntnis von einem gegen ihn geführten Strafverfahren erlangt habe. Insbesondere sei eine Zustellung einer schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung oder Bekanntgabe des Lenkers an den Beschwerdeführer - wie im Spruch und der Begründung des Straferkenntnisses ausgeführt - niemals erfolgt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Jänner 1997 wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet eingebracht zurück. In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass das vorgenannte Straferkenntnis mittels RSb-Briefes am 4. September 1996 beim Postamt F. hinterlegt worden sei. Vom Beschwerdeführer sei in der Berufung eine Abwesenheit von der Abgabestelle nicht einmal behauptet worden. Zu den Ausführungen in der Berufung, der Beschwerdeführer habe erst am "13." (gemeint wohl: 23.) September 1996 erstmals vom Strafverfahren erfahren, sei festzuhalten, dass gemäß § 17 Abs. 4 Zustellgesetz die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig sei, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung von der Hinterlegung beschädigt oder entfernt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde,
über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 17 des Zustellgesetzes lautet:
"(1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
Der Beschwerdeführer wendet insbesondere die Verletzung des Parteiengehörs bezüglich der Annahme einer verspäteten Einbringung der Berufung ein. Die belangte Behörde habe festgestellt, dass das Straferkenntnis vom 11. Juli 1996 bereits am 4. September 1996 beim zuständigen Postamt F. hinterlegt worden sei. Dieses Ermittlungsergebnis der belangten Behörde sei dem Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens jedoch nie zur Kenntnis gebracht worden, weshalb der Beschwerdeführer hiezu auch nicht Stellung nehmen habe können. Insbesondere wendet der Beschwerdeführer ein, er hätte vorbringen können, zum Zeitpunkt der behaupteten Hinterlegung am 4. September 1996 bis einschließlich zum 23. September 1996 von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen zu sein (er habe sich urlaubsbedingt in der Türkei aufgehalten), weshalb eine etwaige Zustellung des Straferkenntnisses durch Hinterlegung nicht rechtswirksam sein habe können. Er habe die Abwesenheit von der Abgabestelle zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Straferkenntnisses am 4. September 1996 in der Berufung deshalb nicht behauptet, weil ihm der Umstand der Hinterlegung am 4. September 1996 nie von der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Berufungsfrist habe daher erst mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zukommens des Straferkenntnisses , sohin am 23. September 1996, zu laufen begonnen und am 7. Oktober 1996 geendet, weshalb die eingebrachte Berufung rechtzeitig gewesen sei.
Grundsätzlich hat die Berufungsbehörde das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung aber - wie im Beschwerdefall - dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 92/09/0156 m.w.N.).
Nach der Aktenlage wurde das Ergebnis der von der belangten Behörde ergänzend beim Postamt F. durchgeführten Ermittlungen dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht. Dies wird auch von der belangten Behörde in der erstatteten Gegenschrift nicht in Abrede gestellt. Allerdings vertritt die belangte Behörde den Standpunkt, das Parteiengehör sei schon deshalb nicht verletzt worden, weil der Beschwerdeführer "die mit 4. September 1997" (gemeint wohl: 4. September 1996) "datierte Verständigungsanzeige über die Hinterlegung des Schriftstückes" am 23. September 1996 selbst unterfertigt habe.
Der belangten Behörde ist aber in diesem Zusammenhang entgegenzuhalten, dass die Kopie der im Rahmen der Verwaltungsakten vorgelegten Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes ein nicht leserliches Datum bezüglich des Tages der Hinterlegung enthielt, welches offenbar erst nachträglich auf der Kopie mit blauem Schriftzeichen auf "4" (gemeint: 4. September 1996) ausgebessert wurde. Überdies blieb der vom Zusteller auszufüllende Rückschein - wie aus den Verwaltungsakten zu ersehen ist - in den maßgeblichen Spalten betreffend durchgeführten Zustellversuch, Verständigung über die Hinterlegung sowie Beginn der Hinterlegung gänzlich unausgefüllt. Offenbar nicht zuletzt deshalb sah sich die belangte Behörde zu ergänzenden Ermittlungen hinsichtlich des Tages der Hinterlegung beim Postamt F. im Zuge des Berufungsverfahrens veranlasst. Unter derartigen Umständen konnte aber die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Kenntnis vom Tag der Hinterlegung bereits aufgrund der ihm seinerzeit vom Postboten ausgehändigten Verständigung haben konnte bzw. haben hätte können, zumal der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung entschieden in Abrede gestellt hat, vom Zustellvorgang vor dem 23. September 1996 von der Post in Kenntnis gesetzt worden zu sein.
Zwar hat die belangte Behörde zur Frage, wann und ob überhaupt eine rechtswirksame Zustellung des Straferkenntnisses durch Hinterlegung erfolgt sei, ergänzende Ermittlungen gegenüber dem Postamt F. durchgeführt, doch hat sie es unterlassen, das Ergebnis dieser ergänzenden Ermittlungen dem Parteiengehör zu unterziehen. Der Beschwerdeführer rügt daher in diesem Zusammenhang zu Recht, dass der belangten Behörde insoweit ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen ist.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren für Beilagen war hinsichtlich eines Betrages von S 60,-- abzuweisen, weil für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nur die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (S 30,--) erforderlich war.
Wien, am 25. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997020109.X00Im RIS seit
20.11.2000