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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir RaumOG 1994 mit E v 28.11.96, G195/96 ua, und der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §15, §16 und §16a Tir RaumOG 1994 idF der Tir RaumOG-Nov 1996, LGBl 4, mit E v 12.03.97, G114/96 ua.Spruch
I. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides richtet, zurückgewiesen.
II. Die beschwerdeführenden Parteien sind durch Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzen in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung wurden zu Spruchpunkt I. die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien "betreffend Feststellungen über Freizeitwohnsitze gemäß §66 Abs4 Allgemeines Verfahrensgesetz (AVG) 1991 in Verbindung mit §16 Abs2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993 in der geltenden Fassung" als unbegründet abgewiesen. Weitere Berufungen wurden mit den Spruchpunkten II. und III. als unzulässig bzw. verspätet zurückgewiesen.
2. In ihrer gegen diesen Bescheid "seinem ganzen Umfange nach" gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erachten sich die beschwerdeführenden Parteien in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt und begehren die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Da die einzelnen Spruchpunkte des vorliegend bekämpften Bescheides keine untrennbare Einheit bilden, die nur zur Gänze bekämpft werden könnte (vgl. VfSlg. 12485/1990, 13175/1992), wären nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die beschwerdeführenden Parteien hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. nur dann beschwerdelegitimiert, wenn diese in ihre Rechtssphäre überhaupt eingreifen. Das ist hier jedoch offensichtlich nicht der Fall, sodaß die Beschwerde, insoweit die Berufungen Dritter zurückgewiesen wurden, zurückzuweisen war.
III. 1. Mit amtswegigem Beschluß
vom 27. Juni 1996, B1952/95, sowie über Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 B-VG das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einiger Bestimmungen des TROG 1994 in der Fassung der Kundmachungen LGBl. für Tirol 6/1995 und 68/1995 ein. Mit Erkenntnis vom 28. November 1996, G195/96 ua., hat er ausgesprochen, daß das TROG 1994 insoweit als verfassungswidrig aufgehoben wird, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996, derogiert wurde, und insoweit verfassungswidrig war, als ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996, derogiert wurde.
2. Über Antrag ua. des Verwaltungsgerichtshofes leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 B-VG das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen der 1. TROG-Novelle ein. Mit Erkenntnis vom 12. März 1997, G114/96 ua., hat er ausgesprochen, daß die §§15, 16 und 16a der 1. TROG-Novelle verfassungswidrig waren.
IV. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).
2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G195/96 ua. begann am 28. November 1996, jene zu G114/96 ua. am 28. Februar 1997. Die vorliegende Beschwerde ist bereits am 17. Juni 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig.
Nach dem Gesagten sind die Fälle daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.
3. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides das als verfassungswidrig befundene TROG 1994 (jedenfalls im Hinblick auf §118 TROG 1994) sowie die 1. TROG-Novelle an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.
Es ist daher auszusprechen, daß die beschwerdeführenden Parteien durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt wurden, sowie daß der Bescheid insoweit aufgehoben wird (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 14.6.1994, B376/94, 27.11.1995, B314/95).
V. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Streitgenossenzuschlag in Höhe von
S 7.500,-- und Umsatzsteuer in Höhe von S 4.500,-- enthalten. Kosten für Stempelmarken werden durch den Pauschalsatz abgegolten.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG bzw. §19 Abs3 Z2 lite leg.cit. ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B1925.1996Dokumentnummer
JFT_10029390_96B01925_00