TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 W173 2189083-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2189083-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid vom 29.1.2018 des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Grad der Behinderung 40 (vierzig) vH (von Hundert) beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Auf Grund des Antrages von Frau XXXX , (in weiterer Folge: BF) vom 2.10.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Von Dr. XXXX , FA für Orthopädie, wurde nach einer persönlichen Untersuchung der BF im Gutachten vom 19.1.2018 unter dem Punkt "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung" ein Gesamtgrad der Behinderung mit 30v.H. festgestellt. Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte - in weiterer Folge zusammengefasste -

Gutachten enthält auszugsweise Folgendes: "......................

Anamnese:

2016 Knietotalendoprothese links nach vielfachen Voroperationen mit Verdacht auf Infekt 10/2017 Spacer, 12/2017 neuerliche Knietotalendoprothese.

2005 Hüfttotalendoprothese rechts, 2015 OP Arthroskopie rechte Schulter mit SAD, CTS-OP beidseits

Derzeitige Beschwerden:

Das linke Knie ist sehr dick und heiß. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt. Die Beweglichkeit und Belastbarkeit an der rechten Schulter ist eingeschränkt. Die linke Hüfte kracht. Stiegen steigen ist recht schwierig, das Knie ist steif. Der Schienbeinbereich ist taub. Zeitweilig schmerzt das rechte Knie. Wenn ich viel stehe, dann habe ich Schmerzen im Kreuz.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Legalon, Magnosolv, Yomogi, Novalgin, Naprobene

Laufende Therapie: Physiotherapie

Hilfsmittel: 2 Unterarmstützkrücken für weitere 6 Wochen,

Sozialanamnese: Berufsberaterin

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

09/2017 MR linkes Knie beschreibt Zustand nach Knietotalendoprothese mit Gelenkserguss

03/2017 Rehabbericht Klinik XXXX nach Knietotalendoprothese links

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: altersentsprechend

Ernährungszustand: normal

Größe: 165,00 cm, Gewicht: 58,00 kg, Blutdruck: --

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, elastisch

Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Schultergürtel steht horizontal. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.

Rechte Schulter: Endlagenschmerz über der Horizontalen

Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit: Schultern S rechts 30-0-150, links 70-0-170, F rechts 110-0-40, links 170-0-50. Nacken- und Kreuzgriff sind rechts endlagig eingeschränkt, links frei. Ellbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.

Untere Extremitäten

Die Beinachse ist im Lot. Deutlich Muskelverschmächtigung am linken Ober- und Unterschenkel. Beinlänge rechts -1,5cm. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird streckseitig am linken Unterschenkel als fehlend, sonst als ungestört angegeben. Fußsohlenbeschwielung ist links herabgesetzt.

Freies Gehen im Untersuchungsraum ist wenige Schritte möglich.

Linkes Knie: Bogenförmige, reaktionslose Narbe streckseitig. Das Gelenk ist verplumpt, die Konturen sind verstrichen, das Gelenk ist insgesamt überwärmt. Die Streckung ist möglich.

Rechte Hüfte: unauffällige Narbe nach Totalendoprothese.

Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Am linken Beckenkamm blasse alte Narbe nach Spanentnahme.

Beweglichkeit:

Hüften S 0-0-95 beidseits, R (S 90°) 10-0-25 beidseits, Knie S rechts 0-0-135, links 0-0-90. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken sind horizontal. Im Lot. Brustkyphose und Lendenlordose sind jeweils etwas abgeflacht, zarte Rotationskomponente am thorakolumbalen Übergang. Lumbaler Hartspann, kein wesentlicher Druck- oder Klopfschmerz. ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Beweglichkeit:

HWS: 2/17, Seitwärtsneigen 15-0-15, Rotation nach rechts 60-0-70

BWS/LWS: FBA 0cm, Seitwärtsneigen und Rotation sind jeweils endlagig eingeschränkt.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt in knöchelhohen Schuhen zur Untersuchung, verwendet zwei Unterarmstützkrücken. Das Gangbild ist mäßig links hinkend. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt. Trägt einen Oberschenkelkompressionsstrumpf links. Im Untersuchungsraum ist Gehen ohne Stützkrücken möglich.

Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Knietotalendoprothese links nach vielfachen Voroperationen Fixer Rahmensatz

02.05.20

30

2

Hüfttotalendoprothese rechts, Coxarthrose links Unterer Rahmensatz dieser Position, da nur geringe Beweglichkeitseinschränkung bei gutem operativen Ergebnis

02.05.08

20

3

Geringe Beweglichkeitseinschränkung rechte Schulter Fixer Rahmensatz

02.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung

 

 

30v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden nicht erhöht wegen fehlender, wechselseitiger, ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: ---

X Dauerzustand,

.................................."

4. Mit Bescheid vom 29.1.2018 wurde der Antrag der BF vom 2.10.2017 abgewiesen. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung 30% erfülle sie die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 30% ergeben habe und einen Bestandteil der Bescheidbegründung bilde. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden daher nicht vorliegen.

5. Mit bei der belangten Behörde am 6.3.2018 eingelangten Schreiben erhob die BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.1.2018. Nach drei Knieprothesen-Operationen sei ihre Beweglichkeit sehr eingeschränkt. Beim linken Knie bestehe nach wie vor eine Schwellung. Es sei ständig stark erhitzt und ziehe sich ein Taubheitsgefühl bis in den Oberschenkel und bis ins Schienbein. Zusätzlich bestünden im rechten Knie beim Gehen, Sitzen und Liegen starke Schmerzen. Auf Grund der erhöhten Entzündungswerte könne eine Endoprothesen-Operation im rechten Knie nicht durchgeführt werden. Bedingt durch die viermonatige Antibiotikaeinnahme habe sie einen Darmkeim (Clostridium difficile). In der rechten Schulter sei die Beweglichkeit eingeschränkt. Taubheitsgefühle würden im linken und im rechten Unterarm/-hand auftreten. Die Obernackenmuskulatur sei stark verhärtet und die Wirbelsäule verkrümmt, sodass sie sich einer Schmerztherapie unterzogen habe. Im Blutbefund würden sich stark erhöhte Entzündungswerte zeigen. Es sei auch Rheuma festgestellt worden. Sie konsumiere Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente. Seit 2015 habe sich ihr Bewegungsapparat und ihr gesamter Gesundheitszustand verschlechtert. Seit 2004 habe sie eine 40%-ige Behinderung. Die Einstufung mit 30% sei für sie nicht nachvollziehbar. Sie beantrage daher eine neuerliche Untersuchung.

5. Auf Grund des Vorbringens der BF wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FA für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, der die BF persönlich untersuchte, eingeholt. Im Gutachten vom 23.7.2018 wurde Nachfolgendes ausgeführt:

"...........................

Vorgutachten: 15.1.2018 Dris XXXX

Vorgelegte, neue orthopädisch/unfallchirurgisch relevante Befunde:

Röntgen DZ Sochor 1 und 4/2018: KTEP links ohne Lockerungszeichen, geringe Varusgonarthrose rechts.

1/2018: Osteopenie.

Bericht Speising 12/2015: Reimplantation KTEP sin.

Mitgebrachtes Vorgutachten aus 1/2009 (Gonarthrose links 30%, Hüfte rechts 20% Wirbelsäule 30%, zusammen 40%).

Relevante Anamnese:

2005/6 HTEP rechts

12/2017 Reimplantation KTEP links, vorher Spacer nach septischem Verlauf und Ausbau der Komponenten. 2015 Schulter-Op rechts

Jetzige Beschwerden:

‚Das linke Knie ist immer noch geschwollen, nach einer Stunde ist das Knie ein

Ballon. Eine Szintigraphie kann man noch nicht machen. Die lange

Antibiotikatherapie hat mich mitgenommen, ob der Infekt ganz weg ist, kann niemand sagen.'

Medikation:Vimovo,Felden

Quick,Yomogi,TCM-präparate,Novalgin,Quantalan, Calcium. Rhizolocschiene linker Daumen.

Sozialanamnese:

Verheiratet, ein Kind; Trainingscoach

Allgemeiner Status:

164 cm große und 57 kg schwere Frau in gutem Allgemein- und Ernährungszustand. Thorax symmetrisch.

Relevanter Status:

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 45-0-35, F 10-0-10, KJA 2 cm, Reklination 18 cm Normale Brustkyphose, BWS-drehung 20-0-20, Schober Zeichen 10/ 15 cm,

FKBA 20 cm, Seitneigung bis 5 cm ober Patella.

Obere Extremitäten:

Schultern in S rechts 40-0-165 zu links 50-0-180, F rechts 165-0-50 zu links 180-0-50, R rechts 70-0-70 zu links 80-0-80, Ellbögen 0-0-135, Handgelenke 60-0-60, Faustschluss beidseits möglich.

Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke in S rechts 0-0-100 zu links 0-0-110, F rechts 35-0-30 zu links 40-0-30, R rechts 25-0-10 zu links 30-0-15, Kniegelenke in S rechts 0-0-140 zu links 0-0-125, links verdickt ohne relevanten Erguss, keine Rötung, geringe Überwärmung.

Sprunggelenke 15-0-50.

Gangbild/Mobilität:

Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe gut möglich. Zehenspitzen- und Fersenstand möglich.

BEURTEILUNG

Ad 1.1) Da die BF ein vom SMS erstelltes Gutachten mitbrachte, was dem

Vorgutachter nicht vorlag, ergibt sich ein anderes Kalkül.

Das Hüft- Knie und Schulterleiden wurde vom Vorgutachter korrekt eingestuft, der EVO entsprechend. Das Knieleiden wurde wegen des komplizierten Verlaufes höher als es der Beweglichkeit geschuldet wäre, eingeschätzt.

Adl.1.2.)1 Knietotalendoprothese links nach vielfachen 02.05.20 30%

Voroperation, Reimplantation nach Infekt

Fixer Rahmensatz und Wahl der Position, da zwar bessere Beweglichkeit,

aber noch Schwellneigung und Belastungseinschränkung-

2)degenerative Wirbelsäulenveränderungen 02.01.02 30%

Unterer Rahmensatz, da ungestörte periphere Sensomotorik

Wahl der Position, da Funktionsdefizit Halswirbelsäule

3)Hüftendoprothese rechts, Coxarthrose links 02.05.08 20%

Unterer Rahmensatz, da sehr gutes Operationsergebnis mit geringen

Einschränkungen-

4)Funktionsdefizit rechte Schulter, Zustand nach 02.01.06 10%

Supraspinatussehnenriß und Eingriff

Fixer Rahmensatz; Wahl der Position, da nur geringes-

Funktionsdefizit

Ad 1.3) Der Grad der Behinderung beträgt 40%, da das Leiden 1 durch das Leiden 2 wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht wird. Leiden 3 und 4 erhöhen wegen mangelnder funktioneller Relevanz nicht weiter.

Ad1.4) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

Adl.5) Der GdB ist ab 1/2018 anzunehmen.

........................"

6. Das Gutachten vom 23.7.2018 wurde vom Bundesverwaltungsgericht unter Einräumung einer zweiwöchigen Stellungnahmefrist dem Parteiengehör unterzogen. Die BF sah von einer Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1.Am 2.10.2017 stellte die BF einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Es wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Gutachten von Dr. XXXX , FA für Orthopädie, eingeholt. Im Zuge der persönlichen Untersuchung wurde das oben wiedergegebene Gutachten vom 19.1.2018 erstellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 30.v.H festgestellt. Dieser beruhte auf folgenden Leiden:

1. Knietotalendoprothese links nach vielfachen Voroperationen, (Pos.Nr. 02.05.20 - 30% GdB), 2. Hüfttotalendoprothese rechts, Coxarthrose links (Pos.Nr. 02.05.08 - 20% GdB), und 3. Geringe Beweglichkeitseinschränkung rechte Schulter (Pos.Nr. 02.06.01 - 10% GdB). Das führende Leiden wurde durch die übrigen Leiden wegen fehlender ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht. Auf Grund dieses Gutachtens wurde mit Bescheid vom 29.1.2018 der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses wegen eines Gesamtgrades der Behinderung 30% abgewiesen. Dagegen erhob die BF Beschwerde.

1.2. Vom Bundesverwaltungsgericht wurde das oben wiedergegebene ergänzende medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FA für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 23.7.2018 eingeholt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% festgestellt. Dabei wurden folgende Leiden berücksichtigt: 1. Knietotalendoprothese links nach vielfachen Voroperationen, Reimplantation nach Infekt (Pos.Nr. 02.05.20 - GdB 30%), 2. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen (Pos.Nr. 02.01.02. - GdB 30%), 3. Hüftendoprothese rechts, Coxarthrose links (Pos.Nr. 02.05.08 - GdB 20%) und 4. Funktionsdefizit rechte Schulter, Zustand nach Supraspinatussehnenriß und Eingriff (Pos.Nr. 02.01.06 - GdB 10%). Das Leiden 1 wurde wegen der ungünstigen wechselseitigen Leidensbeeinflussung durch das Leiden 2 um eine 1 Stufe auf 40% erhöht. Die weiteren Leiden (3-4) erhöhten wegen mangelnder funktioneller Relevanz nicht. Es wurde von einem Dauerzustand ausgegangen.

1.3. Der Gesamtgrad der Behinderung der BF beträgt 40%. Die BF erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben auszugsweise wiedergegebene, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte schlüssige Sachverständigengutachten vom 23.7.2018 (Dr. XXXX ) verwiesen. Basis für die Einschätzung der Leiden der BF war die Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010.

Der genannte medizinische Sachverständige hat die BF persönlich untersucht und ist auf die Art der Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den Leiden der BF und den vor ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen auseinander. Dr. XXXX berücksichtigte zusätzlich die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und ging auf Grund des Vorbringens der BF in der Beschwerde auf ihre Leiden ausführlich und umfassend ein. Die festgestellten Funktionseinschränkungen stimmen mit den Untersuchungsergebnissen überein und sind den einzelnen Positionen der Einschätzungsverordnung nachvollziehbar zugeordnet.

Für das führende Leiden mit der Knietotalendoprothese links nach vielfachen Voroperationen und Reimplantation nach Infekt (Pos.Nr. 02.05.20 - GdB 30%) ist der fixe Rahmensatz mit der genannten Position heranzuziehen, da eine bessere Beweglichkeit aber noch eine Schwellneigung und Belastungseinschränkung vorliegen. Die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen (Pos.Nr. 02.01.02- GdB 30%) als Leiden 2 entspricht dem unterem Rahmensatz, da eine ungestörte periphere Sensomotorik besteht. Für die Hüftendoprothese recht und die Coxarthrose links (Pos.Nr. 02.05.08 - GdB 20%) als Leiden 3 ist der untere Rahmensatz maßgebend, da ein sehr gutes Operationsergebnis mit geringen Einschränkungen vorliegt. Das Leiden 4 in Form eines Funktionsdefizits der rechten Schulter mit dem Zustand nach einem Supraspinatussehnenabriß und einem Eingriff (Pos.Nr. 02.01.06. - GdB 10%) entspricht dem fixem Rahmensatz mit einem geringen Funktionsdefizit. Schlüssig erläutert der Sachverständige im Gutachten vom 23.7.2018, warum das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 erhöht wurde, während die Leiden 3 bis 4 nicht erhöhten.

Diese Einschätzungen des genannten Gutachters sind schlüssig begründet und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen der BF. Die BF hat auch gegen das schlüssige Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FA für Orthopädie, vom 23.7.2018, das ergänzend vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt und dem Parteiengehör unterzogen wurde, keinen aussagekräftigen medizinischen Befund oder ein medizinisches Gutachten mehr vorgelegt. Vielmehr hat die BF von einer Stellungnahme abgesehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Die beigezogenen medizinischen Sachverständigen haben die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Aufgrund der Einwendungen in der Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Darin setzte sich zuletzt auch noch einmal der ärztliche Sachverständige Dr. XXXX , FA für Orthopädie, eingehend aus medizinischer Sicht mit dem Vorbringen und den Leiden der BF auseinander. Die BF ist den schlüssigen abschließenden Ausführungen des genannten Sachverständigen im Gutachten vom 23.7.2018 nicht mit neuen aussagekräftigen Befunden oder einem Sachverständigengutachten im Rahmen des ihr durch das Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0033).

Das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß von 40% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, welches Ausmaß die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF erreichen und ob dieses für die Ausstellung eines Behindertenpasses hinreichend ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2.Zu Spruchpunkt B) (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W173.2189083.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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