TE Bvwg Beschluss 2018/10/23 W209 2207101-1

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Veröffentlicht am 23.10.2018
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Entscheidungsdatum

23.10.2018

Norm

AuslBG §12b
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W209 2207101-1/3E; W209 2207102-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Benjamin NADLINGER und Philipp KUHLMANN als Beisitzer in der Beschwerdesache der XXXX , XXXX , XXXX , und der XXXX , XXXX , XXXX , beide vertreten durch LEITNER Wirtschaftsrechtskanzlei, Billrothstraße 6/4-5, 1190 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Korneuburg vom 29.06.2018, GZ: 08114/ABB-Nr. 3924320, betreffend Nichtzulassung der XXXX zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG nach Beschwerdevorentscheidung vom 03.09.2018, GZ: 08114/ABB-Nr. 3935393, beschlossen:

A)

Die Beschwerdevorentscheidung wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zu Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden die Erstbeschwerdeführerin), eine am XXXX geborene argentinische Staatsangehörige, stellte am 13.04.2018 beim Magistrat der Stadt Salzburg einen Antrag auf Rot-Weiß-Rot-Karte als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG. Laut der dem Antrag angeschlossenen Arbeitgebererklärung soll sie bei der XXXX (im Folgenden die Zweitbeschwerdeführerin) im Bereich "Hotellerie, Reiseleitung, Betreuung ausländischer Gäste" mit einem monatlichen Bruttolohn von € 3.078,00 im Ausmaß von 40 Wochenstunden unbefristet an einem Arbeitsplatz im eigenen Betrieb beschäftigt werden. Dem Antrag angeschlossen waren noch eine Reisepasskopie, ein Abiturdiplom mit pädagogischer Fachrichtung der Höheren Schule "

XXXX " in XXXX (Argentinien), ausgestellt im Dezember 1993, ein Lebenslauf, ein Goethe-Zertifikat A2 sowie zahlreiche argentinische Arbeitszeugnisse der Erstbeschwerdeführerin. In der Arbeitgebererklärung wurde die Frage "Vermittlung von Ersatzkräften erwünscht?" mit "Nein" beantwortet und als Grund hierfür angegeben, dass bereits intensiv nach einer geeigneten Arbeitskraft gesucht worden sei, jedoch keine geeigneten Ersatzkräfte gefunden worden seien, die einerseits über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen bzw. flexibel genug seien, andere Standorte ( XXXX , Ungarn) zu betreuen bzw. zu bereisen.

2. Am 25.05.2017 informierte die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) die Erstbeschwerdeführerin darüber, dass aus dem vorgelegten Abiturdiplom mit pädagogischer Fachrichtung nicht ersichtlich sei, wie lange das Studium gedauert habe und welcher österreichische Studienabschluss dieser Ausbildung entspreche. Es werde ersucht, diesbezüglich ein ENIC NARIC-Gutachten des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vorzulegen. Darüber hinaus seien auch keine Qualifikationsnachweise im Bereich der Hotellerie und Gastronomie bzw. des Tourismus vorgelegt worden. Auch schriftliche Nachweise über die Ausübung der Tätigkeit als Pädagogin lägen nicht vor. Dazu werde angemerkt, dass die Anerkennung allfälliger vorhandener ausbildungsadäquater Tätigkeiten als Pädagogin erst nach erfolgter Beurteilung und allfälliger Anerkennung der Ausbildung erfolgen könne. Die Erstbeschwerdeführerin werde darüber hinaus ersucht, einen Auszug aus der Sozial-/Pensionsversicherung mit den dort gespeicherten Dienstverhältnissen und/oder (wenn vorhanden) ein Arbeitsbuch vorzulegen. Das vorgelegte Diplom des Goethe-Instituts Buenos Aires vom 11.11.2013 sei nicht aktuell, weswegen auch für die dort ausgewiesenen Sprachkenntnisse der Erstbeschwerdeführerin keine Punkte angerechnet werden könnten. Da der Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihres Alters keine Punkte mehr angerechnet werden könnten, sei zusammenfassend festzustellen, dass derzeit 0 Punkte gemäß Anlage C zur Anrechnung gelangen.

In einem weiteren Schreiben vom selben Tag wurde die Zweitbeschwerdeführerin darüber in Kenntnis gesetz, dass eine Rot-Weiß-Rot Karte für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1 AuslBG nur dann erteilt werden könne, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulasse, und sie sodann ersucht, einen dem Schreiben angeschlossen Vermittlungsauftrag bis 08.06.2018 ausgefüllt zu retournieren.

3. In der Folge legte die Zweitbeschwerdeführerin Dienstzeugnisse betreffend die Tätigkeit der Erstbeschwerdeführerin als Grundschullehrerin im Zeitraum von 1998 bis 2009 und ein aktuelles ÖSD-Zertifikat A2 der Erstbeschwerdeführerin sowie den ausgefüllten Vermittlungsauftrag vor.

4. Mit Bescheid vom 29.06.2018 wies das AMS die Zulassung der Erstbeschwerdeführerin nach Anhörung des Regionalbeirates gemäß § 12b Z 1 AuslBG ab und begründete dies damit, dass ihr lediglich 15 Punkte für ihre Sprachkenntnisse gemäß Anlage C angerechnet werden könnten und daher die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 50 nicht erreicht werde. Für die Ausbildung der Erstbeschwerdeführerin zur Grundschullehrerin/Lehrkraft mit pädagogischer Fachrichtung könnten keine Punkte angerechnet werden, da die Ausbildung keine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich Hotellerie und Gastronomie darstelle. Die vorgelegten Dienstzeugnisse im Bereich der Hotellerie und Gastronomie könnten nicht als Nachweis für eine "ausbildungsadäquate Berufserfahrung" herangezogen werden, weil die Erstbeschwerdeführerin keine Qualifikationsnachweise in diesem Bereich vorgelegt habe. Schließlich habe die Erstbeschwerdeführerin bereits das 53. Lebensjahr vollendet, weswegen auch für ihr Alter keine Punkte mehr angerechnet werden könnten.

5. Dagegen erhoben sowohl die Erst- als auch die Zweitbeschwerdeführerin seitens ihres bevollmächtigten Rechtsvertreters binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die zusammengefasst damit begründet wird, dass das AMS zu Unrecht keine Punkte für die ausbildungsadäquate Berufserfahrung der Erstbeschwerdeführerin vergeben habe, weil es ohne weitere Ermittlungen offenbar davon ausgegangen sei, dass die vorgelegten Nachweise keine Tätigkeiten im Tourismus betreffen würden, obwohl die Erstbeschwerdeführerin seit 18.04.2018 an einem Hotelstandort der Zweitbeschwerdeführerin in Ungarn beschäftigt sei. Die Zweitbeschwerdeführerin suche schon längere Zeit nach einer Person, die die Qualifikationen der Erstbeschwerdeführerin erfülle. Bisher habe sich niemand für eine Tätigkeit in einem der Hotelstandorte der Zweitbeschwerdeführerin beworben, auch nicht über Vermittlung des AMS. Zudem habe das AMS im Zuge eines ersten Antrages der Erstbeschwerdeführerin auf Zulassung als sonstige Schlüsselkraft bei der Zweitbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 22.10.2013 in der Kategorie ausbildungsadäquate Berufserfahrung 10 Punkte vergeben. Das AMS sei an diese Beurteilung rechtlich gebunden, weil sich weder die rechtlichen noch die tatsächlichen Voraussetzungen geändert hätten. Bei richtiger rechtlicher Würdigung würde die Erstbeschwerdeführerin somit die Mindestpunkteanzahl von 50 erreichen. Da ihr auch ein ausreichend hohes monatliches Bruttoentgelt in Aussicht gestellt worden sei, lägen alle Voraussetzungen für die Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG vor. Angeschlossen war der Beschwerde eine Bestätigung von ENIC NARIC Austria vom 07.07.2018, wonach der Abschluss der Höheren Schule " XXXX " die allgemeine Universitätsreife vermittle.

6. Mit Parteiengehör vom 03.09.2018 teilte das AMS der Erstbeschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters mit, dass für die allgemeine Universitätsreife keine Punkte angerechnet werden könnten, da der bloße Nachweis einer allgemeinen Universitätsreife ohne einschlägige Fachausbildung im Sinne der Zielsetzung der Regelung des § 12b Z 1 AuslBG ebenso wenig ausreichend sei wie der Abschluss eines Studiums mit 3-jähriger Mindestdauer, in dem keine der auszuübenden Tätigkeiten entsprechende Qualifikation erworben wurde. Darüber hinaus seien auch keine weiteren Qualifikationsnachweise - insbesondere im Bereich der Hotellerie und Gastronomie - vorgelegt worden. Aufgrund der vorhandenen Unterlagen könnten daher keine Punkte für das Kriterium Qualifikation angerechnet werden. Aus den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Nachweisen über die Tätigkeit der Erstbeschwerdeführerin als Grundschullehrerin lasse sich ebenfalls keine ausbildungsadäquate Berufserfahrung ableiten. Somit könnten lediglich 15 Punkte aufgrund des vorliegenden ÖSD-Zertifikats A2 vergeben werden. Die Zeitbeschwerdeführerin habe über Aufforderung des AMS einen Vermittlungsauftrag für die berufliche Tätigkeit "Reiseleitung, Betreuung ausländischer Gäste" übermittelt, dem zu entnehmen sei, dass für die zu besetzende Stelle eine pädagogische Ausbildung samt pädagogischer Erfahrung, ein Maturaabschluss, Erfahrungen in der Hotellerie und diverse Fremdsprachenkenntnisse, darunter Portugiesisch, erforderlich seien. Diese Anforderungen entsprächen nicht der in Aussicht genommenen Beschäftigung. Darüber hinaus liege auch kein Nachweis über portugiesische Sprachkenntnisse vor. Die vorliegende Gewerbeberechtigung der Zweitbeschwerdeführerin im Bereich Hotellerie und Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen decke sich nicht mit der in Aussicht genommenen Tätigkeit der Erstbeschwerdeführerin, weswegen davon auszugehen sei, dass das angegebene Anforderungsprofil in den betrieblichen Notwendigkeiten keine Deckung finde. Zudem habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich lediglich zwei vollversicherte Angestellte, darunter die Prokuristin der Zweitbeschwerdeführerin, beschäftige. Es sei fraglich, wie mit einer derart geringen Anzahl von Beschäftigten die Führung von drei Hotels in Niederösterreich möglich sei. Binnen der gewährten einwöchigen Frist für eine allfällige Äußerung langte keine Stellungnahme beim AMS ein.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2018 wurde die Beschwerde sodann im Wesentlichen mit der zuvor bereits im Parteiengehör vom 03.09.2018 geäußerten Begründung abgewiesen.

8. Aufgrund eines rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages legte das AMS die Beschwerde am 05.10.2018 einlangend unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin, eine XXXX geborene argentinische Staatsangehörige, verfügt über einen Schulabschluss mit pädagogischer Fachrichtung der Höheren Schule " XXXX " in XXXX (Argentinien), der die allgemeine Universitätsreife vermittelt.

Sie verfügt über Berufserfahrung als Fremdenführerin, Reiseleiterin bzw. Sekretärin und Mitarbeiterin im Kundendienst und Empfang, über eine mehr als zehnjährige Berufserfahrung als Pädagogin (Grundschullehrerin) und über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER).

Die Erstbeschwerdeführerin soll von der Zweitbeschwerdeführerin an verschiedenen Hotelstandorten der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich (und Ungarn) als Reiseleiterin und Betreuerin von ausländischen Gästen beschäftigt werden und dafür eine Entlohnung von € 3.078,00 brutto monatlich zusätzlich Sonderzahlungen erhalten.

2. Beweiswürdigung:

Die Erlangung der allgemeinen Universitätsreife aufgrund des genannten Schulabschlusses ergibt sich aus der von der Erstbeschwerdeführerin eingeholten Bestätigung von ENIC NARIC Austria.

Die erlangte Berufserfahrung ergibt sich aus den von der Erstbeschwerdeführerin vorgelegten unbedenklichen Dienstzeugnissen.

Die beabsichtigte Tätigkeit für die Zweitbeschwerdeführerin unter den angegebenen Bedingungen ergibt sich aus dem von der Zweitbeschwerdeführerin vorgelegten Vermittlungsauftrag.

Die Deutschkenntnisse wurden durch ein ÖSD-Zertifikat A2 nachgewiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des AuslBG lauten:

§ 12b in der Fassung BGBl. I Nr. 66/2017:

"Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen

§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

2. [...]

und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Bei Studienabsolventen gemäß Z 2 entfällt die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall.

Anlage C in der Fassung BGBl. I Nr. 25/2011:

Anlage C

Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1

Tabelle kann nicht abgebildet werden

§ 20d in der Fassung BGBl. I Nr. 66/2017:

"Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine "Blaue Karte EU" und ausländische Künstler den Antrag auf eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung

1. als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12

2. als Fachkraft gemäß § 12a,

3. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,

4. als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),

5. als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine "Blaue Karte EU") oder

6. als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) bis (4) [...]"

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn diese notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Im gegenständlichen Fall erweist sich die bekämpfte Beschwerdevorentscheidung in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über die allgemeine Universitätsreife, wofür ihr 25 Punkte in der Kategorie "Qualifikation" gemäß Anlage C zum AuslBG zuerkannt werden können. Der Ansicht des AMS, dass der Nachweis einer allgemeinen Universitätsreife ohne einschlägige Fachausbildung im Rahmen der Anlage C nicht zu berücksichtigen ist, ist nicht zu folgen, da sie der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht, der zufolge die Bestimmung des § 12b Z 1 AuslBG (im Gegensatz zur Bestimmung des § 12a AuslBG) nicht auf eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung abstellt, sondern ausbildungsrelevante Umstände ausschließlich im Rahmen der in Anlage C angeführten Kriterien bei der Ermittlung der Mindestpunktezahl (allenfalls) zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0104).

Aufgrund der zu berücksichtigenden Ausbildung gebühren der Erstbeschwerdeführerin auch in der Kategorie "ausbildungsadäquate Berufserfahrung" der Anlage C aufgrund ihrer mehr als zehnjährigen Berufserfahrung als Pädagogin (Grundschullehrerin) 10 Punkte. Dass die "ausbildungsadäquate Berufserfahrung" in einem fachlichen Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Beschäftigung stehen muss, lässt sich dem Wortlaut nach nur in der Kriterien-Kategorie "abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung" ableiten. Zudem wird mit der allgemeinen Universitätsreife keine einschlägige Berufsausbildung vermittelt, weswegen das Abstellen auf einen Zusammenhang zwischen ausbildungsadäquater Berufserfahrung und in Aussicht genommener Beschäftigung zu dem Wertungswiderspruch führen würde, dass trotz Punktevergabe für die allgemeinen Universitätsreife die jeweilige ausbildungsadäquate Berufserfahrung (Tätigkeit auf Maturaniveau) niemals zur Anrechnung käme, was jedoch so weder in der Anlage C noch in den Erläuterungen dazu (vgl. RV 1077 BlGNR 24. GP S, 11 ff.) zum Ausdruck kommt. Letzteren ist zu entnehmen, dass mit den Regelungen des § 12 ff. AuslBG - angelehnt an die erfolgreichen Zuwanderungsmodelle anderer Staaten - eine flexiblere, mit personenbezogenen und arbeitsmarktpolitischen Kriterien kombinierte Neuzuwanderung jener qualifizierter Arbeitskräfte ermöglicht werden soll, die bei einer längerfristigen Beobachtung der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung sowie unter Berücksichtigung der schulischen und betrieblichen Ausbildungsmaßnahmen nicht aus dem vorhandenen Arbeitskräftepotenzial rekrutiert werden können und zur Sicherung bestehender und zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze notwendig sind. Im Hinblick darauf, dass die "erfolgreichen Zuwanderungsmodelle anderer Staaten" (gemeint wohl USA, Kanada, Australien) zum Zeitpunkt der Novelle durchwegs keinen Konnex zwischen Ausbildung und einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung vorsahen, sondern auf das "Potenzial" von potentiellen Einwanderern an sich abstellten (vgl. Margret Karsch, Qualifizierte Zuwanderung, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Jänner 2010,

https://www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie/bevoelkerungsdynamik/faktoren/qualifizierte-zuwanderung.html), ist davon auszugehen, dass dies auch bei der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung der Fall ist.

Schließlich bestehen auch keine Zweifel, dass die in der Kategorie Sprache der Anlage C geforderten Englischkenntnisse nicht mit der in Aussicht genommenen Beschäftigung im Zusammenhang stehen müssen, um dafür Punkte zu erhalten. Wieso dies ausgerechnet bei der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung entgegen dem Wortlaut der Anlage C der Fall sein soll, ist nicht ersichtlich.

Zu berücksichtigen ist zudem auch, dass bereits durch das Erfordernis eines Mindestentgelts iHv 50 bzw. 60 v.H. der monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage und das gemäß § 12b Z 1 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG vorgesehene Ersatzkraftstellungsverfahren (gemäß § 4b AuslBG) sichergestellt ist, dass nur Schlüsselkräfte angeworben werden, die über die konkret benötigten Qualifikationen verfügen. Allfälligen Missbräuchen kann im Wege des § 20d Abs. 2 2. und 3. Satz AuslBG iVm § 28 Abs. 6 NAG begegnet werden.

Schließlich stellt auch das Migrationsportal der Österreichischen Bundesregierung (http://migration.gv.at) beim "Punkterechner" für sonstige Schlüsselkräfte in der Kategorie ausbildungsadäquate Berufserfahrung auf die "Berufserfahrung im Fachgebiet" ab.

Für die Deutschkenntnisse der Erstbeschwerdeführerin sind, wie auch das AMS bereits festgestellt hat, aufgrund des vorliegenden Sprachnachweises 15 Punkte zu vergeben.

Damit verfügt die Erstbeschwerdeführerin über 50 von 50 erforderlichen Punkten gemäß Anlage C und damit die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zulassung als (sonstige) Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG.

Die Bereitschaft, zwecks Arbeitsmarktprüfung iSd § 4b AuslBG an einem Ersatzkraftverfahren mitzuwirken, wurde seitens der Zweitbeschwerdeführerin schließlich mit der Vorlage eines Vermittlungsauftrages dokumentiert.

Auch die Bereitschaft, eine § 12b Z 1 AuslBG entsprechende Mindestentlohnung (für über 30-Jährige) zu gewähren, steht fest.

Sonstige Ausschlussgründe wurden seitens des AMS nicht behauptet und sind auch auf Grund der Aktenlage nicht evident. Soweit das AMS mit dem Hinweis, dass die Zweitbeschwerdeführerin an drei Hotelstandorten in NÖ nur über zwei vollversicherte Angestellte, darunter die Prokuristin der Zweitbeschwerdeführerin, verfügt, wird nicht konkret dargelegt, inwiefern dies nach Ansicht des AMS der Zulassung der Erstbeschwerdeführerin entgegenstünde.

Gemäß § 12b AuslBG ist vor der Zulassung zu einer Beschäftigung als sonstige Schlüsselkraft eine Arbeitsmarktprüfung gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 4b leg.cit. (Ersatzkraftstellungsverfahren) durchzuführen.

Die Prüfung der Arbeitsmarktlage erübrigt sich nur dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft begründungslos abgelehnt wird (VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0094, mwN).

Dies ist gegenständlich nicht der Fall. Wenn das AMS - wie im vorliegenden Fall - vermeint, dass das Anforderungsprofil überzogen ist, so muss es dennoch eine Prüfung der Arbeitsmarktlage durchführen und gegebenenfalls der zweitbeschwerdeführenden Arbeitgeberin Arbeitssuchende, die nach Meinung des AMS fähig und bereit sind, den von der Arbeitgeberin zu besetzenden Arbeitsplatz zu den angebotenen Bedingungen auszufüllen, namhaft machen. Erst dann kann rechtlich einwandfrei beurteilt werden, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich kein Interesse an einer solchen Vermittlung hat (vgl. VwGH 24.01.2014, Zl. 2013/09/0070, mwN).

Durch die Unterlassung eines Ersatzkraftstellungsverfahrens hat die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nur sehr unzureichend festgestellt und damit keine für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden "brauchbaren Ermittlungsergebnisse" geliefert, was das Bundesverwaltungsgericht dazu berechtigt, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/09/0103).

Bei diesem Ergebnis konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, es an einer solchen Rechtsprechung fehlt oder die vorhandene Rechtsprechung uneinheitlich ist.

Vorliegend fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der im gegenständlichen Fall entscheidungswesentlichen Frage, ob für die Berufserfahrung einer (sonstigen) Schlüsselkraft im Sinne des § 12b Z 1 AuslBG in der Kategorie "ausbildungsadäquate Berufserfahrung" der Anlage C Punkte zu vergeben sind, wenn die Ausbildung (Matura, Hochschulstudium), die dieser Berufserfahrung zugrunde liegt, fachlich nicht der in Aussicht genommenen Beschäftigung entspricht.

Die Revision ist somit zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Ersatzkraft, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Revision zulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W209.2207101.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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